Die Ewigkeit im Herzen (Predigt zu: Prediger 3,11)
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- Gisela Fromm
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1 Seite 1 von 4 Die Ewigkeit im Herzen (Predigt zu: Prediger 3,11) Alles hat Gott so gemacht, dass es schön ist zu seiner Zeit; Auch die Ewigkeit hat er den Menschen ins Herz gelegt, nur dass der Mensch, das Werk, das Gott gemacht hat, von Anfang bis Ende nicht fassen kann. Amen. Liebe Gemeinde, das Buch Prediger oder Kohelet, wie es auch genannt wird, ist ein Weisheitsbuch. Darin sind Lebenserfahrungen und philosophische Gedanken gesammelt. --- Mir kommt dieses Buch vor wie ein Herbarium, in welchem eine Fülle von gepressten Pflanzen und farbigen Blumen aufbewahrt wird. Ich kann darin blättern und die Gedankenblüten lesen. Manches ist exotisch, anderes ist vertraut, weil die Menschen aller Zeiten ähnliche Erfahrungen machen. Im Vers, den ich heute gelesen habe, fasziniert mich der Gedanke, dass Gott dem Menschen die Ewigkeit ins Herz gelegt habe. Mit einem Minimum von Worten ist hier etwas Grandioses formuliert: Es geht um das Verhältnis des Menschen zur Ewigkeit. Der Mensch, dieses zerbrechliche, sterbliche Wesen trägt in seinem kleinen Herzen die Ewigkeit. Man stelle sich das einmal vor! Da muss das Herz ja zerspringen! Natürlich ist dies ein sprachliches Bild, ein sehr poëtisches Bild. Aber diese Poësie drückt eine Wahrheit aus, die klarer kaum gesagt werden könnte: Die Ewigkeit im vergänglichen Menschen. Die Unendlichkeit im Endlichen. Die Unsterblichkeit im Sterblichen. Darum geht es in diesem unglaublich kühnen Weisheitswort! Die Weisheitsliteratur ist in dichterischer Sprache geschrieben. Mit Dichtung ist hier jedoch nicht Phantasie gemeint. Nein, Dichtung ist hier Ver-dichtung, Konzentration von Wirklichkeit. Andrej Tarkovskij, ein russischer Filmregisseur sagte über diese Art Dichtung folgendes: Die Wirklichkeit ist viel poëtischer als wir denken! Die neueren Bibelübersetzungen verwenden anstelle des Wortes Ewigkeit den Begriff ferne Zeiten. Es heisst dann: Auch ferne Zeiten hat er den Menschen ins Herz gelegt. Damit ist die Fähigkeit des Menschen angesprochen, dass er über seine Lebenszeit hinausdenken kann.
2 Seite 2 von 4 Wir können nachdenken über Dinge, welche lange vor unserer Geburt geschehen sind, und wir können auch vorausdenken in die fernste Zukunft. Diese Fähigkeit, dass wir in Gedanken über unsere Lebenszeit hinausgreifen können, ist eigentlich erstaunlich. Nur so können wir unsere Herkunft verstehen, und nur so können wir Verantwortung übernehmen für die Zukunft. Trotz dieser Fähigkeit gilt es bescheiden zu bleiben. Kürzlich las ich eine Mahnung über unsern Umgang mit der Zukunft. Mit einem Augenzwinkern meinte jemand: Das einzig Sichere, was wir über die Zukunft wissen, ist, dass sie noch vor uns liegt. Doch zurück zu unserem Weisheitswort: Meiner Meinung nach ist es typisch, dass moderne Bibelübersetzungen sagen: Gott hat uns ferne Zeiten ins Herz gelegt, während alte Übersetzungen sagen: Gott hat uns die Ewigkeit ins Herz gelegt. Ferne Zeiten, das ist die ferne Vergangenheit oder die ferne Zukunft. Die Ewigkeit aber ist eine total andere Qualität von Zeit! Es ist die Zeit Gottes, die Zeit jenseits der Zeit! Heute haben viele Menschen Hemmungen vom Jenseits zu sprechen. Das war nicht immer so! Im Mittelalter orientierten sich die Menschen stark an dem, was nach diesem Erdenleben kommt. Mag sein, dass sie zu extrem auf das Jenseits orientiert waren. Wir jedoch leben im gegenteiligen Extrem. Das moderne, materialistische Weltbild beschränkt unser Denken und Leben ausschliesslich auf das Diesseits. Viele Zeitgenossen, darunter auch viele Christen, sind der Ansicht, nach dem Tod sei nichts. Mit der Botschaft von der Auferstehung können sie nichts anfangen. Dieser verhärtete, verkrustete Materialismus entspricht jedoch nicht mehr ganz unserer Zeit. Die Menschen beginnen wieder zu ahnen, dass das Leben mehr ist. Aber es herrscht in diesen Fragen grosse Hilflosigkeit. Ich meine, wir müssten die Botschaft Jesu unter diesem Blickwinkel neu entdecken. Jesus sprach vom Jenseits. Allerdings wurde er dabei nie weltfremd, sondern er zeigte, welchen Wert das Jenseits für das Diesseits, für das Leben in dieser Welt, hat. Er sprach oft vom Reich Gottes. Er hat sich jedoch nie in phantastischen Spekulationen verloren. Gottes Reich bleibt unsichtbar. Es bleibt ein Geheimnis, welchem er sich höchstens in der Sprache der Gleichnisse annäherte. Jesus machte stets deutlich, dass vom Reich Gottes her ein Glanz auf unser irdisches Leben
3 Seite 3 von 4 kommen soll: Der Glanz der Gerechtigkeit, der Glanz der Wahrheit, der Glanz der Hoffnung, der Glanz der Liebe. All dies ist bereits ein Lichtschimmer aus Gottes Reich für diese Welt. Dies soll uns prägen und beseelen, damit unser Leben schön werde. Die ersten Christen kannten einen wunderschönen Vergleich. Sie erklärten, wir werden in das Reich Gottes hineingeboren. In der Mutter Kirche werden wir ernährt, damit wir geistlich wachsen. Die Nahrung aber ist: Die Liebe Gottes, die Gaben des Heiligen Geistes und das Wort Gottes. Durch diese Nahrung wachsen wir bis der Tag der Geburt kommt. Sie verglichen also die Kirche mit einem Mutterschoss. Auch Calvin nannte die Kirche Mutter der Glaubenden. Kürzlich gab mir ein Freund eine Geschichte, welche diesen uralten Gedanken aufnimmt. Hören Sie diese Geschichte: Ein ungeborenes Zwillingspärchen unterhält sich im Bauch der Mutter. Sag mal, glaubst du eigentlich an ein Leben nach der Geburt? fragt der eine Zwilling. Ja, auf jeden Fall! Hier drinnen wachsen wir und werden für das, was draussen kommen wird, antwortet der andere Zwilling. Ich glaube, das ist Blödsinn! sagt der erste. Es kann kein Leben nach der Geburt geben wie sollte das denn bitteschön aussehen? So ganz weiss ich das auch nicht. Aber es wird sicher viel heller als hier sein. Und vielleicht werden wir herumlaufen und mit dem Mund essen? So einen Unsinn habe ich ja noch nie gehört! Mit dem Mund essen, was für eine verrückte Idee. Es gibt doch die Nabelschnur, die uns ernährt. Und wie willst du herumlaufen? Dafür ist die Nabelschnur viel zu kurz. Doch, es geht bestimmt. Es wird eben alles nur ein bisschen anders. Du spinnst! Es ist noch nie einer zurückgekommen nach der Geburt. Mit der Geburt ist das Leben zu Ende, Punktum.
4 Seite 4 von 4 Ich gebe ja zu, dass keiner weiss, wie das Leben nach der Geburt aussehen wird. Aber ich weiss, dass wir dann unsere Mutter sehen werden und sie wird für uns sorgen. Mutter??? Du glaubst doch wohl nicht an eine Mutter? Wo ist sie denn bitte? Na hier überall um uns herum. Wir sind und leben in ihr und durch sie. Ohne sie könnten wir gar nicht sein! Quatsch! Von einer Mutter habe ich noch nie etwas bemerkt, also gibt es sie auch nicht. Doch, manchmal, wenn wir ganz still sind, kannst du sie singen hören. Oder spüren, wenn sie unsere Welt streichelt. Liebe Gemeinde, das Leben vor dieser Welt, das Leben in dieser Welt und das Leben nach dieser Welt, alles ist ein Wunder. Alles geschieht in der Ewigkeit Gottes, in seiner ewigen Liebe. Uns aber ist die Ewigkeit auch ins Herz gelegt, damit wir an jedem Tag in Ehrfurcht leben. Ich schliesse mit den Worten eines Psalmes, welche auf dasselbe Geheimnis hinweisen: Gott, von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir. Diese Erkenntnis ist mir zu wunderbar und zu hoch, ich kann sie nicht begreifen. Amen. Pfr. Carl Schnetzer / Kirchgasse 22 / CH-8903 Birmensdorf / 8. Mai 2016, Muttertag
5 Fürbittgebet / Pr. 3,11/Ewigkeit im Herzen Gott, du hast die Zeit erschaffen. Auch die Ewigkeit gehört dir. In Jesus Christus hast du dich mit jedem Menschen verbunden. Du liebst alle Generationen, jene die vor uns waren wie jene, die nach uns kommen. Einst wirst du alle versammeln in deinem Reich am Tisch der Liebe. Wir freuen uns und beten: Dein Reich komme, Herr! Wir sind heute deine lebendige Kirche auf Erden. Gib uns das Bewusstsein, dass es auch eine Ökumene der Zeit gibt. Wir haben das Evangelium empfangen durch jene, die lange vor uns im Glauben lebten. Und wir geben die frohe Botschaft weiter in Liebe und Verantwortung. Dein Reich komme, Herr! Wir bitten dich um Heilung, wo menschliche Gemeinschaft zerbrochen ist: Zwischen den Generationen, in den Familien, in der Völkergemeinschaft und in der Glaubensgemeinschaft. Durch deine Kraft ist es möglich, dass die tiefen Wunden in der Menschheit heilen. Wir bitten dich: Dein Reich komme, Herr. Du hast uns den Heiligen Geist ins Herz gelegt, damit wir deine Freude erfahren. Durch ihn gibst du uns die Möglichkeit zu steter Wandlung und Erneuerung. In deinem Geist Veränderung erfahren und wachsen, bedeutet sich ausstrecken wie eine Pflanze im Licht. Gib uns den Mut, dies an uns geschehen zu lassen. Wir bitten dich: Dein Reich komme, Herr! In der Stille beten wir weiter vor dir: S T I L L E Gott, dein Geist ist dynamisch und kraftvoll und zugleich sanft und friedvoll. Auf dich hoffen wir und wir danken dir. Amen.
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