Aktuelles. Die betriebsbedingte Kündigung. 1. Dringende betriebliche Erfordernisse
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- Edith Kraus
- vor 8 Jahren
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1 Aktuelles Die betriebsbedingte Kündigung Die betriebsbedingte Kündigung ist diejenige Kündigung, die in der täglichen Praxis am häufigsten vorkommt. So beziehen sich 80 % der Klagen am Arbeitsgericht Stuttgart auf betriebsbedingte Kündigungen. Gegen betriebsbedingte Kündigungen wird aber deutlich seltener geklagt als gegen verhaltens- und personenbedingte Kündigungen. Bei betriebsbedingten Kündigungen erleichtert der Grundsatz der freien unternehmerischen Entscheidung die Kündigung durch den Arbeitgeber. Aus diesen Gründen soll hier auf die Anforderungen der Rechtsprechung eingegangen werden, die diese an die betriebsbedingte Kündigung stellt. Die Prüfungspunkte sind hierbei die dringenden betrieblichen Erfordernisse, die fehlende Möglichkeit der Weiterbeschäftigung und die soziale Auswahl. 1. Dringende betriebliche Erfordernisse 1.1. Unternehmerentscheidung Mit Unternehmerentscheidung ist die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers gemeint, deren praktischer Umsetzung gleichsam zwingend die Kündigungsentscheidung und dieser wiederum der Kündigungsausspruch folgt. So liegt eine derartige Organisationsentscheidung zum Beispiel darin, dass der Unternehmer sich dazu entschließt, seine EDV-Abteilung zu schließen und diese Aufgaben auf ein Fremdunternehmen zu übertragen. Folge dieser Organisationsentscheidung ist, dass den beschäftigen Arbeitskräften gekündigt wird. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass eine betriebsbedingte Kündigung immer auf einer derartigen Unternehmerentscheidung beruht; somit prüft das Arbeitsgericht im Rahmen der betriebsbedingten Kündigung immer ob eine Unternehmerentscheidung vorliegt Außer- und innerbetriebliche Gründe Dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen, können sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus außerbetrieblichen Gründen wie auch aus innerbetrieblichen Umständen ergeben. Zu den außerbetrieblichen Gründen zählen Absatzschwierigkeiten, Auftragsmangel, Auftragsverlust, Umsatzrückgang, Streichung von Haushaltsmitteln und Wegfall von Drittmitteln. Bei außerbetrieblichen Gründen muss der Arbeitgeber sowohl die Entwicklung der Umsatzzahlen oder der Auftragsbestände als auch deren unmittelbare Auswirkung auf den Arbeitsplatz im Einzelnen darlegen. Wohingegen bei innerbetrieblichen Gründen wie Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellungen oder Einschränkungen der Produktion, Zusammenlegung von Arbeitsbereichen, Produktionsverlagerung ins Ausland oder auf Fremdunternehmen, Stilllegung eines Betriebes oder Betriebsteils und die Entscheidung, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, diese nicht darauf überprüft werden, ob sie durch äußere Anlässe erforderlich geworden und darüber hinaus geeignet sind, den mit
2 ihr verfolgten Zweck zu erreichen. Es ist nur zu prüfen, ob eine derartige unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt und durch ihre Umsetzung das Beschäftigungsbedürfnis im behaupteten Umfang entfallen ist. Demzufolge ist der Nachweis von innerbetrieblichen Gründen einfacher und in der Mehrheit der Fälle wird der Arbeitgeber sich auf diese Gründe beziehen Umsetzung der Unternehmerentscheidung Um kündigungsrelevant sein zu können, muss die Unternehmerentscheidung vom Arbeitgeber umgesetzt worden sein. Die Organisationsentscheidung muss zu dieser Organisationsänderung führen. Der Arbeitgeber muss im Kündigungsschutzprozess Tatsachen vortragen, aus denen zu schließen ist, dass die unternehmerische Entscheidung tatsächlich durchgeführt worden ist oder dass aufgrund der Umsetzung dieser Entscheidung davon auszugehen ist, dass sie sich zum Kündigungstermin realisieren wird. Entscheidend ist der Nachweis, dass die Kündigung aufgrund einer vernünftigen und ernsthaften Prognose ausgesprochen wurde, nach der zum Kündigungstermin der Arbeitsplatz entfällt Mißbrauchskontrolle Das Bundesarbeitsgericht sagt, dass die unternehmerische Entscheidung nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. In der Praxis ist festzustellen, das die Gerichte nur selten eine willkürliche Unternehmerentscheidung annehmen. Im Prozess hat der Arbeitgeber nur darzulegen, dass überhaupt eine unternehmerische Entscheidung getroffen ist, die die Kündigung erforderlich macht. Sache des Arbeitnehmers ist es sodann, die Umstände darzulegen und zu beweisen, aus denen sich ergeben soll, dass die getroffene unternehmerische Entscheidung offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist Nachvollziehbarer Arbeitskräfteüberhang Das Arbeitsgericht prüft weiter, ob aufgrund der Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und deren betrieblicher Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers entfallen ist. Je näher die eigentliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss rückt, umso mehr muss der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, dass ein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen ist. Er muss nachvollziehbar darstellen, welches Konzept er hat, um die Arbeit nun auf die anderen Arbeitnehmer zu verteilen Betriebsbezogenheit und Wiedereinstellungsanspruch Maßgebend ob dringende betriebliche Erfordernisse zum Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten geführt haben, sind allein die Verhältnisse des Betriebes, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt ist. Anknüpfungspunkt ist dabei nicht der Betriebsteil oder die Betriebsabteilung und auch nicht das Unternehmen
3 oder der Konzern. Stellt sich im Nachhinein heraus, dass die Prognose des Arbeitgebers sich nicht als richtig erwiesen hat, dann hat der gekündigte Arbeitnehmer einen Wiedereinstellungsanspruch. 2. Fehlende Möglichkeit der Weiterbeschäftigung Eine Kündigung, die aufgrund einer zum Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes führenden organisatorischen Maßnahme ausgesprochen worden ist, ist nur dann durch ein dringendes betriebliches Erfordernis bedingt, wenn der Arbeitgeber keine Möglichkeit hat, den Arbeitnehmer anderweitig zu beschäftigen. Die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung setzt das Vorhandensein eines freien Arbeitsplatzes voraus. Dabei sind solche Arbeitsplätze frei, die zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs unbesetzt sind. Die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung bezieht sich nur auf vergleichbare, gleichwertige freie Arbeitsplätze im gesamten Unternehmen. Dem zu kündigenden Arbeitnehmer muss auch die Möglichkeit gegeben werden sich umzuschulen oder fortzubilden. Dem Arbeitgeber wird in der Praxis der Arbeitsgerichte in der Regel eine maximale Umschulungsdauer von drei Monaten zuzumuten sein. Dem Arbeitgeber obliegt im Arbeitsgerichtsprozess im Rahmen der betriebsbedingten Kündigung die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Kündigung auf dringenden betrieblichen Erfordernissen beruht. Die Rechtsprechung stellt hohe Anforderungen an die Erfüllung dieser Darlegungs- und Beweislast. 3. Soziale Auswahl Eine betriebsbedingte Kündigung ist trotz des Vorliegens dringender betrieblicher Erfordernisse ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber der Entscheidung, welchen oder welche Arbeitnehmer er entlässt, soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt. Die Überprüfung der Auswahlentscheidung erfolgt in drei Schritten. Zunächst wird der Kreis der vergleichbaren und deshalb für eine Sozialauswahl in Betracht kommende Arbeitnehmer ermittelt. Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer aufgrund seiner Fähigkeiten und Kenntnisse sowie nach dem Inhalt seines Arbeitsvertrages die Tätigkeit ausführen kann und diese derselben Ebene in der Betriebshierarchie zuzuordnen ist. Im zweiten Schritt wird die eigentliche Sozialauswahl vorgenommen, die nach sozialen Gesichtspunkten ausgerichtet ist. Im dritten Schritt wird geprüft, ob an sich einzubeziehende, weniger schutzwürdigere Arbeitnehmer deshalb nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen sind, weil deren Weiterbeschäftigung, einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichem Interesse liegt Betriebsbezug Die soziale Auswahl ist betriebsbezogen ausgestaltet. Arbeitnehmer eines anderen Betriebs des Unternehmens oder aus anderen Konzernunternehmen werden bei der Sozialauswahl nicht berücksichtigt.
4 3.2. Vergleichbare Arbeitnehmer Die Sozialauswahl erstreckt sich nur auf Arbeitnehmer, die miteinander verglichen werden können. Vergleichbarkeit bedeutet Austauschbarkeit. Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer aufgrund seiner Fähigkeiten und Kenntnisse tatsächlich sowie nach dem Inhalt seines Arbeitsvertrages rechtlich eine andersartige aber gleichwertige Tätigkeit ausführen kann, also mit dem Arbeitsplatzinhaber austauschbar ist, wobei genau genommen nur zu prüfen ist, ob der unmittelbar kündigungsbedrohte Arbeitnehmer den fortbestehenden Arbeitsplatz aufgrund seiner Qualifikation übernehmen kann und rechtlich übernehmen darf. Der notwendige Vergleich vollzieht sich nur auf derselben Ebene der Betriebshierarchie 3.3. Soziale Gesichtspunkte Im Rahmen der Sozialauswahl sind die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Maßgeblich sind die sozialen Daten, die bereits im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vorlagen; den vier Kriterien kommt kein genereller oder absoluter Vorrang zu Darlegungs- und Beweislast Die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich die Unrichtigkeit der Sozialauswahl ergibt obliegt, zunächst dem Arbeitnehmer. Soweit aber der Arbeitnehmer nicht in der Lage ist, mangels Informationen die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl darzulegen und deswegen den Arbeitgeber zur Mitteilung der Gründe auffordert, die ihn zur Auswahl veranlasst haben, hat der Arbeitgeber im Prozess substantiiert seine subjektiven, tatsächlich angestellten Überlegungen vorzutragen Vermutung ordnungsgemäßer Sozialauswahl bei Interessenausgleich mit Namensliste Bei Kündigungen aufgrund einer Betriebsänderung kann die Sozialauswahl bei vorliegen der übrigen Voraussetzungen nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Grob fehlerhaft ist die soziale Auswahl nur dann, wenn die Gewichtung der sozialen Kriterien Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und neuerdings Schwerbehinderung jede Ausgewogenheit vermissen lässt Leistungsträgerregelung Es sind aber nicht alle Arbeitnehmer in die soziale Auswahl einzubeziehen sondern nur diejenige, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes im berechtigten Interesse liegt. Diese Regelung ist aber nicht abschließend; es sind auch andere berechtigte betriebliche Belange denkbar, zum Beispiel besondere Kundenkontakte oder Produkterfahrungen. Nach diesen Grundsätzen ist es zulässig, in einer bestimmten Beschäftigungsgruppe nicht generell eine Sozialauswahl durchzuführen, sondern
5 vorab Altersgruppen zu bilden und lediglich innerhalb dieser Altersgruppen die Sozialauswahl vorzunehmen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muss der Arbeitgeber bei der Herausnahme von Leistungsträgern aus der Sozialauswahl die Interessen des sozial schwächeren Arbeitnehmers, die im Kontext mit der Sozialauswahl berechtigt sind, berücksichtigen und gegen das betriebliche Interesse an der Herausnahme des Leistungsträgers abwägen. Je schwerer dabei das soziale Interesse wiegt, umso gewichtiger müssen die Gründe für die Ausklammerung des Leistungsträgers sein. 4. Fazit Die vorgenannten Ausführungen sollen einen kurzen Überblick über die Voraussetzungen der betriebsbedingten Kündigung geben und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Gesetzgebung und die Rechtsprechung unterliegen ständigem Wandel. Jeder Rechtsfall ist anders und hat vielschichtige Probleme. Daher sollten Unternehmer unbedingt vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung einen im Arbeitsrecht tätigen Rechtsanwalt aufsuchen. Das Gleiche gilt für Arbeitnehmer die eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen erhalten haben.
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