Arbeitsgemeinschaft zum Grundkurs Öffentliches Recht II. Fall 7: Kassenarztzulassung. Sommersemester 2016
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- Hermann Koenig
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1 Arbeitsgemeinschaft zum Grundkurs Öffentliches Recht II Fall 7: Kassenarztzulassung Sommersemester 2016
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4 Sachverhalt: BVerfG S Ablehnung des Zulassungsantrags X Fachgerichte Zuständige Behörde Zulassungserfordernis für Kassenärzte (Warteliste mit fachlichen und sozialen Kriterien) Aufgabe 1: Begründetheit einer Verfassungsbeschwerde
5 Art. 18 Abs. 1 AEUV: Unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge ist in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.
6 Die Verfassungsbeschwerde ist begründet, wenn S durch die angegriffenen Entscheidungen in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt ist. Vorliegend kommt nur eine Verletzung der Berufsfreiheit aus Art. 12 GG in Betracht. Eine Verletzung der Berufsfreiheit aus Art. 12 GG liegt vor, wenn die angegriffenen Entscheidung in den Schutzbereich dieses Grundrechts eingreift und dieser Eingriff verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt ist.
7 A. Schutzbereich I. Persönlicher Schutzbereich Art. 12 Abs. 1 GG: Deutschengrundrecht S als Ausländer grds. nur über Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. Aber: Art. 18 Abs. 1 AEUV Lösung entweder über Anpassung des Schutzniveaus von Art. 2 Abs. 1 GG Oder Anwendung des Art. 12 Abs. 1 GG auch auf EU-Ausländer Ergebnis: Persönlicher Schutzbereich eröffnet
8 A. Schutzbereich II. Sachlicher Schutzbereich Art. 12 Abs. 1 GG wird von der Rechtsprechung als ein einheitliches Grundrecht verstanden, dessen Schutzbereich sowohl die Berufsausübung wie die Berufswahl umfasst.
9 Beruf i.s.v. Art. 12 GG Der verfassungsrechtliche Begriff des Berufs erfasst jede selbständige und unselbständige, auf eine gewisse Dauer angelegte Tätigkeit, die der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient oder dazu beiträgt (und nicht schlechthin sozialschädlich ist). (+), unabhängig davon ob Kassenarzt eigenständiger Beruf
10 B. Eingriff Nach dem klassischen Eingriffsbegriff ist unter einem Eingriff eine Freiheitsverkürzung zu verstehen, die unmittelbar, final, imperativ und rechtsförmig erfolgt. Beachte: Ein Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG muss jedenfalls berufsregelnde Tendenz aufweisen Def.: Berufsregelnde Tendenz (+), wenn die staatliche Maßnahme sich unmittelbar auf die berufliche Tätigkeit auswirkt oder zumindest in einem engen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit steht
11 B. Eingriff Vorliegend erfolgt durch die gesetzlich vorgeschriebene Kontingentierung der Kassenarztplätze und die diese umsetzende Verwaltungsentscheidung eine zielgerichtete Beschränkung der Möglichkeiten für S, eine bestimmte ärztliche Tätigkeit auszuüben. Es liegt daher bereits ein Eingriff im klassischen Sinne und damit auch eine berufsregelnde Tendenz vor.
12 C. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung I. Schranken Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG: Ausdrücklicher Regelungsvorbehalt Gilt nicht nur für die Berufsausübung, sondern auch für die Berufswahl, Arg.: einheitliches Grundrecht -> Arg.: Die Ausübung des Berufes ist stets auch bekräftigender Ausdruck der Wahl dieses Berufes. Es handelt sich, da keine spezifischen Anforderungen an die gesetzl. Schranke gestellt sind, um einen einfachen Gesetzesvorbehalt.
13 C. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung II. Schranken-Schranken 1. Verfassungsmäßigkeit des gesetzl. Zulassungserfordernisses a) Formelle Verfassungsmäßigkeit An der formellen Verfassungsmäßigkeit des gesetzlichen Zulassungserfordernisses bestehen keine Zweifel.
14 b) Materielle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes Vorliegend ist insofern nur fraglich, ob die Regelung das Verhältnismäßigkeitsprinzip eingehalten hat. Bei der Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geht das BVerfG auf die in Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG angelegte Unterscheidung von Berufswahlfreiheit und -ausübungsfreiheit ein. Es ist die sog. Drei-Stufen-Theorie zu beachten: -Berufsausübungsregelungen = wie der Berufsausübung -subjektive Berufswahlregelungen = ob der Berufsausübung, anknüpfend an persönliche Eigenschaften -objektive Berufswahlregelungen = ob der Berufsausübung, anknüpfend an objektive Umstände
15 b) Mater Fall 7: Kassenarztzulassung
16 b) Materielle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes Im Fall: Berufsausübung oder Berufswahl betroffen? Ist die Kassenarzttätigkeit ein eigenständiges Berufsbild?
17 b) Materielle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes Für die Eigenständigkeit spricht das wirtschaftliche Argument Dagegen spricht jedoch: die prinzipielle Gleichartigkeit der Tätigkeit: Daher: Die Bestimmungen über die Zulassung zum Kassenarzt sind in diesem Sinne eher als Regelungen anzusehen, die eine bloße Modalität der grundsätzlich gleichartigen ärztlichen Tätigkeit, also die Berufsausübung, betreffen.
18 b) Materielle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes Vorliegend handelt es sich nach dem oben Ausgeführten lediglich um eine Einschränkung der Berufsausübung. Da die Intensität derartiger Eingriffe grundsätzlich eher gering, reichen als korrespondierender Eingriffszweck vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls aus. aa) Legitimer Zweck Sicherstellung der finanziellen Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens bb) Geeignetheit Vorliegend ist davon auszugehen, dass die Kontingentierung der Kassenarztplätze zur Gewährleistung wirtschaftlich stabiler Verhältnisse beitragen kann.
19 b) Materielle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes cc) Erforderlichkeit Das Zulassungserfordernis stellt als bloße Berufsausübungsregelung bereits ein relativ mildes Mittel zur Zweckerreichung dar. Ein für die betroffenen Mediziner wie S milderes Mittel könnte eventuell zwar in einer Wirtschaftlichkeitsprüfung im Einzelfall (also in jeder Arztpraxis) gesehen werden. Eine derartige Prüfung wäre indes angesichts des damit verbundenen erheblichen Verwaltungsaufwandes jedenfalls nicht genauso effektiv wie die pauschale Kontingentierung.
20 b) Materielle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes dd) Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit i.e.s.) Vorliegend handelt es sich lediglich um eine Einschränkung der Berufsausübung, deren Intensität grundsätzlich eher gering ist. Aber: Materielle Betrachtung: Kommt der Eingriff in seinen Folgen einer Berufswahlregelung gleich? Wegen der gravierenden wirtschaftlichen Folgen im Ergebnis Berufswahlregel
21 b) Materielle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes dd) Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit i.e.s.) Objektive oder subjektive Berufswahlregel? Von einer subjektiven Berufswahlregelung spricht man, wenn die Regelung an bestimmte persönliche Eigenschaften und Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen, erworbene Abschlüsse und erbrachte Leistungen, schon ausgeübte Berufe und eingegangene Verpflichtungen anknüpft. Objektiv ist eine Berufswahlregelung dagegen, wenn die Erfüllung der an die Aufnahme der Berufstätigkeit geknüpften Voraussetzungen dem Einfluss des Einzelnen schlechthin entzogen ist.
22 b) Materielle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes dd) Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit i.e.s.) Trotz subjektiver Kriterien objektive Kriterien (lokale Bedürfnissituation) entscheidend. Das Zulassungserfordernis kommt daher in seinen Konsequenzen einer objektiven Berufswahlregelung gleich.
23 b) Materielle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes dd) Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit i.e.s.) Objektive Berufswahlregelungen sind nach der Rspr. des BVerfG nur rechtmäßig, wenn sie zur Abwehr nachweisbarer und höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut erforderlich sind. Liegt ein derartiger Belang vor? (+), (finanzielle) Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens Drohen nachweisbare Gefahren? (+), erhöhte Anzahl von Ärzten führt zu höheren Abrechnungskosten Angemessenheit auch im Übrigen gegeben, Gesetzliche Regelung daher verfassungsgemäß
24 C. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung II. Schranken-Schranken 2. Verfassungskonforme Anwendung des Gesetzes a) Eingeschränkter Prüfungsumfang bei der Urteilsverfassungsbeschwerde Beachte: Eingeschränkter Prüfungsumfang des BVerfG.
25 C. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung II. Schranken-Schranken 2. Verfassungskonforme Anwendung des Gesetzes Vorliegend sind indes keine Hinweise auf eine von den normativen Vorgaben der Regelung abweichende eigenständige Auslegung des Gesetzes durch die Verwaltung oder die Gerichte, ersichtlich. Daher kein Ansatzpunkt für eine eigenständige Prüfung der Verfassungsmäßigkeit. Auch hinsichtlich der Gesetzesanwendung ist somit die Verfassungskonformität zu bejahen.
26 C. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung III. Zwischenergebnis Der Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit ist damit gerechtfertigt. D. Gesamtergebnis Die (zulässige) Verfassungsbeschwerde ist nicht begründet.
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