Märchen als Hilfe zur Bewältigung innerer Konflikte von Schülerinnen und Schülern mit Verhaltensstörungen

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1 Schriften aus dem Institut für Rehabilitationswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin Band 6/2002 Ulrike Oels Märchen als Hilfe zur Bewältigung innerer Konflikte von Schülerinnen und Schülern mit Verhaltensstörungen. Shaker Verlag Aachen 2002

2 Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Oels, Ulrike: Märchen als Hilfe zur Bewältigung innerer Konflikte von Schülerinnen und Schülern mit Verhaltensstörungen / Ulrike Oels. Aachen : Shaker, 2002 (Schriften aus dem Institut für Rehabilitationswissenschaften der Humboldt- Universität zu Berlin ; Bd. 2002,6) ISBN X Bei»Zugl.:«Uni ändern!, ansonsten :. Copyright Shaker Verlag 2002 Alle Rechte, auch das des auszugsweisen Nachdruckes, der auszugsweisen oder vollständigen Wiedergabe, der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen und der Übersetzung, vorbehalten. Printed in Germany. ISBN X Shaker Verlag GmbH Postfach Aachen Telefon: / Telefax: / Internet: info@shaker.de

3 Vorwort Verhaltensgestörtenpädagogik, so wie sie sich heute akademisch darstellt, ist merkwürdig inhaltsleer, teils überzogen wissenschaftlich, fixiert auf Organisationsformen und Interventionsmethoden. Sie hat kein Sensorium für die ihr anvertrauten Kinder entwickelt, schreibt Günter Bittner in seinem 1994 erschienenen Buch Problemkinder. Dieses Fazit hat auch heute noch eine gewisse Berechtigung. Was in der Verhaltensgestörtenpädagogik nach wie vor weitgehend fehlt, ist ein intensiver und geschärfter Blick auf die schwierigen Kinder und Jugendlichen selbst. Bereits der Umstand, daß in der Fachliteratur kaum Fallstudien existieren, mag als ein Beleg dafür dienen. Zwar finden sich vielfältige Hinweise auf die besondere psychische Situation der Betroffenen, vor allem ihren labilen Selbstwert, eine ungelöste Aggressionsproblematik oder früh erfolgte Traumatisierungen. Sie bleiben jedoch blaß: Fast regelhaft sind sie so allgemein gehalten, daß kein wirkliches Bild von dem entsteht, was diese Kinder und Jugendlichen im Inneren bewegt. Ihre intrapsychische Realität interessiert, so scheint es, häufig nur am Rande. Die dramatischen inneren Kämpfe verhaltensgestörter Schüler und die daraus resultierende aufgeheizte Beziehungsdynamik wird in der akademischen Verhaltensgestörtenpädagogik nur selten zum Thema. In der vorliegenden, dem Leser sehr empfohlenen Arbeit geht Ulrike Oels einen anderen, bisher wenig beschrittenen Weg. Ihr Hauptthema ist die unmittelbar praxisrelevante Frage, wie Märchen zur Bewältigung innerer Konflikte verhaltensgestörter Schülerinnen und Schüler dienen können. Um diese Frage zu beantworten, widmet sie sich zunächst der intrapsychischen Situation verhaltensgestörter Kinder und Jugendlicher, ihren inneren Konflikten und strukturellen Besonderheiten. Die dazu herangezogenen entwicklungspsychologischen Theorien markieren klassische psychoanalytische Positionen. Sie haben, trotz zwischenzeitlich erfolgter kritischer Einwände, als markante Eckpunkte der Fachdiskussion ihre Aktualität behalten. Die innere Erlebenswelt, darauf wird zu Recht beharrt, stellt eine äußerst bedeutsame Größe im pädagogischen Geschäft dar wie immer sie durch lebensgeschichtliche Verstrickungen entstanden sein mag und natürlich auch dann, wenn das Kind ein Opfer unerträglicher Lebensbedingungen I

4 geworden ist. Mit ihr muß sich die Lehrerin oder der Lehrer notwendigerweise auseinandersetzen. Denn die verinnerlichten Erfahrungen wirken entscheidend auf die aktuelle Beziehungsgestaltung zurück und determinieren sie mitunter sogar weitgehend. Durch diese Ausführungen gelingt es der Autorin, eine theoretisch anspruchsvolle und gleichwohl plastische Darstellung kindlicher Entwicklungsbedürfnisse sowie unumgängliche Entwicklungsnotwendigkeiten darzustellen. Sie erweisen sich für die weiteren Ausführungen als fruchtbar: Die durch Märchen im Unterricht entstandenen inneren Bewegungen verhaltensgestörter Schülerinnen und Schüler können nunmehr vor einem psychologisch gesicherten Hintergrund verstanden und interpretiert werden. Daß es gerade Märchen sind, die Kinder ansprechen, verdeutlicht Ulrike Oels durch die Ausführungen über die Gattung des Märchens und die sich darin anschließenden tiefenpsychologischen Zugänge. Exemplarisch werden sodann zwei Märchen analysiert, Hänsel und Gretel sowie Maurice Sendaks Wo die wilden Kerle wohnen. In Märchen werden frühkindliche Konflikte thematisiert und symbolisiert. Sie schaffen, wie im einzelnen ausgeführt wird, eine phantastische Projektionsfläche für eigene, noch nicht gelöste Konflikte. Mit Hilfe von Identifikationen können unterschiedlichste Wünsche erprobt werden. Ängste lassen sich in der Folge reduzieren, Selbstzweifel verringern und archaische Abwehrformen in reifere Bewältigungsmuster transformieren. Die Auseinandersetzung mit Märchen fördert zudem eine spezielle Kommunikationssituation. Sie läßt sich unter bestimmten, pädagogisch sorgsam hergestellten Bedingungen auch im Unterricht mit verhaltensgestörten Schülern nutzen, wie ausgewählte Unterrichtsbeispiele zeigen. Und auch daran sollte gedacht werden: Märchen können aber noch viel mehr: Durch die Beschäftigung mit Märchen wird Kindern und Jugendlichen ein Einstieg in Literatur, ein Ausbau ihrer sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten und nicht zuletzt eine Auseinandersetzung mit der Kultur, in der sie leben, ermöglicht. Bernd Ahrbeck April 2002 II

5 Inhalt Vorwort I 0 Einleitung 1 1 Die inneren Konflikte von Schülern mit Verhaltensstörungen Innere Konflikte Konzeptionen und ihre Rolle beim Entstehen von Verhaltensstörungen Entwicklungspsychologische Grundlagen Margaret Mahler: Die psychische Geburt des Menschen. Symbiose und Individuation Melanie Klein: Das Seelenleben des Kleinkindes Heinz Kohut: Narzißmus Zusammenfassung Innere Realitäten von Schülern mit Verhaltensstörungen 35 2 Konflikte und ihre Bewältigung im Märchen Die Gattung Märchen Tiefenpsychologische Zugänge Zwei exemplarische Märchenanalysen Hänsel und Gretel Maurice Sendak: Wo die wilden Kerle wohnen Ergebnisse Der therapeutische Wert des Märchens 72 3 Konfliktbewältigung durch Märchen Möglichkeiten und Grenzen im Unterricht mit Schülern mit Verhaltensstörungen Therapie versus Pädagogik Deuten versus Handeln Märchen Beziehungshilfe im Unterricht Grenzen der Konfliktbewältigung 87 4 Schlußbetrachtung 91 Literaturverzeichnis 94 III