SchiedsamtsZeitung 55. Jahrgang 1984, Heft 09 Online-Archiv Seite Organ des BDS
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- Melanie Hausler
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1 Aufsätze Nachbarrechtsstreitigkeiten Rechtsgrundlagen zur Konfliktlösung von Heinrich Schäfer, Vorsitzender Richter am Landgericht (Fortsetzung aus Heft 8) 2. Kleine Anlagen Sonstige, nicht zum Betreten bestimmte oberirdische Gebäudeteile, mit denen nur ein Abstand von 1 Meter einzuhalten ist, sind Dachvorsprünge, Simse, Türvorbauten, Kamine und Schornsteine. 3. Feststellen des Abstands Bei Gebäuden ist der Abstand zu den Außenwänden einzuhalten, das heißt zu den Wänden, die den Raumabschluß nach außen darstellen, bei sonstigen, nicht zum Betreten bestimmten oberirdischen Gebäudeteilen zum grenznächsten Punkt des Bauteils. In beiden Fällen ist waagerecht und rechtwinklig zur Grenze zu messen. 4. Geringerer Abstand Nach 5 1 Abs. 3 darf der Abstand nur unterschritten werden, wenn der Nachbar zuvor schriftlich eingewilligt hat. Nach 126 Abs. 1 BGB bedeutet das, dass die Einwilligungserklärung eigenhändig vom Nachbarn unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden muss. Wegen weiterer Einzelheiten vgl. Palandt, Kommentar zum BGB, 126 BGB Anm. 3. Die nur mündlich erteilte Einwilligung ist unwirksam (g 125 BGB). Im Einzelfall kann die Berufung auf den Formmangel aber einen Verstoß gegen Treu und Glauben (g 242 BGB) darstellen und deshalb unbeachtlich sein. Die einmal wirksam erteilte Einwilligung ist unwiderruflich (vgl. hierzu Schäfer, Nachbarrechtsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, 6. Auflage, 5 1 Anm.6). Der Nachbar kann seine Einwilligung immer erteilen. Die Nachbarn sind auch berechtigt, einen anderen als in diesem Gesetz vorgesehenen Grenzabstand zu vereinbaren (vgl. 5 49). Der Nachbar ist sogar verpflichtet, seine Einwilligung zu erteilen, wenn durch das Gebäude bzw. durch den Gebäudeteil keine oder nur geringfügige Beeinträchtigungen zu erwarten sind (5 1 Abs. 3). Ob das der Fall ist, hängt von den gesamten Umständen ab. Zu beachten sind hierbei unter anderem die Größe des beabsichtigten Bauvorhabens, seine Lage zum Nachbargrundstück sowie die Nutzung dieses Grundstücks. Hat der Bauherr den Abstand nicht eingehalten, ohne zuvor die Einwilligung des Nachbarn einzuholen, und verlangt dieser die Beseitigung der Anlage, so kann ihm der Bauherr entgegenhalten, dass er die Einwilligung nach 5 1 Abs.3 erteilen muss. Nachdruck und Vervielfältigung Seite 1/5
2 5. Rechtsfolgen Wird der Abstand nicht eingehalten, so werden die Rechte des Grundeigentümers verletzt. Er kann deshalb gem BGB grundsätzlich auf Unterlassung oder Beseitigung Nachbarrechtsstreitigkeiten Rechtsgrundlagen zur Konfliktlösung der Beeinträchtigung klagen. Nach der Rechtsprechung des BGH kann der Beseitigungsanspruch aber ausgeschlossen sein, wenn ein derartiges Verlangen im Einzelfall mit den Grundsätzen zulässiger Rechtsausübung nicht im Einklang steht. 6. Ausnahmen Ausnahmevorschriften enthalten weiterhin 55 2 und 3 NRG. Nach 5 2 a gilt 5 1 Abs. 1 nicht, soweit nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss. dass an die Grenze gebaut werden darf, ist nicht ausreichend. An die Grenze muss z. B. gebaut werden in den Gebieten mit geschlossener Bauweise. Entsprechendes gilt, wenn nach öffentlichen Vorschriften anders, das heißt hier mit einem geringeren Grenzabstand gebaut werden muss (g 2e). Für Garagen, überdachte Stell- und Sitzplätze und oberirdische Nebenanlagen für die örtliche Versorgung sowie für den Wirtschaftsteil einer Kleinsiedlung gilt 5 1 Abs. 1 ebenfalls nicht (5 2b). Balkone, Loggien oder Dachterrassen sind keine überdachten Sitzplätze im Sinne dieser Vorschrift. Nebenanlagen für die örtliche Versorgung sind z. B. Telefonzellen. Gegenüber Grenzen zu öffentlichen Verkehrsflächen, zu öffentlichen Grünflächen und zu oberirdischen Gewässern von mehr als 3 m Breite (Mittelwasserstand) ist kein Grenzabstand gem. 5 1 des Gesetzes einzuhalten. Zu beachten ist, dass bei den oberirdischen Gewässern nicht zwischen öffentlichen und privaten Gewässern unterschieden wird. 5 2d enthält eine Übergangsvorschrift für Gebäude, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits öffentlich-rechtlich genehmigt waren und bei denen die Abstände bisherigem Recht entsprachen, sowie für Gebäude, die an die Stelle eines solchen Gebäudes treten und mit denen der Mindestgrenzabstand von 2 Metern nur in dem bisherigen Umfang unterschritten wird. Durch C 3 NRG wird ein an sich bestehender Beseitigungsanspruch im Interesse des nachbarlichen Friedens in weiteren 3 Fällen ausgeschlossen: a) Wenn der Eigentümer des Nachbargrundstücks den Bau- und den Lageplan über den Gebäudeteil, mit dem der Abstand unterschritten werden soll, erhalten und er nicht binnen 3 Monaten schriftlich gegenüber dem Bauherrn, dessen Name und Anschrift aus dem Bauplan ersichtlich sein muss, die Einhaltung des Abstands verlangt hat. In diesem Fall muss sich aus den Plänen die vorgesehene Abstandsunterschreitung ergeben, nur dann wird die Rechtsfolge des 5 3 ausgelöst. Erhalten im Sinne dieser Vorschrift hat der Eigentümer die Pläne, wenn sie so in seinen Bereich gelangt sind, dass er unter normalen Umständen die Möglichkeit hat, Nachdruck und Vervielfältigung Seite 2/5
3 von ihnen Kenntnis zu nehmen. Zu seinem Bereich gehören auch der Briefkasten und ein Postfach. Wegen der Einzelheiten vgl. Palandt, BGB Anm.2. Werden die Baupläne nachträglich geändert, wird insbesondere der ursprüngliche Abstand weiter vermindert, müssen die geänderten Pläne erneut übersandt werden, um den Beseitigungsanspruch nach 5 3 auszuschließen. b) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer des bebauten Grundstücks, der Bauherr, der Architekt oder der Bauunternehmer den vorgeschriebenen Abstand bei der Bauausführung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig nicht eingehalten hat, es sei denn, dass der Eigentümer des Nachbargrundstücks sofort nach der Abstandsunterschreitung Widerspruch erhoben hat. Sofort ist der Widerspruch dann erhoben, wenn er nach Erkennen der Abstandsunterschreitung so rechtzeitig erhoben wird, dass erhebliche Zerstörungen an dem beabsichtigten Vorhaben vermieden werden. Der Widerspruch braucht nicht begründet zu werden. c) Schließlich ist der Beseitigungsanspruch dann ausgeschlossen, wenn das Gebäude länger als 3 Jahre in Gebrauch ist. In allen drei Fällen beginnen die Fristen frühestens mit dem Inkrafttreten des Nachbarrechtsgesetzes ( ). 7. Entschädigung Nach 5 3 Abs. 3 ist der Eigentümer zu entschädigen, wenn die Nichteinhaltung des Abstands nur aufgrund von b) oder c) hingenommen werden muss. Zu ersetzen ist der durch die Verringerung der Nutzbarkeit des Nachbargrundstücks eingetretene Schaden. Zumindest ist aber eine Entschädigung in Höhe der Nutzungsvorteile zu zahlen, die auf dem bebauten Grundstück durch die Abstandsunterschreitung entstehen. Das Fenster- und Lichtrecht 5 4 NRG enthält das sog. Fenster- und Lichtrecht. Es regelt einerseits, wann und wie Fenster in Außenwänden angelegt werden dürfen, andererseits, wie vorhandene Fenster vor Beeinträchtigungen durch Baumaßnahmen auf dem Nachbargrundstück geschützt werden können. Hieraus ergeben sich dann wiederum Beschränkungen in der Bebaubarkeit der Grundstücke. Nach 5 4 Abs. 1, der das sog. Fensterrecht regelt, dürfen in oder an der Außenwand eines Gebäudes, die parallel oder in einem Winkel bis zu 60 Grad zur Grenze des Nachbargrundstücks verläuft, Fenster, Türen oder zum Betreten bestimmter Bauteile wie Balkone und Terrassen nur angebracht werden, wenn damit ein Mindestabstand von 2 Metern von der Grenze eingehalten wird. Entsprechendes gilt für Dachfenster, die bis zu 40 Grad geneigt sind. Für den Begriff des Fensters ist es unerheblich, ob dieses geöffnet werden kann oder nicht, oder in welchem Umfang es einen Ausblick auf das Nachbargrundstück gewährt. Deshalb sind auch durch Glasbausteine Nachdruck und Vervielfältigung Seite 3/5
4 verschlossene Maueröffnungen Fenster (BGH MDR 1960 Seite 914). Lichtdurchlässige, jedoch undurchsichtige und gegen Feuer ausreichend widerstandsfähige Bauteile von Wänden, die weder auf noch unmittelbar an der Grenze errichtet sind, gelten nicht als Fenster. Nach Abs.2, der das Lichtrecht regelt, muss von einem Fenster, das a) mit Einwilligung des Nachbarn des Nachbargrundstücks, b) vor mehr als 3 Jahren im Rohbau oder c) nach dem bisherigen Recht angebracht worden ist, mit später errichtetem Gebäude ein Mindestabstand von 2 Metern eingehalten werden. Dies gilt nicht, wenn das später errichtete Gebäude den Lichteinfall in das Fenster nicht oder nur geringfügig beeinträchtigt. Nach Abs. 3 sind die Abstände waagerecht vom grenznächsten Punkt der Einrichtung oder des Gebäudes aus rechtwinklig zur Grenze zu messen. Geringere Abstände sind nur mit schriftlicher Einwilligung des Nachbarn zulässig. Diesem steht es grundsätzlich frei, ob er diese Einwilligung erteilt. Er darf sie jedoch dann nicht versagen, wenn keine oder nur geringfügige Beeinträchtigungen zu erwarten sind (5 4). Weitere Ausnahmen enthält 5. Danach gilt 5 4 Absatz 1 und 2 nicht, soweit nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften anders gebaut werden muss, gegenüber Grenzen zu öffentlichen Verkehrsflächen, zu öffentlichen Grünflächen und zu oberirdischen Gewässern von mehr als 3 Metern Breite (Mittelwasserstand), für Stützmauern, Hauseingangstreppen, Kellerlichtschächte, Kellerrampen und Kellertreppen, ferner dann nicht, wenn Nachbarrechtsstreitigkeiten Rechtsgrundlagen zur Konfliktlösung die Einrichtung oder das Gebäude bei Inkrafttreten des Gesetzes öffentlich-rechtlich genehmigt ist und die Abstände dem bisherigen Recht entsprechen oder wenn an deren Stelle eine andere Einrichtung oder ein anderes Gebäude tritt, mit dem der Mindestgrenzabstand von 2 Metern nur in dem bisherigen Umfang unterschritten wird. Diese Vorschrift entspricht im wesentlichen 2. Auf die dortigen Ausführungen wird daher Bezug genommen. Einen weiteren Ausschluß des Beseitigungsanspruchs enthält 5 6. Dieser schreibt vor, dass für den Ausschluß des Beseitigungsanspruchs 5 3 NRG entsprechend anzuwenden ist. Öffentlich-rechtliche Vorschriften Wie bereits erwähnt, enthalten auch öffentlich-rechtliche Vorschriften Regelungen, die nachbarrechtlich von Bedeutung sind. Insbesondere kommt hier die Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in Betracht. Nach 5 7 Abs. 3 BauO NW beträgt die Breite des Bauwichs, das ist der Mindestabstand, den ein Gebäude von den Grundstücksgrenzen einhalten muss, für das 1. und 2. Vollgeschoß mindestens 3 Nachdruck und Vervielfältigung Seite 4/5
5 Meter, für alle anderen Vollgeschosse je Geschoß mindestens 1,50 Meter. Ist auch nur ein Vollgeschoß höher als 3,50 Meter, so ist je angefangene 3,50 Meter der gesamten Höhe der Geschosse ein Geschoß zu rechnen, mindestens jedoch die tatsächliche Zahl der Vollgeschosse. In Kerngebieten usw. beträgt das vorstehend angegebene Maß 4 Meter. Kein Bauwich ist einzuhalten, wenn nach den planungsrechtlichen Vorschriften an die Grundstücksgrenze gebaut werden muss ( 7 Abs. 2). Außerdem besteht in besonderen Fällen die Möglichkeit, auf die Einhaltung des Bauwichs zu verzichten. Nach 5 7 Abs. 4 BauO NW sind im Bauwich lediglich Einfriedungen, Stützmauern, erdgeschossige Hauseingangstreppen, Kellerlichtschächte, Kellertreppen, Kellerrampen sowie unterirdische bauliche Anlagen zulässig. Weiterhin kann unter bestimmten Voraussetzungen die Errichtung von Stellplätzen, Garagen, überdachten Freisitzen und ähnlichen Einrichtungen im Bauwich anderer Gebäude und ohne eigenen Bauwich gestattet werden. Ferner kann gestattet werden, dass Balkone und ähnliche Vorbauten bis zu 1/3 der Bauwichbreite, jedoch höchstens 1,50 Meter in den Bauwich hineinragen. Schwimmbecken müssen einen Grenzabstand von mindestens 1,50 Meter einhalten. Zu beachten ist ferner 5 8 BauO NW, der Mindestabstände für Gebäude und Gebäudeteile vorschreibt, soweit sie nicht aneinander gebaut sind. Von Bedeutung ist schließlich noch die Abstandsflächenverordnung, in der freizuhaltende Abstandsflächen vor notwendigen Fenstern festgelegt werden. Obwohl es in erster Linie Aufgabe der Baubehörden ist, die Einhaltung der Vorschriften des öffentlichen Baurechts zu überwachen und zu gewährleisten, kann der Nachbar bei Verletzung bestimmter Vorschriften auch in seinen Rechten beeinträchtigt sein und privatrechtlich, das heißt vor den Zivilgerichten, gegen den anderen Grundstückseigentümer mit einer Klage auf Beseitigung, Unterlassung oder Schadensersatz vorgehen. Voraussetzung dafür ist, dass die verletzte Norm nachbarschützenden Charakter hat (vgl. hierzu Palandt, Überblick 2 b zu bb, 903 BGB). Als nachbarschützend sind anerkannt die Vorschriften über den seitlichen Grenzabstand (Bauwich), ferner alle Vorschriften, die durch Abstandgewährleistung des Nachbarn Licht und Luft sicherstellen sollen (Ermann-Hagen, BGB Anm. 8). Ober nähere Einzelheiten der Rechte und der Rechtsverwirklichung vergleiche Schäfer, 5 1 NRG NW Anm. 5 mit weiteren Nachweisen. (Wird fortgesetzt) Nachdruck und Vervielfältigung Seite 5/5
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