Das Ösophaguskarzinom Diagnostik und interdisziplinäres Therapiekonzept
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- Louisa Bruhn
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1 Das Ösophaguskarzinom Diagnostik und interdisziplinäres Therapiekonzept von Th. Junginger, I. Gockel, W. Kneist und U. Gönner Ösophaguskarzinome gehören zu den seltenen Tumoren und ihre ungünstige Prognose hat immer wieder zu Kontroversen über das adäquate diagnostische und therapeutische Vorgehen geführt. Die letzten Jahre sind gekennzeichnet durch eine deutliche Zunahme der Adenokarzinome. Die Endoskopie ermöglicht heute jedoch frühzeitige Stadien dieses Tumors zu erkennen. Die Einführung der PET-Diagnostik in das präoperative Staging, die stadien- und histologieadaptierte operative Therapie mit deutlich sinkender Operationsletalität und die Einführung neoadjuvanter Therapiemaßnahmen haben weitere Fortschritte gebracht. Im Folgenden soll ausgehend von den eigenen Erfahrungen das derzeitige diagnostische und therapeutische Vorgehen dargestellt werden. Inzidenz und histologische Tumortypen In Deutschland erkranken jährlich etwa 4000 Patienten an Speiseröhrenkrebs. Dies entspricht einem Anteil von weniger als 2% an allen bösartigen Neubildungen bei Männern und knapp einem halben Prozent bei Frauen. Während der letzten 15 Jahre hat in den westlichen Ländern das Adenokarzinom deutlich zugenommen. Nach einer Untersuchung des National Cancer Instituts von 9 Staaten der USA (SEER 9 Programm) hat sich die Häufigkeit des Adenokarzinoms in den letzten 25 Jahren versechsfacht, bei gleichzeitiger Abnahme des Plattenepithelkarzinoms (Abb. 1, 8). Beide Tumorentitäten sind mittlerweile im eigenen Krankengut gleich häufig (Abb. 2). Die Zunahme des Adenokarzinoms wird u. a. mit einer Zunahme der gastroösophagealen Refluxerkrankung in Zusammenhang gebracht, die entzündungsbedingt zu einer Umwandlung des distalen Plattenepithels der Speiseröhre in ein spezialisiertes Zylinderepithel, zur Dysplasie und schließlich zum Karzinom führt. Der Wert regelmäßiger endoskopischer Untersuchungen zur Früherfassung von Karzinomen wird dadurch eingeschränkt, daß die Mehrzahl der Patienten mit Refluxerkrankung beschwerdefrei sind oder andere mögliche Risikofaktoren vorliegen (wie Adipositas, Ernährungsfaktoren oder eine Helicobacter pylori Infektion (8). Adeno- und Plattenepithelkarzinome stellen zwei unterschiedliche Entitäten dar, die sich hinsichtlich der Tumorlokalisation und der Tumorausbreitung, aber auch im Risikoprofil der Patienten unterscheiden. Adenokarzinome sind vorwiegend im unteren Drittel der Speiseröhre lokalisiert, während Plattenepithelkarzinome sich am häufigsten im mittleren Drittel, seltener im oberen und unteren Drittel finden. Patienten mit Adenokarzinom sind älter, weisen einen höheren Body Maß Index (BMI) auf und haben weniger Risikofaktoren wie Alkohol- und Nikotinabusus mit den entsprechenden Folgen (Tab. 1). Auch in der Tumorausbreitung unterscheiden sich die beiden Entitäten. Dies wird deutlich bei den inoperablen Patienten (Tab. 2). Während bei Patienten mit Adenokarzinom die Inoperabilität vorwiegend Folge einer Fernmetastasierung ist, steht bei Patienten mit Plattenepithelkarzinom das lokal fortgeschrittene Tumorwachstum im Vordergrund. Die unterschiedlichen Eigenschaften der beiden Tumorentitäten bedingen Unterschiede im therapeutischen Vorgehen. Diagnostik Die Diagnostik des Ösophaguskarzinoms umfasst die Ösophago-Gastroskopie mit Gewebeentnahme, die Endosonografie zur Bestimmung der Tiefenfiltration des Tumors, die Computertomografie von Hals, Thorax und Abdomen, zur Bestimmung der weiteren Tumorausdehnung und Untersuchungen zur Funktion von Lunge, Herz, Niere und Leber. Der histologische Tumornachweis ist meist unproblematisch, kann gelegentlich jedoch schwierig sein bei hochgradiger Stenose. Die Beurteilung einer hochgradigen Dysplasie und ihre Abgrenzung erfordert spezielle Erfahrung, so dass es sich empfiehlt, vor Einleitung therapeutischer Maßnahmen immer eine Zweitbiopsie durchzuführen. Abb. 1: Zunahme der Adenokarzinome und Abnahme der Plattenepithelkarzinome der Speiseröhre Daten des National Cancer Institute s Surveillance, Epidemiology and End Results Programm von 9 Staaten der USA (SEER 9) (8) Ärzteblatt Rheinland-Pfalz 18 Ausgabe 8/August 2006
2 Plattenepithel-Ca Adeno-Ca n=229 n=150 Alter (Jahre) 56,0 61,0 0,0001 BMI 23,2 25,8 0,0001 Alkoholabusus 69,5 % 42,9 % 0,0001 Nikotinabusus 73,5 % 38,1 % 0,0001 Kardiovaskuläre Erkrankung 30,4 % 24,7 % n.s. FEV 1 (I/sec) 2,8 3,1 0,0078 Hepathopathie 8,1 1,4 0,0001 Die PET-Untersuchung wurde zum präoperativen Staging vorgeschlagen, da erste Untersuchungen zeigten, dass hierdurch in 10 20% Fernmetastasen Tab. 1 Risikofaktoren bei Patienten mit operiertem Ösophaguskarzinom (n=379) Plattenepithel-Ca (n=56) nachweisbar werden, die der bildgebenden Diagnostik entgehen. Diese Patienten ziehen aus einer operativen Therapie keinen Gewinn, so dass die p Adeno-Ca (n=31) Alter 61,0 J 69,6 J Fernmetastasen 21,4 % 61,3 % Tumorausdehnung 42,9 % 3,2 % Tumorausdehnung + Allgemeinzustand 5,4 % 12,9 % Allgemeinzustand 10,7 % 12,9 % Tab. 2 Ursachen der Inoperabilität bei Patienten mit Ösophaguskarzinom (n= 87) Abb. 2: Operierte Patienten mit Ösophaguskarzinom (9/1985 bis 12/2003) Es findet sich eine Zunahme der Adenokarzinome bei gleichzeitiger Abnahme der Plattenepithelkarzinome PET-Untersuchung zur Selektion der Patienten für einen kurativen Eingriff empfohlen wurde. Eigene Untersuchungen an 148 Patienten mit Ösophaguskarzinom, bei denen sowohl eine Computertomografie wie eine PET- Untersuchung zur Anwendung kamen, haben dies nicht bestätigt. Es zeigte sich zwar eine hohe Spezifität der PET- Untersuchung für Fernmetastasen (87%), jedoch nur eine geringe Sensitivität (35%). Dies führte dazu, dass im Gesamtkollektiv lediglich bei 4 Patienten eine Fernmetastasierung nachgewiesen wurde, die der Computertomografie entging. Diese wies eine geringere Spezifität, aber eine höhere Sensitivität auf, so dass die Genauigkeit beider Verfahren mit 50% gleich war. Dies spricht zumindest derzeit auch unter Kostenaspekten gegen den routinemäßigen Einsatz der PET in der präoperativen Diagnostik des Ösophaguskarzinoms und für die Anwendung einer standardisierten Dünnschicht- Computertomografie. Therapie Unverändert steht die operative Therapie im Mittelpunkt der therapeutischen Maßnahmen des Ösophaguskarzinoms. Ziel ist die vollständige Tumorentfernung einschl. der befallenen Lymphknoten (R0-Resektion). Nur hiernach besteht für den Patienten eine wenn auch begrenzte Heilungschance. Zwei Verfahren stehen zur Verfügung: Die transthorakale Resektion, die eine umfangreiche Tumor- und Lymphknotendissektion erlaubt, jedoch mit einem höheren Risiko belastet ist und die transhiatale Resektion, die auf ein transthorakales Vorgehen verzichtet, jedoch nur eine eingeschränkte Lymphknotendissektion ermöglicht. Infolge der Tumorlage bietet sich für das distal gelegene Adenokarzinom das transhiatale und für das meist intrathorakal gelegene Plattenepithelkarzinom das transthorakale Vorgehen an. Die Bedeutung des operativen Vorgehens für die Prognose wurde in vielen Studien untersucht. Zwei randomisierte Studien konnten für das Plattenepithelkarzinom keinen Unterschied zwischen transhiatalem und transthorakalem Vorgehen nachweisen (1, 2). Hulscher et al. (4) haben für das Adenokarzinom beide Vor- Ärzteblatt Rheinland-Pfalz 19 Ausgabe 8/August 2006
3 konnte durch das transthorakale Vorgehen kein günstigeres Ergebnis als nach der transhiatalen Resektion erzielt werden, wobei sich in dieser Gruppe mehr Patienten mit ungünstigerem Tumorstadium befinden (Abb. 4). Abb. 3: Überlebensraten nach transhiataler und transthorakaler R0-Resektion wegen Plattenepithelkarzinom der Speiseröhre Abb. 4: Überlebensraten nach transhiataler und transthorakaler R0-Resektion wegen Adenokarzinom der Speiseröhre gehensweisen randomisiert untersucht. Nach transthorakalem Vorgehen wurden mehr Lymphknoten entfernt, die pulmonalen Komplikationen waren jedoch signifikant höher und die Langzeitprognose nicht signifikant günstiger (4). Das eigene Vorgehen orientiert sich an der Tumorlage und der vermutlichen Resektabilität. Bei Adenokarzinom bevorzugen wir das transhiatale Vorgehen und wählen den transthorakalen Weg nur bei höher gelegenen, transhiatal nicht komplett resektablen Tumoren. Für das Plattenepithelkarzinom ist infolge der intrathorakalen Lage meist das transthorakale Vorgehen mit entsprechender Lymphknotendissektion erforderlich. Die Langzeitergebnisse des eigenen Krankengutes bestätigen dieses Vorgehen. Die Prognose des Plattenepithelkarzinoms ist nach transthorakaler Resektion und R0-Resektion günstiger als nach transhiataler Resektion (Abb. 3). Beim Adenokarzinom Als Ösophagusersatz stehen der schlauchförmig umgewandelte Magen, ein Kolon- oder ein Dünndarmdarmsegment zur Verfügung. Der Magen hat sich in den letzten Jahren als bevorzugtes Ersatzorgan mit der geringeren Komplikationsrate erwiesen. Nur nach vorangegangener Magenresektion oder bei Mitbefall würde ein isoperistaltisch interponiertes Kolonsegment zur Anwendung kommen. Der Dünndarm findet als freies Transplantat nach Resektion des zervikalen Ösophagus (Abb. 5a c) oder nach limitierter Resektion des distalen Ösophagus (s. u.) Anwendung. In der Regel wird das Ösophagusersatzorgan im Bett der Speiseröhre zur Thoraxkuppe oder nach zervikal geführt und dort mit der restlichen Speiseröhre anastomosiert. Abhängig von der operativen Strategie kann jedoch auch die retrosternale Hochführung angezeigt sein. Funktionell sind die Ergebnisse nach den beiden Vorgehensweisen weitgehend identisch. Morbidität und Mortalität Die Letalität des operativen Eingriffs hat in den letzten Jahren abgenommen. Die Gründe hierfür sind vielfältig und beinhalten die bessere Selektion und Vorbereitung der Patienten, das intraoperative anästhesiologische Management, die schonende und blutsparende operative Technik und das postoperative Intensivmanagement. Diese Faktoren sprechen für die operative Versorgung von Ösophaguskarzinomen in Zentren. Mehrere Untersuchungen haben den Einfluss der Fallzahl auf die Letalität der Ösophagektomie gezeigt haben wir nur 1 von 29 operierten Patienten verloren (3,5%). Nahezu unverändert hoch ist jedoch die Quote postoperativer Komplikationen, insbes. pulmonaler Komplikationen. Risikofaktoren hierfür sind eine obstruktive Lungenerkrankung und das Rauchen. Dem gegenüber fallen andere Faktoren wie ein höheres Alter (>70 Jahre), eine Adipositas oder eine höhe- Ärzteblatt Rheinland-Pfalz 20 Ausgabe 8/August 2006
4 Abb. 5a: Formen des Ösophagusersatz: Ösophagusersatz durch Schlauchmagenhochzug und Anastomosierung am Hals re ASA-Klassifikation (>2) weniger ins Gewicht (9). Der sorgfältigen präoperativen Untersuchung und der Vorbereitung des Patienten durch Atemübung und Rauchverbot kommen damit im Vorfeld der Operation große Bedeutung zu. Abb. 5b: Formen des Ösophagusersatz: Ösophagusersatz durch Interposition eines isoperistaltischen Kolonsegment Abb. 5c: Formen des Ösophagusersatz: Ersatz des zervikalen Ösophagus durch ein freies Dünndarmtransplantat Limitierte Verfahren Die postoperative Morbidität und die zunehmende Zahl endoskopisch entdeckter früher Tumoren hat die Suche nach therapeutischen Alternativen begründet. Hierzu gehört insbes. die endoskopische Mukosaresektion (EMR). Ihre Berechtigung ergibt sich aus dem fehlenden (Adenokarzinom) bzw. geringen Risiko (Plattenepithelkarzinom, 11%, 10) von Lymphknotenmetastasen bei dieser Tumorinfiltrationstiefe (pt1a), so dass die endoskopische Mukosaresektion nur bei Mukosakarzinom indiziert ist. Nach einer Literaturzusammenstellung von Pathirana und Poston (7) sind in 72 90% eine vollständige Resektion, in 1,4 2% Komplikationen, in 8% ein Rezidiv und eine 5-Jahresüberlebensrate von 95% zu erwarten. Mit zunehmender Infiltration in die Submukosa (pt1b) steigt das Risiko von Lymphknotenmetastasen und beträgt für das Plattenepithel bereits 40%, für das Adenokarzinom 22% (10). Für die Indikationsstellung lokaler bzw. limitierter Verfahren bei oberflächlichen Karzinomen ist das Lymphknotenausbreitungsmuster entscheidend. Plattenepithelkarzinome können auch bei Submukosabefall bereits tumorferne mediastinale Lymphknoten befallen, so dass diese Tumoren der konventionellen Therapie bedürfen. Adenokarzinome befallen zunächst die regionalen Lymphknoten. Dies führte zur Einführung der sog. limitierten Resektion bei Adenokarzinomen der Mukosa und Submukosa. Die von Meridino angegebene Operation beinhaltet die Segmentresektion des distalen tumortragenden Speiseröhrensegments mit den regionalen tumornahen Lymphknoten und den Ersatz durch ein Dünndarminterponat (Abb. 6a und b). Bei geringer Morbidität ist dieses Verfahren onkologisch der konventionellen Ösophagusresektion gleichwertig und hierzu eine Alternative bei frühen Adenokarzinomen (10). Multimodale Therapie Sowohl prä- wie postoperativ wurde versucht, durch die Anwendung chemotherapeutischer, radiologischer oder Ärzteblatt Rheinland-Pfalz 21 Ausgabe 8/August 2006
5 Abb. 6a: cardianahes Karzinom der Submukosa (pt1, N0) Abb. 6b: Ersatz der Cardiaregion durch ein Dünndarminterponat (Operation nach Meridino) Maßnahmen bei resektablem Ösophaguskarzinom außerhalb von Studien. Eine präoperative Radiochemotherapie ist sinnvoll bei lokal fortgeschrittenem, nicht resektablem Plattenepithelkarzinom der Speiseröhre, um hierdurch eine R0-Resektion zu ermöglichen. Kommt es nach der Radiochemotherapie zu keiner Tumorverkleinerung, bleiben nur palliative Maßnahmen (Tubus, Ernährungssonde). Für das Adenokarzinom ist bei distaler Lage seltener die lokale Inoperabilität gegeben, so dass eine präoperative Radiochemotherapie bei dieser Tumorentität nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommt. Prognose Die Prognose der Speiseröhre ist in erster Linie davon abhängig, ob es gelingt, eine R0-Resektion durchzuführen oder nicht. Die 5-Jahresüberlebensrate für Plattenepithelkarzinom nach R0-Resektion beträgt im eigenen Krankengut 25,5% und für Adenokarzinome 28,5%. 10 Jahre postoperativ leben von den Patienten mit Adenokarzinom 21% und mit Plattenepithelkarzinom 13% (Abb. 2 und 3). Entschei- kombinierter Verfahren Einfluss auf die Prognose des Ösophaguskarzinoms zu nehmen. Während adjuvante Maßnahmen bislang keinen günstigen Einfluss zeigten, ergaben sich für den neoadjuvanten Einsatz teilweise günstigere Ergebnisse, wenngleich für keines der Verfahren der Einfluss auf die Prognose zweifelsfrei erwiesen ist. Bei Plattenepithelkarzinom kann durch eine Radiochemotherapie in 23-50% eine vollständige Tumorbeseitigung erreicht werden (Abb. 7a und b, 8a und b). Diese Patienten weisen nach operativer Therapie eine 5-Jahresrate von 30 70% auf. Als weitere günstige Folge der präoperativen Radiochemotherapie ist auch die geringe lokoregionäre Rezidivrate (23%, 2) zu sehen. Patienten, die nur partiell oder nicht ansprechen, ziehen aus der Radiochemotherapie weniger Gewinn, dementsprechend ist das 5-Jahresüberleben des Gesamtkollektivs mit 27 36% geringer (2). Nachdem bislang keine Methode zuverlässig eine komplette Remission nach Radiochemotherapie sichert, ist auch nach gutem Ansprechen auf die Radiochemotherapie die operative Resektion angezeigt. Beim Adenokarzinom sind die Ansprechraten nach Radiochemotherapie geringer. Ein prognostischer Vorteil einer präoperativen Radiochemotherapie wurde nur in einer Studie (11) gefunden. Die Ergebnisse der Patienten mit alleiniger Chirurgie waren mit einer 3-Jahresüberlebensrate von 6% ungewöhnlich ungünstig, was den Wert dieser Studie einschränkt. Möglicherweise kann durch eine neoadjuvante Chemotherapie bei Adenokarzinom der Speiseröhre die Prognose verbessert werden. Eine Studie (6) hat dies nachgewiesen, eine frühere Studie dies jedoch nicht bestätigt (5). Insgesamt begründen die vorliegenden Studien derzeit nicht die Anwendung neoadjuvanter oder adjuvanter Abb. 7a: Lokal fortgeschrittenes Plattenepithelkarzinom des oberen Ösophagusdrittels (a) mit Lymphknotenmetastasen paratracheal (b) Abb. 7b: Lokal fortgeschrittenes Plattenepithelkarzinom des oberen Ösophagusdrittels (a) mit Lymphknotenmetastasen paratracheal (b) Ärzteblatt Rheinland-Pfalz 22 Ausgabe 8/August 2006
6 Abb. 8a: Ösophaguskarzinom im oberen Drittel vor (a) und nach (b) Radiochemotherapie (gleicher Patient wie Abb. 7). Das Resektat und die entnommenen Lymphknoten waren tumorfrei dend wird die tumorabhängige Prognose nach R0-Resektion von der Tiefeninfiltration und dem Lymphknotenstatus bestimmt. Sofern kein Tumorrezidiv auftritt, ist die Lebensqualität gut, vorausgesetzt, dass die Nahrungsaufnahme ungestört ist. Dies ist insbes. Abb. 8b: Ösophaguskarzinom im oberen Drittel vor (a) und nach (b) Radiochemotherapie (gleicher Patient wie Abb. 7). Das Resektat und die entnommenen Lymphknoten waren tumorfrei in der Anfangsphase während der ersten sechs bis neun Monate infolge einer narbigen Anastomosenstenose bei 30 40% gestört. Hier sind u. U. mehrmals endoskopische oder radiologische Bougierungen erforderlich. Therapiekonzept bei Ösophaguskarzinom Die komplexe Situation des Ösophaguskarzinoms erfordert ein differenziertes therapeutisches Vorgehen (Abb. 9). Kontraindiziert ist ein operatives Vorgehen mit kurativer Absicht bei nachgewiesener Fernmetastasierung, auch nach neoadjuvanter Radiochemotherapie fortbestehender lokaler Inoperabilität, bei schweren nicht beeinflussbaren Funktionsstörungen der Lunge, des Herzens, der Leber (CHILD B und C) und bei fehlender Kooperation des Patienten wie fortbestehender Alkoholismus oder bei M. Korsakow. In diesen Situationen ist vorrangig ein palliatives Vorgehen angezeigt mit dem Ziel, das Schlucken wieder zu ermöglichen (Tubus, Ernährungssonde im Magen, Strahlentherapie perkutan oder intraluminär). Im Einzelfall wird über eine palliative Chemotherapie zu entscheiden sein. Für das Vorgehen in kurativer Absicht ist bei Mukosakarzinom und hochgradiger Dysplasie die endoskopische Mukosaresektion (EMR) dem konventionellen Vorgehen gleichwertig. Plattenepithelkarzinome erfordern bei Submukosainfiltration das konventionelle Vorgehen, während bei Adenokarzinom mit Submukosainfiltration ein limitiertes Vorgehen in Frage kommt. Tumoren mit Befall der Muscularis (ut2) sind in der Regel konventionell ohne Vorbehandlung resektabel. Bei weiter fortgeschrittenem Plattenepithelkarzinom (ut3) insbes. des mittleren und oberen Drittels ist eine neoadjuvante Radiochemotherapie indiziert. Adenokarzinome des Stadiums ut3 sind meist infolge der distalen Lage auch ohne Vorbehandlung resektabel. Bei Befall des Tumors von Nachbarstrukturen (ut4) ist situationsabhängig eine neoadjuvante Radiochemotherapie mit dem Ziel der Tumorverkleinerung indiziert, sofern unter Berücksichtigung des Allgemeinzustandes und der Komorbidität nicht primär ein palliatives Vorgehen sinnvoller ist. Abb. 9: Therapeutisches Vorgehen bei Adenokarzinom und Plattenepithelkarzinom der Speiseröhre. EMR: Endoskopische Mukosaresektion, LK: Lymphknotendissektion, CRT: Neoadjuvante Chemotherapie und Radiotherapie Literatur beim Autor Prof. Dr. Th. Junginger Direktor der Klinik für Allgemein und Abdominalchirurgie, Klinikum der Johannes-Gutenberg-Universität Langenbeckstraße 1, Mainz Ärzteblatt Rheinland-Pfalz 23 Ausgabe 8/August 2006
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