Landwirtschaft ohne Subventionen das Beispiel Neuseeland
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- Rudolph Sachs
- vor 8 Jahren
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1 Landwirtschaft ohne Subventionen das Beispiel Neuseeland Vortrag anlässlich der Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung Auf dem Weg zu einer Landwirtschaft ohne Subventionen? am 10. November 2008 in Berlin Jocelyn Woodley, Botschaft von Neuseeland [Anrede], vielen Dank für die Einladung zu dieser interessanten Tagung! Ich freue mich sehr, mit einem Blick nach Neuseeland zur heutigen Diskussion beitragen zu dürfen. 1. Neuseeland ist eines der wenigen Industrieländer weltweit, die ihre Landwirtschaft nicht subventionieren und ihren Agrarmarkt vollständig geöffnet haben. Trotzdem oder besser deswegen! ist unsere Landwirtschaft heute absolut wettbewerbsfähig und auf den Weltmärkten sehr erfolgreich. Das war nicht immer so: Keine drei Jahrzehnte ist es her, da war sie noch hoch subventioniert. Wie haben es die neuseeländischen Landwirte geschafft, trotz eines radikalen Subventionsabbaus erfolgreich zu bestehen? Hier folgt der Versuch einer Antwort! 2. Von Berlin aus betrachtet liegt Neuseeland am anderen Ende der Welt. Auf einer Fläche, die mit Großbritannien vergleichbar ist, leben nur vier Millionen Einwohner.
2 2 Die Landwirtschaft ist unser wirtschaftliches Rückgrat und ein wichtiger Teil unserer Identität. Traditionell dominiert bei uns die Weidewirtschaft. Dank des gemäßigten Klimas können Schafe und Rinder das ganze Jahr über auf der Weide bleiben. Das ist natürlich ein Wettbewerbsvorteil. Neuseelands Landwirtschaft ist im Weltmaßstab klein, aber sehr exportorientiert: Rund neunzig Prozent der Produktion gehen ins Ausland. Ein möglichst freier Zugang zu den Märkten ist für uns deshalb besonders wichtig. 3. Unsere Landwirte bekommen keine Subventionen und wollen auch keine. Wie gesagt, das war nicht immer so: Als Reaktion auf externe Schocks wurde die neuseeländische Landwirtschaft in den siebziger Jahren zunehmend mit Staatsgeldern unterstützt. Anfang der achtziger Jahre war unsere Landwirtschaft schließlich ähnlich hoch subventioniert wie der europäische Agrarsektor heute. Subventionierung und Protektionismus waren die bevorzugten Instrumente jener Zeit, nicht nur in der Landwirtschaft, sondern in allen Wirtschaftszweigen. Sinkende Wettbewerbsfähigkeit war die Folge, auf die mit noch mehr Geld und noch größerer Abschottung reagiert wurde ein Teufelskreis. Die Nachteile dieser Politik liegen auf der Hand: Landwirte erhielten keine Marktsignale mehr. Die Produktion richtete sich in erster Linie nach der Förderung, nicht nach der Nachfrage. Effizienz und Innovation wurden nicht belohnt.
3 3 4. Im Jahr 1984 [neunzehnhundertvierundachtzig] kam es zum entscheidenden Politikwechsel. Eine sozialdemokratische Regierung leitete die fundamentale Wende in der Wirtschaftspolitik ein. Die Zeit drängte, denn Neuseeland stand damals kurz vor dem Bankrott. In kurzer Zeit wurden eine Reihe von Wirtschafts-, Finanz- und Steuerreformen auf den Weg gebracht und eine radikale Agrarreform. In nur wenigen Jahren vollzog die neuseeländische Landwirtschaft die Rückkehr zum Marktprinzip: Preisstützung, Investitionsförderung, Außenschutz alles wurde zur Disposition gestellt und bald darauf abgeschafft. Ziel dieser Kehrtwende war es, die Effizienz zu steigern, die Marktorientierung zu fördern und letztlich wieder international wettbewerbsfähig zu werden. Welche Folgen hatte diese Radikalkur für die Bauern? 5. Die Einnahmen und Gewinne der Landwirte sanken drastisch. Auch die Boden- und Viehpreise gingen um die Hälfte zurück. Fallende Weltmarktpreise und ein starker neuseeländischer Dollar verschärften die Situation. Hohe Zinsen verstärkten den Schuldendruck. Bei der Um- und Entschuldung bot die Regierung aber Hilfe an und schrieb viele staatlich subventionierte Kredite ab. Da auch die privaten Geldgeber kein Interesse hatten, die Landwirte zum Verkauf ihrer Grundstücke zu treiben, mussten nur wenige Betriebe wirklich aufgeben.
4 4 Nach etwa drei Jahren, die in der Tat hart und belastend waren, begann man Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Immer mehr Bauern nahmen die Herausforderung an, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen: Sie passten die Produktion der Nachfrage an, indem sie etwa von Schafzucht auf Milchwirtschaft umstellten. Sie vergrößerten den Betrieb. Milchbauern verdoppelten die Herdengröße auf durchschnittlich über 300 Tiere. Sie wirtschafteten schließlich auch effizienter. So wurden zum Beispiel Düngemittel viel sparsamer eingesetzt. Gleichzeitig profitierten die Landwirte zunehmend von den Wirtschafts- und Steuerreformen. Dieses positive Zusammenspiel sorgte schon Ende der achtziger Jahre wieder für steigende Zuversicht und Gewinne. Das Einkommen der Milchbauern erholte sich in nur fünf Jahren. Der Beitrag der Landwirtschaft zur Wirtschaftsleistung nahm in den Reformjahren sogar zu: Während die Gesamtwirtschaft lange stagnierte, wuchs der Agrarsektor stetig. Auch die Landflucht hielt sich in engen Grenzen. Und die Landwirtschaft zieht weiterhin junge Leute an. 6. Inzwischen ist der radikale Schnitt von damals längst überwunden. Die von der Landwirtschaft erbrachte Wirtschaftsleistung liegt mittlerweile um achtzig Prozent über dem Niveau vor den Reformen. Die Gesamtproduktivität der Landwirtschaft hat sich sogar verdoppelt, dank Innovation und Größenvorteile.
5 5 Wenn Sie wissen wollen, wie die Landwirte heute über die Reformen denken, können Sie den neuseeländischen Bauernverband fragen. Der schreibt rückblickend: Es gibt ein Leben nach den Subventionen. Mehr noch, das Leben nach den Subventionen ist sogar besser als eine Landwirtschaft, die von staatlichen Zuwendungen abhängt. Eine entscheidende Voraussetzung für diese positive Bewertung möchte ich nochmals betonen: Es wurden nicht nur Subventionen abgebaut, sondern auch viele Meldepflichten, Auflagen und undurchsichtige Steuerregeln. Nur bei Lebensmittelsicherheit, Tier- und Umweltschutz wurden keine Abstriche gemacht im Gegenteil. 7. Die Landwirtschaft wird das Rückgrat unserer Wirtschaft bleiben, und bleiben werden auch die Herausforderungen: die große Distanz zu den Märkten; ein weiter zunehmender Wettbewerb; und der weltweite Hang zum Protektionismus. Zu den ständigen Herausforderungen ist in jüngster Zeit noch eine neue hinzugekommen: Der Klimawandel. Die Landwirtschaft ist bei uns ein wesentlicher Verursacher von Treibhausgasen und wird deshalb in naher Zukunft Emissionsrechte erwerben müssen, wie andere Wirtschaftszweige auch. Das ist weltweit noch einmalig. Insgesamt aber genießt die neuseeländische Landwirtschaft weiter glänzende Aussichten: Die steigende Nachfrage nach hochwertigen Agrarprodukten bietet gute Absatzchancen.
6 6 Unsere Bauern blicken zuversichtlich in die Zukunft Subventionen brauchen sie nicht. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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