Lernbücher Jura. Staatsrecht II. Grundrechte. Bearbeitet von Prof. Dr. Gerrit Manssen
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- Wilhelmine Hildegard Heinrich
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1 Lernbücher Jura Staatsrecht II Grundrechte Bearbeitet von Prof. Dr. Gerrit Manssen 13. Auflage Buch. XXIII, 284 S. Kartoniert ISBN Format (B x L): 16,0 x 24,0 cm Gewicht: 508 g Recht > Öffentliches Recht > Staatsrecht, Verfassungsrecht > Staatsrecht Zu Inhalts- und Sachverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, ebooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.
2 20. Schulwesen (Art. 7 GG) 139 BGB) und damit Unwirksamkeit spricht die finanzielle Zwangslage der M. M befindet sich aufgrund der Schwangerschaft zudem in einer psychischen und physischen Ausnahmesituation, die V ausnutzt. Die Vereinbarung verstößt zudem gegen das Kindeswohl. Die Unterhaltsansprüche des K gegen M bleiben zwar unberührt. Da bei einer Scheidung i. d. R. die Frau das Sorgerecht erhält, wird wegen der Freistellungsverpflichtung M gezwungen, den Barunterhalt für K aufzubringen. Damit verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage von K. Die Vereinbarung ist deshalb unwirksam. 4. Gleichstellungsauftrag nach Art. 6 Abs. 5 GG Einen Gleichstellungsauftrag gegenüber dem Gesetzgeber enthält Art. 6 Abs. 5 GG. Insoweit ist eine Ungleichbehandlung von ehelichen und nichtehelichen Kindern verfassungsrechtlich unzulässig. Die Vorschrift wird weit ausgelegt. Sie verlangt nicht nur eine Gleichbehandlung der Kinder, sondern auch der Eltern. So ist es verfassungswidrig, wenn die Mutter eines nichtehelichen Kindes gegen den Vater einen zeitlich kürzer bemessenen Unterhaltsanspruch hat als die Mutter eines ehelichen Kindes (oder umgekehrt, wenn der Vater das Kind versorgt). Das nichteheliche Kind erhielte sonst eine geringere Chance auf die volle Zuwendung des versorgenden Elternteils als ein ehelich geborenes Kind (BVerfGE 118, 45 ff.) Schulwesen (Art. 7 GG) Literatur: Jarass, Hans D., Zum Grundrecht auf Bildung und Ausbildung, DÖV 1995, 674 ff.; Kramer, Urs, Grundfälle zu Art. 7 GG, JuS 2009, 1090 ff. I. Überblick In Art. 7 GG sind verschiedene, sachlich nur teilweise zusammenhängende Regelungen getroffen worden. Abs. 1 stellt das gesamte Schulwesen unter die Aufsicht des Staates. Diese Bestimmung stellt quasi einen Gesetzesvorbehalt für Eingriffe in das elterliche Erziehungsrecht (Art. 6 Abs. 2 GG) und in den Betrieb von privaten Schulen (besser: Schulen in privater Trägerschaft ) dar. Abs. 2 und Abs. 3 beschäftigen sich dann mit dem traditionell besonders strittigen Problem des Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen. Abs. 4 6 betreffen die Schulorganisation, insbesondere die Errichtung und den Betrieb von Privatschulen. 473
3 140 Teil III. Freiheitsrechte II. Schulaufsicht (Art. 7 Abs. 1 GG) 1. Begriff der Schule 474 Der Staat übt die Aufsicht über Schulen aus. Schulen sind Einrichtungen, die auf gewisse Dauer berechnet sind und ein zusammenhängendes Unterrichtsprogramm haben. Keine Schulen sind etwa Vortragsreihen, Fahrschulen, Kindergärten oder Volkshochschulen. Keine Schulen sind die Universitäten bzw. die Fachhochschulen, die jedenfalls teilweise unter der Garantie von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 2. Var. GG stehen Inhalt und Grenzen der Schulaufsicht Zur Schulaufsicht gehört die Gesamtheit der staatlichen Befugnisse zur Organisation, Leitung und Planung des Schulwesens (BVerfGE 26, 228/238). Der Staat hat das Recht, die Ausbildungsgänge und Unterrichtsziele festzulegen, die Aufnahmeentscheidungen der Schulleitung zu koordinieren, über die Auswahl und Verwendung von Schulbüchern zu entscheiden und die Erziehungsziele festzulegen. Art. 7 Abs. 1 GG ist eine Art Gesetzesvorbehalt für das in Art. 6 Abs. 2 GG garantierte Erziehungsrecht. Eingriffe in das elterliche Erziehungsrecht, die auf Art. 7 Abs. 1 GG gestützt werden, müssen jedoch im Einzelnen am Verhältnismäßigkeitsprinzip gemessen werden. Der staatliche Erziehungsauftrag in der Schule ist dem elterlichen Erziehungsrecht gleichgeordnet (BVerfGE 34, 165/182 f.; 52, 223/236). Die Eltern haben kein Recht zu verlangen, dass ihnen eine ihren Wünschen entsprechende Schule zur Verfügung gestellt wird (BVerwGE 35, 111/112). Fall 45 (BVerfGE 47, 46 ff.): In Hamburg wurde 1970 durch eine Richtlinie der Schulbehörde Sexualkundeunterricht an den öffentlichen Schulen eingeführt. Die Eltern des Schülers S sehen sich in ihrem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG verletzt, da Sexualerziehung eine Sache der Eltern sei. Liegt eine Verletzung des Elternrechts vor? Lösung Fall 45: Fraglich ist, ob das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG verletzt wurde. 1. Schutzbereich. Das Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 GG umfasst das Recht der Eltern, ihre minderjährigen Kinder zu erziehen. Dieses Recht erstreckt sich auch auf die religiöse Unterweisung des Kindes und die Ausbildung in der Schule sowie auf die individuelle Sexualerziehung. Der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 GG ist daher eröffnet. 2. Eingriff. Durch die Einführung des Sexualkundeunterrichts an den öffentlichen Schulen aufgrund einer Richtlinie der Schulbehörde wird in den Schutzbereich eingegriffen. 3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung. Als Schranke für das elterliche Erziehungsrecht kommt der Erziehungs- und Bildungsauftrag des Staates gem. Art. 7 Abs. 1 GG in Betracht. Zur Schulaufsicht gehört die Gesamtheit der staatlichen Befugnisse zur Organisation, Leitung und Planung des Schulwesens. Hierzu gehört das Recht, Ausbildungsgänge und Unterrichtsziele festzulegen, und damit auch die Einbeziehung des Sexualkundeunterrichts in den Unterricht.
4 20. Schulwesen (Art. 7 GG) 141 Die Einführung des Sexualkundeunterrichts bedarf aufgrund der Wesentlichkeitstheorie jedoch einer formell-gesetzlichen Grundlage. Zudem muss bei der Ausgestaltung des Sexualkundeunterrichts darauf geachtet werden, dass die verschiedenen Wertvorstellungen auf diesem Gebiet beachtet werden. Auf das Erziehungsrecht der Eltern und auf deren religiöse und weltanschauliche Überzeugungen muss Rücksicht genommen werden. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt, so dass eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs nicht möglich ist. Der Sexualkundeunterricht wurde lediglich durch eine Richtlinie der Schulbehörde eingeführt. 4. Ergebnis. Die Einführung des Sexualkundeunterrichts ohne formell-gesetzliche Grundlage verstößt deshalb gegen das Erziehungsrecht der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 GG. Merke: Eingriffe in das elterliche Erziehungsrecht aufgrund der staatlichen Schulhoheit bedürfen immer einer formell-gesetzlichen Grundlage. III. Religionsunterricht (Art. 7 Abs. 2 und 3 GG) Literatur: Heckmann, Dirk, Verfassungsmäßigkeit des Ethik-Unterrichts DVBl. 1998, 1344, in: JuS 1999, 227 ff.; Renck, Ludwig, Rechtsfragen des Religionsunterrichts im bekenntnisneutralen Staat, DÖV 1994, 27 ff. Das Grundgesetz geht von der grundsätzlichen Trennung von Staat und Kirche aus. Der Staat ist zur Bekenntnisneutralität verpflichtet. Teilweise wird dieses Prinzip jedoch durchbrochen, z. B. durch Art. 7 Abs. 3 GG. Danach ist der Staat verpflichtet, in öffentlichen Schulen Religionsunterricht durchführen zu lassen. Der Staat muss den Religionsunterricht veranstalten und die Kosten dafür tragen. Der Religionsunterricht ist Pflichtfach. Die Erziehungsberechtigten haben jedoch das Recht, ihre Kinder nicht am Religionsunterricht teilnehmen zu lassen (Abs. 2). Als Pflichtfach kann der Religionsunterricht auch bei der Versetzungsentscheidung berücksichtigt werden (BVerwGE 42, 346/349). Mit der Pflicht des Staates geht ein Anspruch der jeweiligen Religionsgemeinschaften einher. Ein Anspruch der Religionsgemeinschaften besteht auch dahingehend, dass der Unterricht im Bereich Religion in Übereinstimmung mit ihren Grundsätzen erteilt wird. Lehrer haben als Ausdruck ihrer Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) das Recht, die Erteilung von Religionsunterricht abzulehnen (Art. 7 Abs. 3 Satz 3 GG). Die Verpflichtung des Art. 7 Abs. 3 GG besteht nicht in Ländern, in denen am 1. Januar 1949 eine andere Regelung bestand (Art. 141 GG, sog. Bremer Klausel). Strittig ist, ob Art. 141 GG auch auf die fünf neuen Länder Anwendung findet. Es entspricht der Zielsetzung der Vorschrift, Besonderheiten in einzelnen Gebieten zu berücksichtigen. Weitere Erfordernisse wie das ununterbrochene Bestehen des Landes als Rechtssubjekt stellt die Vorschrift nicht auf. Dies spricht für eine entsprechende Anwendung der Bestimmung auch im Beitrittsgebiet
5 142 Teil III. Freiheitsrechte 481 Fall 46 (BVerwGE 107, 75 ff.): S besucht das Gymnasium im Bundesland BW. Er meldet sich mit Zustimmung seiner Eltern ordnungsgemäß vom Religionsunterricht ab. Nach einer entsprechenden Bestimmung im Landesschulgesetz ist er deshalb verpflichtet, an einem weltanschaulich und religiös neutralen Ethikunterricht (gleiche Stundenzahl, ebenfalls ordentliches Lehrfach) teilzunehmen. Ist die Bestimmung des Landesschulgesetzes mit dem Grundgesetz vereinbar? Lösung Fall 46: Die Bestimmung des Landesschulgesetzes ist dann mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn sie formell und materiell verfassungsgemäß ist. A) Formelle Verfassungsmäßigkeit. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist von der formellen Verfassungsmäßigkeit auszugehen. B) Materielle Verfassungsmäßigkeit. I. Glaubensfreiheit. Zunächst könnte im Hinblick auf den S ein Verstoß gegen die Glaubensfreiheit des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG vorliegen. 1. Schutzbereich. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG schützt als einheitliches Grundrecht das Recht, einen Glauben zu bilden, zu haben, den Glauben zu bekennen, zu verbreiten und gemäß dieses Glaubens zu handeln. Mitumfasst ist auch das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an seinem Glauben auszurichten und gemäß seiner Glaubensüberzeugung zu handeln. Voraussetzung ist allerdings, dass diese Handlungen religiös motiviert sind. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Charakteristisches Wesensmerkmal eines Ethikunterrichts ist gerade seine religiöse und weltanschauliche Neutralität. Der Wille, daran nicht teilzunehmen, ist nicht religiös motiviert. Die Pflicht zur Teilnahme am Ethikunterricht ist eine Alternative zum Religionsunterricht, keine Strafe dafür, dass S am Religionsunterricht nicht teilnehmen will. 2. Zwischenergebnis. Die Glaubensfreiheit ist schon vom Schutzbereich her nicht einschlägig. II. Allgemeine Handlungsfreiheit. Möglicherweise liegt jedoch ein Verstoß gegen die allgemeine Handlungsfreiheit des S gem. Art. 2 Abs. 1 GG vor. 1. Schutzbereich. Die allgemeine Handlungsfreiheit schützt die Freiheit, zu tun und zu lassen, was man will. Hierzu gehört auch das Recht, die Teilnahme am Ethikunterricht zu verweigern. 2. Eingriff. Durch die im Landesschulgesetz geregelte Verpflichtung zur Teilnahme am Ethikunterricht wird in den Schutzbereich eingegriffen. 3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung. Fraglich ist jedoch, ob der Eingriff in den Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann. Nach Art. 2 Abs. 1 GG sind Beschränkungen durch die verfassungsmäßige Ordnung möglich. Zur verfassungsmäßigen Ordnung gehören alle Rechtsnormen, die formell und materiell verfassungsmäßig sind. Das Landesschulgesetz ist verfassungsmäßig und damit Teil der verfassungsmäßigen Ordnung. Seine Vereinbarkeit mit der Verfassung ergibt sich vor allem aus dem umfassenden schulischen Bildungs- und Erziehungsauftrag aus Art. 7 Abs. 1 GG. Hiernach hat der Staat das Recht, neue und zusätzliche Unterrichtsfächer, wie etwa das Fach Ethik, einzuführen. Der Ethikunterricht dient der Erziehung von Schülern zu verantwortungs- und wertbewusstem Verhalten. Er verfolgt daher legitime Ziele, ohne durch seinen Inhalt den einzelnen Schüler übermäßig oder auch nur mehr als andere schulische Pflichtfächer zu belasten oder in seiner Entfaltungsfreiheit unzumutbar einzuschränken. 4. Zwischenergebnis. Die allgemeine Handlungsfreiheit des S ist daher nicht verletzt. III. Teilnahme am Religionsunterricht. In Betracht käme weiterhin ein Verstoß gegen das Recht der Erziehungsberechtigten, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu entscheiden (Art. 7 Abs. 2 GG).
6 20. Schulwesen (Art. 7 GG) Schutzbereich. Art. 7 Abs. 2 GG ist eine Konkretisierung des elterlichen Erziehungsrechts in Bezug auf die Teilnahme am Religionsunterricht. Der Gesetzgeber hat die Wahlfreiheit hinsichtlich der Teilnahme am Religionsunterricht zu akzeptieren und darf durch die Einführung von Ersatzunterricht keinen Zwang im Hinblick auf die Teilnahme am Religionsunterricht ausüben. Der Schutzbereich ist daher eröffnet. 2. Eingriff. Es müsste ferner ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 7 Abs. 2 GG vorliegen. Im vorliegenden Fall ist der eingeführte Ethikunterricht mit dem Religionsunterricht gleichwertig. Er beinhaltet verwandte Unterrichtsinhalte, die gleiche Stundenzahl und hat für das Zeugnis die gleiche Bedeutung. Ein Zwang zur Teilnahme am Religionsunterricht wird daher nicht ausgeübt. 3. Zwischenergebnis. Art. 7 Abs. 2 GG ist nicht verletzt. IV. Elternrecht. Es könnte ein Verstoß gegen das allgemeine Elternrecht gem. Art. 6 Abs. 2 GG vorliegen. 1. Schutzbereich. Das Elternrecht gem. Art. 6 Abs. 2 GG umfasst das Recht der Eltern, ihre minderjährigen Kinder zu erziehen. Dieses Recht erstreckt sich auch auf die verantwortungs- und wertebewusste Erziehung. Der Schutzbereich ist daher eröffnet. 2. Eingriff. Durch die Einführung eines Ethikunterrichts als ordentliches Lehrfach wird in den Schutzbereich eingegriffen. 3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung. Als Schranke für das elterliche Erziehungsrecht kommt der Erziehungs- und Bildungsauftrag des Staates gem. Art. 7 Abs. 1 GG in Betracht. Zur Schulaufsicht gehört die Gesamtheit der staatlichen Befugnisse zur Organisation, Leitung und Planung des Schulwesens. Der Staat kann daher grundsätzlich unabhängig von den Eltern eigene Erziehungsziele verfolgen. Dabei stehen sich der Erziehungsauftrag des Staates und das Elternrecht grundsätzlich gleichrangig gegenüber. Allerdings ist die individuelle und individualisierende Erziehung zu verantwortungs- und wertbewusstem Verhalten in erster Linie das natürliche Recht der Eltern. Die Einführung des Ethikunterrichts schließt jedoch die elterliche Erziehung keineswegs aus, sondern ergänzt sie. Die Schule verfügt dabei über Möglichkeiten der Wissensvermittlung, die über das im Elternhaus Vermittelbare hinausgehen können. So können im Rahmen des Ethikunterrichts regelmäßig die gesellschaftlichen und historischen Bezüge ethischer Fragestellungen sachkundiger, wissenschaftlich fundierter und pädagogisch zielgerichteter vermittelt werden. Daneben dient dieser Erziehungsauftrag der Bewährung der Grundlagen eines weitgebundenen demokratischen Gemeinwesens (so das BVerwG), so dass dem staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrag im Falle einer Kollision der Vorrang einzuräumen ist. 4. Zwischenergebnis. Das Elternrecht gem. Art. 6 Abs. 2 GG ist nicht verletzt. V. Endergebnis. Die Bestimmung des Landesschulgesetzes ist somit verfassungsgemäß. Merke: Die Einführung eines verpflichtenden Ethikunterrichts ist verfassungsmäßig, solange der Ethikunterricht mit dem angebotenen Religionsunterricht gleichwertig ist. IV. Privatschulfreiheit (Art. 7 Abs. 4 und 5 GG) Literatur: Geis, Max-Emanuel, Die Anerkennung des besonderen pädagogischen Interesses nach Art. 7 Abs. 5 GG, Ein Bezug zur Dogmatik des Beurteilungsspielraums, DÖV 1993, 22 ff.; Pieroth, Bodo, Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab der Schule im freiheitlichen Verfassungsstaat, DVBl. 1994, 949 ff.; Vogel, Johann Peter, Zur Errichtung von Grundschulen in freier Trägerschaft, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und die bayerische Verwaltungspraxis, DÖV 1995, 587 ff.
7 144 Teil III. Freiheitsrechte 482 Das Grundgesetz entscheidet sich in Art. 7 Abs. 4 und 5 GG gegen ein staatliches Schulmonopol. Grundsätzlich wird das Recht gewährleistet, private Schulen zu errichten (Instituts- bzw. Einrichtungsgarantie). Dieses Recht ist jedoch eingeschränkt. Folgende Unterscheidungen sind zu treffen: 1. Zulassung von privaten Volksschulen (Art. 7 Abs. 5 GG) a) Begriff der Volksschule Unter einer Volksschule versteht man die Grund- und Hauptschule im herkömmlichen Sinn. Das Grundgesetz knüpft insoweit an Art. 145 Satz 1 und 2 WRV an ( Es besteht allgemeine Schulpflicht. Ihrer Erfüllung dient grundsätzlich die Volksschule mit mindestens acht Schuljahren ). b) Genehmigungsvoraussetzungen für Volksschulen Private Volksschulen sollen die Ausnahme bleiben (Abs. 5). Sie werden von der zuständigen Verwaltungsbehörde nur dann zugelassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder wenn auf Antrag von Erziehungsberechtigten eine Gemeinschafts-, Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll oder eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht. Ob ein pädagogisches Interesse besonderer Art vorliegt, steht nicht im Ermessen des Schulträgers oder der Eltern (BVerfGE 88, 40/51). Erforderlich ist, dass eine sinnvolle Alternative zum bestehenden, öffentlichen und privaten Schulangebot geboten wird, die die pädagogische Erfahrung bereichert und der Entwicklung des Schulsystems insgesamt zugute kommt (BVerfGE 88, 40/53). Grundsätzlich sollen die öffentlichen Grundschulen jedoch einen Vorrang behalten (BVerfGE 88, 40/55). Es besteht insoweit ein Beurteilungsspielraum der Unterrichtsverwaltung, der jedoch engen Grenzen unterliegt. Die Behörde muss feststellen, ob das besondere pädagogische Interesse den Vorrang der öffentlichen Grundschule, den die Verfassung grundsätzlich vorsieht, überwiegt (BVerfGE 88, 40/55). Die gerichtliche Überprüfung ist hinsichtlich der Bewertung des pädagogischen Konzepts im konkreten Fall und hinsichtlich der Abwägung beschränkt. 2. Zulassung von privaten Ersatzschulen (Art. 7 Abs. 4 GG) a) Begriff der privaten Ersatzschule 486 Private Ersatzschulen bedürfen ebenfalls der staatlichen Genehmigung (Abs. 4 Satz 2). Ersatzschule ist eine Privatschule, die nach dem mit ihrer Errichtung verfolgten Gesamtzweck als Ersatz für eine in dem Land vorhandene oder grundsätzlich vorgesehene öffentliche Schule, die keine Volksschule ist, dienen soll (BVerfGE 27, 195/201 f.; 75, 40/76).
8 20. Schulwesen (Art. 7 GG) 145 b) Genehmigungsvoraussetzungen für private Ersatzschulen Die Genehmigung unterliegt jedoch restriktiven Voraussetzungen. Nach Abs. 4 Satz 3 muss die Einrichtung zum einen öffentlichen Schulen gleichwertig sein, zum anderen darf eine Sonderung nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert werden. Diese beiden Anforderungen führen dazu, dass eine rein privat finanzierte Ersatzschule nicht existenzfähig ist. Wenn ein den öffentlichen Schulen vergleichbarer Standard gehalten werden sollte, müssten Schulgebühren erhoben werden, die nur von gut betuchten Eltern bezahlt werden könnten und die damit zu einer Sonderung der Kinder nach den Besitzverhältnissen der Eltern führten. Daraus schließt das BVerfG, dass der Staat die Pflicht hat, das Ersatzschulsystem auch finanziell zu unterstützen (BVerfGE 75, 40/66 ff.; 112, 74 ff.). Es handelt sich deshalb um einen der seltenen Fälle, in denen unmittelbar aus dem Grundgesetz ein Finanzierungsanspruch dem Grunde nach abgeleitet werden kann. Aus der grundsätzlichen staatlichen Finanzierungspflicht folgen aber in der Regel keine subjektiven Rechte einzelner Träger von Ersatzschulen auf bestimmte Zahlungen. Der Gesetzgeber ist lediglich verpflichtet, die Existenz von Ersatzschulen überhaupt zu ermöglichen. Seiner grundsätzlichen Pflicht kommt er nur dann nicht nach, wenn er die wirtschaftliche Grundlage für Privatschulen insgesamt in Frage stellt. Eine Handlungspflicht des Staates besteht erst dann, wenn die Institution des Ersatzschulwesens eindeutig gefährdet wäre (BVerfGE 75, 40/67; 112, 74 ff.) Sonstige Schulen Sonstige Schulen, die weder Ersatz- noch Volksschulen sind, können ohne Genehmigung errichtet werden Verbot von Vorschulen (Art. 7 Abs. 6 GG) Unter Vorschulen versteht man öffentliche oder private Sondereinrichtungen für den Elementarunterricht von Kindern, die später höhere Lehranstalten (Realschulen, Gymnasien) besuchen sollen. Sie ersetzten früher den Volksschulbesuch. Aufgrund der Schulgeldpflicht kam es zu einer Sonderung der Kinder nach den Vermögensverhältnissen. Deshalb verbietet das Grundgesetz in Art. 7 Abs. 6 solche Vorschulen. Nicht erfasst von dem Verbot sind Vorklassen, die den Grundschulen vorgeschaltet sind und lediglich der Eingewöhnung in den Schulbetrieb dienen sollen. Nicht verboten sind auch Förderklassen an Grundschulen zur Vorbereitung für den Besuch weiterer Förderschulen. Nicht untersagt ist auch die Einführung von Gesamtschulen
9 146 Teil III. Freiheitsrechte 492 Fall 47 (BVerwG, NVwZ 1998, 60): T betreibt eine staatlich anerkannte Lehranstalt für medizinisch-technische Assistenten (MTA). Der Antrag auf Genehmigung nach Art. 7 Abs. 4 GG wird abgelehnt, da das Schulgesetz des entsprechenden Landes L solche Lehranstalten aus dem Anwendungsbereich des Schulgesetzes herausnimmt. Zu Recht? Lösung Fall 47: Die Verweigerung der Genehmigung könnte gegen Art. 7 Abs. 4 GG und gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. I. Privatschulfreiheit gem. Art. 7 Abs. 4 GG. In Betracht kommt zunächst ein Verstoß gegen Art. 7 Abs. 4 GG. 1. Schutzbereich. Art. 7 Abs. 4 GG gewährleistet das Recht, private Schulen zu errichten. Gem. Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG bedürfen Ersatzschulen einer Genehmigung. Ersatzschule ist eine Privatschule, die nach dem mit ihrer Errichtung verfolgten Gesamtzweck als Ersatz für eine in dem Land vorhandene oder grundsätzlich vorgesehene öffentliche Schule, die keine Volksschule ist, dienen soll. Ob eine Schule Ersatzschule ist, richtet sich auch nach Landesrecht. Da es im Land L keine öffentliche Schule gibt, die der Anstalt des T entspricht, handelt es sich bei dieser auch nicht um eine Ersatzschule. Der Schutzbereich des Art. 7 Abs. 4 GG ist somit nicht eröffnet. 2. Zwischenergebnis. Art. 7 Abs. 4 GG ist nicht verletzt. II. Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG. Es könnte aber ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliegen. 1. Ungleichbehandlung. Dann müsste zunächst eine Ungleichbehandlung wesentlich gleicher Sachverhalte vorliegen. Die Lehranstalt des T für medizinisch-technische Assistenten wird vom Anwendungsbereich des Schulgesetzes ausgenommen und damit anders behandelt als die übrigen Schulen. Eine Ungleichbehandlung liegt damit vor. 2. Sachliche Rechtfertigung. Die Ungleichbehandlung ist aber gerechtfertigt, wenn sie nicht willkürlich erfolgt, d. h. wenn sich ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung anführen lässt. Die Herausnahme aus dem Bereich des Schulgesetzes ist dadurch gerechtfertigt, dass MTA-Anstalten herkömmlicherweise mit Krankenhäusern verbunden sind und deshalb über die Pflegesätze mitfinanziert werden. Ein sachlicher Grund liegt somit vor. 3. Zwischenergebnis. Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. III. Endergebnis. Die Verweigerung der Genehmigung erfolgte zu Recht. 21. Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) Literatur: Battis, Ulrich/Grigoleit, Klaus, Rechtsextremistische Demonstrationen und öffentliche Ordnung Roma locuta?, NJW 2004, 3459 ff.; Höfling, Wolfram, Versammlungsrecht in Bewegung, JA 2012, 734 ff.; Hoffmann-Riem, Wolfgang, Demonstrationsfreiheit auch für Rechtsextremisten?, NJW 2004, 2777 ff.; Mittelsdorf, Kathleen, Blockade mit Versammlungscharakter als strafbare Nötigung BVerfG, NJW 2002, 1031, in: JuS 2002, 1062 ff.; Neumann, Conrad, Die rechtliche Beurteilung moderner Kommunikations- und Interaktionsformen, NVwZ 2011, 1171 ff.
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