ZWEI NACHBAUTEN (REKONSTRUKTIONEN) DES BACH-CEMBALOS

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1 Horst Rase ZWEI NACHBAUTEN (REKONSTRUKTIONEN) DES BACH-CEMBALOS HORST RASE Ganz bewußt soll hier von einem historischen und nicht originalen Cembalo, von Rekonstruktion bzw. Nachbau und nicht von Kopie gesprochen werden. Das sogenannte Bach-Cembalo des Berliner Musikinstrumenten-Museums, Katalognummer 316, wurde vermutlich noch von Johann Heinrich Harrass dem Älteren selbst oder von seinem Sohn umgebaut und erhielt so ein zweites 8'-Register. Die ursprüngliche Disposition, Untermanual: 4' > < 16' Obermanual < 8' Lautenzug, Schiebekoppel wurde hierbei zu Untermanual: < 8' < 16' Obermanual: 4' > 8 > Lautenzug, Schiebekoppel verändert. Bei dieser Umarbeitung erhielt u. a. der Stimmstock eine neue Gestalt, den originalen Oberdamm verwendete man als Strebe in der Innenkonstruktion, und der Unterboden wurde von 25 mm auf 48 mm diagonal verstärkt. Mindestens drei weitere tiefgreifende Eingriffe und Reparaturen mußte das Instrument im 19. Jahrhundert über sich ergehen lassen. Der Resonanzboden wurde mehrfach herausgelöst und neu berippt, die originale Absperrippe entfernt, die Innenkonstruktion umgearbeitet. Die Resonanzboden-Auflagenleiste hatte man aufgedoppelt, so daß die schwingende Resonanzbodenfläche kleiner wurde. Die letzte große Reparatur wurde 1950 durchgeführt. 92

2 Zwei Nachbauten (Rekonstruktionen) des Bach-Cembalos Das Instrument war danach 14 Jahre, also bis 1964, spielbar und wurde auch zu Museumskonzerten eingesetzt. Der aus mehreren Holzschichten verleimte Stimmstock konnte dem Saitenzug schließlich nicht mehr standhalten und löste sich in seine Einzelteile auf. Zuviel originales Material wurde im Laufe der Jahre beim 316er entfernt oder verändert, als daß man heute noch von einem originalen Cembalo sprechen könnte. Dennoch hat gerade dieses Instrument in der Musikgeschichte einen hohen Stellenwert und ist kennzeichnend für den deutschen Cembalobau im frühen 18. Jahrhundert. Eine erneute Restaurierung hätte die inzwischen historisch gewordenen Umarbeitungen und Reparaturen verwischt und war somit aus restauratorischen und konservatorischen Gründen nicht zu verantworten. Bei den eingehenden Untersuchungen 1 des Cembalos 1987 regte Dieter Krickeberg einen Nachbau des Cembalos in historischer Bauweise an wurde schließlich mit dem Nachbau des 316er auf Wunsch der Museumsleitung und im Einvernehmen mit den Restauratoren begonnen. Wegen der zwei oben skizzierten Baustadien lag es auf der Hand, daß nicht ein, sondern zwei Nachbauten angefertigt werden sollten. Die Nachbauten gleichen sich zwar in Material, Aufbau, Form und Farbe, haben jedoch die oben erwähnten, unterschiedlichen Dispositionen. Nur so können die verschiedenen Registrierungsmöglichkeiten und Klangkombinationen demonstriert werden. Harrass hatte offenbar mit der Wahl seiner Innenkonstruktion keine sehr glückliche Hand (Zeichnung 1). Ohne zwingenden Grund hätte er oder sein Sohn gewiß nicht den originalen Oberdamm bei der Erweiterung des Instruments um ein zweites 8'-Register zur Verstärkung der Innenkonstruktion eingesetzt. Auch die Aufdopplung des Unterbodens sollte sicherlich die Stabilität des Cembalos erhöhen. Der Instrumentenaufbau des Vergleichsinstruments von Harrass, das im Staatlichen Heimat- und Schloßmuseum Sondershausen aufbewahrt wird, zeigt ähnliche Schwächen (Abb. 1). Obwohl das Cembalo in Sondershausen weitgehend im Originalzustand ist und 1975 gründlich restauriert wurde, läßt die Stimmhaltung sehr zu wünschen übrig. Bei beiden Instrumenten sind gleichartig starke Verformungen der Korpora unübersehbar. Eine exakte Rekonstruktion des Innenaufbaus beim Bach-Flügel ist aufgrund der vielen Veränderungen nicht mehr möglich. Die für die Nachbauten gewählte Innenkonstruktion kann als Kompromiß angesehen werden. So wurden die Schrägstreben, die von der Resonanzboden-Auflagenleiste der gebogenen Hohlwand bis zum Unterboden reichen 1 D. Krickeberg und H. Rase, Einige Beobachtungen zur Baugeschichte des Bach- Cembalos, in: Jahrbuch des Staatlichen Instituts für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz 1987/88, S

3 Horst Rase Zeichnung 1: Innenkonstruktion des Bach-Cembalos, Kat.-Nr (1) vermutlich originale Brettknagge, (2) originaler Oberdamm 94

4 Zwei Nachbauten (Rekonstruktionen) des Bach-Cembalos (im Sondershausener Instrument wohl original), in den Nachbauten teilweise, aber in etwas abgewandelter Form und Lage übernommen (Zeichnung 2). Die Unterbodenstreben wurden dagegen in Anlehnung an das Cembalo von Gottfried Silbermann, Sachsen um 1740, Katalognummer 5 des Musikinstrumenten-Museums Berlin, gearbeitet. Die Knaggen an den Unterbodenstreben sind bei Silbermann eingezapft und im Winkel zusätzlich stabilisiert (Zeichnung 3). Bei den Nachbauten wurden die Knaggen beiderseits der Unterbodenstreben angeleimt, so daß kein Hirnholz an die Wände stößt (Zeichnung 4). Die Berippung des Resonanzbodens beim 316er wurde mehrfach verändert bzw. erneuert, weshalb auch hier der originale Zustand nicht mehr festgestellt werden kann. Aus diesem Grund wurde die Berippung des Cembalos aus Sondershausen übernommen (Abb. 2). Sowohl beim 316er (im Originalzustand) als auch beim Sondershausener Instrument hat Harrass an der Innenseite des Oberdamms eine hölzerne Blattfeder mit zwei hölzernen Fingern angebracht, die durch den Oberdamm bis zu den Rechen reichen. Der Rechenspalt ist um 5 mm breiter als das erforderliche Spaltmaß für die Rechen, so daß ein Klemmen der Rechen durch Verformung des Korpusses nicht eintreten kann. Diese hölzerne Blattfeder wurde im Nachbau mit den drei Registern, also in der Rekonstruktion, nach Vorbild des Sondershausener Instruments eingebaut (Abb. 3). Bei der Rekonstruktion hat der Stimmstock, wie auch beim historischen Instrument im Originalzustand, zwei Ebenen. Auf der oberen Ebene sind die Wirbel und der Steg für das 16'- und die Wirbel für das 8'-Register angeordnet. Der 8'-Steg ist an der Treppung angeleimt und überragt die obere Ebene um 5 mm. Auf der unteren Ebene befinden sich die Wirbel und der Steg des 4'-Registers. Die Saiten des 8'-Registers werden von f 1 bis f 3 durch den gemeinsamen 16'- und 8'-Resonanzbodensteg geführt. Hieraus ergibt sich ein Absenken der Besaitung zum Resonanzboden hin. Da der Saitenanhang und die Durchführungen der 8'-Saiten auf gleicher Höhe liegen, wird so eine Minderung des Saitendrucks auf den Resonanzboden bewirkt. Gleiches trifft auch für das 16'-Register zu, nur liegen hier alle Saiten, von F 1 bis f 3, auf dem Resonanzbodensteg. Der Doppelschrank bewirkt aber auch hier eine Minderung des Saitendrucks (Zeichnung 5). Noch etwas verstärkt wirkt sich die Schräglage der Saiten des 16'-Registers bei dem Instrument mit vier Registern durch die dreifache Treppung aus (Zeichnung 6). Harrass hat die tastenständige Wirbelreihe des 16'-Registers durchgehend relativ dicht an die Vorderkante des Stimmstocks gesetzt. Offenbar wollte er so die größtmöglichen Saitenlängen für das 16'-Register ausnutzen. Die ursprüngliche Lage des Stimmstockstegs ist jedoch nicht mehr feststellbar. Bei dem Nachbau mit drei Registern wurde der Stimmstocksteg im Baß in gerade noch verträglicher Distanz zu den Wirbeln gelegt. Im Diskant dagegen ist die Lage des 16'-Stegs so angeordnet, daß die Saite f 3 die doppelte Länge der 8'-Saite erhält. 95

5 Horst Rase Zeichnung 2: Cembalo von Johann Heinrich Harrass, Staatliches Heimat- und Schloßmuseum Sondershausen. Skizze der Innenkonstruktion nach Unterlagen des Musikinstrumenten-Museums der Universität Leipzig (Zeichnung: Christine Gutzmer). Die mit Pfeilspitzen gekennzeichneten Verstrebungen senken sich in Richtung der Spitzen. Die schwarzen und schraffierten Spreizen liegen auf dem Unterboden, wobei es sich bei den schraffierten Bauelementen um Knaggen handelt. (1)-(6) Zur gebogenen Wand hin aufsteigende Verstrebungen, mm stark (2) 22 mm (6) 13,5 mm (7) und (8) auf dem Unterboden von Wand zu Wand laufende Balken (9)-(11) Knaggen an der gebogenen Wand, die bis zur Baßwand bzw. zum Unterdamm verlängert sind. Stärke mm (12)-(14) zwischen den Resonanzbodenauflagen beider Wände laufende Streben. Stärke mm. Höhe (12) 18,5 mm, Höhe (13) und (14) 32 mm. Zeichnung 3: Innenkonstruktion des Cembalos von Gottfried Silbermann, Sachsen um 1740 (MIM, Kat.-Nr. 5) 96

6 Zwei Nachbauten (Rekonstruktionen) des Bach-Cembalos Zeichnung 6 (rechts): Saitenlage des Nachbaus mit 4 Registern, Schnitt bei c 3 Zeichnung 4: Innenkonstruktion der Nachbauten des Bach-Cembalos, Berlin 1995 (MIM, Kat.-Nr und 5615) Zeichnung 5 (links): Saitenlage des Nachbaus mit 3 Registern, Schnitt bei c 3 97

7 Horst Rase Der Deckel, das Vorsatzbrett, die äußeren Klaviaturbacken und die eingeschraubten Beine sind beim 316er heute nicht mehr original. Als Vorbild für die Nachbauten diente auch hier das Instrument aus Sondershausen. Die äußere Gestaltung der Nachbauten Altweiß mit Goldrand dürfte wohl annähernd der ursprünglichen Fassung entsprechen. Vereinzelt sind nämlich noch Farbreste der alten Fassung erkennbar. Mensuren und Anreißpunkte des Nachbaus mit drei Registern < 16' < 8' 4' > Ton Länge Anriß Länge Anriß Länge Anriß F C F c f c f c f c f Das 16'-Register hat von F 1 bis C umsponnene Saiten. Die Umspinnung liegt dabei zwischen den Stegen. 98

8 Zwei Nachbauten (Rekonstruktionen) des Bach-Cembalos Mensuren und Anreißpunkte des Nachbaus mit vier Registern < 16' < 8' 8'> 4'> Ton Länge Anriß Länge Anriß Länge Anriß Länge Anriß F C F c f c f c f c f (Alle Maße in Millimetern) Abb. 1: Cembalo von J. H. Harrass, Breitenbach, vor 1714 (Schloßmuseum, Sondershausen) 99

9 Horst Rase Abb. 2: Berippung der Resonanzböden der beiden Nachbauten (Rekonstruktionen) des Bach-Cembalos, Kat.-Nr und 5615 Abb. 3: Hölzerne Blattfeder am Oberdamm zur Führung der Rechen 100

10 Zwei Nachbauten (Rekonstruktionen) des Bach-Cembalos Abb. 4: Cembalo von Horst Rase und Thomas Lerch, Berlin Nachbau (Rekonstruktion) des Bach-Cembalos, Kat.-Nr