Lausige Zeiten - Läuse in der Selbstmedikation

Transkript

1 Lausige Zeiten - Läuse in der Selbstmedikation Lars P. Frohn, Apotheker, MBA, Bonn Die Kopflaus Blutsaugender Parasit: Pediculosis humanus capitis 2 Mio. Jahre alt, 3 mm groß 6 Beine mit hakenförmigen Krallen Ø Keine Flügel! Bild-Quelle: Nyda Mit dem Stechsaugrüssel ritzt die Laus alle zwei bis vier Stunden in die obere Schicht der Kopfhaut hinein und beginnt, Blut zu saugen 1

2 Die Kopflaus Sieben Atemöffnungen je Flanke, die in Tracheen übergehen therapeutische Achillesferse der Läuse Einziger Wirt: Der Mensch Läuse übertragen Krankheiten Ø Nicht in unseren Breiten Körperhygiene spielt keine Rolle Läuse bevorzugen saubere Köpfe Betroffen sind eher vulnerable Gruppen, also Schulkinder, Wohnsitzlose, Flüchtlinge, Bewohner von Armenvierteln Übertragung Wirtswechsel: Haare der Betroffenen müssen sich berühren Bild-Quelle: de.123rf.com/profile_pressmaster 2

3 Übertragung Läuse können weder fliegen, noch springen oder hüpfen Feldstudien sprechen gegen die Relevanz der Übertragung durch unbelebte Gegenstände Tiere übertragen keine Kopfläuse Die Kopflaus überlebt nur auf dem menschlichen Kopf ØBeste Bedingungen: Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Blutversorgung Die meisten Kopfläuse sterben abseits des Kopfes innerhalb von maximal 2 Tagen Vom Ei zur Kopflaus Etwa 5 Tage nach der Befruchtung legt das Weibchen täglich ca. 5 sandkorn-große Eier In der Lebenszeit der Laus legt das Weibchen bis zu 140 Eier Eier werden beim Haaransatz mit einem wasserunlöslichen Leim angeklebt Die Eiablage erfolgt bevorzugt an beiden Schläfen, hinter den Ohren und im Nacken Aus den Eiern schlüpfen nach durchschnittlich 8 Tagen Nymphen, die sich nach weiteren 9 Tagen zu geschlechtsreifen Läusen weiterentwickeln Ø CAVE: Nymphen schlüpfen teilweise erst nach 13 Tagen! 3

4 Vom Ei zur Kopflaus Zurück bleiben etwa 1 cm von der Kopfhaut entfernt weißliche, leere Eihüllen an den Haaren kleben Die Larven bzw. Nymphen werden nach etwa neun bis elf Tagen geschlechtsreif Von der Eiablage bis zur nächsten fortpflanzungsfähigen Laus vergehen minimal 16 und maximal 23 Tage Eine ausgewachsene Laus lebt etwa Tage In Mitteleuropa findet man in der Regel weniger als 10 Läuse pro Kopf Ø Australien: bis zu 30 Läuse pro Kopf Vom Ei zur Kopflaus Quelle: Deutsches Ärzteblatt Jg. 113 Heft November

5 Die Kopflaus Tritt in Kleinepidemien auf Vor allem bei 5- bis 13-Jährigen nach den Sommerferien Der Kopflausbefall in Deutschland unterliegt einem jahreszeitlichen Rhythmus mit einem Maximum von Mitte September bis Ende Oktober Bild-Quelle: de.123rf.com/profile_highwaystarz Symptome Vorrangiges Symptom ist der Juckreiz Dieser entsteht durch eine allergische Reaktion gegen den Speichel der Kopfläuse Juckreiz beginnt durch Sensibilisierung gegen den Läusespeichel 4 6 Wochen nach der Erstinfestation Bei Reinfestation juckt es bereits nach zwei Tagen Läuse sind mit bloßem Auge nicht zu erkennen Eier oder Nissen kann man sehen 5

6 Behandlung Der Kopf steht im Fokus!!! Bild-Quelle: de.123rf.com/profile_rosinka79 Bild-Quelle: de.123rf.com/profile_refluo Wer wird behandelt? ØLäuse, Larven oder bräunlich-graue Läuseeier in Kopfhautnähe akuter Lausbefall ØFinden sich nur weißliche Läuseeier (Nissen) weiter als 1 cm von der Kopfhaut entfernt, deutet dies auf einen früheren Kopfausbefall hin, da diese Eihüllen leer sind keine Ansteckungsgefahr Bild-Quelle: infekt.ch 6

7 Läuse-und Nissenkamm - Feuchtes Auskämmen Mit einem Läusekamm kann der Befall eindeutig nachgewiesen werden Kontrolle nach der Behandlung Keine alleinige Behandlungsoption! Die Haare sollten Strähne für Strähne gekämmt werden, jeweils von der Kopfhaut bis zu den Haarspitzen Nach jeder Strähne sollte der Kamm mit einem weißen Papiertuch gesäubert werden Bild-Quelle: de.123rf.com/profile_vichnija RKI-Empfehlung Für einen zuverlässigen Erfolg der Läusetherapie: Ø Kombination von topischen Arzneiformen und nassem Auskämmen Das Robert-Koch-Institut (RKI) empfiehlt das Auskämmen: Ø An Tag 1, direkt nach Anwendung des Pedikulozids Ø An Tag 5, um früh geschlüpfte Larven zu erwischen Ø Zwischen Tag 9 und 11 im Anschluss an die Wiederholungsbehandlung Ø An den Tagen 13 und 17 zur Kontrolluntersuchung 7

8 Behandlung bei Kopflausbefall Quelle: Deutsches Ärzteblatt Jg. 113 Heft November 2016 Behandlung Therapieformen: Ø Physikalisch Ø Chemisch Ø Pflanzlich ØCAVE: Die Resistenzen gegen neurotoxische Pedikulozide nehmen weltweit zu Bild-Quelle: de.123rf.com/profile_osahe28 8

9 Physikalische Therapie Dimeticon(e) Ø Dimeticone unterscheiden sich in Kettenlänge und physikalischen Eigenschaften wie Viskosität und Benetzbarkeit Ø Physikalische Wirkungsweise macht Resistenzentwicklung unwahrscheinlich Ø Biochemisch inert, keine Resorption durch die Haut Ø Unterschiede der Produkte: Konzentration, Zusatz von Lösungsmitteln bzw. mineralischen Ölen, Beimischung von Pflanzenölen Dimeticone - Wirkungsweise Dimeticone dringen in das Tracheensystem der Laus ein und verdrängen dort den Sauerstoff, den der Parasit zum Atmen benötigt Dimeticone sind die Mittel der Wahl (Deutsches Ärzteblatt, Nov. 2016) Die Mischung aus zwei Dimeticonen (z.b. Hoch- und niedrigviskoses Dimeticon) zeigte eine Effektivität von 97 % unabhängig von der Intensität der Infestation Im direkten Vergleich waren Dimeticone wirksamer als Permethrin Entwicklung von Resistenzen nicht zu erwarten CAVE: Dimeticone, vor allem Cyclomethicone, sind leicht entflammbar 9

10 Chemische Therapie Pyrethrumextrakt (Pyrethrine) Ø Wird aus den Blüten von verschiedenen Tanacetum-Arten gewonnen Ø Enthält 6 insektizide Verbindungen Ø Licht- und oxidationsempfindlich Zusatz von Antioxidantien nötig, um Zersetzung entgegen zu wirken ØWirkmechanismus: Verlängerte Öffnung spannungsabhängiger Natriumkanäle Sensorische Übererregbarkeit der Läuse Koordinationsstörungen, Erschöpfung und Tod der Läuse Synthetische Pyrethroide Permethrin Ø Höhere Stabilität Ø Bessere Verträglichkeit Ø Mit Zusatz von Alkohol: Schädigung der Nissen soll verstärkt werden Allethrin Ø Licht- und sauerstoffempfindlich Ø Schwache Wirkung gegen Nissen Ø Als Spray: KI bei Asthmatikern und bronchopulmonalen Erkrankungen 10

11 Synthetische Pyrethroide Gute Verträglichkeit CAVE: Sind wegen möglicher Resorption, Hypersensitivität sowie neurologischer Komplikationen nach akzidenziellem Verschlucken und einem möglicherweise erhöhten Leukämierisiko umstritten Die Wirksamkeit von Permethrin sank von 97 % in den 1990er Jahren auf 30 % im Jahr 2010: ØDer großzügige Gebrauch führte zu resistenten Populationen von Kopfläusen auf allen Kontinenten Pflanzliche Therapie Beispiele: Neem-Öl, Kokosöl, Anisöl, Ylang-Ylang-Öl Ein möglicher Wirkungsmechanismus der ätherischen Öle auf die Kopflaus ist ein Einfluss auf das Nervensystem Zusatz von waschaktiven Substanzen: Ø Blockade des Sauerstofftransportes durch Eindringen in die Atemöffnungen der Läuse Polyphenole in Pflanzenextrakten: Ø blockieren Atemöffnungen der Läuse Ø Läuseeier sollen austrocknen und absterben 11

12 Umgebungssanierung nach Läusebefall Zur Beruhigung (der Eltern): Kämme & Bürsten reinigen Transmissionsrisiko ist aber vernachlässigbar Kopfläuse in Kopfkissen werden durch eine Wäsche > 60 C oder 15 Minuten im Trockner bei > 60 C getötet Die Behandlung von Polstermöbeln und Teppichen ist nicht notwendig Nicht waschbare Textilien in Plastiktüten wissenschaftlich nicht begründbar Nichtwirksamkeit der Behandlung Auch das beste Lausmittel hilft nur bei korrekter Anwendung und ihrer Wiederholung! Fehler in der Behandlung: Ø zu kurze Einwirkzeiten Ø keine Wiederholung Ø zu sparsames Aufbringen des Mittels Ø ungleichmäßige Verteilung Ø zu starke Verdünnung bei triefnassem Haar Wiederholung der Behandlung: ØBehandlung an Tag 1, Wiederholung an Tag 8 und 15 12

13 Ergänzende Materialen und Informationen zum Vortrag Wieviel Lösung braucht man denn? Bei kurzem Haar reichen etwa 25 ml Bei längerem Haar sind etwa 50 ml erforderlich Bei sehr langem und dichtem Haar auch mehr, bis zu 100 ml Kinder bis 3 Jahre: Bei Kindern nach dem vollendeten 2. Lebensmonat bis zum Alter von 3 Jahren nicht mehr als 25 ml anwenden. 13

14 Diagnostik und Therapiekontrolle: Feuchtes Auskämmen Haarwäsche mit einem normalen Shampoo durchführen Großzügiges Auftragen einer Haarspülung ( Conditioner ), um die Haare zu glätten, zu entwirren und auch die festhaftenden Eier entfernen zu können Durchkämmen des Haars mit einem Kamm mit gröberen Zinken, um es zu glätten Wenn der Kamm problemlos ohne zu ziepen durch das Haar gleitet: Wechsel auf einen Läusekamm Die Zähne des Kamms müssen an der Basis des Haars eingesetzt werden, die Zinken berühren die Kopfhaut und dann Durchziehen der Haarsträhnen bis ans Ende Feuchtes Auskämmen Nach jedem Strich: Suche nach Läusen auf dem Kamm. Entfernen (abreiben oder abspülen), wenn diese vorhanden sind Systematisches Durchkämmen der Kopfhaut von Sektion zu Sektion Abspülen der Spülung mit Wasser Nochmals systematisches Durchkämmen der nassen Haare, um gegebenenfalls verbliebene Läuse zu entfernen Zeitbedarf bis hierher: 10 Minuten (kurzes Haar) bis 30 Minuten (langes Haar) 14

15 Behandlung bei Kopflausbefall Für eine erfolgreiche Behandlung muss diese an Tag 8 (Tag 1 = erster Tag der Behandlung) wiederholt werden, um die noch zum Zeitpunkt der ersten Behandlung im Ei geschützten Nymphen zu eliminieren, bevor diese geschlechtsreif sind und neue Eier ablegen können. Untersuchungen haben gezeigt, dass nach der Eiablage einzelne Nymphen später, nämlich erst nach 13 Tagen schlüpfen können. Im ungünstigsten Fall könnten daher Nymphen, welche die erste Wiederholung im Ei unbeschadet überstanden haben, erst nach 13 Tagen schlüpfen. Erst eine dritte Behandlung an Tag 15 würde diese eliminieren. Quellen und Literatur: Kopfläuse: Epidemiologie, Biologie, Diagnostik und Therapie, Laura Meister, Falk Ochsendorf, Deutsches Ärzteblatt, Jg. 113, Heft 45, 11. November Mutschler Arzneimittelwirkungen, Pharmakologie - Klinische Pharmakologie Toxikologie, 10., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage 2013, WVSG. PZ (51/52/2016): Läuse - Studien zur Wirksamkeit DAZ (33/2017): Kopflausbefall behandeln und vorbeugen 15

16 Adressen im Internet Ausführliche Elternbroschüren stellt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in den Sprachen Deutsch, Englisch, Türkisch, Russisch und Arabisch kostenlos zur Verfügung unter: Robert-Koch-Institut: Deutsche Pediculosis Gesellschaft e.v. Deutsche Gesellschaft für Kinder-und Jugendmedizin: Kopflausbefall (Pediculosis capitis): ein Ratgeber für Kinderärzte und Laien Über den Referenten Lars P. Frohn Ausbildung: v Studium an der Uni Bonn, Approbation als Apotheker 2006 v 2011 Abschluss: Master of Drug Regulatory Affairs, Uni Bonn v 2015 Praktischer Betriebswirt für die Pharmazie, Wirtschaftsakademie Deutscher Apotheker v 2016 Abschluss: MBA Health Care Management, Uni Bayreuth Tätigkeiten (Auswahl): v seit 2016 Freiberuflicher Dozent und Referent für verschiedene Firmen v seit 2015 Dozent bei den Ravati Seminaren (Seminare und Repetitorien für Pharmazeuten) v seit 2015: Autor beim Deutschen Apotheker Verlag v seit September 2014 Dozent an der praxishochschule, Köln, für Orthomolekulare Medizin und Gesundheits- und Sozialpolitik v 2010 Bundesministerium für Gesundheit, Referat 111 Arzneimittelsicherheit v Seit 2010 Apotheken Vertretungen & Beratungen in Deutschland und der Schweiz 16