WISSENSWERT. Korea und die schwarze Kunst Buchdruck vor Gutenberg. Von Utz Thimm
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- Charlotte Michaela Heinrich
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1 Hessischer Rundfunk Hörfunk Bildungsprogramm Redaktion: Dr. Karl-Heinz Wellmann WISSENSWERT Korea und die schwarze Kunst Buchdruck vor Gutenberg Von Utz Thimm Sendung: , 8:30 bis 8:45 Uhr, hr2 Wiederholung: , 8:30 bis 8:45 Uhr, hr2 Wiederholung: , 8:30 bis 8:45 Uhr, hr2-kultur COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der Empfänger darf es nur zu privaten Zwecken benutzen. Jede andere Verwendung (z.b. Mitteilung, Vortrag oder Aufführung in der Öffentlichkeit, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verteilung oder Zurverfügungstellung in elektronischen Medien, Übersetzung) ist nur mit Zustimmung des Autors/ der Autoren zulässig. Die Verwendung zu Rundfunkzwecken bedarf der Genehmigung des Hessischen Rundfunks.
2 Koreanische Druckgeschichte 1 Wenn man im Mainzer Gutenberg-Museum durch die umfangreiche Ausstellung wandert, kommt man im Obergeschoss an eine Fußgängerbrücke, die in ein Nebengebäude führt. Erst dort erfährt man, was man eigentlich schon direkt am Eingang im Erdgeschoss erfahren müsste: Der Buchdruck ist keine europäische Erfindung. Das bestätigt Museumsdirektorin Dr. Eva Hannebutt-Benz: O-Ton 1, Dr. Eva Hannebutt-Benz, 42 : Es ist ganz eindeutig, dass das Drucken wohl in China angefangen hat. Es ist seit langem bekannt: Das Papier kommt aus China ursprünglich. Insofern ist es auch logisch, dass das Drucken dort begonnen wurde. Aufbauend auf dem Gebrauch von Siegeln beispielsweise oder Abklatschen von gemeißelten Steinstelen mit Inschriften hat man schon im 8. Jahrhundert vielleicht auch im 7. Jahrhundert schon, aber dafür kennen wir keine Belege Drucke von Holzschnittplatten gemacht. Das ist eigentlich der Beginn des Druckens. Es waren schon Textdrucke. Das ist eigentlich doch sehr früh, wenn wir bedenken, dass diese Art des Druckens in Europa erst im 14. Jahrhundert frühestens angefangen hat. Voraussetzung fürs Drucken ist nämlich Papier. Aus dem 9. Jahrhundert berichten Reisende, dass in China sogar schon Toilettenpapier in Gebrauch war. In Deutschland dagegen ist die erste Papiermühle erst 1390 in Nürnberg begründet worden. Die ersten Drucke wurden von Druckstöcken aus Holz abgenommen, in die die chinesischen Schriftzeichen seitenverkehrt eingeschnitzt waren. Aber auch der Druck mit beweglichen Lettern wurde in China erfunden. O-Ton 2, Dr. Eva Hannebutt-Benz, 35 : Nach allem, was wir heute sagen können und was die Forschung auch akzeptiert hat, waren es die Chinesen im 11. Jahrhundert. Es wird immer in Verbindung gebracht mit jemandem, der Bi Sheng heißt und der zuerst Lettern aus Keramik hergestellt haben soll, also Stempel für einzelne Schriftzeichen, die zusammengefügt einen Text ergaben. Man muss aber auch sagen: die chinesische Geschichtsschreibung verbindet auch viele Ereignisse sehr gern mit Namen, und ob das nun wirklich so von ihm erfunden wurde, das können wir nicht mehr beweisen.
3 Koreanische Druckgeschichte 2 Der Druck mit einzelnen Lettern war in China jedoch keine Erfolgsgeschichte. Das liegt an der ungeheuer großen Anzahl von chinesischen Schriftzeichen, die weit übersteigt. Noch in den 1970er-Jahren war ein Setzkasten in einer chinesischer Zeitungsdruckerei 20 Meter lang. Im Extremfall hätte also ein Drucker mehr als verschiedene Lettern vorrätig halten müssen, und natürlich auch noch jede Letter in mehrfacher Ausfertigung, um für jede Eventualität gerüstet zu sein. Das kam natürlich nicht infrage. Für jedes Buch musste deshalb ein eigener Setzkasten hergestellt werden. O-Ton 3, Dr. Eva Hannebutt-Benz, 33 : Man hat auch ganz speziell für bestimmte Bücher diese Druckstempel hergestellt also nach der Keramik wurde auch sehr viel aus Holz gemacht. Das war ein Riesenaufwand; das können wir uns sicherlich vorstellen: Man brauchte ja immer wieder Zeichen für ganz bestimmte Ausdrücke, die in anderen Bücher vielleicht dann nicht vorkamen. Insofern ist es auch eigentlich logisch, dass in China bis hinein ins 19. und noch in das 20. Jahrhundert Bücher in der Mehrzahl von Holzdruckstöcken gedruckt wurden. Das ist eigentlich die gängige Vervielfältigungsart in China gewesen. Korea war zwar in der Zeit, die wir bei uns das Mittelalter nennen, eine eigenständige Kultur, aber Korea war von China tief beeinflusst. Erfindungen wie das Papier oder das Drucken von ganzen Druckstöcken aus Holz werden deswegen aus China auch nach Korea gelangt sein. Ein spektakuläres koreanisches Beispiel ist das Dharani Sutra, das in einem Tempel entdeckt wurde. O-Ton 4, Dr. Eva Hannebutt-Benz, 35 : Das ist ein interessantes Stück. Das ist also eine buddhistische Schriftrolle, die mehrere Meter lang ist und von einzelnen länglichen Holzdruckstöcken gedruckt ist. Und man kann sie datieren, weil sie in einem Tempel in Korea, in einer kleinen Pagode, aufgefunden worden ist. Diese Rollen waren im Inneren dieser Pagoden immer mit eingebaut, so dass man also sagen kann: Bei der Grundsteinlegung und dem Bau des Tempels muss die schon da mit hineingebracht worden sein. Da man die Bauzeit des Tempels kennt, kann man sagen: Es muss vor 751 gewesen sein. Damit ist das Dharani Sutra der älteste bekannte Druck eines Textes überhaupt.
4 Koreanische Druckgeschichte 3 O-Ton 5, Dr. Eva Hannebutt-Benz, 41 : Jetzt haben wir aber eine Schwierigkeit. Die Rolle ist wie es in der Zeit auch üblich war mit chinesischen Schriftzeichen geschrieben. Und die Chinesen beanspruchen dieses Stück, also explizit auch diese Rolle, für ihre eigene Kultur und sagen: Auch wenn es jetzt auch koreanischem Grund und Boden gefunden worden ist, aber die Technik und die Schrift und alles weitere, was damit zusammenhängt, kam von uns. Das ist also chinesische Kultur. Während die Koreaner sagen: Das ist koreanisch. Es ist auf unserem Grund und Boden. Wir hatten zu der Zeit zwar die chinesische Schrift, aber ansonsten ist es unser eigenes Interesse damals gewesen, auch buddhistische Schriften zu haben. Und sie sagen: Das ist ein Zeugnis der koreanischen Kultur. Auch wenn Eva Hannebutt-Benz sich im Streit der Nationen vornehm zurück hält, man darf wohl den ältesten gedruckten Text der Weltgeschichte als ein Zeugnis koreanischer Kultur einstufen. Vor allem aber hat in Korea die umfangreichste Sammlung buddhistischer Schriften überdauert. Diese so genannte Tripikata Koreana stammt vom Anfang des 13. Jahrhunderts. Sie wird im Haein-sa-Tempel aufbewahrt, heute ein Unesco-Weltkulturerbe. O-Ton 6, Dr. Eva Hannebutt-Benz, 30 : Im Haein-sa also sa heißt dann immer 'Tempel' der in einer Berglandschaft für sich gelegen ist, wie die meisten koreanischen Klöster, sind zwei ganz schlichte, längliche Gebäude fast wie Holzschuppen. Und darin befinden sich verschiedene Holzdruckstöcke, also Tafeln, die von beiden Seiten im Relief mit Schriftzeichen eingeschnitten sind. Das ist die umfangreichste, also heute noch umfangreichste und vollständigste Sammlung buddhistischer Schriften, die es gibt. Und dann gelang in Korea der entscheidende technologische Sprung zu einzelnen, beweglichen Lettern, die aus Metall gegossen wurden. Das älteste Buch, das so gedruckt worden ist und das sich sicher datieren lässt, stammt von Das ist 78 Jahre bevor Gutenberg seine erste gedruckte Bibel präsentierte. In diesem so genannten Jikji sind Texte aus dem Zen-Buddhismus gesammelt. Um die Lettern für Bücher wie das Jikji
5 Koreanische Druckgeschichte 4 herzustellen, wurden Stempel mit den Schriftzeichen in einen Topf mit Flusssand gedrückt. Die so entstandenen Hohlformen wurden mit Wachs ausgegossen. Viele von diesen Wachslettern wurden dann zu einer Gussform zusammengesetzt. O-Ton 7, Dr. Eva Hannebutt-Benz, 28 : Das hat man in einen sehr feinen Sand eingebettet, den so genannten Gießsand. In Töpfen wurden dann diese Formen so weiterverarbeitet, dass man heißes, flüssiges Metall hineingoss und das Wachs wurde ausgetrieben, so dass die Hohlform dann von Metall gefüllt wurde, und man hatte diese Formen, die man dann ein bisschen noch bearbeiten musste. Das Ergebnis waren Metalllettern von der Größe der rechteckigen Felder, wie man sie von Schokoladentafeln kennt also 50 Jahre vor Gutenberg wurde der Buchdruck mit beweglichen Metalllettern dann bereits in einer staatlichen Druckwerkstatt praktiziert. Da liegt die Frage nahe: Hat Gutenberg womöglich etwas vom koreanischen Buchdruck gewusst? Die Direktorin des Gutenberg-Museums Eva Hannebutt-Benz will das nicht ausschließen. Zumindest sind schon zu Gutenbergs Zeiten Textilien aus Asien nach Europa gelangt, die mit Mustern bedruckt waren. O-Ton 8, Dr. Eva Hannebutt-Benz, 42 : Die Verbindungen zwischen Asien und Europa waren im 13. und 14. Jahrhundert viel reger, als ich mir das früher immer vorgestellt habe. Für mich war das sehr erstaunlich, als ich dann lesen konnte, dass beispielsweise in China, also auch in Peking, schon im 14. Jahrhundert Bischöfe gewesen sind, also christliche Bischöfe, die der Papst dahin gesandt hat. Es gab in vielen Städten Ostasiens ja, wie soll man's nennen? Kaufhäuser für Handelsleute. Man konnte dort übernachten, man konnte dort aber auch Waren deponieren und war dann sicher für eine gewisse Zeit, konnte seinen Handel dort treiben, und vieles andere mehr. Also es gab viele verschiedene Möglichkeiten des Informationsaustauschs. Ausgerechnet bei Marco Polo, der in solchen Fällen gern als Quelle herangezogen wird, steht jedoch nichts über das Drucken. Das kann mehrere Ursachen haben. Entweder hat ihn das Drucken einfach nicht interessiert, wobei er allerdings Banknoten erwähnt, die im
6 Koreanische Druckgeschichte 5 Druck hergestellt wurden. Oder Marco Polo war nie in China, was ihm ja auch gelegentlich unterstellt wird. An seinem Beispiel kann man jedoch sehen, wie eng die Handelskontakte waren, hatten doch sein Vater und sein Onkel bereits vor ihm eine Handelsreise bis nach Peking unternommen sie haben nur kein Buch über ihre Erlebnisse hinterlassen. Gutenberg kann also durchaus gewusst haben, dass in China und Korea Bücher gedruckt wurden. Einzelheiten über das Druckverfahren hat er definitiv nicht gekannt, dazu unterscheidet sich sein Druckverfahren zu sehr im Detail. Gutenberg verwendete Blei, die Koreaner eine Bronze für den Guss der Lettern. Und Gutenberg verwendete zum Drucken eine Presse. O-Ton 9, Dr. Eva Hannebutt-Benz, 13 : Das ist zum Beispiel jetzt der große Unterschied, denn die Presse ist nun eine ureigene europäische und in diesem Fall kann man auch sagen: deutsche Erfindung durch Gutenberg. Man hat vorher nicht mit Pressen gedruckt. Und in Ostasien war es absolut unüblich. Das liegt am Papier. In Europa wurde Papier aus Baumwolle, Leinen oder Hanf gewonnen. Nur mit sehr großem Druck, wozu man praktischerweise eine Druckerpresse benutzt, lässt sich auf europäischem Papier ein sauberes Druckbild erzielen. O-Ton 10, Dr. Eva Hannebutt-Benz, 33 : Das asiatische Papier, also auch in Korea, das Papier, das man aus Maulbeerbast gewinnt, ist sehr dünn einerseits also fast ein bisschen durchscheinend aber sehr zäh und sehr stark. Also es reißt nicht leicht. Und es reicht da völlig aus, wenn man den Holzdruckstock auf einen Tisch legt, mit Farbe einpinselt, dann ein Papier drauflegt und ganz schnell mit einer Art Rakel, also so einem weich gepolstertem Reiber da drüber geht. Schon ist der Abzug getätigt. Das dauert nicht lange, das geht flutsch-flutsch und man hat also einen Druck. Gutenberg hatte übrigens auch Vorbilder in der europäischen Kultur. So benutzten die Buchbinder bereits bewegliche Metalllettern um die Buchrücken zu bedrucken. Auch die Inschriften auf Kirchenglocken sind mit beweglichen Lettern produziert worden.
7 Koreanische Druckgeschichte 6 Gutenberg hätte also nicht einer Anregung aus Asien bedurft; ob er sie erhalten hat, wird wohl für immer offen bleiben müssen. Das Schicksal des Buchdrucks mit beweglichen Lettern aus Metall ist in den verschiedenen Regionen der Welt dann ganz unterschiedlich verlaufen. In Deutschland breitete sich der Buchdruck bekanntlich mit der Reformation aus. Hätte ein Jan Hus so ein mächtiges Propaganda-Instrument wie den Buchdruck nutzen können, hätte er vielleicht schon die Rolle von Martin Luther übernommen. In China ist diese Art von Buchdruck wieder verschwunden, was wohl an der Unübersichtlichkeit der zigtausend chinesischen Schriftzeichen liegt. In Korea hat sich der Buchdruck dagegen gehalten, was einer Schriftreform zu verdanken ist. O-Ton 11, Dr. Eva Hannebutt-Benz, 25 : Im 15. Jahrhundert, also man kann sagen: fast zur Zeit Gutenbergs, als er noch lebte hat ein bestimmter Herrscher, der Reformkaiser Sejong eine Kommission einberufen. Also das war eine ganz geplante Aktion. Und diese Kommission war beauftragt, sie sollte eine neue, für Korea eigene Schrift entwickeln. Und diese Schrift sollte leicht zu lernen sein, das war also die Hauptaufgabenstellung. Die Kommission analysierte die koreanische Sprache und teilte ihre Laute in Konsonanten und Vokale auf. Berücksichtigte man alle Kombinationen von Konsonanten und Vokalen, so kam man auf insgesamt 140 verschiedene Silben. O-Ton 12: <koreanisch> Für jede der 140 verschiedenen Silben wurde ein eigenes Zeichen entworfen. Hier kann man sich nun andersherum fragen, was eigentlich in Korea über die europäischen Alphabetschriften bekannt war. O-Ton 13, Dr. Eva Hannebutt-Benz, 38 : Jedenfalls hat man es so gemacht, dass man genau geprüft hat, welche Laute kommen bei der koreanischen Schrift vor, wenn man sie spricht. Man hat die
8 Koreanische Druckgeschichte 7 einzelnen Laute identifiziert und isoliert. Und dafür dann jeweils ein Schriftzeichen, das ganz geometrisch und relativ einfach aussieht, bestimmt. Und auf diese Art und Weise ist die Zahl der Tausenden von Schriftzeichen, die man für chinesische Schrift ja braucht, reduziert worden. Und man hat etwas, was unseren Alphabeten in der Zahl der einzelnen Schriftzeichen viel stärker entspricht, also eine reduzierte Zahl von Schriftzeichen. Das erste Buch in dieser koreanischen Silbenschrift die Lieder über die Spiegelung des Mondes auf tausend Flüssen ist auch schon 1447 mit metallenen Lettern gedruckt worden, also immer noch acht Jahre bevor Gutenberg seine erste gedruckte Bibel präsentierte. Diese koreanische Silbenschrift ist bis heute in Korea in Gebrauch geblieben. Und für die Drucker hatte sie den angenehmen Nebeneffekt, dass der Setzkasten mit nur noch 140 Zeichen sehr übersichtlich wurde. Zum Vergleich: Gutenberg hatte in seinem Setzkasten 280 verschiedene Arten von Lettern liegen. Das Gutenberg-Museum in Mainz hat die koreanische Druckgeschichte schon seit mehr als dreißig Jahren in seiner Dauerausstellung mit exquisiten Ausstellungsstücken dokumentiert. Es liegt also nicht am Gutenberg-Museum, wenn immer wieder behauptet wird, Gutenberg habe den Buchdruck mit beweglichen Lettern aus Metall erfunden. O-Ton 14, Dr. Eva Hannebutt-Benz, 31 : 1972 gab es eine Ausstellung über die koreanische Druckgeschichte. Und da sie sehr guten Anklang fand, hat die Republik Korea also Südkorea als Staat dem Gutenberg-Museum eine schöne Sammlung originaler Drucke für 99 Jahre als Leihgabe zur Verfügung gestellt. So freuen wir uns, dass wir auch seitdem, seit 1972, diese Drucke zeigen können originale Drucke von Holzdruckstöcken, aber auch von den wenn man das so nennen will beweglichen Lettern. Das ist für uns hier gar nichts Neues. O-Ton 15: <koreanisch>
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