Kapitel 6 Grenzwerte von Funktionen und Stetigkeit
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- Eleonora Schräder
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1 Kapitel 6 Grenzwerte von Funktionen und Stetigkeit 225
2 Relle Funktionen Im Folgenden betrachten wir reelle Funktionen f : D R, mit D R. Wir suchen eine formale Definition für den folgenden Sachverhalt. Eine Funktion f (x) nähert sich dem Grenzwert l bei x= a an. 226
3 Wir betrachten die Funktion sin(x), die wir später genauer kennenlernen werden. Die Funktion sin(x) nähert sich dem Grenzwert 0 bei 0 an. 2π 2π 227
4 Umgebung Definition 6.1 Die Menge U ε (x 0 ) := {x R x x 0 <ε}, x 0 R,ε>0 heißt ε-umgebung des Punktes x 0. Eine Teilmenge U von R nennt man Umgebung von x 0, falls sie eine ε-umgebung von x 0 enthält. 228
5 Betrachte nun die Funktion sin(1/x), die auf R \ {0} definiert ist. Die Funktion nähert sich keinem Grenzwert bei 0 an. Was ist hier das Problem? Jede Umgebung von 0 enthält Punkte x mit sin(1/x )=1 und Punkte y mit sin(1/y )=
6 Betrachte nun die Funktion x sin(1/x), die auf R \ {0} definiert ist. Sei ε>0 und setze δ := ε. Dann gilt für alle x R \ {0} mit x <δ auch x sin(1/x) x < ε. In der δ-umgebung um 0 haben die Funktionswerte höchstens Abstand ε von 0. Die Funktion nähert sich dem Grenzwert 0 bei 0 an. 230
7 Grenzwerte von Funktionen, formale Definition Definition 6.2 Der Punkt a ist Häufungspunkt von D R, wenn jede Umgebung von a einen Punkt aus D \ {a} enthält. Definition 6.3 Sei a ein Häufungspunkt des Definitionsbereichs D der Funktion f. Die Funktion f hat bei a den Grenzwert l, wenn für jedes ε>0 ein δ>0 existiert, sodass für alle x D gilt 0< x a <δ = f (x) l <ε. Wir schreiben dann lim f (x)=l. x a 231
8 Ausgedrückt in der Terminologie von Umgebungen gilt also für einen Häufungspunkt a von D lim f (x)=l, x a wenn es für jedes ε>0 ein δ>0 gibt mit f (U δ (a) D\{a}) U ε (l). 232
9 Beispiel 6.4 Betrachte die Funktion x sin(1/x). Der Definitionsbereich der Funktion ist D = R \ {0}. Der Punkt a = 0 ist ein Häufungspunkt von D. Wir zeigen nun lim x 0 x sin(1/x)=0. Dazu sei ε>0 vorgegeben. Wir suchen ein δ>0 mit x D 0< x < δ= x sin(1/x) < ε. Setze δ := ε. Dann gilt für x mit 0< x <δ x sin(1/x) 0 = x sin(1/x) = x sin(1/x) x < δ. 233
10 Beispiel 6.5 Betrachte die Funktion f : R R definiert durch { 0, falls x<0 f (x)= 1, falls x 0 Der Grenzwert lim x 0 f (x) existiert nicht. Denn nehmen wir einmal an, dieser wäre l. Setze ε := max{ l 1, l }/2. Für alle δ>0 existieren x 1,x 2 U δ (0) \ {0} mit f (x 1 )=1 und f (x 2 )=0. Es gilt max{ l f (x 1 ), l f (x 2 ) } = max{ l 1, l } > ε. Und somit ist f (x 1 ) oder f (x 2 ) nicht in U ε (l). 234
11 Lemma 6.6 In einer beliebigen Umgebung einer rationalen Zahl a liegen irrationale Zahlen. In einer beliebigen Umgebung einer irrationalen Zahl b liegen rationale Zahlen. Beweis. Sei a eine rationale Zahl. Die Zahl a+ 2/n ist irrational und wenn n genügend groß, beliebig nahe an a. Sei b eine reelle irrationale Zahl. Die Zahl n b /n hat zu b Abstand 1/n. 235
12 Beispiel 6.7 Betrachte die Funktion f (x)= { x, falls x R \ Q, 0, sonst. Jeder Punkt ist ein Häufungspunkt des Definitionsbereichs. Es gilt lim x 0 f (x)= 0. Sei ε>0. Setze δ := ε. Wenn x <δ, dann gilt auch f (x) <ε. Für a 0 existiert lim x a f (x) nicht. Denn nehmen wir an, dieser Grenzwert sei l. Wenn l=0, dann betrachte ε= a /4. Für jedes δ>0 existiert ein irrationales x mit 0< x a <δ Insbesondere existiert in U δ (a) \ {a} ein x R \ Q mit x > a/2. D.h. l= 0 ist unmöglich. Wenn l 0, dann betrachte ε= l /2. In jeder Umgebung U δ (a) mit δ>0 existiert eine rationale Zahl x a. Es gilt f (x )=0 und somit f (x ) l >ε. 236
13 Satz 6.8 (Folgenkriterium) Sei f : D R eine Funktion und a ein Häufungspunkt von D. Es gilt lim x a f (x)= l genau dann, wenn für jede Folge (x n ) n N in D \ {a} mit lim n x n = a auch lim n f (x n)=l gilt. Bemerkung 16 Der Grenzwert einer Funktion bei a ist eindeutig. 237
14 Aus dem Wissen über Folgen können wir mit Satz 6.13 bereits einige Rechenregeln herleiten. Satz 6.9 Es seien die Funktionen f,g : D R gegeben und a ein Häufungspunkt von D. Wenn lim x a f (x)=α und lim x a g(x)= β dann gilt i) lim x a (f + g)(x)=α+β ii) lim x a (f g)(x)=α β iii) Wenn β 0, dann gilt lim x a (f /g)(x)=α/β 238
15 Stetigkeit Definition 6.10 Eine Funktion f : D R heißt stetig im Punkt x 0 D, wenn es für jedes ε>0 ein δ>0 gibt mit f (U δ (x 0 ) D) U ε (f (x 0 )). Mit anderen Worten bedeutet dies, f : D R ist stetig im Punkt x 0 D, wenn es für jedes ε>0 ein δ>0 gibt mit Bemerkung 17 x D x x 0 <δ = f (x) f (x 0 ) <ε. f ist also stetig im Punkt x 0 D, falls x 0 kein Häufungspunkt von D ist, oder falls lim x x 0 f (x)=f(x 0 ) 239
16 Beispiel 6.11 Die Funktion f : R R, f (x)=x 2, ist stetig in jedem Punkt x 0 R. Es gilt: f (x) f (x 0 ) = x 2 x 2 0 x+x 0 x x 0 (2 x 0 +1) x x 0 für x x 0 <1. Zu einem gegebenen ε>0 setzen wir Dann gilt in der Tat ε δ=min{ 2 x 0 +1,1}. x x 0 <δ f (x) f (x 0 ) <ε. 240
17 Beispiel 6.12 Betrachte die Dirichletsche Sprungfunktion f : R R gegeben durch { 1, falls x rational ist f (x)= 0, andernfalls. Diese Funktion ist in keinem Punkt stetig! 241
18 Das Folgenkriterium für Grenzwerte impliziert die Folgenstetigkeit. Satz 6.13 (Folgenstetigkeit) Sei f : D R eine Funktion und x 0 D. Die Funktion f ist stetig im Punkt x 0 genau dann, wenn für jede Folge (x n ) n N in D mit lim n x n = x 0 auch lim n f (x n)=f (x 0 ) gilt. Satz 6.14 Seien X,Y,Z R. Sind f : X Y stetig (im Punkt x 0 ) und g : Y Z stetig (im Punkt y 0 := f (x 0 )), so ist auch die zusammengesetzte Funktion g f stetig (im Punkt x 0 ). 242
19 Änlich wie die Rechenregeln für Grenzwerte schließt man auch den folgenden Satz. Satz 6.15 Sind die Funktionen f,g : D R stetig (im Punkt x 0, so sind auch die Funktionen f + g, λ f (λ K ), f g, f g, f stetig (im Punkt x 0 ). Bei der Division muss natürlich g(x 0 ) 0 vorausgesetzt werden. 243
20 Definition 6.16 Sind a 0,a 1,...,a d vorgegebene reelle Zahlen, so wird durch p(x) := a 0 + a 1 x+...+a d x d eine Funktion p: R R definiert. Eine derartige Funktion heißt Polynomfunktion. Die a ν sind die Koeffizienten von p. Gilt a d 0, so nennt man d den Grad von p. Folgerung 6.17 Polynomfunktionen sind stetig. Bemerkung 18 Eine Polynomfunktion bestimmt ihre Koeffizienten eindeutig. 244
21 Definition 6.18 Eine rationalen Funktion ist ein Quotient zweier Polynomfunktionen p und q, wobei q nicht die Nullfunktion sein darf: r(x) := p(x) q(x). Die Funktion r ist überall definiert, ausser bei den Nullstellen x von q, charakterisiert durch q(x) = 0. Folgerung 6.19 Rationale Funktionen sind stetig. 245
22 Satz 6.20 Sei f : X R stetig im Punkt x 0 und f (x 0 )>0. Dann gibt es eine Umgebung U von x 0 mit x U X f (x)>
23 Kapitel 6.1 Hauptsätze über stetige Funktionen 247
24 Definition 6.21 Unter einem kompaktem Intervall verstehen wir ein beschränktes und abgeschlossenes Intervall X = [a, b]. Satz 6.22 (Satz vom Maximum) Ist f : X R stetig und X ein kompaktes Intervall, so nimmt f auf X ein globales Maximum an. D.h. es gibt einen Punkt ξ X mit f (x) f(ξ) für alle x X. Folgerung 6.23 Ist f : X R stetig und X ein kompaktes Intervall, so nimmt f auf X ein globales Minimum an. D.h. es gibt einen Punkt ξ X mit f (x) f(ξ) für alle x X. 248
25 Definition 6.24 Eine Teilmenge X R heisst abgeschlossen, wenn sie alle ihre Häufungspunkte enthält. Die Teilmenge X heisst beschränkt, wenn ein R existiert mit x R für alle x X. Beschränkte und abgeschlossene Teilmengen heissen kompakt. 249
26 Satz 6.25 (Zwischenwertsatz) Es sei f : [a,b] R stetig und f (a)<f (b). Dann nimmt die Funktion f jeden Zwischenwert c im Intervall [f (a),f (b)] an, d.h. zu jedem Zwischenwert c gibt es ein x [a,b] mit c= f (x). Folgerung 6.26 Jede Polynomfunktion ungeraden Grades d p(x)=x d + a d 1 x d a 1 x+a 0 besitzt wenigstens eine reelle Nullstelle, d.h. ein x R mit p(x) =
27 Definition 6.27 Wir nennen eine reelle Funktion f : [a, b] R streng monoton wachsend, wenn f (x)<f(x ) für alle x<x gilt. Bemerkung 19 Solche Funktionen sind offenbar injektiv. Satz 6.28 (von der Umkehrfunktion) Es sei f : [a, b] R streng monoton wachsend und stetig. Dann bildet f das Intervall [a, b] bijektiv auf das Intervall [f (a), f (b)] ab. Die Umkehrfunktion g := f 1 : [f (a),f (b)] [a,b] ist ebenfalls streng monoton wachsend und stetig. 251
28 Beispiel 6.29 Es sei n N,n 1. Die Potenzfunktion f : [0, [ [0, [, f (x)=x n ist streng monoton wachsend und stetig. Der Satz von der Umkehrfunktion zeigt die Existenz und Stetigkeit der n-ten Wurzelfunktion g(y)= n y als Umkehrfunktion von f. 252
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