7 Kunststoffe. 7.1 Lernziele. 7.2 Aufbau von Kunststoffen Leitfragen
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- Siegfried Schulz
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1 7 Kunststoffe 7.1 Lernziele Aufbau von Kunststoffen Kunststoffe sind weit verbreitete Konstruktionswerkstoffe. Dabei entgeht dem Laien oft, dass es nicht den Kunststoff gibt, sondern sehr viele verschiedene Kunststoffe mit unterschiedlichen Verarbeitungsund Gebrauchseigenschaften. Zudem verhalten sich Kunststoffe völlig anders als Metalle. Für eine technisch und wirtschaftlich optimierte Werkstoffauswahl ist es daher nötig, einen groben Überblick über diese vielfältige Gruppe von Werkstoffen zu haben. Wenn Sie diese Lerneinheit abgeschlossen haben, sollen Sie den prinzipiellen Unterschied zwischen Thermoplasten, Duromeren und Elastomeren in chemischem Aufbau, Verarbeitungs- und Gebrauchseigenschaften erläutern, amorphe und teilkristalline sowie unpolare und polare Thermoplaste in Aufbau, Verarbeitungs- und Gebrauchseigenschaften unterscheiden, die Besonderheiten im mechanischen Verhalten der verschiedenen Kunststoffgruppen beschreiben, für jede der o.a. Werkstoffgruppen zwei bis drei Beispiele nennen bzw. die gebräuchlichsten Kunststoffe den jeweiligen Gruppen zuordnen und die wichtigsten Verarbeitungsverfahren für Kunststoffe beschreiben können. 7.2 Aufbau von Kunststoffen Kunststoffe weisen einen völlig anderen Aufbau auf als Metalle. Daraus resultieren gänzlich andere Eigenschaften. Nun gibt es wiederum eine Vielzahl verschiedener Kunststoffe, die sich bei der Verarbeitung und im Gebrauch sehr unterschiedlich verhalten. Um sich hier zurechtzufinden und etwas Ordnung in die Vielfalt zu bekommen, müssen wir uns zunächst etwas mit der molekularen Struktur der Kunststoffe befassen Leitfragen Die folgenden Fragen sollen Sie durch Abschnitt 7.2 leiten. Suchen Sie beim Durcharbeiten des Abschnitts nach inweisen für die Beantwortung dieser Fragen! Wenn Sie die Fragen bereits jetzt problemlos beantworten können, überfliegen Sie den Abschnitt rasch. Musterlösungen zu den Leitfragen sowie weitere Fragen und Antworten finden Sie am Ende dieses Kapitels. Leitfrage 7.1 a) Es gibt drei Gruppen von Polymerisationsreaktionen. Benennen Sie diese. b) Ordnen Sie folgende Begriffe, Aussagen bzw. Kunststoffe den jeweiligen Reaktionsarten zu (Mehrfachnennungen möglich): 1. Polyethylen, 2. Polyamid, 3. Polyurethan, 4. Monomere müssen reaktive Endgruppen enthalten, 5. Monomere müssen Doppelbindungen enthalten, 6. bei Polymerisation werden kleine Moleküle abgespalten, 7. ydrolyse, 8. Radikale. Leitfrage 7.2 a) Geben Sie für die folgenden paarweisen Vergleiche an, welches der steifere und festere Kunststoff ist. Geben Sie jeweils eine kurze Begründung anhand des Monomeraufbaus. PE/PS: ist steifer wegen PE/PVC: ist steifer wegen PE/PET: ist steifer wegen b) Was versteht man unter Copolymeren? c) In welche Gruppen lassen sich Copolymere unterteilen und welche dieser Gruppen führen stets zu amorphen Thermoplasten? Leitfrage 7.3 Polymere lassen sich nach den zwischenmolekularen Bindungen in drei Familien einteilen. Tragen Sie diese in die erste Spalte der folgenden Tabelle ein und ordnen Sie die folgenden Begriffe diesen Gruppen zu: A) engmaschig kovalent vernetzt, B) weitmaschig kovalent vernetzt, C) physikalisch vernetzt durch 219
2 Kunststoffe Verschlaufungen und sekundäre Bindungen, D) umformbar, E) nicht umformbar und unlöslich, F) hartelastisch/spröde, G) gummiartig, ) zähelastisch bis hartelastisch. Polymer- Struktur Gebrauchseigenschaften Verarbeitungseigenschaften Gruppe C A B (einige Buchstaben können mehrfach verwendet werden!) Leitfrage 7.4 Vergleichen Sie amorphe und teilkristalline Thermoplaste qualitativ miteinander. Vervollständigen Sie folgende Tabelle, indem Sie einsetzen: + (= besser), - (= schlechter), oder 0 (= weder/noch). teilkristallin amorph Transparenz Festigkeit Medienbeständigkeit Formteilgenauigkeit max. Einsatztemperatur Monomere, Polymere Das wichtigste Element im Gerüst der Kunststoffe ist der Kohlenstoff. Kohlenstoff hat eine Mittelposition im Periodensystem und damit eine mittlere Elektronegativität (EN = 2,55). Kohlenstoff neigt daher zur Ausbildung kovalenter Bindungen. Durch die Fähigkeit des Kohlenstoffatoms, vier Bindungen in unterschiedliche Raumrichtungen auszubilden (Bild 7.1), ergibt sich die Möglichkeit komplexer räumlicher Molekülstrukturen. Die Kohlenstoffverbindungen (außer Diamant, Graphit, CO, CO 2, Blausäure und Kohlensäure sowie deren Salze) werden als organische Verbindungen bezeichnet. Die Bezeichnung organische Verbindungen kommt aus der Zeit, als man noch glaubte, diese Verbindungen könnten nur durch Organismen selbst hergestellt werden. eute kann man praktisch alle diese Verbindungen synthetisieren. Der Name organisch ist aber geblieben. Als Rohstoffe für Kunststoffe kommen prinzipiell alle organischen Verbindungen in Frage. eutzutage wird v.a. Erdöl verwendet, wobei etwa 5% der Weltfördermenge zu Bild 7.1 Die einfachste organische Verbindung Methan (= C 4 ) verdeutlicht die räumliche Struktur der Bindungen des Kohlenstoffatoms Kunststoffen verarbeitet werden (das meiste Erdöl ca. 83% wird einfach in der einen oder anderen Weise verfeuert, s. Bild 7.2). Da die Erdölreserven begrenzt sind, sieht man sich nach anderen Quellen um: Kohle, Kartoffelstärke, pflanzliche Öle wie Rapsöl, tierische Fette und Eiweiße usw. istorisch hat die Verwendung natürlicher Polymere eine lange Tradition: Eiweiße als Klebstoff, Kunststoffe aus Kasein, Cellulose oder Naturkautschuk. Einige dieser natürlichen Polymere (z.b. Naturkautschuk) kann man ohne größere chemische Veränderung verwenden. Andere natürliche Quellen (z.b. pflanzliche Öle) werden nur als Ersatz für Erdöl verwendet und ähnlich behandelt. Von Kunststoffen kann man eigentlich nur sprechen, wenn die Rohstoffe chemisch verändert werden, um aus den natürlichen Rohstoffen künstliche Chemieprodukte zu gewinnen. Z.T. können jedoch die Naturprodukte nach geringer Aufbereitung direkt verwendet werden. Der Begriff Polymerwerkstoffe ist daher eigentlich besser geeignet, um die Werkstoffgruppe zu beschreiben. Der Begriff Plastik klingt in Deutschland etwas despektierlich und wird von Fachleuten nicht verwendet. Im englischsprachigen Raum ist plastics ein gängiger und akzeptierter Begriff für polymere Werkstoffe. 220
3 Aufbau von Kunststoffen Erdöl Diesel- und eizöle 70 % Benzine 20 % Weitere Produkte 10 % Vergaser-Kraftstoffe 13 % Chemie-Rohstoffe 7 % Kunststoffe 4 % Andere Chemieprodukte 3 % Duromere Thermoplaste Elastomere Bild 7.2 Aufteilung des Welterdölverbrauchs auf verschiedene Anwendungsbereiche Wie wird jetzt aus Erdöl Kunststoff? Bild 7.3 stellt schematisch die Prozesskette der Kunststoffherstellung dar. Erdöl ist eine sehr vielfältige Mischung verschiedener mehr oder weniger großer Kohlenwasserstoffverbindungen. Um aus dieser Mischung reproduzierbar bestimmte Kunststoffe herstellen zu können, wird Erdöl zunächst destilliert. Dabei werden die Mischungsbestandteile nach ihren unterschiedlichen Siedepunkten getrennt. ochsiedende Bestandteile bilden z.b. Diesel, niedrigsiedende Bestandteile bilden bei Raumtemperatur gasförmige Produkte. Jede dieser Fraktionen besteht wiederum aus einer Mischung verschiedener Kohlenstoffverbindungen und eignet sich damit noch nicht unmittelbar für die Kunststoffherstellung. Die Monomere ( chemische Bausteine für Kunststoffe) erhält man, indem eine der Destillationsfraktionen das Chemiebenzin gecrackt wird. Wie der Name schon vermuten lässt, wird dabei den Kohlenstoffverbindungen Gewalt angetan, so dass diese in kleinere Bruchstücke zerbrechen. Einige dieser Crackprodukte wie z.b. Ethylen lassen sich direkt als Monomere für die Kunststoffproduktion nutzen. Andere Monomere müssen hergestellt werden, indem die Crackprodukte durch Reaktion mit anderen Chemikalien chemisch verändert werden. Erdöl Destillation Cracken Chemiebenzin Monomere Polymerisation Polymere chemische Veränderung Monomere Polymerisation Bild 7.3 Schematische Prozesskette der Kunststoffverarbeitung So kann aus Ethylen durch Reaktion mit Benzol ein Derivat des Ethylens namens Styrol hergestellt werden oder durch Reaktion mit Methan Porpylen (Bild 7.4). C C Ethylen + Benzol - ½ 2 C C Styrol C C Ethylen Bild 7.4 erstellung von Styrol und Propylen aus Ethylen (vereinfacht) + C 3-2 C 4 C C Propylen 221
4 Aufgaben zur Selbstüberprüfung Aufgabe 7.7 Vervollständigen Sie folgendes Auswahlschema durch Eintragung der fehlenden Bezeichnungen und Auswahlkriterien. Polymerwerkstoffe für: flexible Bauteile Elastomere formsteife Bauteile Thermoplaste transparent medienbeständig Aufgabe 7.8 Was macht ein Compoundeur? Nennen Sie ein paar Beispiele. Aufgabe 7.9 Sie sollen aus dem Kunststoff SAN (Kriechmodulkurven s.u.) ein Bauteil konstruieren. Es soll Betriebsstunden halten und dabei eine Dehnung von 1% nicht überschreiten. Welches sind die maximal zulässigen Spannungen? Kriechmodul in MPa MPa 12 MPa MPa 28 MPa Zeit in h Aufgabe 7.10 a) Welcher Kunststoff verzieht sich bei Spritzgussfertigung stärker: ein amorpher oder ein teilkristalliner Thermoplast? b) Was ist der Grund für dieses unterschiedliche Verhalten? Geben Sie eine kurze Begründung. Aufgabe 7.11 a) Welcher Kunststoff hat eine größere Medienbeständigkeit: ein teilkristalliner oder ein amorpher Thermoplast? b) Geben Sie eine kurze Begründung! 261
5 7.7.2 Musterlösungen Aufgaben zur Selbstüberprüfung Leitfrage 7.1 a) APK = Additionspolymerisation als Kettenreaktion, APS = Additionspolymerisation als Kettenreaktion, KP = Kondensationspolymerisation. b) APK: Polyethylen, Monomere müssen Doppelbindungen enthalten, Radikale APS: Polyurethan, Monomere müssen reaktive Endgruppen enthalten KP: Polyamid, Monomere müssen reaktive Endgruppen enthalten, ydrolyse, bei Polymerisation werden kleine Moleküle abgespalten. Leitfrage 7.2 a) PS ist steifer wegen sterischer inderung (Benzolring als sperrige Seitengruppe) PVC ist steifer wegen Dipol (Cl-Atom als Seitengruppe) PET ist steifer wegen starres auptkettensegment (Benzolring) und Dipol (O-Atom als Seitengruppe) b) Polymere, die aus mehreren verschiedenen Monomersorten aufgebaut sind. c) Gruppen: Block-Copolymere, Propf-Copolymere, statistische Copolymere (immer amorph). Leitfrage 7.3 Struktur Gebrauchseigenschaften Verarbeitungseigenschaften Thermoplaste C D Duromere A F E Elastomere B G E Leitfrage 7.4 Transparenz Festigkeit Medienbeständigkeit Formteilgenauigkeit max. Einsatztemperatur teilkristallin amorph Leitfrage 7.5 s. Bilder 7.23 bis Leitfrage 7.6 a) Bruchfestigkeit Spannung Spannung Streckspannung σ0,25% - σ0,05% E= 0,2% Bruchdehnung Streckdehnung σ0,25% - σ0,05% E= 0,2% Dehnung Dehnung 265
6 Aufgaben zur Selbstüberprüfung Aufgabe 7.2 Kunststoffe bestehen aus: a) organischen Molekülen (richtig) e) Makromolekülen (richtig) b) Monomeren (falsch) f) Metallionen (falsch) c) anorganischen Molekülen (falsch) g) Carbonaten (falsch) d) Polymeren (richtig) Aufgabe 7.3 a) s. Bild 7.20 b) Isotaktisch: teilkristallin, zäh-elastisch bei Raumtemperatur. Ataktisch: amorph, plastisch bei Raumtemperatur (bis hinab zu T G ) Aufgabe 7.4 PP- = PP-omopolymer, PP-B = PP-Block-Copolymer, PP-R = statistisches Copolymer aus PP und Ethylen Aufgabe 7.5 Sie müssen transparent sein und mit geringer Schwindung verarbeitbar sein, um die Informationen sauber abzuformen. Aufgabe 7.6 Blasformmarken: langkettig, zäh und hohe Schmelzviskosität. Spritzgussmarken: kurzkettig, geringe Schmelzviskosität (leichtfließend), geringere Zähigkeit. Aufgabe 7.7 s. Bild 7.17 Aufgabe 7.8 Ein Compoundeur mischt Zuschlagstoffe in Kunststoffe. Beispiele: kurze Glas- oder Kohlenstofffasern, Schmiermittel, UV-Stabilisatoren, Farben,... Aufgabe Kriechmodul in MPa MPa 12 MPa MPa 28 MPa Zeit in h Kriechmoduln für h Belastung σ = 28 MPa E = 1780 MPa ε = 28 MPa / 1780 MPa = 1,57% (zu groß) σ = 20 MPa E = 2150 MPa ε = 20 MPa / 2150 MPa = 0,93% (o.k.) 267
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