Weltbild der Physik im Wandel der Zeit. Max Camenzind Senioren Uni WS2013
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- Charlotte Fried
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1 Weltbild der Physik im Wandel der Zeit Max Camenzind Senioren Uni WS2013
2 Physik - Suche nach Ordnung Die Suche nach Ordnung, Regelmäßigkeit und Sinn ist eine allgemeine Eigenschaft menschlicher Denkprozesse. Es ist eine unserer wichtigsten Formen der Anpassung in unserer ewig wechselnden Welt. Gustav Jahoda (1969)
3 Weltbild im Wandel der Zeit Newtonsche Gesetze erstes math. Modell Die Welt als Uhrwerk? Laplace,... Physik des 19. Jahrhunderts: Maxwell s Vereinheitlichung von elektrischen und magnetischen Feldern tiefe Krise um 1900! Die 2 Fundamente der modernen Physik: Relativitätstheorie & Quantenmechanik Quantenmechanik die Welt im Kleinen Die Welt des Mikrokosmos Quarks & Leptonen Peter Higgs bekommt den Nobelpreis für Physik
4 Was ist Physik? Welt ungeheuer kompliziert und irrational Menschen haben Bedürfnis, sich darin mit den Mitteln der Vernunft zurechtzufinden > condition humaine ist absurd! Physik befasst sich nur mit vergleichsweise sehr einfachen und isolierten Phänomenen in der unbelebten Natur, von den kleinsten Bereichen der Elementarteilchen bis zu den grössten des Universums alles auf vier Kräfte zurückzuführen. Physik denkt in Strukturen. Dieses Unternehmen ist ungeahnt erfolgreich! Die ganze Technik beruht auf den Entdeckungen der Physik, und sie hat unser Leben drastisch verändert.
5 Aristoteles nur Geometrie Das reichte nicht zum Verständnis
6 Archimedes der Tüftler
7 Sprache der Mathematik? Abendländische Begründer der neuzeitlichen Physik: Kopernikus, Kepler, Galilei, Newton, Fermat,... Für sie ist Wirken Gottes in der Welt eine Gewissheit im Gegensatz zu antiken Denkern, wie Seneca, Archimedes,... Galilei: Welt ist Werk Gottes; ein Buch, in dem wir lesen sollen, damit wir die Schöpfungsgedanken Gottes kennenlernen. Es ist in der Sprache der Mathematik geschrieben. Gott ist der grosse Geometer. Gestörtes Gleichgewicht in Newtons deterministischem Weltbild: Kein Platz für Eingriffe Gottes Seelische Krise. Die Diskussion hält bis heute an: Sind mathematische Strukturen nur Hilfskonstruktionen?
8 Edward Witten: Mathematische Strukturen sind Realität Das Universum ist eine 4D RaumZeit, vielleicht 10D.
9 Galileo Galilei Johannes Kepler Beginn der modernen Physik Isaac Newton Demokrit Pierre-Simon Laplace Leonhard Euler
10 Atome als Grundbausteine Geschichte in zwei Bildern: Demokrit (400 v. Chr.) Alles Stoffliche setzt sich aus Atomen zusammen Atome (indirekt) sichtbar durch Rastertunnelmikroskop (hier: Silizium) Grobes modernes Bild: Atomkern Protonen (positiv geladen) und Neutronen (neutral) Sehr klein ( Meter ) Elektronenhülle Elektronen (negativ geladen) Durchmesser ca mal größer als bei Kern
11 Johannes Kepler ( ) Leitete 1609 aus Beobachtungen her, dass Planeten sich auf elliptischen Bahnen mit der Sonne in einem Brennpunkt der Ellipse bewegen. Rein empirische Herleitung, ohne tieferes Verständnis des Warum.
12 Flächensatz Flächenelement df 1 r ( t ) r ( t dt ) 2 1 ( t) ( t) ( t) dt 2 r r r 1 r( t) r( t) dt 1 C const 2 2 r ( t dt) r () t df r r C 2. Keplersches Gesetz: In gleichen Zeitintervallen werden gleiche Flächen überstrichen
13 Die Kepler-Gesetze 1. Keplersches Gesetz Satellitenbahnen sind Ellipsen mit der Erde im Brennpunkt Keplerelemente Die Position des Satelliten oder Planeten kann durch 6 Parameter dargestellt werden 2. Keplersches Gesetz In gleichen Zeitintervallen werden gleiche Flächen überstrichen. 3. Keplersches Gesetz Die Quadrate der Umlaufszeiten der Satelliten sind T proportional zur dritten Potenz der großen Halbachsen. 2 3 a GM Zeit Form (d. Ellipse) a e Lage (d. Ellipse) i Keplerelemente a e i Position, Geschwindigkeit r r
14 Galilei, Newton, Einstein Galileo Galilei, Mathematiker, Philosoph und Physiker Freier Fall, Trägheit Sir Isaac Newton, Mathematiker, Physiker und Astronom, begründet Kepler-Gesetze Albert Einstein, Physiker Revidiert Newton
15 Definition der Kraft Einheit F m a 1 m kg 2 s Kraft ist Masse mal Beschleunigung Die Einheit der Kraft wird 1 Newton genannt, definiert aus den SI Einheiten der Grundgrößen über 1 N 1 m kg 2 s
16 Newtonsche Axiome 1. Axiom: Das Trägheitsprinzip ( lex prima ) Ein Körper verharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen Translation, sofern er nicht durch einwirkende Kräfte zur Änderung seines Zustands gezwungen wird. dr dt r 0 2. Axiom: Das Aktionsprinzip ( lex secunda ) Die Änderung der Bewegung einer Masse ist der Einwirkung der bewegenden Kraft proportional und geschieht nach der Richtung derjenigen geraden Linie, nach welcher jene Kraft wirkt. dp dt p mit dem Impuls p mr K 3. Axiom: Das Reaktionsprinzip ( lex tertia ) Kräfte treten immer paarweise auf. Übt ein Körper A auf einen anderen Körper B eine Kraft aus (actio), so wirkt eine gleichgroße, aber entgegen gerichtete Kraft von Körper B auf Körper A (reactio). K actio K reactio
17 Newtonsche Bewegungsgleichungen 2. Axiom: Das Aktionsprinzip dp p K dt Für konstante Massen => Newton-Eulersche Bewegungsgleichung K mr mit m: träge Masse
18 Newton Gravitationsgesetz Gravitationskraft ist proportional - zur schweren Masse der beiden Körper ~ m 1, ~ m 2 - zum Quadrat des reziproken Abstandes 2 ~ 1 l mit l r r - wirkt in Richtung der Verbindungsgraden e 12 r r 2 2 r r m K21 2 z r 2 m 1 Gravitationskraft K 12 Gm m 1 2 r r 2 2 r r 1 3 mit der Gravitationskonstanten -14 G s m 3 kg x r 1 y
19 Gravitationsgesetz Gravitationsgesetz K 12 Gm m 1 2 r r 1 3 Newtonsche Bewegungsgleichung m 2r 2 K 2 2 r r 1 m N kg s 2 m K21 2 gleichsetzen r Gm r r r r 2 1 m 2 s z r 2 r 1 m 1 Feldstärke g Q r P Q rp GmQ 3 r P r r Q m 2 s y x
20 2-Körper-Ansatz Kepler-Gesetze nur eine grobe Näherung
21 3-Körper-Problem Sonne Jupiter Trojaner noch beschränkt lösbar
22 Gleichgewichtspunkte 3-Körper-Problem L1 L3 instabil; L4, L5 stabil Grafik: Wikipedia
23 Planetensystem: N-Körper-Problem V P = dr P /dt m P dv P /dt = Summe aller Grav-Kräfte P ; Für gegebene Anfangsbedingungen r P (t=0) und V P (t=0) ist die Lösung eindeutig bestimmt. Kausalität V P r P Camenzind 2013 Simulation Jupiter
24 N-Körper-Problem Numerik Prinzip Zeitschritt Dt = 1 Tag
25 Integration mit Bulirsch-Stoer-Methode Zeitschritt: 1 Tag / N_Body.cpp / 14 Körper Camenzind 2013 / 11 Monate Integration
26 König Oscar II. ( ) König Oscar II. von Schweden war beunruhigt über die Zukunft des Sonnensystems. Er schrieb 1889 einen Preis aus für die Lösung des allgemeinen N-Körper Problems. Dies zog die Aufmerksamkeit einiger Mathematiker jener Zeit auf sich nur 3 brauchbar! Von der Beantwortung der Frage erhoffte man sich Einsichten über die Stabilität des Sonnensystems.
27 Henri Poincaré ( ) Henri Poincaré war ein bedeutender französischer Mathematiker, theoretischer Physiker und Philosoph. Er realisierte sehr schnell, dass dieses Problem nicht zu bewältigen ist. Selbst das 3-Körper-Problem stellte sich sehr viel schwieriger dar als gedacht. Er behauptete, die Stabilität des eingeschränkten 3-K-P zu beweisen!
28 Small changes Small Effects Das Problem der Stabilität des Sonnensystems stellte sich als unlösbar heraus. Poincaré entwickelte dafür die Theorie der `small bumps, heute bekannt als asymptotische Theorie. Frage: Haben kleine Änderungen in den Anfangsbedingungen auch kleine Änderungen der Lösung zur Folge? Leider nicht immer! Wie sieht das Sonnensystem in 10 Mrd. Jahren aus?
29 CHAOS! Kleine Änderungen in den Anfangsbedingungen können zu signifikanten Änderungen im Langzeitverhalten führen ( magnetisches Pendel und Lorenz-System). Selbst wenn wir die Position jedes Körpers mit grosser Genauigkeit kennen, können wir nicht guarantieren, dass es eine Lösung für alle Zeiten gibt heute jenseits von 100 Mio. a! Poincaré benutzte diese Ideen, zu zeigen, dass es keine praktikable Lösung des N- Körper-Problems gibt, jedoch für 3 Körper.
30 Rätsel 1: Ist unser Planetensystem stabil? Das Planetensystem kann heute mit Supercomputern über die gesamte Lebenszeit der Sonne (12 Mrd. Jahre) integriert werden. Planetenbahnen verhalten sich wahrscheinlich chaotisch auf Zeitskalen von 5 20 Mio. Jahren (Exzentrizitäten schwanken, ). Die Frage der Stabilität kann nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit beantwortet werden ART stabilisiert die inneren Planeten! Es ist aber unwahrscheinlich, dass Planeten kollidieren oder in die Sonne stürzen. Planetensystem ist voll, es gab Verluste.
31 Laskar 2012 Erde Exzentrizität
32 Erde Exzentrizität Klimaschwankungen Laskar 2004
33 Mars Exzentrizität Laskar 2012
34 Maximale Exzentrizität Laskar 2012 Zeit in Mrd. Jahren
35 Vielteilchensysteme Navier-Stokes Gleichungen
36 Turbulenz Leonardo da Vinci Erstes Studium der Turbulenz 1515
37 Turbulenz - Wasser
38 Turbulenz im Strömungskanal Turbulente Strömung Laminare Strömung 39
39 Turbulenz Jupiter-Atmosphäre mit Rotem Fleck Aufnahme: Cassini/NASA
40 Krise des mechanistischen Weltbildes ~ 1900 Geburt der modernen Physik Hertz: Atome der Chemiker sind zusammengesetzte Gebilde Thomson: Entdeckung des Elektrons (e - ) (Hertz und) Rutherford: planetares Modell der Atome Probleme im Rahmen der klassischen Physik: Atome instabil, verstrahlen Keine Erklärung der atomaren Spektrallinien (Balmer) Träge Masse des e - hängt von Geschwindigkeit ab Keine Bewegung der Erde relativ zum Äther nachweisbar (M M) Symmetrien der Newtonschen Mechanik und der Elektrodynamik sind inkompatibel (Poincaré) Thermische Strahlung innerhalb der klassischen Physik unerklärlich Unifizierung von Mechanik, ED und Thermodynamik gescheitert!
41 James Clerk Maxwell Ludwig Boltzmann Joseph John Thomson Die Gründerväter Heinrich Hertz Max Planck Albert Einstein
42 Maxwell ( )
43 Die klassische Physik des 19. Jahrhunderts Mechanik Newton Einstein Newton Coulomb / Lorentz dp F dt p F m mm r ² / c² F q( E B) Elektrodynamik Maxwell-Gleichungen div E 1 0 div B 0 B rot E t E 1 c² rot B j t 0 (so zusammengefasst in Feynman Lectures on Physics; Bd. 2)
44 Magnetischer Dipol Erde
45 Magnetisches Dipolfeld keine Monopole
46 Elektrisches Dipolfeld
47 Elektromagnetische Wellen 1 v c με o o E E B B μ ε and μ ε 2 o o 2 2 o o x t x t 2
48 Poynting-Fluss & Energiedichte 1 B u u εe 2 B E o 2 2μ 2 o S 1 μ o EB
49 Dipolstrahlung
50 Hertzsche Dipolstrahlung
51 Elektromagnetische Wellen
52 Das elektromagnetische Spektrum Solarstrahlung: l = 100 nm - 4 mm Terrestrische Strahlung: l = 4 mm mm
53 Zusammenfassung Moderne Physik beginnt mit Isaac Newton 1. Rätsel: Ist unser Planetensystem stabil? Dieses Mechanistische Weltbild ist überholt Relativistisches Weltbild & Quantentheorie In der Physik können wir heute alles auf 4 Kräfte reduzieren: Gravitation, schwache, elektromagnetische und starke Kräfte. Die Idee des (elektromagnetischen) Feldes wurde im 19. Jh. von Maxwell entwickelt Feldbegriff fundamental für moderne Physik
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