Jugend und Sucht. Besonderheiten in der Entwöhnungsbehandlung von jungen Abhängigen
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- Oswalda Auttenberg
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Transkript
1 Jugend und Sucht Besonderheiten in der Entwöhnungsbehandlung von jungen Abhängigen Dr. med. Heike Hinz Chefärztin der Median Kliniken Richelsdorf und Wigbertshöhe
2 Spezialkonzepte der Median Klinik Wigbertshöhe Path. Glücksspieler in mehreren Spezialgruppen - Komorbiditäten (Alkohol, THC, Amphetamine, Depressionen, Ängste, Psychosen) - Geschlechtgemischte und reine Männergruppen - Junge und Alte - Sportwetter Path. PC- und Internetuser Senioren in 2 Gruppen Adaption
3 Spezialkonzepte der Median Klinik Richelsdorf Jugendliche und junge Erwachsene von 16 bis 26 Jahren Schwangere und Eltern mit Begleitkindern von 0 bis 12 Jahren Medikamentenabhängige Orthopädisch Erkrankte und Schmerzkranke Psychisch Traumatisierte Paare
4 Sucht in Deutschland 17,8 Millionen Raucher (davon % abhängig) 10,0 Millionen Menschen mit riskantem Alkoholkonsum (davon 1,6 Millionen abhängig) 1,4 1,9 Millionen Menschen abhängig von Medikamenten (davon 70 % Frauen) 2,0 Millionen mit regelmäßigem Cannabiskonsum (davon abhängig) Konsumenten harter Drogen (davon abhängig) Glücksspielsüchtige Quelle:Drogen- und Suchtbericht der Drogenbeauftragten der Bundesregierung
5
6 Jugendliche mit alkoholabhängigen Eltern Krankheitsentwicklung früherer Alkoholkonsum früherer Vollrausch früher psychosoziale Probleme frühere und schnellere Krankheitsentwicklung frühere Behandlung Krankheitsausprägung häufiger psychosoziale Probleme seltener Arbeitsplatz häufiger dissozial häufiger Cormorbidität mehr Symptome bessere Therapiecompliance Krankheitsverlauf (12 Monate nach Entwöhnung) seltener Abstinenz häufiger sekundäres Suchtverhalten weniger Lebenszufriedenheit
7 30-Tage Prävalenz des Rauchtrinkens bei jährigen (fünf oder mehr Gläser Alkohol) männlich weiblich ,7 % 20,0 % ,9 % 8,9 % Quelle: BZGA, Forschungsbericht: Drogenaffinität Jugendlicher, 2016
8 Verbreitung des Konsums von für Erwachsene riskante Alkoholmengen bei jährigen männlich weiblich % 10 % % 4 % Quelle: BZGA, Forschungsbericht: Drogenaffinität Jugendlicher, 2016
9 12 Monatsprävalenz für Drogen bei jährigen Irgendeine illegale Droge 15,8 % Cannabis 15,3 % Ecstasy 2,2 % Kokain 1,2 % Amphetamine 2,5 % Psychoaktive Pflanzen oder Pilze 2,5 % LSD 0,9 % Crystal Meth 0,4 Schnüffelstoffe 0,8 % Heroin 0,0 % Crack 0,0% Quelle: BZGA, Forschungsbericht: Drogenaffinität Jugendlicher, 2016
10 12- Monats - Prävalenz für Drogen bei jährigen Irgendeine illegale Droge 7,5 % Cannabis 7,3 % Ecstasy 0,5 % Kokain 0,3 % Amphetamine 0,3 % Psychoaktive Pflanzen oder Pilze 0,2 % LSD 0,2 % Crystal Meth 0,0 Schnüffelstoffe 0,0 Heroin 0,0 Crack 0,0 Quelle: BZGA, Forschungsbericht: Drogenaffinität Jugendlicher, 2016
11 Konsum von Crystal Meth
12 Der Einsatz von Methylphenidat (Ritalin, Medikinet u.ä.) mit der Diagnosestellung ADHS ist ein wachsendes Problem bei (nicht nur) jungen Erwachsenen
13 Jugendalter und Adoleszenz Immer hochsensible und vulnerable Phase Ansturm von Emotionen Ablösung von den Eltern und Einbindung in Peergroup Auseinandersetzung mit moralischen Prinzipien Suchbewegungen, auch bis zur Grenze zu (selbst)schädigendem Verhalten
14 Suchtmittelmissbrauch bei Adoleszenten Risikofaktoren für Suchtentwicklung Griffnähe gesellschaftliche Einstellungen ( Spaßkultur ) nachlassende soziale Kontakte Peergroupverhalten Traumatisierungen Substanzmissbrauch von Eltern Kein Zusammenhang zu familiärem Bildungs- oder Wohlstand!
15 Sucht ist eine Abhängigkeitserkrankung Wir Menschen sind als soziale Wesen konstruiert (Bindung). Die Fähigkeit zum abhängig Sein ist Voraussetzung für unser Überleben. Persönliches Wachstum und Entwicklung vollzieht sich in Auseinandersetzung zwischen Abhängigkeit und Unabhängigkeit. Ein Mehr auf der einen Seite zieht ein Weniger auf der anderen nach sich. Dabei findet die Spannung ihren Ausdruck in Lust- bzw. Unlustgefühlen. 15
16 Das Leben ist bestimmt von widersprüchlicher Sehnsucht (nach Teissing) Sehnsucht nach Wut Autonomie Abhängigkeit Ablösung Geborgenheit Angst Sehnsucht nach 16
17 Wie entsteht daraus Sucht? Fehlende Geborgenheit aber auch mangelnde Autonomie lassen sich durch Zuhilfenahme eines Mittels (z.b. Alkohol, Medikamente, Drogen) oder durch exzessive Verhaltensweisen (Spielsucht) kompensieren Das dadurch erreichte Wohlbefinden bzw. Freiheit dauert jedoch nur so lange, wie die Wirkung anhält
18 Bindungsform als Folge der Kindheitserfahrung: : sicher Eltern fördernd und fordernd stehen zur Verfügung, bieten Raum für Exploration der Welt Ein Kind braucht Wurzeln und Flügel ambivalent Eltern desinteressiert Erwachsener fehlt nicht verstrickt Elternteil überfürsorglich keine Exploration In Suchtfamilien häufig: Verstrickte Mutter, abweisender Vater => ängstliche Jugendliche Das Bindungsmodell wiederholt sich in der Folgegeneration 18
19 Suchtmittel als Heilmittel Alkohol, Medikamente, Drogen können zunächst schnell erleichtern bei Depressionen, bei unsicherer Persönlichkeit in Stresssituationen, bei Persönlichkeitsstörungen, bei Angsterkrankungen, bei Psychosen und bei Traumatisierungen Suchtmittel verhindern die Wahrnehmung der unerträglichen Gefühle, beruhigen, entängstigen Die Gefühle sind in der Abstinenz aber wieder da Daher führt diese Lösung zu schneller Suchtentwicklung mit vermehrten Symptomen Ein Teufelskreis nimmt seinen Lauf
20 Suchtmittelmissbrauch bei Adoleszenten Folge Leistungseinbußen Rückzug aus sozialen Kontakten Anschluss an Gleichgesinnte Impulsdurchbrüche Affektlabilität ( sensation seeking ) Selbstzweifel Defizite der Persönlichkeitsentwicklung Quellen: Möller, CH ESPAD 2003
21 Suchtmittelmissbrauch bei Adoleszenten Progression der Suchterkrankung Integration in konsumierende Jugendszene wird als angenehm und bereichernd erlebt Neugier wird immer weniger bedeutend Beeinflussung negativer Emotionen wird immer wichtiger
22 Suchtmittelmissbrauch bei Adoleszenten Therapieziele Abstinenz Alltags- und Freizeitgestaltung Schulische und berufliche Integration Nachreifung
23 Suchtmittelmissbrauch bei Adoleszenten Erfolgsindikatoren Durchhalten Abstinenz Interessen Lebensplanung Bereitschaft, Unterstützung anzunehmen
24 Suchtmittelmissbrauch bei Adoleszenten Psychotherapeutischer Behandlungsfokus Motivationsstörungen geringe Begeisterungsfähigkeit, geringe Frustrationstoleranz, anhedonistische Haltungen, Gefühle aus dem Chemiebaukasten Psychosomatische Störungen agitiert oder verlangsamt Eingeengte Problemlösungsstrategien auf Substanz eingeengt Emotionale Störungen rasch wechselnde Stimmungen, impulshaftes Verhalten, Aufmerksamkeitsstörung (ADHS?) Ausdrucksstörung szenenbezogenes Sprachrepertoire, defizitäre emotionale Ausdrucksmöglichkeiten
25 Konzept für Jugendliche und junge Erwachsene (16-25 Jahre) in der Median Klinik Richelsdorf Seit 2005 Spezialkonzept Besonderheit: Behandlung junger Suchtkranker in einer Einrichtung zusammen mit sozial integrierten Älteren, die Vorbild und Unterstützung sein können Beginn mit einer Gruppe auf einer Station, Regelmäßige Anpassung an neue Erfahrungen mit den Pat. (z.b Verteilung auf die Gruppen in sog. Familiengruppen) Schließlich: bis zu 19 Jugendliche im Haus Jetzt: 2 Kleingruppen von je 8 PatientInnen mit erfahrenen TherapeutInnen
26 Suchtmittelmissbrauch bei Adoleszenten Wochenplan in Richelsdorf Teilnahme am gesamten üblichen Therapieprogramm Information, Sport, ind. Gruppen, Selbsthilfegruppen, Kreativtherapie, Arbeitstherapie, externe Berufspraktika. Gruppensitzungen im Kreis der Jungen Themen: reibend-wärmende Beziehungsbildung; konstruktive, Phasen-angemessene Verbündung und Abgrenzung; Erprobung; Problemlösetraining Regelmäßige Milieutherapieangebote Z.B. Rudern, Bogenschießen, Ausflüge, Arbeiten. Übernahme von Ämtern und Gemeinschaftsaufgaben Auch als Gruppe
27 Suchtmittelmissbrauch bei Adoleszenten Milieutherapie Anregungen und Interessen finden EDV, Bücher, Freizeittraining (Basteln, Malen, Kegeln, Fahrradfahren, Wandern, Schwimmen, Fitnessstudio, Sauna, Billard, Tischtennis, Minigolf, Angeln, Fußball, Volleyball, Kino, Theater, Musik, Naturbeobachtung, Gesellschaftsspiele,...) Ideen, Phantasie, Kreativität Kreativtherapie, Arbeitstherapie Bewegung, Körpergefühl Sport, Fitness, Fahrradfahren, Schwimmen, Sauna, Rudern, Kochen Funktionslust, Leistungen Arbeitstherapie, Ämter, Hauswirtschaft, Rudern, Sport, Rahmenbedingungen Lustvolles Konkurrieren, Erfolgserlebnisse Mannschaftssport, Rudern, Arbeitstherapie, Ämter, Rahmenbedingungen Beziehungen, Miteinander Mannschaftssport, Hauswirtschaft, Ausflüge, Gruppenspiele, Gruppengespräche, Patenamt, Kinderbetreuung
28 Behandlung Jugendlicher Suchtkranker Probleme und Lösungen Reifungsdefizite und Persönlichkeitsstörungen (ADHS?) Zusammenarbeit und halt des Gesamtteams (bei gleichzeitiger Fähigkeit des Teams, divergierende Meinungen und Konflikte auszuhalten) Flexibilität des Gesamtteams (Regeln müssen individuell angepasst werden) Jeder Mitarbeiter (auch der Pflegedienst) muss Konflikte spontan lösen können Therapeut braucht persönliche Autorität und Gelassenheit Vermehrt Einzelkontakte Negative Gegenübertragungsreaktionen Dass Pat. weniger zufrieden, sehr ansprüchlich und misstrauisch sind, muss von allen Mitarbeitern gelassen ausgehalten werden Destruktive Verbündungen Kleine Gruppen Nicht auf einer separaten Station, nicht 2 Junge in einem Zimmer (Ältere Pat. übernehmen Elternfunktionen)
29 Behandlung Jugendlicher Suchtkranker Probleme und Lösungen Wenig Lebensfreude und Motivation Regelmäßige Pflichtangebote auch am Wochenende Keine Erfolgserwartung, schnell beschämt Aufgaben einfach und leistbar, Bestätigung Sport mit Erwachsenen Unklare soz. Situation bei schwierigen Kostenträgern Ausbildung, Wohnen oder Nachsorgeeinrichtung muss geklärt werden auch Drogenkonsum (v.a. THC und (Meth-) Amphetamine) Ind. Drogengruppe; mehr Kontrollbedarf
30 Suchtmittelmissbrauch bei Adoleszenten Indikatoren für Behandlungserfolg und gute Prognose Protektive psychosoziale Faktoren Geringe comorbide Störung Geringer Substanzkonsum Gute Therapeut-Patient-Beziehung Erfahrung des Therapeuten Reguläres Therapieende (Haltequote) Langfristige Nachsorge Quelle: Thomasius 2007
31 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Geschafft! Dr. Heike Hinz Fachärztin für Allgemeinmedizin Fachärztin für Psychosomatik und Psychotherapie Sozialmedizin Suchtmedizin Diplom - Psychologin
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Anteile der nach Altersgruppen und Geschlecht in Prozent, 2009* Männer regelmäßig stark Alter stark regelmäßig Frauen 30,5 26,4 4,3 1,6 17,6 21,2 19,9 15,5 0,7 15 bis 20 0,4 11,7 15,0 39,9 33,8 2,5 20
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