Frühjahrshochwasser 2016 in Deutschland
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- Franz Sachs
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1 Frühjahrshochwasser 2016 in Deutschland Die regenreiche und gewitterträchtige Wetterlage über Mitteleuropa hat derzeit teilweise katastrophale Folgen. Kleinräumig richteten Überflutungen große Schäden an, großräumige Überschwemmungen blieben bislang aus. Für die großen Flüsse und Wasserstraßen besteht derzeit keine außerordentliche Hochwassergefahr. Die momentane Großwetterlage erfordert jedoch weitere Aufmerksamkeit. Ereignistyp Die jüngst über das Bundesgebiet verteilt aufgetretenen und bis zum jetzigen Zeitpunkt räumlich begrenzten Hochwasserereignisse sind größtenteils in die Kategorie Sturzflut (sog. Flash Flood ) einzuordnen. Es handelt sich dabei um kurzfristig nach heftigen Unwettern und damit verbundenen starken Regenfällen eintretende Überschwemmungen, die dadurch entstehen, dass die Böden sowie die vorhandenen Vorfluter (sowohl natürliche Gewässer als auch die Kanalisation urbaner Gebiete) nicht in der Lage sind, die plötzlich auftretenden großen Wassermengen in adäquater Weise aufzunehmen bzw. abzuführen. Sturzfluten können nicht nur an Flüssen, sondern grundsätzlich überall auftreten. Das Wasser fließt größtenteils unkontrolliert oberflächig ab, konzentriert sich innerhalb kurzer Zeit in Mulden, Senken, kleineren Gewässern o.ä. und kann mitunter reißende Geschwindigkeiten erreichen und entsprechend Feststoffe mit sich führen. Wetterlage und Niederschläge Die verursachenden Niederschlagsereignisse gehörten zu einem in der Höhe ausgeprägten abgeschlossenen Tiefdruckgebiet ( cut-off low ), das nunmehr seit dem späten Donnerstag des 26. Mai 2016, mehr oder weniger stationär über Mitteleuropa verharrt und am Boden von einer von Mittel- bis Süd- und Osteuropa umfassenden Tiefdruckrinne mit eingelagerten abgeschlossenen Tiefdruckgebieten begleitet wird. Hierbei vermischen sich warme und wasserdampfreiche Luftmassen aus dem Mittelmeerraum mit nur geringfügig kühleren wasserdampfreichen Luftmassen, die über die Ostund Nordsee nach Mitteleuropa herangeführt werden. Durch die der Jahreszeit entsprechenden hohen Einstrahlung entstehen labil geschichtete Luftmassen, die dann oft nochmals verstärkt bei Auftreffen auf orographische Hindernisse als Starkregen niedergehen. 1
2 Abb. 1: Verteilung der 24-stündigen Niederschlagssummen (Bezugstermin um 7:50 MESZ), abgeleitet aus den Radolan-Radardaten des DWD, die die Hochwasser im Kocher-, Neckar- und oberen Donaugebiet ausgelöst haben Abb. 2: Verteilung der 24-stündigen Niederschlagssummen (Bezugstermin um 7:50 MESZ), abgeleitet aus den Radolan-Radardaten des DWD, die die Hochwasser im Illergebiet und am unteren Inn (Einzugsgebiet der Rott) mit ausgelöst haben Die insgesamt ergiebigen Niederschläge führten in West-, Mittel- und Süddeutschland zu einem verbreiteten Anstieg der Oberflächengewässer. Im Alpen- und Voralpen- 2
3 raum kam hinzu, dass mit den Tiefdruckgebieten einhergehende Temperaturerhöhungen die ohnehin jahreszeitengemäß laufende Schneeschmelze in den Hochgebirgslagen forcierten. Aktuelle Hochwasserlage Vor diesem Hintergrund ist die aktuelle Lage zu erklären: Verbreitet erfolgte ein Anstieg der Pegelstände, jedoch überwiegend im Bereich unterhalb der einschlägigen Hochwassermarken. Dort, wo Unwetterzellen besonders hohe Niederschlagsintensitäten aufwiesen, kam es zu teils flächigen Überschwemmungen und einzelnen Sturzflutereignissen. Die dabei entstehenden Abflussvolumina konnten aber in aller Regel von den größeren Fließgewässern ohne weitere Ausuferungen abgeführt werden. Nur auf sehr begrenzten Abschnitten der Bundeswasserstraßen (Oberrhein im Bereich Karlsruhe, Donau bei Passau, vgl. Abb. 3) prägten sich größere Hochwasserwellen aus, die allerdings deutlich unter den vieljährig berechneten jeweiligen mittleren Hochwasserständen bzw. -abflüssen verblieben. Bundesanstalt für Abb. 3 Hochwasserganglinie am Pegel Passau (Donau) Auch wurden mit Ausnahme des unteren Neckars nie Niveaus erreicht, welche Schifffahrtseinstellungen angesichts eventueller Überschreitungen der örtlichen HSW 1 notwendig gemacht hätten: Am Oberrheinpegel Maxau lag der Scheitel am bei 712 cm ü. PNP (HSW1 überschritten, HSW2 um 38 cm verfehlt), am Donaupegel Passau am bei 762 cm ü. PNP (HSW um 18 cm unterschritten), an der rasant angestiegenen Mosel (vgl. Abb. 4) wurde am Pegel Cochem bei Scheiteldurchgang am angesichts eines Pegelstands von 581 cm der örtliche HSW (600 cm ü. PNP) ebenfalls nicht erreicht. 1 HSW-höchster schiffbarer Wasserstand 3
4 Abb. 4: Pegel Cochem: Abflussganglinie der Mosel seit Januar 2016 (Bezugsperiode für die vieljährigen mmq (mittlere monatliche Abflüsse) und mmhq (mittlere monatliche Höchstabflüsse) ist der Zeitraum ) Ausblick In den tieferen Bodenschichten und in Grundwasserköpern ist die Wasseraufnahmefähigkeit der Böden trotz der in den letzten Tagen gefallenen Niederschläge, aber angesichts der trockenen Vormonate noch groß dies im Gegensatz zur Ausgangslage des Juni-Hochwassers Mit Ausnahme von lokalen Ereignissen aufgrund räumlich begrenzter Unwetterzellen werden daher die für die nächsten Tage erwarteten Niederschläge in den Einzugsgebieten verbleiben bzw. versickern. Eine Ausnahme bildet hier das bereits seit Mitte Mai stärker überregnete Hoch- und Alpenrheingebiet, wo auftretende Niederschläge mehr oder minder direkt die Gewässer speisen. Insgesamt bleibt jedoch die Vorfüllung der Oberflächengewässer vor allem in schmelzwasserbeeinflussten voralpinen Einzugsgebieten, aber in abgeschwächter Form auch im übrigen Mittel- und Süddeutschland, über den saisonal üblichen mittleren Niveaus. Die vorhandenen Wasservorräte in Schnee und Gletschern tragen voraussichtlich nur im jahreszeitlich üblichen Maß zur Abflussentwicklung bei. Die aktuelle Wetterlage und die voraussichtliche Witterungsentwicklung lässt kurzbis mittelfristig weitere Niederschläge im Westen und vor allem im Süden Deutschlands erkennen. In dieser Situation besteht zumindest für Süd- und Südwestdeutschland grundsätzlich das Potenzial der Entstehung auch überregionaler Hochwassersituationen. Die aktuellen Prognosen der Hochwasservorhersagezentralen der Länder (siehe lassen jedoch für die kommenden Tage keine kritischen Situationen an den großen Flüssen in Deutschland erwarten. Anders ist dies in nachgeordneten Einzugsgebieten, wo angesichts der weiter bestehenden Großwetterlage unverändert Unwetterpotenzial besteht. Für kleine Einzugsgebiete bieten einige Bundesländer in Ergänzung zu den Unwetterwarnungen des Deutschen Wetterdienstes sog. Hochwasserfrühwarnkarten an (siehe Abbildung 5). Diese Karten basie- 4
5 ren auf der Kombination hochaufgelöster meteorologischer und hydrologischer Modelle und sind damit in der Lage, auch die lokale Gebietscharakteristik sowie die aktuellen Abflusstendenzen der Einzugsgebiete zu berücksichtigen. Bundesanstalt für Abb. 5: Hochwasserfrühwarnung für der Hochwasservorhersagezentrale Baden-Württemberg für kleine Einzugsgebiete (Einzugsgebietsgrößen kleiner 200km²) (Stand: 06.Mai 2016, 07 Uhr MESZ) Abkürzungen: PNP: Pegelnullpunkt HSW: Höchster Schifffahrtswasserstand (oberer Grenzwert, bis zu dem der Verkehr auf der Wasserstraße zulässig ist) 5
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