Verkehrsplanerische Empfehlungen und Richtlinien
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- Alfred Dittmar
- vor 6 Jahren
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1 Planungsgruppe Nord - PGN - Kassel Auf gemeinsamen Wegen? Radfahrer und Fußgänger im Freizeitverkehr Verkehrsplanerische Empfehlungen und Richtlinien
2 Nur emotional besetztes Thema? HNA,
3 Konfliktbereiche Bild:
4 Konflikte Bild:
5 Gemeinsam genutzte Wege Innerorts / Außerorts straßenbegleitend / selbstständig geführt / Fußgängerzonen / Verkehrsberuhigte Bereiche Alltagswege / Freizeitweg / Wanderwege Radwegebenutzungspflicht / Freigabe von Gehwegen Gemeinsame Rad- und Gehwege / getrennte Geh- und Radwege Legale Benutzung / illegale Nutzung Verkehrssicherheit / Komfort und ungehinderte Fortbewegung
6 Verletzte Radfahrer bei Radverkehrsunfällen in Münster Dunkelziffer bei Personenschäden 32,1% polizeilich erfasste Fahrradunfälle mit Personenschäden 67,9% nicht erfasste und in Klinik behandelte verunglückte Radfahrer GDV 2011, Zeitraum 02/2009 bis 01/2010
7 Verunglückt in den letzten 12 Monaten Unfälle von Radfahrern 16,3% 19,3% 8,5% 55,8% Alleinunfälle mit Fußgängern mit Radfahrern mit Kfz Befragung von Radfahrern, dabei 324 Radfahrer mit 726 Unfällen verunglückt Uniroyal 1993
8 Führungsformen / Benutzungspflicht Gehweg, Radverkehr frei: Z 239 / Z StVO Verbot für Fahrzeuge aller Art, Radverkehr frei: Z 250 / Z StVO Gemeinsamer Geh- und Radweg (Z 240 StVO) Getrennter Rad- und Gehweg (Z 241 StVO)
9 Zulassung von Fahrzeugverkehr Bis 2009:... so darf nur mit Schrittgeschwindigkeit gefahren werden; Ungültige StVO 2009:... müssen in diesem Fall auf Fußgänger Rücksicht nehmen und die Geschwindigkeit an den Fußgängerverkehr anpassen. Fußgänger dürfen weder gefährdet noch behindert werden. Wenn nötig, müssen Fahrzeugführer warten. Aktuelle Novellierung 2011:... muss diese auf den Fußgängerverkehr Rücksicht nehmen. Der Fußgängerverkehr darf weder gefährdet noch behindert werden. Wenn nötig, muss der Fahrzeugverkehr warten. Der Fahrzeugverkehr muss die Geschwindigkeit an den Fußgängerverkehr anpassen. Es gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 15 km/h.
10 Störung durch andere Verkehrsteilnehmer
11 VwV zu Z 239 StVO Die Freigabe des Gehweges zur Benutzung durch Radfahrer durch das Zeichen 239 mit Zusatzzeichen Radfahrer frei kommt nur in Betracht, wenn dies unter Berücksichtigung der Belange der Fußgänger vertretbar ist.
12 VwV zu Z 240 StVO Die Anordnung dieses Zeichens kommt nur in Betracht, wenn dies unter Berücksichtigung der Belange der Fußgänger vertretbar und mit der Sicherheit und Leichtigkeit des Radverkehrs vereinbar ist und die Beschaffenheit der Verkehrsfläche den Anforderungen des Radverkehrs genügt.
13 H BVA Die gemeinsame Führung von Fußund Radverkehr ist innerorts möglichst zu vermeiden, da Rad Fahrende akustisch kaum zu orten sind und sich insbesondere seh- und hörbehinderte Menschen auf diesen Flächen unsicher fühlen. (S. 42)
14 Leitfaden des Landes Hessen So ist der Radverkehr kaum akustisch wahrzunehmen, seine Trennung vom Gehweg ist für Blinde deshalb äußerst wichtig. (S. 26)
15 ERA Gehwege sollen dem Fußverkehr ein ungestörtes Fortkommen und einen der Umfeldnutzung entsprechenden Aufenthalt ermöglichen. Radverkehr im Gehwegbereich können Fußgänger verunsichern oder gefährden. Bei stärkerem Radverkehr kann der Fußverkehr in die Randbereiche der Gehwege gedrängt werden, so dass ihnen nur noch Restflächen zur Verfügung stehen. Auch den Ansprüchen des Radverkehrs wird mit der gemeinsamen Führung oft nur unzureichend Rechnung getragen. Der Einsatz der gemeinsamen Führung mit dem Fußgängerverkehr ist daher nur dort vertretbar, wo die Netz- und Aufenthaltsfunktion beider Verkehre gering ist. (S. 27)
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17 Ausschlusskriterien (EFA / ERA / RASt 06) Für die gemeinsame Führung von Fuß- und Radverkehr gelten folgende Ausschlusskriterien: Straßen mit intensiver Geschäftsnutzung, überdurchschnittlich hohe Nutzung des Seitenraumes durch besonders schutzbedürftige Fußgänger und Fußgängerinnen (z.b. Menschen mit Behinderungen oder Mobilitätseinschränkungen, Kinder), Hauptverbindungen des Radverkehrs, starkes Gefälle (> 3 %) dichte Folge von unmittelbar an Gehwege mit Mindestbreiten angrenzende Hauseingänge, zahlreiche untergeordnete Knotenpunkts- und Grundstückszufahrten bei beengten Verhältnissen, stärker frequentierte Bus- oder Straßenbahnhaltestellen in Seitenlage ohne gesonderte Warteflächen Überschreitung der Einsatzgrenzen entsprechend Abbildung Quelle: EFA 2002 / ERA 2010
18 Regelmaße nach ERA
19 Maximal verträgliche Belastung 47 Fußgänger und 23 Radfahrer Gleichmäßige Verteilung v FG = 0,8 m/sec = m / h alle 125m bzw. 156 sec ein Radfahrer
20 Grundausstattung 2,50 m
21 Gehwegbreite Die notwendige Gehwegbreite ist abhängig von der Nutzungen Alrutz / Bohle; Flächenansprüche von Fußgängern. Bergisch-Gladbach 1999
22 Grundanforderungen an Anlagen des Fußgängerverkehrs innerorts Kurzbeschreibung bzw. Nutzung Breite im Seitenraum 1) 1 Straßenunabhängig geführte Wege 3,0 m 2 Befahrbare Wohnwege Mindestbreite Straßenraum 4,50 m 3 Wohnstraße, offene Bebauung Einfriedungen 0,50m Einfriedungen > 0,50m 4 Geschlossene Bebauung, geringe Dichte max. 3 Geschosse 5 Geschlossene Bebauung; mittlere Dichte : 3 bis 5 Geschosse 6 Gemischte Wohn- und Geschäftsnutzung, mittlere Dichte: 3 bis 5 Geschosse 7 Gemischte Wohn- und Geschäftsnutzung mit häufig frequentierte ÖPNV-Linie, hohe Dichte 8 Ortsdurchfahrt, geringe Dichte, landwirtschaftliche Nutzung 9 Geschäftsstraße mit Auslagen, hoch frequentierter ÖPNV- Linie 2,10 m 2,30 m 2,50 m 3,00 m 3,30 m 4,0 m 5,0 m 3,30 m 4,0 m 5,0 m 6,0 m Quelle: EFA 2002
23 Fühle mich als Fußgänger durch Radfahrer belästigt selten 25% nie 13% sehr oft 9% oft 17% manchmal 36% Befragter ist kein Radfahrer, Uniroyal 1993
24 Diskrepanz zwischen Einstellung und Praxis 62% Quelle: Alrutz u.a.; Unfallrisiko und Regelakzeptanz von Radfahrern. Bergisch Gladbach 2009, S % Anteil militanter Radfahrer?
25 Diskrepanz zwischen Erklärungen und Praxis? Der ADFC als Interessenverband der Radfahrer fordert, dass der Radverkehr nicht auf die Gehwege, sondern weitestgehend auf die Fahrbahnen gehört. Gemeinsame Pressemitteilung von ADFC und FUSS e.v.; Berlin April 2010
26 Pedelec Foto: wikipedia
27 Bregenz / Bodensee
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29 Empfehlungen Anwendung vorhandener Regelwerke, Beachtung der Ausschlusskriterien Untersuchungen und Aussagen in Regelwerken beziehen sich fast ausschließlich auf Alltagswege im bebauten Umfeld, Aussagen zu Freizeitwege und Wanderwege müssen ergänzt werden Regelwerke sollten ausdifferenzierter werden Auswirkungen der Förderung des Radverkehrs beachten, z.b. Anzahl und Geschwindigkeit (Pedelec) Unterscheidung zwischen Zweck der Fortbewegung: Flaneure brauchen mehr Ungestörtheit Problem des illegalen Radfahrens auf Gehwegen bleibt
30 Der Grad der Freiheit und Ungestörtheit, mit dem Menschen zu Fuß gehen und in die Gegend schauen können, bietet einen guten Maßstab für die Beurteilung der zivilisatorischen Eigenschaften eines Stadtgebietes. (Buchanan, Verkehr in Städten, 1964)
31 Vielen Dank.
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33 PGN 2011 Planungsgruppe Nord PGN Dörnbergstraße Kassel Tel Fax schmitz@pgn-kassel.de Kassel, August 2011 Dieses Dokument ist Teil einer Präsentation und ohne die mündlichen Erläuterungen unvollständig.
34 Quellen und Literatur Angenendt, W. u.a.; Gehwege mit Benutzungsmöglichkeiten für Radfahrer. (= Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, H. 737). Bonn 1997 Dankmar Alrutz, Wolfgang Bohle u.a.; Flächenansprüche von Fußgängern. Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Heft V 71. Bergisch-Gladbach 1999 Ellinghaus / Steinbrecher; Radfahrer Jäger und Gejagte. Köln / Aachen 1993 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen - FGSV; Empfehlungen für Radverkehrsanlagen - ERA 10. Köln 2010 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen FGSV; Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen EFA. Köln 2002 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen - FGSV; Hinweise für barrierefreie Verkehrsanlagen H BVA. Köln 2011 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen - FGSV; Richtlinien für Stadtstraßen RASt 06. Köln 2007 Miltner, Thorsten; Verkehrsqualität an vorfahrtgeregelten Innerortsknoten. Bochum 2003 Planungsgruppe Nord PGN; Hauptfußwegenetzplanung Kassel. Kassel 1991 Schmitz, Andreas; Benachteiligung des Fußgängerverkehrs und Ansätz zu ihrer Beseitigung. Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes NRW -ILS (Hg.). Dortmund 1989 Schmitz, Andreas; Unfallrisiko und Regelwerke. Vortrag auf der Tagung Zu Fuß in die Stadt der Zukunft in Wuppertal am Kassel Download unter Unfallforschung der Versicherer Gesamtverband der Deutschen Versicherungs wirtschaft GDV; Sicherheitsbewertung von Überquerungsanlagen. Schlussbericht. Hannover 2006
35 Barrierefreiheit Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, (...), wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besonderes Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind ( 4, BGG).
36 Der Fahrende schreit unaufhörlich Platz! Platz!, damit Esel, Holz oder Kehricht Tragende, entgegenrollende Kalessen, lastschleppende oder frei wandelnde Menschen, Kinder und Greise sich vorsehen, ausweichen, ungehindert aber der scharfe Trab fortgesetzt werde. Goethe; Johann Wolfgang von; Italienische Reise. Auch ich in Arkadien. München 1992
37 Von allen Seiten, an jedem Ort und zu jeder Zeit fährt die Huppe des Automobils in der Großstadt auf Ihre Opfer los. Pidoll, Michael Freiherr von; Der heutige Automobilismus. Ein Protest und Weckruf. Wien 1912, S. 1
38 Fuß- und Radverkehr auf gemeinsamen Flächen Die Führung von Radfahrern und Fußgängern auf gemeinsamen Wegen im Seitenraum, ob als gemeinsamer Geh- und Radweg oder als für den Radverkehr freigegebener Gehweg, sollte die absolute Ausnahme sein. Nicht nur blinde, sehbehinderte oder gehörlose Fußgänger fühlen sich regelmäßig von Radfahrern beeinträchtigt. Radfahrer sind akustisch kaum zu orten und insbesondere seh- und hörbehinderte Menschen fühlen sich mittlerweile auch auf den Gehwegen unsicher und gefährdet. Das häufig zu registrierende auf Seite klingeln macht Fußgänger eher zu Freiwild und erinnert an die Schilderungen des Freiherrn von Pidoll. Von sich frei und ungestört auf Gehwegen bewegen, von Aufenthalt und Kinderspiel, kann dann nicht mehr gesprochen werden. Gerade die Blindenverbände äußern sich eindeutig gegen diese gemeinsame Nutzung von Gehwegen wie beispielsweise in einem gemeinsamen Positionspaper vom Blinden- und Sehbehindertenverband Thüringen e.v., gemeinsam mit dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club, Landesverband Thüringen: Beide Verbände sehen in der grundsätzlichen Trennung von Radund Fußgängerverkehr die einzig relevante Problemlösung. Dabei sind alle verkehrsplanerischen Möglichkeiten zu nutzen. Die Umsetzung dieser Forderung liegt letztlich nicht nur im Sicherheitsinteresse der Radfahrer und Fußgänger, sondern im Interesse aller Verkehrsteilnehmer. (1) Nach dem im Frühjahr 2002 in Kraft getretenen Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen (Behindertengleichstellungsgesetz - BGG) sind die Kommunen zur Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr verpflichtet. Barrierefreiheit heißt hierbei, Menschen unabhängig von einer Behinderung die Teilhabe am öffentlichen Leben ohne besondere Erschwernisse zu ermöglichen. Diese Erschwernisse (oder Gefährdungen) können Hindernisse auf den Gehwegen, fehlende Informationen wie taktile Bodenelemente an Einmündungen oder auch schneller Radverkehr auf Gehwegen sein. In der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (z.b. zum Zeichen 239 Gehweg ) wird die Freigabe von Gehwegen an die Belange des Fußverkehrs geknüpft: Die Freigabe des Gehweges zur Benutzung durch Radfahrer durch das Zeichen 239 mit Zusatzzeichen Radfahrer frei kommt nur in Betracht, wenn dies unter Berücksichtigung der Belange der Fußgänger vertretbar ist. Die Freigabe gerade auch unter dem Gesichtspunkt der Barrierefreiheit dürfte selten vertretbar sein. 1 Blinden- und Sehbehindertenverband Thüringen e.v., gemeinsam mit dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club, Landesverband Thüringen; Positionspapier zur Trennung des Rad- und Fußgängerverkehrs. Erfurt, Gera 2002
39 Der Radverkehr soll gefördert werden. Dann muss man sich aber auch über die Konsequenzen bei der gemeinsamen Führungsformen im Klaren sein. Letztendlich führt dies dazu, dass eine immer größer werdende Zahl von Radfahrern die Gehwege benutzen wird. Die Konflikte werden sich verschärfen. Planung sollte eigentlich vorausschauend sein und die Ergebnisse des eigenen Handelns berücksichtigen. Auch die Elektromobilität soll gefördert werden. Elektrofahrräder, sogenannte Pedelecs, die bis zu 25 km/h schnell fahren können, werden noch als Fahrräder definieren und müssen bzw. dürfen dann diese Gehwege benutzen. Für Fußgänger sind diese Geschwindigkeiten schlicht unverträglich. Auch wenn nach dem aktuellen Text der Novellierung der StVO (Stand Juli 2011) die Höchstgeschwindigkeit für Fahrzeuge auf Gehwegen auf 15 km/h beschränkt werden sollen, ist dies schlicht noch zu schnell. Im übrigen haben Fahrräder häufig kein Tachometer, eine Überwachung scheint schon jetzt aussichtslos. Auch die Freigabe von Wander- oder Freizeitwegen für den Radverkehr ist hoch problematisch. Während Radfahrer glatte Oberflächen wie Asphalt bevorzugen, ist dies zum Wandern unangenehm. Uferwege beispielsweise sind teilweise nicht mehr nutzbar, weil man dort laufend von den vielen Radfahrern auf Seite geklingelt wird. Unterschiedliche Geschwindigkeiten vertragen sich nicht. Auch wenn nur wenige polizeibekannte Unfälle zu verzeichnen sein sollten, stellt der Radverkehr auf Gehwegen, ob legal oder illegal, insgesamt eine erhebliche Beeinträchtigung des Fußverkehrs dar. Gerade für ältere oder behinderte Menschen sind dies durchaus Gefahren. Bei Unfällen gibt es eine hohe Dunkelziffer. Radverkehrsförderung sollte nicht auf Kosten des Fußverkehrs erfolgen. Notwendig ist eine glaubwürdige Strategie und Planung, wie das legale und illegale Radfahren auf Gehwegen reduziert und zukünftig der Rad- vom Fußverkehr getrennt werden soll. Auch die Regelwerke sollten hierauf reagieren.
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