Das Baby verstehen. Frühprävention durch Förderung der elterlichen Kompetenz
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- Hilko Hofer
- vor 7 Jahren
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1 Das Baby verstehen Frühprävention durch Förderung der elterlichen Kompetenz Die Geburt eines Kindes stellt einen tief greifenden Einfluss auf das Leben eines Paares dar. Neben der Bewältigung vielfältiger Veränderungen bedeutet die Versorgung und Betreuung des Babys, die Befriedigung seiner Bedürfnisse und Förderung seiner Entwicklung eine besondere Herausforderung für die Eltern. Das Baby verstehen bezeichnet ein Frühpräventionsprogramm, mit dessen Hilfe Eltern in ihrer Feinfühligkeit den Signalen des Babys gegenüber gefördert werden. Es wurde durch eine Kooperation des Universitätsklinikums Heidelberg (Psychosomatische Kooperationsforschung und Familientherapie; Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. M. Cierpka) und der in Bensheim ansässigen Karl Kübel Stiftung für Kind und Familie entwickelt. In Kursform wird die Wahrnehmung und das Verständnis kindlicher Verhaltensweisen (Mimik, Gestik, Anspannung, Lautäußerungen etc.) geschult, um den frühen Beziehungsaufbau zwischen Eltern und Baby zu unterstützen und Grundkompetenzen zur Herstellung einer überwiegend sicheren Bindung zu vermitteln. Im Workshop wird das Konzept vorgestellt und ein Einblick in eine der insgesamt fünf Kurssitzungen gegeben. Der Titel Das Baby verstehen bezeichnet ein Frühpräventionsprogramm, das an der Abteilung Familientherapie des Uniklinikums HD mit der finanziellen Unterstützung der in Bensheim ansässigen KKS für Kind und Familie erarbeitet wurde. Bei diesem Programm geht es vordergründig um elterliche Empathie einem Baby gegenüber. Diese ist jedoch auch eine Voraussetzung dafür, dass sich beim Kind eine Fähigkeit zur Empathie entwickeln kann. Das Konzept für dieses Programm möchte ich Ihnen im Verlauf meines Vortrages vorstellen und zur Diskussion stellen. Ich werde zu Beginn darauf eingehen, - wie die Idee eines solchen Konzeptes entstehen konnte und - seinen Entwicklungsprozess beschreiben. - Dann werde ich konkret auf seine Inhalte eingehen - und am Ende etwas zur Schulung der Experten sagen. Geschichte der Idee Das Programm ist als Grundlage für einen Elternkurs konzipiert und fußt auf den Ergebnissen von relativ neuen Forschungsdisziplinen, die in den letzten Jahrzehnten erzielt werden konnten. -
2 Es sind dies die Säuglingsforschung, ein noch junger Zweig der Entwicklungspsychologie: mit Hilfe von scharfsinnigen Experimentalanordnungen konnte sie zeigen, dass Säuglinge von Geburt an über Wahrnehmungsfähigkeiten in allen Sinneskanälen verfügen sowie über erstaunliche Kommunikationsfertigkeiten; die Familienforschung, die eine gegenseitige Beeinflussung der verschiedenen Beziehungen innerhalb einer Familie demonstriert hat: Eltern-Kind-Beziehungen sind nicht unabhängig von der Partnerschaftsbeziehung der Eltern, und alle Bindungen innerhalb einer Familie stehen in Wechselwirkung miteinander; die Bindungsforschung, die belegt, dass die Art und Weise der frühen Beziehungen zwischen Eltern und Kind spätere Beziehungen im Verlauf des Lebens eines Menschen beeinflussen können; und schließlich die Hirnforschung und Neurobiologie, die derzeit darum bemüht ist, die Einflüsse subtiler Interaktionsmechanismen zwischen Eltern und Säugling auf dessen weitere Gehirnentwicklung zu enthüllen. Klinische Erfahrungen von Eltern-Säuglings-Sprechstunden weisen darauf hin, dass Paare in der sensiblen Phase des Übergangs zur Elternschaft häufig auf sich allein gestellt sind, auch wenn sie mit schwierigen Problemen in der Beziehung mit ihrem Kind konfrontiert sind. Dabei ist die Sehnsucht nach mütterlichen Unterstützungsfiguren deutlich zu spüren, denn die Unsicherheit ist oft groß. Die Bedeutung von Kindern und die Sichtweise auf sie hat sich doch im Laufe der Zeit bemerkenswert verändert. Kinder werden heutzutage von Anfang an als einzigartige, ihre Entwicklung selbst steuernde Persönlichkeiten konzipiert, denen man mit Respekt begegnen sollte. An diesbezüglichen Erfahrungen mangelt es jedoch vielfach den Eltern selbst, so dass Ideal und realer Alltag weit auseinanderklaffen. - All die genannten Gründe können für Missverständnisse in der Kommunikation zwischen Eltern und Säugling in der ersten Zeit verantwortlich sein. Müden und überforderten Babys beispielsweise, deren Signale auf sein Bedürfnis nach Ruhe und Schlaf hinweisen, werden oft noch mehr Spiel- und Kommunikationsanreize dargeboten, und dadurch ihr überreizter Zustand, in dem sie immer weniger zur Ruhe finden, unterstützt. Nicht genug zu bieten, nicht genug zu fördern und zu stimulieren sind oft die ersten Interpretationen der kindlichen Unruhe und Unzufriedenheitssignale. Geschichte der Entwicklung des Programms in Heidelberg Ein eigenes bindungsorientiertes Präventionsprogramm an der Abteilung Familientherapie zu entwickeln war mit der Vorstellung verbunden, solchen Missverständnissen, die man in der (Heidelberger) Sprechstunde häufig beobachten konnte, frühzeitig entgegenzuwirken. Eltern sollten eine mütterlich-fürsorgliche Begleitung erhalten, die ihnen das Verständnis ganz basaler kindlicher Signale von Anfang an vermittelt. Aus diesem Grund richtete man das Augenmerk zunächst ausschließlich auf Hebammen, die i.d.r. einen guten und engen Kontakt mit jungen Familien pflegen, und die als kompetent und unterstützend erfahren werden. Sie werden heute mehr und mehr in die Rolle einer fürsorglichen Großmutter gewiesen und genießen somit großes Vertrauen. Das Konzept für den Kurs wurde daher von Beginn an gemeinsam mit und für Hebammen entworfen. Bei einer Hebammentagung wurde im Rahmen eines Vortrages 1
3 auf das Vorhaben aufmerksam gemacht und erste Kontakte geknüpft. Danach wurden in regelmäßigen Abständen gemeinsame Treffen organisiert, in denen zu Beginn über die verschiedenen Themen, die ein solches Programm enthalten sollte, diskutiert wurde. Später wurden die Inhalte immer wieder in Rücksprache mit den Hebammen ausformuliert, verbessert, verändert bis ein erster Entwurf entstanden war. Die Ziele waren dabei, ein Konzept zu entwerfen, das: Paare auf die Zeit der Elternschaft vorbereitet sie für die Signale ihres Säuglings sensibilisiert sowie für ihre eigenen Wünsche und Gefühle das die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung fördert und zur Prävention von Beziehungsstörungen geeignet ist. Bei der Entwicklung orientierten wir uns an bereits bestehenden Programmen, wie sie hauptsächlich in den USA, aber zunehmend auch in Deutschland praktiziert werden. Ein in den USA vordergründiger Aspekt, nämlich die Methode des Hausbesuches, sollte durch den Einbezug der Hebammen für unser Programm praktisch möglich werden, da Hebammen im Rahmen der Nachbetreuung in der Lage wären, einzelne Bestandteile oder das gesamte Programm im häuslichen Milieu der Familien bei der Einzelbetreuung zu vermitteln. Das Konzept Es gibt insgesamt 5 thematische Einheiten, dies sind die Titel: 1. Ich sorge auch für mich selbst 2. Wie können Partner zusammenarbeiten? 3. Das Baby sendet Signale aus 4. Warum weint unser Baby? 5. Vertrauen in die eigenen Kompetenzen In der 1. Sitzung geht es schwerpunktmäßig um die Sorge der Eltern - für sich selbst, um die Selbstwahrnehmung und den Umgang mit sich selbst. Das Bewusstsein für den eigenen Körper und für Regungen des noch ungeborenen Kindes wird zunächst durch Informationen über die pränatale Beziehungsentwicklung angeregt. Danach wird zur Beziehungsentwicklung nach der Geburt übergeleitet, die den wesentlichen Teil der Kursinhalte ausmacht, und eine kleine Vorausschau auf das Thema Interaktion eingeflochten. Es wird die Frage nach dem Umgang mit sich selbst in der neuen Anforderungssituation mit dem Baby aufgeworfen und ein konkreter Vorschlag zur Bewältigung von Überforderungssituationen besprochen. 2
4 Zum Abschluss erhält die Gruppe eine Anleitung zu einer Kontaktaufnahme mit dem noch ungeborenen Kind in einer Entspannungsübung. Die 2. Sitzung befasst sich mit der elterlichen Partnerschaft und besteht überwiegend aus Gruppenarbeit. In einer Einleitung wird versucht, die psychische Situation der Mutter und des Vaters nach der Geburt eines Kindes in die Vorstellung der Eltern zu rücken, um eine Auseinandersetzung damit anzubahnen. Im Anschluss daran bearbeiten Männer und Frauen in getrennten Gruppen Fragen zu ihren Vorstellungen, die sich auf das gemeinsame Leben nach der Entbindung beziehen. Ein sogenannter Zeitkuchen wird konzipiert und anschließend im Plenum vorgestellt. In Zweier-Gruppen-Arbeit werden danach Überlegungen angestellt zu Kraftquellen, über die jede Person in schwierigen und stressreichen Zeiten verfügt. Die Ergebnisse werden wieder dem Plenum präsentiert. Schließlich wird noch auf die Möglichkeit einer postpartalen Depression oder depressiven Verstimmung hingewiesen, als ein Thema, das die Partnerschaft angeht. In der 3. Sitzung wird mit dem Thema Interaktion/Signale des Babys begonnen. Nach einer Entspannungsübung mit Imaginationstechnik werden Videosequenzen analysiert, die verschiedene Zustände der Interaktionsbereitschaft eines Säuglings zeigen. Mögliche Reaktionen auf das Kind werden besprochen. Die 4. Sitzung handelt vom Schreien des Babys. Nachdem verschiedene herkömmliche Einstellungen dazu thematisiert werden, wird der Umgang mit den starken Affekten besprochen, die durch kindliches Schreien ausgelöst werden können. Nach einer Entspannungsübung untersucht die Gruppe mit Hilfe von Videoaufzeichnungen kindliche Signale, die dem Schreien in der Regel vorausgehen. Möglichkeiten der Beruhigung sowie Selbstberuhigung durch den Säugling kommen dabei zur Darstellung. In der 5. Sitzung geht es ganz allgemein um die Kommunikation mit dem Baby. Intuitive elterliche Verhaltensweisen werden anhand von Videosequenzen ins Bewusstsein der Eltern gerückt. Auch die Verschiedenheit des kindlichen Temperaments wird zur Sprache gebracht, um die Einstimmung der Eltern auf die Individualität ihres Kindes anzuregen und zu unterstützen. Beispiel für einen Ausschnitt einer Sitzung Henry-Finn: Blickkontakt-Abbruch Jetzt möchte ich Ihnen gern demonstrieren, wie die Arbeit in der Stunde mit dem Videomaterial konkret abläuft. In der folgenden Szene handelt es sich um Bilder eines Videoclips, der in der 3. Kursstunde, in der es um die Signale der kindlichen Interaktionsbereitschaft geht, 3
5 vorgeführt und diskutiert wird. Das Kind in dem Video schaut seine Interaktionspartnerin eine Zeitlang an und wendet sich dann ab. Dias Die zeigt die Struktur, nach der in den Videoanalysen vorgegangen wird. Die Gespräche werden im Wesentlichen durch drei Fragen geleitet: 1. Wie geht es diesem Kind im Video wohl gerade? 2. Woran erkennen Sie, wie es ihm geht? (Frage nach den Signalen) 3. Was will es uns damit mitteilen? Bezogen auf diesen Videoausschnitt wird auf diese Weise Schritt für Schritt herausgearbeitet, dass dies Kind offensichtlich sehr am Kontakt mit der Dame interessiert ist, was es aber mit der Zeit sehr viel Anstrengung kostet und es sich daher schließlich abrupt abwendet. Die Überforderung wird in seinem angespannten Gesichtchen immer deutlicher, und man sieht auch, wie es bemüht ist, sich zu regulieren, was am Ende nur durch die Abwendung von seinem Gegenüber gelingt. Es nimmt den Blick nach kurzer Zeit wieder auf, kann ihn aber nicht mehr so lange halten wie beim ersten Mal, da es bereits ermüdet ist. Ein häufig auftretendes Missverständnis in einer solchen Situation gestaltet sich derart, dass die Mutter beispielsweise glaubt, das Kind möge sie nicht, wenn es sie nicht ununterbrochen anblickt. Die Konsequenz ist, dass sie immer mehr Stimulation aufbietet, um ihr Kind zufrieden zu stellen und das Gefühl zu haben, eine gute Mutter zu sein. Seit Oktober 2004 liegt das Arbeitsmaterial, das für die Kursleitung entwickelt wurde, gedruckt und produziert vor. Es handelt sich dabei um ein Handbuch mit theoretischen Grundlagen ein Anleitungsheft, das die konkreten Handlungsanleitungen und Schritte während einer Sitzung enthält sowie eine DVD mit insgesamt 28 kurzen Videosequenzen von Mutter-Kind- Interaktionen. 4
6 Cierpka, Manfred (Hrsg.) (2004): Das Baby verstehen. Eine Elternschule. bestehend aus: Gregor, A. & Cierpka, M. (2004): Das Baby verstehen das Handbuch für Hebammen. Verlag der Karl-Kübel-Stiftung, Bensheim (ISBN: ) Gregor, A. & Cierpka, M. (2004): Das Baby verstehen Anleitungsheft für Hebammen. Verlag der Karl-Kübel-Stiftung, Bensheim Gregor, A. & Jung, E. (2004): Das Baby verstehen DVD für Hebammen zum Elternkurs. Agentur Cyan, Heidelberg Experten-Schulungen Durch eine gemeinnützige GmbH wird das Programm nun deutschlandweit verbreitet und die Schulungen für Experten organisiert. Inzwischen wird das Programm neben Hebammen auch anderen Experten angeboten, die sich in ihrem beruflichen Alltag mit den frühen Eltern-Kind-Beziehungen befassen. Insbesondere Pädiater Kinderkrankenpflegerin Psychotherapeuten Sozialpädagogen Sozialarbeiter Psychologen Pädagogen Pekip-Leiterinnen sind neben Hebammen als Adressaten vorgesehen, sofern sie über aktuelle Erfahrungen mit Eltern und Säuglingen im beruflichen therapeutischen Kontext verfügen. Das Schulungskonzept sieht ein 2 Tage lang dauerndes Training vor. Während dieser Zeit wird der Umgang mit dem Arbeitsmaterial eingeübt. Die Trainings werden durch die Focus-Familie ggmbh organisiert, deren Adresse Sie hier sehen: 5
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