2. Theoretische Grundlagen der Sozialstrukturanalyse
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- Achim Junge
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1 2. Theoretische Grundlagen der Sozialstrukturanalyse 2.1. Sozialstruktur und soziale Ungleichheit - Soziologie ist eine Wissenschaft, die kollektive (agreggierte) soziale Phänomene beschreiben und erklären will - Kollektive (aggregierte) soziale Phänomene lassen sich nur unter Berücksichtigung individuellen sozialen Handelns erklären - Was sind die Determinanten individuellen sozialen Handelns? a) Situative Handlungsbedingungen Handlungsrestriktionen b) Ressourcen Handlungsmittel c) Wünsche, Bedürfnisse, Motive Handlungsziele d) Die Anderen Handlungspartner (Netzwerke)
2 Kollektive soziale Phänomene und individuelles soziales Handeln (Badewanne nach James Coleman ) Kollektiv t0 Kollektiv t1 Logik der Situation Logik der Aggregation Individuum t0 Restriktionen Ressourcen Ziele Partner Logik der Selektion Entscheidung Konsequenzen Individuum t1
3 Die Ungleichheitsforschung beschäftigt sich mit der Verteilung von Restriktionen und Ressourcen in der Bevölkerung. Definition: Soziale Ungleichheit ist die sozial erzeugte Verteilung von knappen Ressourcen und Handlungsrestriktionen in der Bevölkerung. Ressourcen und Handlungsrestriktionen sind die Grundlage für individuelle Lebens- und Handlungschancen. Bedarf nach Typisierung: Strukturierte soziale Ungleichheit nach Klasse (vertikale Dimension), Geschlecht, Ethnie, Region
4 Die Sozialstrukturanalyse beschäftigt sich mit der Verteilung der Bevölkerung auf die vier Handlungsdeterminanten: Wie sind typische Handlungsrestriktionen auf soziale Gruppen verteilt? Wie sind typische Handlungsressourcen auf soziale Gruppen verteilt? Kapitel 4: Strukturierte soziale Ungleichheit Welche typischen Handlungsziele finden sich in unterschiedlichen sozialen Gruppen? Kapitel 5: Lebensstile Welche typischen Handlungspartner (Soziale Netzwerke) haben unterschiedliche soziale Gruppen? Kapitel 6: Soziale Milieus
5 Ist der Nationalstaat die geeignete geographische Einheit für die Ungleichheitsforschung und die Sozialstrukturanalyse? Interne regionale Variation Nationalstaat zu heterogen Transnationalisierung macht Nationalstaat irrelevant EU übernimmt Aufgaben der Nationalstaaten Nationale soziale Ungleichheit irrelevant im Vergleich zu weltweiter Ungleichheit Nationalstaat ist weiterhin sozial relevant: Basis für multinationale Konzerne, Wohlfahrtsstaat, Bildungspolitik, Industrielle Beziehungen
6 Internationale Ungleichheit verringert sich im Vergleich zu nationaler Ungleichheit (Firebaugh, Sala-I-Martin, Heidenreich) Sozialstrukturanalyse und Ungleichheitsforschung mit einem Fokus auf den Nationalstaat ist weiterhin möglich, da der Nationalstaat weiterhin eine zentrale Rolle für diese Phänomene spielt. Aber: Nationale soziale Ungleichheit und Sozialstrukturen sollten im internationalen Vergleich betrachtet werden. Transnationale soziale Prozesse sollten als Quellen von sozialer Ungleichheit und des Wandels der Sozialstruktur berücksichtigt werden.
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8 2.2. Sozialstrukturanalyse und Theorien rationalen Handelns Grundprinzipien der Theorie rationalen Handelns Methodologischer Individualismus Akteure haben gleichartige, stabile, geordnete, egoistische ökonomische Präferenzen Akteure stehen in ihrem Handeln Restriktionen gegenüber Akteure haben Handlungsressourcen zu ihrer Verfügung Auf der Basis ihrer Präferenzen, ihrer Handlungsrestriktionen und ihrer Ressourcenausstattung maximieren Akteure rational ihren Nutzen Weiterentwicklung: SEU Theorie
9 Welche Vorteile hat die Theorie rationalen Handelns für die Sozialstrukturanalyse? Die Bedeutung von Präferenzen (Lebensstilen), Restriktionen und Ressourcen kann in einem theoretischen Rahmen erklärt werden. Dies ermöglicht Prognosen über das Verhalten der Akteure Zahlreiche Prozesse der Entstehung von sozialen Ungleichheiten können als rationale Entscheidungen modelliert werden (Bildung, Arbeitsmarkt).
10 2.3. Bourdieus soziokulturelle Ungleichheitstheorie Das Fundamentaltheorem: Struktur Habitus Praxis Struktur = Klassenstruktur, basierend auf Kapitalsorten Ökonomisches Kapital: Eigentum, Vermögen, Einkommen Soziales Kapital: Beziehungen, Netzwerke, Gruppenzugehörigkeit Kulturelles Kapital: institutionalisiert, objektiviert, inkorporiert institutionalisiertes kulturelles Kapital: Bildungszertifikate objektiviertes kulturelles Kapital: kulturelle Güter inkorporiertes kulturelles Kapital: angeeignete Fertigkeiten, Wissen
11 Die Klassenstruktur hat zwei Dimensionen: Kapitalvolumen, Kapitalstruktur (ökonomisches Kapital/kulturelles Kapital) Die Position in der Klassenstruktur determiniert den Habitus Der Habitus ist ein System von Handlungs-, Wahrnehmungs- und Klassifikationsdispositionen, das die Handlungen und Wahrnehmungen von Akteuren in unterschiedlichen sozialen Kontexten erzeugt Bourdieu beschäftigt sich insbesondere mit dem Bereich der kulturellen Lebensstile, da er diesen eine besondere Bedeutung für die Reproduktion der Klassenstruktur zuweist Theorie der kulturellen Reproduktion Unterschiede zu Theorie rationalen Handelns: Ressourcen, Habitus versus Präferenzen, Rationale Wahl versus Handlungsdisposition
12 2.4. Sozialstrukturanalyse und Zeitdiagnose Zeitdiagnose: In welcher Gesellschaft leben wir eigentlich? Überspitzung bestimmter Merkmale oder Tendenzen Ärgernis Ungleichheit und Politikum Klassengesellschaft Marx: Kapitalistische Klassengesellschaft Kapitalisten versus Proletariat Unterscheidungskriterium: Besitz von Produktionsmitteln Tendenz zur Polarisierung und Verelendung, Mittelklassen verschwinden Klassenkampf und Revolution
13 Zeitdiagnosen in der Bundesrepublik Die Klassengesellschaft im Schmelztiegel (Theodor Geiger, 1949) Klassen differenzieren sich, keine Verelendung, Institutionalisierung des Klassenkonflikts, differenzierte Konfliktlinien Die nivellierte Mittelstandsgesellschaft (Helmut Schelsky 1953) Hohe Mobilität, Nivellierung der Lebensstandards Oder doch Klassengesellschaft? (PKA 1973/74)
14 Individualisierte und differenziert-plurale Nachklassengesellschaft (Beck 1986, Hradil 1987) Fahrstuhleffekt und Mobilität, Risikolagen sind nicht mehr klassenspezifisch, Klassen bilden keine Lebenszusammenhänge mehr --> Milieus und Lebensstile
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