Die kosmische Hintergrundstrahlung
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- Dörte Kappel
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1 Die kosmische Hintergrundstrahlung Hauptseminar: Der Urknall und seine Teilchen - SS Stephan Beyer Was ist die kosmische Hintergrundstrahlung? Bei der kosmischen Hintergrundstrahlung handelt es sich um eine sehr isotrope Strahlung im Mikrowellenbereich, welche Jahre nach dem Urknall freigesetzt wurde. Damals herrschte ein thermisches Gleichgewicht zwischen baryonischer Materie und Strahlung. Die Materie war hierbei vollständig ionisiert, sodass Photonen ständig mit freien geladenen Teilchen wechselwirken konnten. Dies geschah hauptsächlich über Thompson-Streuung der Photonen mit freien Elektronen. Nachfolgende Reaktion erfolgte während dieser Gleichgewichtsphase dementsprechend in beiden Richtungen: p + e H + γ Dies wird auch als eine Kopplung von Materie und Strahlung bezeichnet. Aufgrund der Expansion des Universums sank sowohl die Temperatur (und damit auch die Energie der Strahlung) als auch die Teilchendichte, was dazu führte, dass sich nach Jahren neutrale Atome bilden konnten. Diese Phase nennt man Rekombination. Infolgedessen kam es zu einer Entkopplung der Strahlung von der Materie, woraus die Hintergrundstrahlung hervorging. Nachfolgende Abbildung verdeutlicht diese zwei beschriebenen Phasen: Abbildung 1: Die Entkopplung der Strahlung von der Materie Aufgrund des thermischen Gleichgewichts zur damaligen Zeit weist die Hintergrundstrahlung das Spektrum eines Schwarzen Körpers - auch Planck-Spektrum genannt - auf. ɛ(ν)dν = 8πh c 3 ν 3 dν ( ) exp 1 hν k b T 1
2 Dieses besitzt als einzigen freien Parameter die Temperatur, sodass der heute gemessenen Hintergrundstrahlung eine Temperatur von K zugewiesen werden kann. Oft wird diese auch als Temperatur des Universums bezeichnet. Für eine Berechnung der Temperatur zur Zeit der Entkopplung muss neben der Ionisierungsenergie von Wassersto (13.6 ev) auch das Baryonen-Photonen-Verhältnis in Betracht gezogen werden. Denn aufgrund der Tatsache, dass es pro Baryon 10 9 Photonen gibt, konnte Wassersto noch bis zu einer Temperatur von etwa 3000 K, was nur noch einer mittleren Photonenenergie von 0.8 ev entspricht, ionisiert werden. Dies ist auf die Eigenschaften des Planck-Spektrums zurückzuführen, das auch bei dieser Temperatur noch Photonen enthält, welche die notwendige Energie aufbringen. Für ein genaueres Verständnis dieses Sachverhalts ist hier die Saha-Gleichung zu betrachten. Oftmals wird der Zeitpunkt der Entkopplung nicht mit Jahren angegeben, sondern anhand der Rotverschiebung z. Die Rotverschiebung ist deniert mit dem Verhältnis aus Wellenlängenänderung und ursprünglicher Wellenlänge: z = λ ob λ em λ em = λ ob λ em 1 Die hier wesentliche Rotverschiebung resultiert allerdings nicht aus dem bekannten Dopplereekt, sondern aus der Expansion des Universums und wird kosmologische Rotverschiebung bezeichnet. Hierbei wirkt sich die Expansion des Raumes auch direkt auf die Wellenlänge aus und dehnt diese in gleichem Maÿe. Die Expansion wird in der Kosmologie mithilfe des dimensionslosen Skalenparameters a beschrieben, sodass folgende wichtige Proportionalitäten gelten: λ a E rad = h ν a 1 V a 3 ɛ rad = E rad V a 4 In Zusammenhang mit dem Stefan-Boltzmann-Gesetz, welches für die Strahlungsenergiedichte eine T 4 -Abhängigkeit vorhersagt, liefert dies eine Denition der Rotverschiebung über die Temperatur: z = a(t 0) a(t rec ) 1 = T rec T 0 1 = Der Index 0 steht in der Kosmologie immer für den aktuellen Zeitpunkt. Setzt man den Skalenparameter heute auf 1, besagt dieses Ergebnis auch, dass die Längenskala zum Zeitpunkt der Rekombination 1 kleiner war Das Zusammenspiel aus kosmologischer Rotverschiebung und sinkender Teilchendichte in Laufe der Expansion stellt sicher, dass die Hintergrundstrahlung auch heute noch ein Planck-Spektrum aufweist (siehe Abbildung 2). Des Weiteren erhält man aus der heute gemessenen Energiedichte und der mittleren Photonenenergie, dass pro Kubikzentimeter etwa 400 Photonen der Hintergrundstrahlung zuzuordnen sind. 2
3 Abbildung 2: Zur Erhaltung des Planck-Spektums Vorhersage und Entdeckung der Strahlung Die Physiker G. Gamov, R. Alpher und R. Herman sagten erstmals 1948 eine aus dem Urknall entstandene und noch heute existierende Strahlung voraus. Dies erfolgte im Einklang mit der Urknalltheorie, welche im Wesentlichen auf der Expansion des Universums, der Teilchenentstehung und der Temperaturentwicklung aufbaute. Die Tatsache, dass dies erst 1948 geschah, verhinderte, dass 1941 gewisse Entdeckungen richtig interpretiert werden konnte. Man hatte damals im interstellaren Gas Absorptionslinien beobachtet, welche auf eine Anregung im Mikrowellenbereich hinwiesen. Allerdings wurde eine Anregung aufgrund einer Hintergrundstrahlung noch nicht in Betracht gezogen. In den Jahren nach 1948 beschäftigten sich weitere Wissenschaftler mit dieser Strahlung. Dies betraf sowohl die Abschätzung der Temperatur als auch das Bauen geeigneter Instrumente zur Entdeckung der Strahlung. Schlussendlich stieÿen jedoch die zwei Radioastronomen A. Penzias und R.W. Wilson 1964 per Zufall auf die Hintergrundstrahlung. Sie befanden sich gerade bei Arbeiten an einer neuen empndlichen Antenne in den Bell Laboren, wobei sie ein isotropes Störsignal bei λ = 7.35 cm bemerkten. Dieses Signal war tageszeitunabhängig und in jeder Richtung gleich (isotrop). Auch Reinigungsarbeiten an der Antenne hatten keinerlei Auswirkungen. Nicht weit entfernt bereitete eine Forschergruppe um R. Dicke und D. Wilkinson Experimente zur Suche nach der Hintergrundstrahlung vor. Nachdem Penzias auf die Theorie einer noch heute messbaren kosmischen Hintergrundstrahlung aufmerksam gemacht wurde, wandte er sich an Dicke, welcher das Störsignal identizieren konnte machten beide Forschergruppen die Ergebnisse im Astrophysica Journal anhand zweier Artikel öentlich und 1978 wurden Penzias und Wilson für ihre Entdeckung mit dem Nobelpreis belohnt. In den 70er Jahren gelang durch Messungen auf verschieden Frequenzen die Bestätigung des Planck- Spektrums, wodurch sich das Urknallmodell etablierte. Anisotropie der Strahlung Schon früh nach der Entdeckung der Strahlung fragte man sich, ob trotz der hohen Isotropie auf kleineren Skalen nicht Unterschiede in der Temperatur auftreten müssen. Denn die heutigen groÿräumigen Strukturen müssen aus Gravitationspoten- 3
4 tialen aus Dunkler Materie hervorgegangen sein, welche ihren Ursprung in Quanten- uktuationen zur Phase der Ination hatten. Dunkle Materie wechselwirkt nur gravitativ mit Photonen und Baryonen und konnte deshalb diese Potentiale ausbilden. Dementsprechend erwartete man auch Unterschiede (Anisotropien) in der Temperatur der Strahlung. Diese blieben allerdings bis 1992 unentdeckt, da sie hauptsächlich im µk-bereich auftreten. Da sich ähnliche physikalische Eekte auf vergleichbaren Skalen abspielen, ist eine statistische Erfassung dieser Eekte sinnvoll. Hierbei wird die Korrelation C(r) der Temperaturuktuationen von Punkten festen Abstands r vermessen. Dies ist gleichbedeutend mit einem festen Winkelabstand θ. Da beim Messprozess sozusagen die Innenseite einer Kugeloberäche betrachtet wird, ist es sinnvoll die Korrelationsfunktion in Kugelächenfunktionen (Y lm ) zu zerlegen. Infolgedessen entspricht die Winkelskala einer l-skala mit dem Multipolindex l, wobei in etwa θ = 180 gilt. Die l Messergebnisse liefern dann das sogenannte Leistungsspektrum, in dem die Temperaturuktuationen über der Multipolordnung aufgetragen werden. Dieses zeigt eine nach rechts immer kleiner werdende Winkelskala. Verdeutlicht wird dies durch die immer exakteren Aufnahmen der Hintergrundstrahlung. Der Trennpfeil bei l=90 entspricht einem Winkel von 2 und macht deutlich, dass nur Gebiete, welche wir heute unter einem kleineren Winkelabstand beobachten zum Zeitpunkt der Rekombination in kausalen Zusammenhang gestanden haben können. Dies ist auf die Endlichkeit der Lichtgeschwindigkeit zurückzuführen. Abbildung 3: Das Leistungsspektrum Auf groÿen Skalen kommt hauptsächlich der Sachs-Wolfe-Eekt zum Tragen. Dieser beschreibt den Eekt der gravitativen Rotverschiebung. Photonen aus Gebieten gröÿerer Massendichte verlieren beim Entkommen aus diesen Potentialtöpfen mehr Energie als Photonen aus Gebieten kleinerer Massendichte. Dies wirkt sich gleicher- 4
5 maÿen auf die Temperaturuktuationen aus. Der zweite im Leistungsspektrum sichtbare Eekt sind Akustische Schwingungen. Die Benennung erfolgt aus der Tatsache, dass es sich hierbei um Dichtewellen handelt. Die Oszillation erfolgt dabei aufgrund zweier entgegenwirkender Kräfte. Zum einen üben die Potentialtöpfe der Dunklen Materie sowohl auf Baryonen als auch Photonen eine gravitative Anziehung aus und komprimieren das Gemisch. Dem wirkt bei hoher Kompression allerdings der Photonendruck wie eine zusammengedrückte Feder entgegen und das Gemisch wird wieder verdünnt. So kommt es zu einer Schwingung, an welcher die Dunkle Materie allerdings nicht beteiligt ist. Die Dichtewellen breiteten sich dabei mit einer Plasmageschwindigkeit von c s = c 3 aus, so dass gleich groÿe Materiewolken zum Zeitpunkt der Rekombination gerade in Phase sind. Deshalb ist dieser Eekt im Leistungsspektrum zu erkennen. Eine genauerer Betrachtung der ersten beiden Peaks soll das Prinzip verdeutlichen. Der 1.Peak entspricht der Grundwelle, da bis zur Rekombination genau ein Kompressionsvorgang stattgefunden hat. Die adiabatische Kompression der Photonen und Baryonen führt nun eigentlich aufgrund des thermischen Gleichgewichts zu einer Erwärmung der Photonen aus diesen Gebieten. Da diese nun aber noch den Potentialtopf aus Dunkler Materie und Baryonen verlassen müssen, dreht sich das Temperaturverhalten um. Ausgedrückt werden kann dies anhand folgender Proportionalität: T T ρ ρ Diese Inversion führt dazu, dass die Fluktuationen so klein sind und erst sehr spät entdeckt wurden. Abbildung 4: Zustandekommen des 1.Peaks Der 2.Peak kann als 1.Oberton angesehen werden. Hier fand bis zur Rekombination schon wieder der Vorgang der Verdünnung statt. Dies liegt daran, dass kleinere Gebiete eine schnellere Oszillation ausführen. Bei Entkopplung der Photonen war die Baryonendichte in den Potentialtöpfen deswegen minimal. Dementsprechend ist der 2.Peak kleiner als der 1.Peak. Die weiteren Peaks folgen dem gleichen Muster und entsprechen immer kleineren Gebieten. Jedoch sind diese Peaks kaum noch zu beobachten. Dies liegt an der Silk-Dämpfung, welche auf kleinen Skalen zum Tragen kommt. Hier spielen durch die Photonen hervorgerufene Diusionsprozesse, welche kleinere Materieansammlungen während der 5
6 Abbildung 5: Zustandekommen des 2.Peaks Phase der Entkopplung wieder auseinandertreiben, eine Rolle. Dies war möglich, da die Rekombination nicht instantan ablief. Zusammensetzung des Universums Mit Kenntnis des Leistungsspektrums ist es möglich interessante Aussagen über die Zusammensetzung des Universums zu machen. Beispielsweise ist nachfolgendes Diagramm aus 9 Jahren Messzeit des WMAP, welches von 2001 bis 2010 die Anisotropien der Hintergrundstrahlung vermessen hat, entstanden. Abbildung 6: Zusammensetzung des Universums Für die Beschreibung der Zusammensetzung spielen in der Kosmologie Dichtepara- 6
7 meter eine wichtige Rolle. Diese sind dimensionslos und normiert auf die sogenannte kritische Dichte. Die kritische Dichte beschreibt ein Universum dessen Gesamtenergie 0 ist. Ein solches Universum wird dann als ach bezeichnet und Licht legt auf groÿen Skalen gerade Strecken zurück. Aus den Dichteparametern der Dunklen Materie, der baryonischen Materie und der Dunklen Energie, welche für die Expansion des Universums verantwortlich ist, ergibt sich die totale Dichte: Ω tot = Ω B + Ω }{{ DM +Ω } Λ Ω M Der Wert dieser totalen Dichte steht in direktem Zusammenhang mit der Geometrie des Universums. Ein aches Universum zeichnet sich durch eine euklidische Geometrie (Winkelsumme von 180 ) und hat Ω tot = 1. Ist die Dichte gröÿer als die kritische Dichte, Ω tot > 1, wird ein solches Universum als geschlossen bezeichnet und es besitzt eine sphärische Geometrie (Winkelsumme gröÿer als 180 ). Bei Ω tot < 1 spricht man von einem oenen Universum mit einer hyperbolischen Geometrie (Winkelsumme kleiner als 180 ). Aufgrund der unterschiedlichen Geometrien ist es möglich, aus der Lage des 1.Peaks die totale Dichte zu bestimmen. Schätzt man nämlich mit Rechenmethoden der euklidischen Geometrie die heutige Gröÿe der Grundschwingung ab, so erhält man Ergebnisse, welche sehr exakt mit den Experimenten übereinstimmen. Abbildung 7: Abschätzung der Lage des 1.Peaks θ c s t rec (1 + z) 1 c t 0 Damit liefern die Anisotropien der Hintergrundstrahlung, dass annähernd Ω M + Ω Λ = 1 gilt. Verknüpft man dieses Ergebnis mit Resultaten aus Suernovaebeobachtungen können Aussagen über die Aufteilung zwischen Materie (Dunkle und baryonische) und Dunkler Energie getroen werden. Bei Supernovaebeobachten wird die Expansion des Universums parametrisiert. Dunkle Energie beschleunigt diese aufgrund einer Art Antigravitation, während Dunkle und baryonische Materie dem entgegenwirken. a = α Ω M + β Ω Λ 7
8 Die Zusammenführung beider Ergebnisse in einem Diagramm liefert, dass etwa 70 Prozent des Universums aus Dunkler Energie bestehen und die restlichen 30 Prozent sich aus Dunkler Materie und Atomen zusammensetzen. Abbildung 8: Verknüpfung der Resultate Die Frage, wie sich nun baryonische und Dunkle Materie prozentual zueinander verhalten, kann mithilfe der genauen Untersuchung der akustischen Schwingungen beantwortet werden. Bekanntermaÿen gibt es deutlich mehr Dunkle Materie. Wie würde sich ein umgekehrtes Verhältnis auf die Peaks im Leistungsspektrum auswirken? Eine erste Auswirkung wäre das Schrumpfen der Potentialtöpfe, welche durch Dunkle Materie gebildet wurden. Dies bewirkt, dass das Temperaturverhalten nicht mehr durch gravitative Rotverschiebung umgedreht werden kann und eine erhöhte Baryonendichte nun auch einer höheren Photonentemperatur entspricht. Da das Vorzeichen der Temperatur im Leistungsspektrum keine Rolle spielt, sollte der 1.Peak nun höher ausfallen. Der 2.Peak war gekennzeichnet durch den Zustand der Verdünnung. Nun müsste der Photonendruck aber gegen mehr Baryonen ankämpfen und könnte diese nicht mehr sehr weit aus den Potentialtöpfen drücken. In Zusammenhang mit den kleineren Töpfen führt dies zu einem noch kleineren 2.Peak. Hieraus folgt, dass das Verhältnis aus erstem zu zweitem Peak ein sehr guter Indikator ist. Für exakte Resultate müssen aber auch die weiteren Peaks miteinbezogen werden. Eine schöne Veranschaulichung der Auswirkung verschiedener Zusammensetzungen bietet ein Tool auf folgender Seite: tool/cmb_plot.swf 8
9 Abbildungsverzeichnis 1: recombination2.jpg 2: Andrew Liddle, Einführung in die moderne Kosmologie, S. 85 3: auf S.12 4: 5: 6: 7: eigene Zeichnung 8: Alle Links wurden zuletzt am :51 abgerufen. Literatur Liddle, Andrew: Einführung in die moderne Kosmologie. Übers. von Sybille Otterstein. Weinheim: WILEY-VCH, Klapdor-Kleingrothaus, Hans Volker / Zuber, Kai: Teilchenastrophysik. Stuttgart: Teubner, de Boer, Wim: Transparente der Vorlesung Einführung in die Kosmologie (WS2012/13) Drexlin, Guido: Transparente der Vorlesung Astroteilchenphysik (WS2012/13) Hu, Wayne / White Martin: The Cosmic Symphony. In Scientic American. S Februar Was ist Hintergrundstrahlung? Aus der Fernseh-Sendereihe alpha-centauri. Erstmals ausgestrahlt am 13. Mai Alle Links wurden zuletzt am :51 abgerufen. 9
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