Terroristische Gewalt, Amok
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- Mathilde Schulze
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1 Terroristische Gewalt, Amok
2 Todesursachen 2013 (Alkohol 2012) Tod durch fremde Gewalt Alle Tötungsdelikte Suizid Tod im Straßenverkehr Sonstige tödliche Unfälle Terrorismus Katastrophen Drogentote Alkoholtote Quellen: Statistisches Bundesamt ( Bundeskriminalamt, Kriminologie 2 WS Page 2
3 Ausgangspunkte Extreme Gewalt bedeutet seltene Ereignisse Nur wenige Menschen begehen Akte extremer Gewalt Von diesen stehen wiederum nur wenige für Forschung zur Verfügung Forschung zu extremer Gewalt Einstellungen Korrelationsstudien Qualitative Forschung/Fallstudien Kriminologie 2 WS Page 3
4 Terroristische Gewalt Deutschland Quelle: Rand Terrorism Incidents Datei Ereignisse und Verletzte linke Y-Achse, Tote rechte Y-Achse Terroristische Ereignisse Verletzte Tote 0 Kriminologie 2 WS Page 4
5 Amoktaten (International, ) Opferzahl Täter überlebt Suizid Getötet Insgesamt (55%) 16 (36%) 4 (9%) (31%) 16 (55%) 4 (14%) (22%) 17 (63%) 4 (15%) 27 Insgesamt 39 (40%) 49 (47%) 12 (13%) 100 Quelle: Erhebung von Amokdaten an Hand von Presseberichten (MPI 2014) Kriminologie 2 WS Page 5
6 Forschungsansätze zur Entstehung extremer Gewalt? Apokalyptische Gewalt (Manson, Jonestown/Guyana 1978 Massen(selbst)mord) Genozid Massenselbstmord Amok Kriminelle Karrieren, Zugang zu Gangs, Mafia Prognose schwerer Gewalt Kriminologie 2 WS Page 6
7 Radikalisierung und Rekrutierung Radikalisierung Internalisierung von Werten/Normen, die (extreme) Gewalt gut heißen Rekrutierung Eintritt/Zugang zu radikalen Gruppen Die Begehung extremer Gewalt Kriminologie 2 WS Page 7
8 Wege zu Radikalisierung, Rekrutierung und Gewalt Radikalisierung und Rekrutierung verweisen auf Prozesse und verschiedene Stadien, die im Prinzip nach den Vorstellungen über kriminelle Karrieren geformt sind Einstieg, Teilnahme, Ausstieg Auf dem Weg werden die meisten Menschen, die begonnen haben, über Gewalt nachzudenken, abbrechen Gelegenheiten sind blockiert Neue Entscheidungen werden getroffen Fragen Warum wird der Weg in die Radikalisierung beschritten? Welche turning points werden sichtbar? Wo kann Prävention ansetzen? Kriminologie 2 WS Page 8
9 Einstieg Extremistische Gruppen sprechen bedeutsame soziale und psychologische Bedürfnisse junger Menschen an Status und Identität Der Anschluss an extremistische Gruppen ist kaum motiviert durch Ideologie Peers Mentoren Sozialer und politischer Kontext Die meisten steigen wieder aus Einige bleiben Verstärkungsprozesse» Inklusion und Sozialisation in einer neuen und stigmatisierten Gemeinschaft (Gruppe)» Annahme einer gemeinsamen Ideologie und gemeinsamer Narrative, die eine Opferperspektive und Selbstverteidigung betonen» Abbruch der Beziehungen zu den bisherigen Bezugspersonen und - gruppen Kriminologie 2 WS Page 9
10 Ehrenmorde
11 Fall Hatun Sürücü, Berlin 2005 Hatun Aynur Sürücü (* 17. Januar 1982 in Berlin; 7. Februar 2005) war eine Deutsche kurdischer Herkunft, die einem sogenannten Ehrenmord zum Opfer fiel. Sie wurde an einer Bushaltestelle in Berlin-Tempelhof durch mehrere Kopfschüsse getötet. Ihr Tod sorgte bundesweit für Entsetzen und löste eine Debatte über Zwangsehen und Wertvorstellungen von in Deutschland lebenden muslimischen Familien aus. Kriminologie 2 WS Page 11
12 Das Zusammenführen mehrerer Diskurse Gewalt und junge Einwanderer Gewalt gegen Frauen Islam und Terrorismus Kopftuch, Zwangsheirat Parallelgesellschaften, insbesondere von Immigranten aus muslimischen Ländern Islam, Sharia und Gleichheitsgrundsatz 12 Kriminologie 2 WS
13 Aufmerksamkeit Drastische Zunahme der Medienaufmerksamkeit sowie der öffentlichen Aufmerksamkeit seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre Berichte der Vereinten Nationen und des Europarats Relativ wenig Forschung (Ethnologie, Sozialwissenschaften, Recht) Überwiegend bezogen auf die Herkunftsländer (Türkei, Pakistan, Jordanien) 13 Kriminologie 2 WS
14 Ehrenmorde Tötung von Frauen durch Männer Wiederherstellung der kollektiven Familienehre Betrachtet als notwendige Reaktion auf eine Verletzung von Verhaltensnormen durch das Opfer Rechtfertigungssysteme 14 Kriminologie 2 WS
15 Das Motiv Vorindustriell-agrarische Wirtschaft Männlich dominierte Kultur Trennung sozialer Rollen und Lebensbereiche von Frauen und Männern Ehre als soziales Kapital des Familienverbandes Männliche und weibliche Ehre Ausdifferenzierung von Normen und Rechtfertigungen 15 Kriminologie 2 WS
16 Abgrenzung von anderen Phänomenen Blutrache Nach außen Tötung des Intimpartners 16 Kriminologie 2 WS
17 Ursachen Vorstaatliche Gesellschaften Agrarische Wirtschaft Patrilineare Familienverbände Männliche Hegemonie 17 Kriminologie 2 WS
18 Ehrenmordfälle in Deutschland BKA-Erhebung Zwischen 1 und 3 pro Jahr MPI-Studie ca. 50 Fälle Täter ganz überwiegend Männer Opfer zu 40% Männer Geburtsland zumeist Türkei Keine Hinweise auf starke Beteiligung der zweiten oder dritten Generation Prekäre Milieus 18 Kriminologie 2 WS
19 Veränderungen der Rechtsprechung 211 niedrige Beweggründe Von Persönlichkeitsmängeln BGH GA 1967, S. 244: in Anschauungen der Heimat befangen, von denen sie sich noch nicht lösen konnten Kein niedriger Beweggrund, 212 Zum niedrigen Beweggrund (Mord) Der Maßstab für die Bewertung eines Beweggrundes ist den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft in der Bundesrepublik Deutschland zu entnehmen BGH NStZ 1995, S. 79; BGH NStZ 2002, S. 369 Nur ausnahmsweise, wenn dem Täter bei der Tat die Umstände nicht bewusst waren, die die Niedrigkeit seiner Beweggründe ausmachen kann eine Verurteilung nach 212 in Betracht kommen 19 Kriminologie 2 WS
20 Europarat (und Cultural Defence) Council of Europe Convention on preventing and combating violence against women and domestic violence (Istanbul Convention), vom 11. Mai 2011 Art Parties shall ensure that culture, custom, religion, tradition or so-called honour shall not be considered as justification for any acts of violence covered by the scope of this Convention. Kriminologie 2 WS Page 20
21 Extreme Gewalt und Sicherheitspolitik
22 Was ist Sicherheit? Existentielles menschliches Bedürfnis Komplexe gesellschaftliche Leitidee Wesentlicher Bestandteil von Lebensqualität 22 Kriminologie 2 WS
23 Sicherheit wird dann thematisiert, wenn Risiken (berechenbar) oder Gefahren (unbestimmbar) für Leben, Gesundheit, Vermögen etc. drohen 23 Kriminologie 2 WS
24 Wahrnehmung von Risiken/Gefahren Abhängig von Freiwillig vs. unfreiwillig Bekannt vs. unbekannt vs. Gewöhnung Nähe vs. Ferne Kontrollierbarkeit vs. Unkontrollierbarkeit Mensch vs. Natur vs. Technik Angstbesetzt oder nicht (dread risks) Akzeptabel vs. nicht akzeptierbar Faire vs. unfaire Verteilung (Öffentliche Erregung über die Entlassung von Sexualstraftätern) Verständlich vs. unverständlich Präsentation von Informationen Nützlich vs. nutzlos Vertrauen vs. Misstrauen Thematisierung in Medien vs. Nicht-Thematisierung 24 Kriminologie 2 WS
25 Sicherheitserwartungen Es wird immer zuviel Kriminalität geben Nachfrage nach Sicherheit ist unbegrenzt Mit zunehmender Sicherheit erhöht sich das Sicherheitsbedürfnis 25 Kriminologie 2 WS
26 Wandel des Sicherheitsbegriffs Verschiebungen Weg von einem umfassenden Konzept der sozialen Sicherheit hin zur Betonung der Inneren Sicherheit Von der Abwehr konkreter Gefahren und der Verfolgung von ebenso konkretem Tatverdacht zur Abwehr von eher abstrakten Sicherheitsrisiken Die Wahrnehmung von Bedrohungen der Sicherheit konzentriert sich auf den konventionellen Bereich der inneren Sicherheit, nämlich auf Kriminalität (und hier die organisierte Kriminalität und die Gewalt) Erweiterungen Einbeziehung äußerer Sicherheit Die innere Sicherheit Deutschlands wird am Hindukusch verteidigt Kriminologie 2 WS Page 26
27 Wandel der Erwartungen Besondere Sicherheitserwartungen verbinden sich mit dem Strafrecht Sicherungsverwahrung Risikostraftatbestände (Erfassung des Vorfelds von Straftaten) Teilnahme an Terrorausbildung Cyber-Grooming/sexueller Missbrauch Heimliche und umfassende Informationsbeschaffung Verkehrsdaten-, Vorratsspeicherung Besondere Abwägungsprobleme Sicherheit vs. Freiheit Kriminologie 2 WS Page 27
28 Was erklärt den Wandel? Zunehmende gesellschaftliche Heterogenität Immigration Werte Schwächung von sozialen Bindungen Schwächung informeller Sozialkontrolle durch Nachbarschaft und Familie Zunehmende Individualisierung und zunehmende Distanz zwischen Menschen Abnehmendes Vertrauen in das Potenzial von Wohlfahrts-/Sozialpolitik Kriminologie 2 WS Page 28
29 Krankheit Die 7 größten Ängste der Deutschen 2010/2014 Quelle: R + V Versicherungen, esse/r_v_infocenter/stu dien/aengste-derdeutschen.jsp Lebenshaltungskosten Wirtschaftskrise Naturkatastrophen Überforderung der Politiker Pflegefall im Alter Arbeitslosigkeit Spannungen durch Ausländer 29 Kriminologie 2 WS
30 Abwägungen und Balance Können Sicherheit und Freiheit abgewogen werden? Schwierig, wenn Beides auf der gleichen Seite steht (Recht auf Sicherheit (Leben etc) und Freiheitsrechte) Aufladbarkeit der Abwägung durch Emotionen, Interessen Was darf in die Waagschale fallen? Welche Gefahren/Risiken oder Gefühle? Welche Freiheitsrechte (auch die, auf die offensichtlich von den Rechteinhabern kein großer Wert mehr gelegt wird?) Dürfen Sicherheit und Freiheit abgewogen werden? Unter keinen Umständen Wenn die Sicherheit dies erfordert Nur außerhalb von Kernbereichen der Freiheitsrechte (Bundesverfassungsgericht) Kriminologie 2 WS Page 30
31 Aufladung der Abwägung Durch ein Alle gegen Wenige oder Wir gegen die Anderen, Bürger gegen Kriminelle die Möglichkeiten, die eine freie, demokratische und rechtsstaatliche Gesellschaft bietet, schaffen Wohlstand unter den Bürgern Europas aber diese Möglichkeiten beinhalten auch Risiken, da Terroristen und andere Kriminelle danach trachten, diese Freiheiten zu zerstörerischen und böswilligen Zwecken zu missbrauchen (EU Strategie der inneren Sicherheit 2010) Opfer, potenzielle Opfer und Opferleiden gegen den Schutz von Tätern oder potenziellen Tätern Kriminologie 2 WS Page 31
32 Was wiegt? besondere Gefahren Transaktionskriminalität Handel mit Menschen, Waffen, Drogen, Vermögen, Umwelt Besonderheiten Netzwerke Angebot und Nachfrage High impact/low probability Verbrechen Terroristische und extreme Gewalt Enthalten sehr große politische Risiken Keine Ermittlungen, Schaden tritt ein Ermittlungen, hohe Kosten, Schaden tritt nicht ein Besondere Gefahrenpotenziale lassen sich leicht mit Kriminalität verbinden Bequeme Projektionsflächen Transfer von Angst (Z. Bauman 1998) Kriminologie 2 WS Page 32
33 Diskrepanzen zwischen objektiver und empfundener (subjektiver) Sicherheit Unsicherheitsgefühle sind in solchen Gruppen deutlicher ausgeprägt, die ein relativ niedriges Viktimisierungsrisiko aufweisen Befragte tendieren dazu, für das Land insgesamt einen Kriminalitätsanstieg wahrzunehmen, während für die eigene Wohngegend von einer stabilen Kriminalitätsentwicklung ausgegangen wird Risikowahrnehmungen (dread risks) führen mitunter zu (im Hinblick auf die objektive Sicherheit) fatalen Entscheidungen nach dem Terroranschlag des kommt es zu einer massenweisen Flucht aus dem Flugzeug in den Straßenverkehr Diese Verlagerung hat zu etwa 1600 zusätzlichen Toten im Straßenverkehr geführt Im internationalen Vergleich stehen niedrige Viktimisierungsraten neben stark ausgeprägten Unsicherheitsgefühlen Sicherheitserwartungen verändern sich unabhängig von der objektiven Sicherheitslage (r + v Längsschnittuntersuchung) 33 Kriminologie 2 WS
34 Verhältnismäßigkeit und Evaluation der Sicherheitsgesetzgebung Eigen-/Selbstevaluation BKA, BMI, Landesinnenministerien Peer Reviews Geldwäsche, Korruption, Menschenhandel, Terrorismus Bezogen auf Implementierung» Wirksamkeit ist vorausgesetzt: Ergebnisse öffentlich EU-Evaluation der Terrorismusbekämpfung» Nicht öffentlich Hybride Evaluationsverfahren Integration von Wissenschaft als Beraterin Problem der Verständigung auf Evaluationskriterien Kriminologie 2 WS Page 34
Terroristische Gewalt, Amok
Terroristische Gewalt, Amok Todesursachen 2011 25000 20000 20455 15000 10144 10000 5000 0 4336 92 662 2 0 Tod durch fremde Gewalt Alle Opfer tödlicher Gewalt Suizid Tod im Straßenverkehr Sonstige tödliche
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