Themenkreis 8: Was ist Religion? Was ist Religionspädagogik?
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- Lennart Ackermann
- vor 6 Jahren
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1 JLS WT, PIA, Ev. Religionspädagogik, Dr. Jung, TK8: Religion II, S. 1 Themenkreis 8: Was ist Religion? Was ist Religionspädagogik? Auf die Frage Was ist Religion? antwortet der Berliner Theologe Wilhelm Gräb folgendermaßen: Religion als Deutung des Lebens [Im Folgenden gilt es zu zeigen, ] was es heißt und wie es zugeht, dass unsere Selbstdeutung sich als religiöse, näherhin als christlich-religiöse artikuliert. Das Religiöse unserer Selbstdeutung liegt gerade darin, dass wir in all unserem Bemühen, Sinn zu finden, einen Zusammenhang in unseren unzusammenhängenden Erfahrungen zu entdecken, uns Ziele zu setzen, mit Verlusterfahrungen umgehen zu lernen, doch aus dieser ebenso unmittelbaren wie an sich selber unzugänglichen Selbstvertrautheit zu leben. Da ist unmittelbar, unverfügbar ein Gefühl, das uns Ich sagen lässt, auch wenn wir noch nicht oder nicht mehr wissen bzw. sagen können, wer wir sind. Da ist ein Gefühl des Zusammenstimmens meiner selbst mit mir, auch wenn mir mein Leben gleichsam zwischen den Händen zu zerrinnen scheint. Da ist ein Wissen um mich, das tiefer reicht als alles, was ich von mir sagen und erzählen kann, tiefer auch als alles, was andere mir als meine Identität wohl oder übel zuschreiben wollen. Das ist das Religiöse in unserer Selbstdeutung, dieses Gefühl eines absoluten Gegründet- und Gehaltenseins. Es hat transzendentalen [jenseitigen] Charakter und macht aus, dass wir dieses Gefühl in der lebenslangen Mühseligkeit unserer Deutungsarbeit, die uns nicht abgenommen ist, auch nicht verlieren. Dieses Gefühl bleibt uns, und sofern wir es artikulieren, geben wir zu erkennen, dass wir religiös sind. Gemeinhin machen wir die Religion allerdings an den Vorstellungen fest, in denen wir dieses Gefühl unseres absoluten Gegründetseins, des Gehaltenseins aus unserer unmittelbaren Selbstvertrautheit heraus, artikulieren. Oft machen wir sie zu schnell an den Bekenntnissen fest, die wir formulieren oder die uns als vorformulierte kirchlich überliefert sind: dass ein Gott sei, der seinen Sohn zur Erlösung der verlorenen Schöpfung gesandt hat, der im Heiligen Geist uns lebendig macht usw. Das ist nicht unbedingt der Ursprung der subjektiven Religion, nicht unbedingt die Frömmigkeit, von der in Wahrheit wir leben. Das sind Vorstellungen, mit denen die objektive, überlieferte Religion an der Deutungsarbeit teilnimmt, vor die uns unsere Lebenserfahrungen und unsere Lebensgeschichte stellen. Zwischen beiden gilt es zu unterscheiden. Man könnte sie Religion 1 und Religion 2 nennen. Religion 1, dieses unser Grundvertrauen ins Dasein. Und Religion 2, die Vorstellungen, mit denen wir uns deutend zu uns verhalten, eine Sinnspur in unserer Lebensgeschichte zu entdecken versuchen, das, was Halt gibt auf unwegsamem Gelände. Es dürfte klar sein, dass wir Religion 2 für uns nicht ausbilden können, ohne dass wir uns im Zusammenhang von Überlieferungen des Glaubens bewegen. So sind unsere Lebensentwürfe und Sinnerwartungen immer schon beeinflusst und geprägt von Bildern und Geschichten, von Lehren und Bekenntnissen, wie sie sich in der jüdisch-christlichen Überlieferung ausgebildet haben. [...] Von der Religion 1 als Quelle allen Lebens ist die Religion 2 zu unterscheiden, die Vorstellungen von Gott und der Unsterblichkeit und einem tugendhaften Leben. Auch sie
2 JLS WT, PIA, Ev. Religionspädagogik, Dr. Jung, TK8: Religion II, S braucht es manchmal, vielleicht. Aber wir gehen auf reflexive Weise mit ihnen um [d.h. wir denken über sie nach und kritisieren sie]. Wir übernehmen sie uns unserer Umwelt auch nicht einfach auf Treu und Glauben. Wir bilden diese Vorstellungen auch immer wieder um. Wir zweifeln daran, ob sie so wie überliefert wahr sind. Wir formen sie daraufhin um und wählen sie aus, dass sie zu unserer subjektiven Lebenssituation, zu unserer Religion 1 passen. Was uns wirklich trägt, ist aber nicht die Religion 2, sind nicht die religiösen Vorstellungen, Bekenntnisse und Lehren. Was uns im Leben wirklich trägt und uns als Menschen zutiefst miteinander verbindet, ist die Religion 1, das absolute Grundvertrauen, aus dem wir immer schon leben, längst bevor wir über uns sprechen und unsere Lebensentwürfe ausbilden können. Dass das so ist, ist nicht leicht zu vermitteln. Es lässt sich anderen nicht andemonstrieren. Wer nicht selber merkt, dass er diese Religion des absoluten Gründungsbewusstseins hat und lebt, dem ist sie auch durch noch so überzeugende Rede von ihr nicht einsichtig zu machen. Wer umgekehrt Religion 1 erfährt, der kann dann allerdings auch davon reden. Wer erfährt, dass alles, was wir von uns selbst wissen und uns von anderen zugeschrieben wird, letztendlich nicht über den Kontakt entscheidet, den wir zu uns selbst haben, dass wir von dem allem in letzter Instanz auch nicht abhängig sind, der kann zu einer größeren Gelassenheit finden im Blick auf seinen Lebensentwurf und seine Sinnerwartungen. Wilhelm Gräb: Religion als Deutung des Lebens, Gütersloh 2006, (leicht angepasst) Aufgaben zum Textverständnis (Partnerarbeit): 1. Gräb bezeichnet Religion als Selbstdeutung erkläre diese Definition und grenze sie von anderen möglichen Verständnissen des Religionsbegriffs ab! Was ist das Religiöse in der Selbstdeutung? (Z. 1-19) 2. Erläutere die Begriffe Religion 1 und Religion 2? Warum ist zwischen beidem streng zu trennen? (Z ) Benenne Beispiele für Religion 1 und Religion 2! 3. Warum können wir Religion 2 für uns selbst nicht ausbilden? (Z ) 4. Benenne Beispiele, wo wir Religion 2 für uns umbilden? (Z ) 5. Welche der beiden Religionen ist für Gräb die wichtigere? Warum? (Z ) Aufgaben zum Weiterdenken (Gruppenarbeit mit anschließender Präsentation) a) Welche Konsequenzen hat Gräbs Ansatz für die Religionspädagogik? Beachte dafür vor allem Z wie müsste religiöser Unterricht danach aussehen? b) Zeigt Konsequenzen für Eure Arbeit auf warum ist Religion im Kindergarten in jedem Fall ein Thema, ob man will oder nicht? Wie kann man auf das Phänomen reagieren?
3 JLS WT, PIA, Ev. Religionspädagogik, Dr. Jung, TK8: Religion II, S. 3 Religion im eigenen Leben In dieser Stunde geht es darum, die eigene Biographie aufzuarbeiten: Wo waren besondere Wendepunkte in meinem Leben? Wer hat mich in Bezug auf die großen Fragen, wie sie auch zur Religion 1 gehören, geprägt? Was gibt mir Halt? Wie finde ich Sinn? Beantworte zunächst die folgenden Fragen ganz für Dich allein. Beachte dabei den Unterschied von Religion 1 und Religion 2! Kreuze Deinen Standpunkt an bzw. notiere Stichworte: 1. In Bezug auf die Religion 1 bin ich ein religiöser Mensch: schwach ß... à stark 2. In Bezug auf die Religion 2 bin ich ein religiöser Mensch: schwach ß... à stark 3. Ich feiere zu Hause folgende religiösen Feste: 4. Folgende religiösen Feiern sind mir für mein eigenes Leben wichtig (z.b. Hochzeit, Beerdigung). Warum?: 5. Wenn ich auf mein bisheriges Leben zurückblicke, gab es folgende wichtige Ereignisse oder sogar Wendepunkte, die mit Religion (1 oder 2) zu tun hatten:
4 JLS WT, PIA, Ev. Religionspädagogik, Dr. Jung, TK8: Religion II, S Folgende Personen haben mich religiös (Religion 1 und 2) geprägt inwiefern? 7. Wenn ich eigene Kinder hätte, würde ich in der Erziehung auf folgende Dinge der Religion (1 und 2) Wert legen. Warum?:
5 JLS WT, PIA, Ev. Religionspädagogik, Dr. Jung, TK8: Religion II, S Wenn ich nun alle meine biographischen Erfahrungen anschaue: Welche Einflüsse hat meine eigene religiöse Biographie auf die Arbeit mit Kindern? Welche Chancen bzw. welche Schwierigkeiten sehe ich, mit Kindern im Bereich Religion zu arbeiten? Hierbei ist eine wichtige Frage: Welche Stimmungen, die durch religiöse Hintergründe ausgelöst wurden, habe ich als Kind empfunden (z.b. Vorfreude auf Weihnachten)? Welche taten mir gut? Und dann: Wie schaffe ich es, bei Kindern in meinem Kindergarten diese Stimmungen auszulösen und zwar unter den Bedingungen des Kindergartens? 9. Diskutiert in einer Gruppe von etwa 4 Personen die Ergebnisse von Aufgabe 8!
6 JLS WT, PIA, Ev. Religionspädagogik, Dr. Jung, TK8: Religion II, S. 6 Religions- und kultursensible Erziehung Das Rauhe Haus in Hamburg, eine Einrichtung der Jugendhilfe, die auch Sozialarbeiter und Erzieherinnen ausbildet, hat ein Konzept für die religionspädagogische Arbeit dieser Berufsgruppen entwickelt, das den Namen religions- und kultursensible Erziehung trägt. In Anlehnung an den Religionsbegriff Gräbs wurde in Hamburg eine noch genauere Differenzierung entwickelt. Ansatz: Erfahrungsdimension: Menschliche Erfahrung nicht als Grund, aber als Ort, an dem Gott gehört wird (Lechner). Transzendenzschwellen in existenziellen Grunderfahrungen wie Liebe, Treue, Solidarität, Barmherzigkeit, Gerechtigkeit (Gräb). Neben die existentiellen Erfahrungen treten mit Transzendenzerfahrungen religiöse Erfahrungen im engeren Sinne: Gott, das Heilige, Sinn, Spiritualität usw. Solche Erfahrungen können (nicht: müssen) konfessionell ausgedeutet werden.
7 JLS WT, PIA, Ev. Religionspädagogik, Dr. Jung, TK8: Religion II, S. 7 Aufgaben: 1. Lade Dir die Dokumentation des Rauhen Hauses herunter: _1B_RKS.pdf 2. Lies S und begründe, warum Religion eine Ressource für Kinder und Jugendliche sein kann. 3. Lies S und beschreibe anhand der Graphik auf S. 29, wie man konkret religions- und kultursensibel arbeiten kann.
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