Kein Abschied. Niemals! (o baby don t cry) Eine kurze Tragödie
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- Kristian Brinkerhoff
- vor 6 Jahren
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1 03556 Kein Abschied. Niemals! (o baby don t cry) Eine kurze Tragödie von Falk Richter
2 S. Fischer Verlag 2004 Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Aufführung durch Berufs- und Laienbühnen, des öffentlichen Vortrags, der Verfilmung und Übertragung durch Rundfunk, Fernsehen und andere audiovisuelle Medien, auch einzelner Abschnitte. Das Recht der Aufführung ist nur von der S.Fischer Verlag GmbH THEATER & MEDIEN Leitung: Uwe B. Carstensen Hedderichstraße Frankfurt am Main Tel. 069/ Fax 069/ zu erwerben. Den Bühnen und Vereinen gegenüber als Manuskript gedruckt. Dieses Exemplar kann, wenn es nicht als Aufführungsmaterial erworben wird, nur kurzzeitig zur Ansicht entliehen werden. Dieser Text / diese Übersetzung gilt bis zum Tage der Uraufführung / Deutschsprachigen Uraufführung nicht als veröffentlicht im Sinne des Urhebergesetzes. Es ist nicht gestattet, vor diesem Zeitpunkt das Werk oder einzelne Teile daraus zu beschreiben oder seinen Inhalt in sonstiger Weise öffentlich mitzuteilen oder sich mit ihm öffentlich auseinanderzusetzen. Der Verlag behält sich vor, gegen ungenehmigte Veröffentlichungen gerichtliche Maßnahmen einleiten zu lassen. 2
3 2 Männer, eine Frau Wolfgang ist der Ältere, Marco der Jüngere, Laura und Marco sind ein Paar. Laura, Marco und Wolfgang sind aber irgendwie auch ein Paar. WG Inneneinrichtung, CD-Spieler, die CD 18 von Moby, 1 hand-held-mikro Weißt du, zu dir fällt mir immer nichts ein. Ja ich meine du bist n netter Mensch und so. Ja du bist echt nett und so, aber mir fällt zu dir absolut nichts ein. Aha. Ja. Hm. Ja, du lebst ja auch irgendwie so komisch. Ich? Ja, du machst ja irgendwie nichts. Ja, du machst doch gar nichts, nee ich hab da lange drüber nachgedacht, also gestern hab ich da mal lange drüber nachgedacht, aber du machst ja irgendwie gar nichts. Pause. Und deshalb fällt mir auch irgendwie nichts zu dir ein. Pause. Ja. Kurze Pause. Ja irgendwie fällt mir echt absolut gar nichts zu dir ein, ich meine du bist echt hübsch und so. aber malen würd ich dich nicht. Ja du mußt mich ja auch nicht malen. Oder n Foto von dir machen. Ja mußt du ja auch nicht. Oder auch n Video, nee hab ich lang drüber nachgedacht gestern, aber mir fällt zu dir echt nichts ein, wenn ich n Video von dir drehen müsste, wüsste ich echt nicht, was da drauf kommen sollte, also weil mir fällt echt absolut nichts zu dir ein, du lebst auch irgendwie so komisch, ich meine du 3
4 machst ja auch irgendwie gar nichts richtig, also nicht wirklich, verstehst du also, du machst was, aber nicht wirklich, nicht echt, mach doch mal was, warum machst du denn eigentlich nichts, findst das doof auch mal was zu machen, findst das irgendwie blöd mal was zu machen Ich mach doch was. Ja, aber nichts Richtiges, das ist doch alles, das ist doch. Ja, was machst du denn eigentlich, sag mal, was was machst du denn. Ja, ich. Ja, siehste da fällt dir nämlich jetzt nichts ein, da fällt dir wieder nichts ein, absolut nichts fällt dir nämlich dazu ein, ja siehste, das mein ich halt, wenn man nichts macht, kann man auch nichts sagen und dann fällt anderen Leuten auch nichts dazu ein, da hab ich nämlich gestern drüber nachgedacht, dass ich dir aber auch nicht helfen kann, das ist mir aufgefallen, dass ich dir gar nicht helfen kann, weil mir gar nichts einfällt zu dir, weil mir nicht mal einfällt was man anders an dir machen sollte, was du anders machen solltest. Ich will ja gar nichts anders machen. Ja siehste, das ist auch so ne Sache, das ist schwierig, nichts anders machen wollen und so, ich meine, du bist nett und so, aber in einem Fahrstuhl will ich nicht mit dir hängen bleiben. das irgendwie. Ja das mußt du ja auch nicht. Ja, nicht mal zusammen im Stau stecken würd ich mit dir wollen. Mußt du ja auch nicht. Nee, aber verstehst du, was ich meine, ich meine, verstehst du Nee. Nee nicht wirklich. Ja, siehst du das ist auch so n Ding. Dass du dann nie verstehst, was ich sage, dass man dir dann auch nicht helfen kann und so. Ja. Da bleibst du natürlich dann immer so wie du bist. 4
5 Ja, das will ich ja auch. Ja, das mein ich ja. Ja genau das. Was denn? Na das. Na alles was du jetzt sagst. Ja. Mann. Ja. Was denn? Na, das meine ich doch gerade. Ja, dass du das jetzt gar nicht verstehen kannst, zum Beispiel dass wir uns so natürlich niemals näher kommen. Aber wir müssen uns doch gar nicht näher kommen. Ja das auch. Ja. Wir müssen uns doch auch gar nicht näher kommen. Ja, aber wir. Wir müssen uns doch gar nicht näher kommen. kommt dazu Hör mal du gehst jetzt. 5
6 Ich glaube, du gehst jetzt mal Wieso? Ich glaube, weil das jetzt mal alles ganz anders wird hier, das wird jetzt hier mal alles so was von anders, das kannst du dir einfach noch gar nicht so richtig vorstellen, aber ich hab jetzt mal ne Nacht über alles geschlafen und mir n neues Konzept überlegt und in dieses neues Konzept, ja, da passt du also so was von überhaupt nicht mehr rein, sorry, aber das musst du, denk ich, ja, ich denke, das musst du jetzt vielleicht einfach mal akzeptieren also: Du bist irgendwie schon gar nicht mehr hier, hab ich das Gefühl, ich denke, ja also wir haben da mal gestern so ne Abstimmung gemacht und du bist jetzt weg. Wieso das ist doch meine Wohnung. Ja, sorry, das sagen alle dann immer, alle denken immer gleich, nur weil das ihre Wohnung ist, haben sie irgendwelche Rechte und so, nein sorry, du, aber wir haben da jetzt gestern einfach mal alle zusammen beraten also Marco und ich haben da jetzt gestern nacht mal alle zusammen beraten und das neue Konzept sieht dich jetzt einfach nicht mehr vor, sorry, das ist jetzt schade und so, aber das neue Konzept sieht dich eben einfach nicht mehr vor. Aber das ist doch meine Wohnung. Ja gut, also ich würd das jetzt an deiner Stelle nicht so überbewerten mit der eigenen Wohnung, weil das ist jetzt gestern nacht auf diesem Gremium beschlossen worden, und du weißt ja, was auf dem Gremium beschlossen wurde, das also, das tritt dann einfach in Kraft, weil das dann eben als beschlossen gilt, wenn das beschlossen wurde, da ist dann nichts mehr zu machen, ist jetzt schade und so, aber da ist jetzt glaub ich nichts mehr zu machen, also sorry und so, aber da hinten stehen jetzt auch deine Koffer, weil die haben wir gestern nacht nach dem Gremiumsbeschluss gleich gepackt und ähm ja tschüss und so. Ich gehe nicht. Ja eben doch, tut mir leid, da wird jetzt auch nicht mehr so richtig nachgefragt, weißt du, wir können da jetzt auch nicht mehr soviel Rücksicht nehmen, und n Revisionsantrag ist auch ausgeschlossen, weil das neue Konzept eben einstimmig angenommen wurde und damit rechtskräftig ist, weil das Gremium hat das jetzt so entscheiden, und deshalb, ähm, du also wir führen das jetzt nur noch aus, was da gestern nacht entschieden wurde, und deshalb gehst du jetzt einfach, das tut uns allen echt leid, aber das neue Konzept muss jetzt sofort in Kraft treten, das muss es einfach, wir dürfen da jetzt echt keine Zeit mehr verlieren, und das sieht dich einfach nicht mehr vor, dich gibt s nicht mehr, sorry, aber merkst du, du bist im Grunde schon gar nicht mehr da, also war nett die letzten zehn Jahre, aber jetzt ist eben Abschied und so, sorry muss ja auch mal sein, oder? Aber. 6
7 Weißt du, das Gremium irrt sich nicht, das ist alles ganz ganz unangenehm jetzt und tut uns auch wirklich leid, aber ich glaube, es wäre jetzt wirklich gut, du würdest jetzt gehen. Ja da hinten stehen deine Koffer, und ähm ja wir haben genau nachgeschaut, mach dir keine Sorgen, ist alles drin, fehlt nichts haben wir gestern nacht alles noch reingepackt und ähm, CD Spieler bleibt hier, der gehört jetzt irgendwie uns, also so rein gefühlsmäßig gehört der uns. Deine CDs kannste mitnehmen. Ja, die kannst mitnehmen aber... Aber jetzt mal so rein emotional gehört uns der CD Spieler, hat das Gremium gestern beschlossen, und der Fernseher auch und der DVD Spieler, aber hier das Waffeleisen kannste mitnehmen. dich, los. Das Waffeleisen? Das Waffeleisen. Der Rest bleibt hier. Du nimmst jetzt dieses beschissene Waffeleisen und verpisst Ich will das Waffeleisen nicht. Du nimmst jetzt das Waffeleisen, das gehört nämlich dir. Das Waffeleisen bleibt hier. Nimm das Waffeleisen mit, das steht dir zu, das hat das Gremium gestern beschlossen, wir kriegen die Wohnung und du das Waffeleisen, das wurde einstimmig so beschlossen, sorry, nichts zu machen, los nimm das Waffeleisen jetzt und geh, geh einfach, geh schnell, lauf, lauf los, Alter, los, lauf, bevor sich hier die Selbstschussanlage selbsttätig einschaltet, die wir gestern nacht nach der Sitzung noch installiert haben, los renn, renn um dein Leben, los, gleich geht auch die Kofferbombe hoch, die zündet selbsttätig, wenn du nicht binnen drei Minuten unsere Wohnung verlassen hast, los geh. Wieso eure Wohnung? Los, lauf, Mann, los. Lauf, bevor hier alles in die Luft fliegt. Schnell, renn. Los, hau ab jetzt hier, Mann. 7
8 Du ich finds auch schade, aber Beschluss ist Beschluss. Wolfgang nimmt seine Koffer und will gehen, er steht da schwer bepackt und vor allem hat er ein Waffeleisen in der Hand Laura schaltet die CD Anlage an aus Mobys Album 18 spielen sie Track 14, Wolfgang will gehen, aber seine Füße scheinen festzukleben, er kommt nicht von der Stelle, Laura holt aus einer Handtasche ein 1-handheld-Sendmikrophon hervor, sie flüstert ins Mikro o my baby don t cry, o my baby say good-bye, o now baby don t cry, o my baby at least we tried, to make it in these days, I am so confused. flüstert in das selbe Mikrophon Wolken ziehen vorbei. Wolfgang lässt seine Taschen fallen und geht zu den anderen, sie alle drei sitzen auf einer Matratze flüstern in das selbe Mikro ALLE O my baby don t cry, o my babe just say goodbye, o now baby don t cry, o my baby at least we tried. Text ab jetzt weiterhin leise ins Mikro jetzt. Das Waffeleisen. Wolken ziehen vorbei. Ich habe euch ein Waffeleisen mitgebracht hier zur Einweihung. Danke, danke. Das ist ein sehr schönes Waffeleisen, und das schenk ich euch Wolfgang weint weil die Musik ihn so mitnimmt Jetzt heult der wieder, mein Gott. Kurze Pause, sie hören der Musik zu, direkt zum Publikum Irgendwie war das jede Nacht das gleiche, wir kamen einfach nicht mehr voneinander los, keiner wusste mehr genau, wann wir hier eingezogen waren, oder waren wir hier schon geboren worden? Immer das gleiche Ritual: Einer sollte gehen und wir suchten Gründe jeden abend, aber dann, nein irgendwie brachte es dann doch keiner übers Herz. ALLE Bitte nicht Abschied nehmen, bitte, bitte nicht. Nein kein Abschied. Hier das ist ein sehr sehr schönes Waffeleisen. 8
9 Nicht, nein, nicht. Nein, nicht weggehen, nicht nicht weggehen. Schau mal, Wolfgang hat uns ein Waffeleisen mitgebracht. Jungs, bitte! Bleib hier! Wir werden Nein. Nein, natürlich nicht, nein. Niemals. Es tut mir alles so leid. Mir auch. Wolken ziehen vorbei. Es war so kalt da draußen. Komm wir schließen jetzt erst mal dieses tolle Waffeleisen an. zum Publikum Ja immer dieselbe Scheiße. Diese verdammte Gemeinschaft war nicht mehr aufzulösen. Jeden Abend das gleiche Abschiedsritual und jede Nacht kamen wir einen kleinen Schritt weiter, aber dann immer an der Stufe kehrte Wolfgang wieder um, und ja das geht jetzt schon seit Jahren so. Komm, Wolfgang, wir legen Platten auf und backen Waffeln Jungs bitte! O ja, und dann schauen wir Videos und essen die Waffeln. Das ist so ein tolles Waffeleisen. Mir tut das alles so leid. Ich mag dich so. 9
10 Nur nicht auseinandergehen. Niemals nein. Und das neue Konzept? Fick das neue Konzept! Wir sind eins. Scheisse, und ich dachte wir würden endlich mal. Abschied nehmen. Nein niemals. Niemals Abschied nehmen, nein niemals. Niemals. Niemals. Aber, ich dachte... Ach lass lass gut sein. Guck mal ich hab hier schon mal meine Koffer mitgebracht ich glaub ich zieh jetzt mal in dieses Zimmer da drüben. und ALLE Jungs! Niemals Abschied nehmen, niemals. O my baby say good-bye. O my baby at least we tried. Sie schließen das Waffeleisen an und backen Waffeln, dabei läuft Mobys Track weiter, sie singen mit, schauen Videos und essen Waffeln Alle Wir gehen hier niemals weg. Wir bleiben immer zusammen. 10
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