Literaturwissenschaft der letzten Jahrzehnte ein verstärktes Interesse daran, im Kanon des 19. Jahrhunderts nach bedeutenden Autorinnen zu suchen.
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- Heiko Auttenberg
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2 Literaturwissenschaft der letzten Jahrzehnte ein verstärktes Interesse daran, im Kanon des 19. Jahrhunderts nach bedeutenden Autorinnen zu suchen. Gefunden hat man neben der Droste im Grunde nur»die Ebner«. Andererseits hat sich das Muster einer kritischen Rezeption verfestigt, die der einst Gefeierten einen amodernen Hang zur Harmonisierung und ein konservatives Weltbild unterstellt, Ebner-Eschenbachs Image ist heute nicht nur das einer immer schon alten, sondern das einer altmodischen Frau. Was vor gut hundert Jahren Gegenstand der Verehrung war, ist zum Rezeptionshindernis geworden: Der»gute Mensch von Zdißlawitz«3 (Gertrud Fussenegger) wirkt abschreckend in seiner Biederkeit. Warum also Ebner-Eschenbach? Was
3 könnte an der Biographie einer Frau interessant sein, die in privilegierten Verhältnissen aufwuchs und zeitlebens verblieb, eine lange, offenkundig harmonische, kinderlose Ehe führte, berühmt und geehrt wurde und nach Erreichung eines biblischen Alters verschied? Weil das Bild der Literaturgeschichte sich von der Persönlichkeit der Dichterin und vor allem von deren Texten gelöst hat, weil es höchste Zeit ist, die»andere«ebner-eschenbach zu entdecken. Auf diese Frage sei aber auch eine persönliche Antwort versucht. Krambambuli gehörte zu meinen frühesten Leseereignissen. Ich hatte die Ausgabe auf dem Dachboden meiner Großeltern gefunden und fieberte mit der armen, zwischen zwei Herren zerrissenen Hundeseele mit, aber
4 auch mit dem in seiner Gekränktheit wie vernagelten Revierjäger Hopp. Als der Konflikt seinen Höhepunkt erreicht hatte, brach die Geschichte ab: Die letzten Seiten, ich wusste nicht, wie viele, fehlten in meinem Buch, eine bittere Enttäuschung zunächst. Weil ich aber ahnte, dass es kein gutes Ende nehmen würde mit dem von seinem rechtmäßigen Besitzer verstoßenen Krambambuli, mied ich jede Gelegenheit, die Erzählung zu Ende zu lesen. So dachte ich mir mein eigenes, versöhnliches Ende aus: Kinder sind ja selten Anhänger einer kompromisslosen Dramaturgie. Jahre später erst habe ich gewagt, die Lektüre des richtigen Schlusses nachzuholen, und musste feststellen: Krambambuli funktioniert in jedem Fall, als offenes Fragment oder mit bitterem Ende: Tränen
5 waren da auch bei mir unvermeidbar. Die Erzählung ist mir in lebhafter Erinnerung als ein Text, der zu rühren, aufzuwühlen und zu erschüttern vermag, der eine fremde Kreatur, quasi ein anderes Tier, dem eigenen Empfinden ganz nahe rückt. Mit dieser existentiellen Qualität steht die Novelle beispielhaft für eine Literatur des echten Pathos, eine Literatur, die ihre Leser nicht kalt lässt und ihre affektive und damit kathartische Wirkung auch nach hundert Jahren noch entfaltet. Ich habe die Geschichte später noch mehrmals gelesen, bin ihr auch mit dem philologischen Besteck zu Leibe gerückt: Sie hält das aus und erweist sich als ebenso vielschichtig wie kompakt komponiert. Meine Liebe zu Ebner- Eschenbach verdankt sich aber nicht der Entdeckung des Raffinements, sondern dem
6 unmittelbaren Eindruck. Mit Sentimentalität oder Kitsch hat dieser nichts zu tun, denn die Realität wird von der Autorin nicht zum schöneren Bild zurechtgebogen und -gelogen. Nichts wird wieder gut: Der Wilderer ist tot, der Hund ist tot, der Jäger trauert um ihn. Der dringlichste Grund, sich mit der Biographie einer Schriftstellerin zu befassen, liegt für mich immer in der Bedeutung ihres Werkes: das der Marie von Ebner- Eschenbach hält der strengsten Prüfung stand. Es zeichnet kein geschöntes, sondern ein realistisches Bild der Gesellschaft. Wer sich darauf einlässt, betritt keine muffige Stube in altdeutscher Eiche, sondern einen Raum von klassischer Modernität: Ebner-Eschenbachs Werk enthält»die erstaunlichsten Identifikationen mit dem Dunklen und Abgründigen«, es ist»nicht nur von
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