Methodik im Verfassungsrecht: Gutachtenstil
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1 Methodik im Verfassungsrecht: Gutachtenstil Studiengang: Bachelor of Laws (LL.B.) Modul: Staats- und Verfassungsrecht (55104)
2 Gutachtenstil Methode/Denkmuster schrittweise Erschließung des Ergebnisses Leser soll Gedankengang nachverfolgen und überprüfen können Rechtsgutachten besteht aus bis zu mehreren Hundert Durchläufen, mögl. ineinander verschachtelt
3 Gutachtenstil Obersatz Definition Subsumtion Ergebnis
4 Obersatz Aufwerfen der zu beantwortenden Frage Nennung des Prüfungsumfangs Konjunktiv, wenn sich der Indikativ nicht anbietet Beispiele: - Das Gesetz müsste formell verfassungsmäßig sein. - Die A-Fraktion müsste antragsberechtigt sein. - Die Verfassungsbeschwerde des A ist begründet, wenn er in seinen Grundrechten verletzt ist.
5 Definition Genaue, abstrakte Definition des zu prüfenden Tatbestandsmerkmals Legaldefinitionen/gefestigte Definitionen/Auslegung Beispiele: - Erforderlich ist eine Maßnahme, wenn es kein gleich geeignetes, milderes Mittel zur Zielerreichung gibt. - Beruf ist eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient.
6 Subsumtion Aufführen des konkreten Sachverhaltes, der das Tatbestandsmerkmal möglicherweise ausfüllt. Darlegung, ob der konkrete Sachverhalt unter die abstrakte Definition passt. Beispiel: - Hier verdient der A mit dem Brötchenverkauf seinen Lebensunterhalt. Damit dient das Brötchenverkaufen der Schaffung und Erhaltung seiner Lebensgrundlage.
7 Ergebnis auf die eingangs aufgeworfene Frage Beispiele: - Also liegt hier eine Meinungsäußerung i.s.d. Art. 5 I GG vor. - Somit ist das Gesetz formell verfassungsgemäß.
8 Zur Abgrenzung: Urteilsstil Ergebnis Definition Sachverhalt Subsumtion
9 Zur Abgrenzung: Urteilsstil Beispiel: Ein Beruf liegt hier vor, da der Beschwerdeführer eine auf Dauer angelegte Tätigkeit ausübt, die der Schaffung und Erhaltung der Lebensgrundlage dient, indem er Brötchen verkauft.
10 Zur Abgrenzung: Verkürzter Gutachtenstil Feststellen des Vorliegens eines Tatbestandsmerkmals Beispiele: - Das Bundesverfassungsgericht ist gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, 13 Nr. 5, 63 ff. BVerfGG für Organstreitverfahren zuständig. - Die Bundesregierung ist als oberstes Bundesorgan gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG in 63 BVerfGG unmittelbar genannt und daher im Organstreitverfahren parteifähig.
11 Übungsfall zum Gutachtenstil A ist aktiver Tierschützer. Er wird vor dem zuständigen Amtsgericht (AG) wegen Sachbeschädigung angeklagt. Ihm wird vorgeworfen, Schaufensterscheiben von Pelzhandlungen mit Ziegelsteinen eingeworfen zu haben. Zu der mündlichen Verhandlung am 16. Mai 2007 erscheint auch sein 15-jähriger Freund F. Er will dem Termin als Zuhörer beiwohnen. Als der Staatsanwalt S die Anklageschrift verliest, steht F plötzlich auf und ruft: Die wahren Verbrecher findet ihr in der Pelzindustrie. Rettet die Nerze! Kampf dem Pelzhandel! Daraufhin fordert die Richterin R den F zunächst auf, solche Zwischenrufe zu unterlassen. Als F dieser Aufforderung nicht nachkommt und seine Parole lautstark wiederholt, verweist R ihn des Gerichtssaals. Frage: Handelt es sich bei den Zwischenrufen des F um eine Meinungsäußerung i.s.d. Art. 5 I 1 GG? Hinweis: Art. 5 I 1 GG lautet: Jeder hat das Recht, seine Meinung frei zu äußern.
12 Lösung (I) Obersatz: Bei den Zwischenrufen des F müsste es sich um eine Meinungsäußerung handeln. Definition: Meinungsäußerungen sind alle Bekundungen, die durch ein Element der Stellungnahme und der Beurteilung geprägt sind. Im Gegensatz zu reinen Tatsachenmitteilungen handelt es sich um wertende Stellungnahmen.
13 Lösung (II) Sachverhalt: Als Staatsanwalt S die Anklageschrift verliest, steht F auf und ruft: Die wahren Verbrecher findet ihr in der Pelzindustrie. Rettet die Nerze! Kampf dem Pelzhandel! Subsumtion: Mit dieser Aussage bringt F zum Ausdruck, dass er den Handel mit Tierpelzen ablehnt und den Strafprozess gegen A für falsch hält. A zieht sich also nicht auf eine bloße Tatsachenmitteilung zurück, sondern offenbart seine persönliche Einstellung zu einem tatsächlichen Vorgang. Seine Aussage ist also durch ein wertendes Element geprägt.
14 Lösung (III) Ergebnis: Die Äußerung des A ist somit als Meinungsäußerung aufzufassen.
15 Abschluss Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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