Gewerbelärm in Innenstädten

Transkript

1 Gewerbelärm in Innenstädten Erfahrungen zum Nebeneinander von Wohnen und Gewerbe Volker Pischke 1

2 Beispiel HKW Beschwerdeführer HKW Mitte: MW elektr MW Fernwärme MW Fernwärme Spitzenlast 2

3 Beispiel HKW Prognose und Messung dokumentieren die Einhaltung des Immissionsrichtwertes von 45 db(a), d.h. es gibt häufig verträgliche wenn auch anspruchsvolle Lösungen für das Nebeneinander von Wohnen und Gewerbe Allerdings gab es Beschwerden! Das Geräusch ist durch eine 40 Hz-Linie dominiert, die der Kamin einer der beiden Heißwassererzeuger emittiert. Die Raumtiefe in den Wohnungen der BF entsprach mit 4 m der Resonanzlänge l/2, sodass stehende Wellen entstanden. Warum nur von einem der baugleichen Kessel? Befund: (Nach ca. 1,5 Jahren Suche!) Ein Luftleitblech im Zuluftkanal vor dem Brenner war nicht verschweißt und wies eine Abrisskante auf. Kostenpunkt: >5.000 EUR 3

4 Heranrückende Wohnbebauung Umspannwerk Messort: 52 db(a) bei 100 Hz WA ehemals HKW Oberhavel (B-Plan) WA Heizwerk WA 4

5 Umspannwerk Trafo Lüftungsöffnungen Der Investor der Wohnbebauung übernimmt die Kosten für den Schallschutz an der Quelle. 5

6 Beispiel Eisstadion Nachdem die Wohnbebauung an das Eisstadion herangerückt war, gab es Beschwerden über die Geräusche der Kühltürme. Diese mussten auf Kosten des Betreibers ausgetauscht werden. 6

7 Beispiel Hafen Ehemaliger Hafen Neue Wohnbebauung 100 m Abstand zwischen Wohnen und Hafengebiet zum Stückgutumschlag Impulse mit ungewisser Spektralverteilung verhindern eine nächtliche Nutzung 7

8 Planung von Industrieanlagen Standort der chemischen Industrie Neubesiedelung mit Geräuschkontingentierung nach DIN hier ohne Irrelevanzkriterium IRW 15 db z.b. Teilbeurteilungspegel von 18 db(a) für einzelne Betriebe 250 m IO 1 IO 2 8

9 Lösungswege Die Beispiele zeigen, dass es oft möglich ist, durch technische oder organisatorische Maßnahmen an der Schallquelle Konflikte zu lösen bzw. zu vermeiden! Der Schutzanspruch nachts mit einem maximalen Beurteilungspegel von 40 db(a) lässt bei angekipptem Fenster innen einen Beurteilungspegel von ca. 25 db(a) erwarten. (s. auch Nr. 6.2 der TA Lärm) Wie wären Lösungen durch passiven Schallschutz zu erreichen gewesen? Den Rahmen bieten die DIN 4109, VDI 2719, 24. BImSchV 9

10 VDI 2719: Schalldämmung von Fenstern und deren Zusatzeinrichtungen (August 1987) Zweck ist es u. a. die vorwiegend durch die Fenster beeinflusste Schalldämmung gezielt planen zu können, um unnötig hohe Kosten als Folge schalltechnisch überdimensionierter Fenster zu vermeiden... Anforderung an das Außenbauteil Außenpegel R w,res notwendiges resultierendes bewertetes Bau-Schalldämm-Maß der gesamten Außenfläche L a maßgeblicher A-bewerteter Außenschallpegel vor der Außenfläche (= berechneter L r,t/n + 3 db) L i A-bewerteter Innenschallpegel, der im zu beurteilenden Raum nicht überschritten werden sollte S g vom Raum aus gesehene Gesamtaußenfläche in m 2 A äquivalente Absorptionsfläche im Empfangsraum in m 2 (Annahme: A 0,8 x Grundfläche.) K Korrektursummand in db, der sich aus dem Spektrum des Außengeräusches und der Frequenzabhängigkeit der Schalldämm-Maße von Fenstern ergibt (Tabelle 7) Tabelle 7 der VDI 2719 Korrektursummanden K in db für übliche Verkehrssituationen Immissionsorte an K in db Bahnstrecken mit überwiegendem Personenverkehr 0 übrigen Bahnstrecken 3 innerstädtischen Straßen 6 anderen Straßen 3 Verkehrsflughäfen 6 Einfluss des Raumes Innenpegel als Zielwert Korrektursummand Die Korrektursummanden der 24. BImSchV weichen ab! (z.b. vier verschiedene K für Bahnstrecken)

11 VDI 2719 Zielwerte? Verkehrslärm: Gewerbelärm: Außenlärmpegel = Beurteilungspegel + 3 db Beurteilungspegel = Mittelungspegel Maximalpegel werden zurzeit nicht betrachtet Zielwert = Beurteilungspegel innen Außenlärmpegel = Beurteilungspegel + 3 db Beurteilungspegel = Mittelungspegel + K T + K I Maximalpegel sind zu betrachten Zielwert = Beurteilungs- + Maximalpegel innen Hamburger Leitfaden bezieht sich auf BVerwG, Beschl. vom NB 30/94. Festlegung eines Beurteilungspegels innen, um tagsüber ungestörte Kommunikation und nachts ungestörten Schlaf sicher zu stellen. Zuschläge sind ggf. zu berücksichtigen! Maximalpegel? Verschlechterung des Schutzniveaus! 11

12 VDI 2719 Frequenzabhängigkeit? Korrektursummand K Angekipptes Fenster der Eilenburger Fenstertechnik GmbH R 45,w (C;C tr ) = 43 (-2;-8) db R 45 : Terz 100 Hz = 17,3 db R 45 : Terz 50 Hz = 18,6 db Äquivalente Absorptionsfläche A = Fläche x Absorptionskoeffizient a Teppich: a 125 Hz = 0,04, a 500 Hz = 0,31 Linoleum: a 125 Hz = 0,02, a 500 Hz = 0,03 12

13 VDI 2719 Inneneinrichtung? 13

14 Hamburger Hafencity Hafencity 500 m Hafen Aufgrund des Abstandes zwischen Gewerbe und Wohnen sowie der Vielzahl der einwirkenden gewerblichen Quellen und der Geräusche des Schiffsverkehrs entsteht am Immissionsort ein Geräusch, das - nicht impulshaltig ist - nicht tonhaltig ist - einem Rosa Rauschen ähnelt und keine Identifizierung des Verursachers gestattet 14

15 Sonderfallprüfung Einfahrt Bundeswehr B-Plan-Gebiet WA 15

16 Zusammenfassung Gewerbe in Nachbarschaft zu Wohnungen - In den meisten Fällen sind technische oder organisatorische Lösungen zur Einhaltung der Richtwerte der TA Lärm möglich. - Bei nächtlichen Fahrbewegungen und Umschlagprozessen im Freien bieten zumeist nur Abschirmungen oder Abstand ausreichende Minderungspotentiale - Bei Annäherung von sensiblen Nutzungen an Gewerbebetriebe drohen Nutzungseinschränkungen für bestehendes Gewerbe - In bestimmten Fallkonstellationen sollten auch Lösungen analog der Hamburger Hafencity ermöglicht werden. Eine unkritische Verallgemeinerung des Hamburger Modells ist nicht sachgerecht! 16

17 Sportlärm Gemäß der 18. BImSchV ist zur Einhaltung des IRW eines WA bei einem Fußballspiel in der Ruhezeit zwischen Spielfeldrand und Wohnraumfenster ein Abstand von ca. 50 m erforderlich! Außerhalb der Ruhezeit bei Nutzung des Platzes in 50 % der Beurteilungszeit noch ca. 15 m. 17

18 Vielen Dank! 18