B e g r ü n d u n g :
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- Günter Gehrig
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1 Bsw 25851/09 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Kammer II, Beschwerdesache Tarantino u.a. gg. Italien, Urteil vom , Bsw /09. Art. 2 1.Prot. EMRK - Zulassungsbeschränkungen an Universitäten. Zulässigkeit der Beschwerde hinsichtlich Art. 2 1.Prot. EMRK (einstimmig). Unzulässigkeit der Beschwerde im Übrigen (einstimmig). Keine Verletzung von Art. 2 1.Prot. EMRK (6:1 Stimmen). Keine Verletzung von Art. 2 1.Prot. EMRK hinsichtlich der Beschwerde des AchtBf. (einstimmig). B e g r ü n d u n g : Sachverhalt: Alle Bf. sind italienische Staatsbürger. Die ErstBf., Frau Tarantino, schaffte am die Aufnahmeprüfung für die medizinische Fakultät Palermo nicht. Im Jahr 2007 versuchten sich Bewerber an dieser Prüfung, wobei es aber nur 210 freie Plätze gab. Die ErstBf. startete 2008 und 2009 weitere Versuche, jedoch ebenfalls ohne Erfolg. Am brachten die ErstBf. und weitere Studenten eine Beschwerde beim italienischen Präsidenten ein. Sie behaupteten, das Gesetz Nr. 264/1999 und insbesondere die beiden vom Ministerium für die Festsetzung der Zahl der zum Zugang zur entsprechenden Fakultät jeder Universität berechtigten Studenten verwendeten bindenden Kriterien seien unvereinbar mit dem EWG-Vertrag, der
2 2 Bsw 25851/09 Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, Art. 15 GRC, Art. 6 Abs. 2 EUV und Art Prot. EMRK. Die ErstBf. focht außerdem die Entscheidung des Staates, Privatuniversitäten dieselben Beschränkungen aufzuerlegen, sowie die Tauglichkeit der Aufnahmeprüfungen an. Der Präsident wies die Beschwerden mit Dekret vom auf Grundlage eines Gutachtens des Obersten Verwaltungsgerichtshofs zurück. Die übrigen sieben Bf. haben für einige Jahre als Zahntechniker oder -hygieniker gearbeitet bzw. tun dies immer noch. Am bestanden diese sieben Bf. trotz ihrer einschlägigen beruflichen Erfahrung die Aufnahmeprüfung an der Fakultät für Zahnmedizin nicht. Auch weitere Versuche blieben ohne Erfolg. Der AchtBf., Herr Marcuzzo, hatte die Aufnahmeprüfung zwar im Studienjahr 1999/2000 geschafft. Er verlor jedoch seinen Studentenstatus im Juli 2009, da er acht Jahre lang aus familiären Gründen keine Prüfungen abgelegt hatte. Die Bf. hatten abgesehen von der ErstBf. keine innerstaatlichen Rechtsmittel ergriffen, da diese ihrer Ansicht nach nicht effektiv gewesen wären. Rechtsausführungen: Die Bf. rügen eine Verletzung von Art Prot. EMRK (Recht auf Bildung) und von Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot). Die ErstBf. beschwert sich zudem über eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren). Zur behaupteten Verletzung von Art Prot. EMRK Die Regierung erhob die Einrede der Nichterschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzugs. Der GH
3 3 Bsw 25851/09 wiederholt, dass Verfahren vor dem italienischen Präsidenten außerordentliche Rechtsbehelfe darstellen, die Bf. nicht wahrnehmen müssen, um den Erfordernissen des Art. 35 EMRK zu genügen. Die Fragen des vorliegenden Falls kamen auch wiederholt vor die nationalen Gerichte, welche die Anträge jedoch stets abwiesen. Unter diesen Umständen akzeptiert der GH, dass ein Versuch, ein Verfahren vor den Regionalen Verwaltungsgerichten mit nachfolgender Berufung zum Obersten Verwaltungsgerichtshof einzuleiten, keinen Erfolg haben würde. Daher gibt es keinen Grund, diesen Teil der Beschwerde wegen Nichterschöpfung des Instanzenzugs zurückzuweisen. Da er zudem nicht offensichtlich unbegründet und auch aus keinem anderen Grund unzulässig ist, muss er für zulässig erklärt werden (einstimmig). Der GH erkennt an, dass die von Italien gewählten Beschränkungen, nämlich Aufnahmeprüfung und numerus clausus per se, auf Grundlage von Gesetz 127/1997 und Gesetz 264/1999 vorhersehbar waren. Die Beschränkungen dienen weiters dem legitimen Ziel, ein hohes Level von Professionalität zu erreichen, indem sie ein angemessenes Mindestbildungsniveau an Universitäten sicherstellen, und sind daher im allgemeinen Interesse. Was die Verhältnismäßigkeit der Beschränkungen anbelangt, bemerkt der GH zunächst in Bezug zur Aufnahmeprüfung, dass die Beurteilung von Bewerbern durch entsprechende Tests, um die aussichtsreichsten von ihnen zu identifizieren, eine verhältnismäßige Maßnahme ist, um ein angemessenes Mindestbildungsniveau an Universitäten sicherzustellen. Zum Inhalt solcher Tests hat der GH schon früher in einem anderen Zusammenhang festgestellt, dass die Festlegung und Planung des Studieninhalts grundsätzlich in
4 4 Bsw 25851/09 die Zuständigkeit der Staaten fällt und der GH darüber nicht zu entscheiden hat. Er ist auch nicht zuständig dafür, über den Inhalt oder die Geeignetheit der fraglichen Tests zu entscheiden. Zum numerus clausus bemerkt der GH, dass es den Bf. im Wesentlichen um die Grundlage geht, auf welcher der numerus clausus angewandt wird, nämlich die zwei Kriterien der Kapazität bzw. Ressourcen von Universitäten sowie des Bedarfs der Gesellschaft für einen speziellen Beruf. Der GH befindet, dass ein Ausgleich zwischen dem individuellen Interesse der Bf. und dem der Gesellschaft im Allgemeinen, darunter auch andere Studenten, welche Universitätsstudien belegen, geschaffen werden muss. Die zwei Kriterien stehen mit der Rechtsprechung des GH in Einklang, wonach die Regulierung des Rechts auf Bildung je nach Bedarf und Ressourcen einer Gemeinschaft und von Einzelnen variieren kann. Im vorliegenden Fall geht es zudem um die höchste Stufe der Bildung, nämlich die Hochschulbildung. Zum ersten Kriterium ist zu sagen, dass Ressourcenüberlegungen sicher von Bedeutung und akzeptabel sind. Das folgt logisch aus der Auslegung, dass das Recht auf Bildung den Zugang zu jeder»bestehenden«hochschuleinrichtung umfasst. Der GH wiederholt, dass die Konvention keine spezifische Verpflichtung hinsichtlich des Umfanges der Unterrichtsmittel und der Art und Weise ihrer Organisation oder Förderung vorsieht. Das beinhaltet ein Recht auf Zugang zu Bildung nur so weit, wie diese verfügbar ist und innerhalb der betreffenden Grenzen. Der GH bemerkt, dass solche Grenzen oft von den für den Betrieb solcher Einrichtungen notwendigen personellen, materiellen und finanziellen Ressourcen und Überlegungen zur Qualität
5 5 Bsw 25851/09 solcher Ressourcen abhängen. Dies ist insbesondere von Bedeutung, wenn es sich um staatliche Universitäten handelt. Soweit die Bf. sich über die gleichen Beschränkungen auch für private Universitäten beschwerten und daher für Unterricht, den sie bereit waren zu zahlen, ist es unbestreitbar, dass die Ressourcen für theoretische und praktische Ausbildung in der Tat weitgehend vom personellen, materiellen und finanziellen Kapital der privaten Universitäten abhängig sind. Auf dieser Grundlage wäre es daher möglich, höhere Aufnahmezahlen vorzusehen, ohne dem Staat und seinen Strukturen eine Extralast aufzuerlegen. Es ist jedoch von Bedeutung, dass der private Sektor in Italien teilweise auf staatliche Subventionen angewiesen ist. Der GH kann die staatliche Regulierung von privaten Einrichtungen unter den gegebenen Umständen auch nicht als unverhältnismäßig oder willkürlich ansehen, soweit solche Maßnahmen als notwendig erachtet werden können, um einen willkürlichen Zugang oder Ausschluss zu verhindern und die Gleichbehandlung von Personen zu gewährleisten. Es ist daran zu erinnern, dass das Grundrecht eines jeden auf Bildung ein Recht ist, das Schülern in staatlichen und privaten Schulen gleichermaßen und ohne Unterschied gewährt wird. Den Staat trifft daher eine Verpflichtung, sie zu regulieren, um sicherzustellen, dass der Konvention Genüge getan wird. Im Besonderen befindet der GH, dass es von Seiten des Staates gerechtfertigt ist, bei der Regulierung des Sektors streng zu sein besonders in den in Frage stehenden Studienbereichen, wo ein angemessenes Mindestbildungsniveau von größter Bedeutung ist, um sicherzustellen, dass ein Zugang zu privaten Einrichtungen nicht allein aufgrund der finanziellen Möglichkeiten von
6 6 Bsw 25851/09 Bewerbern und unabhängig von ihrer Qualifikation und Berufsneigung verfügbar ist. Außerdem erkennt der GH an, dass überfüllte Klassen schädlich für die Wirksamkeit des Bildungssystems sein können, indem sie eine spezifische Schulungspraxis verhindern. Der GH befindet daher unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen, dass das erste Kriterium insgesamt berechtigt und verhältnismäßig ist. Was das zweite Kriterium des gesellschaftlichen Bedarfs für einen speziellen Beruf angeht, ist dieses in der Tat restrikiv auszulegen. Es hat eine lediglich nationale Perspektive und gehört zudem zum öffentlichen Sektor und ignoriert daher alle entsprechenden Bedürfnisse in einem weiteren EU- oder privatrechtlichen Zusammenhang. Außerdem kann es insoweit als kurzsichtig angesehen werden, als nicht scheint, dass ernste Überlegungen zu zukünftigen lokalen Bedürfnissen angestellt werden. Eine solche Maßnahme ist dennoch ausgewogen, soweit die Regierung berechtigt ist, Maßnahmen zu setzen, um übermäßige öffentliche Ausgaben zu vermeiden. Der GH beobachtet, dass die Ausbildung von bestimmten speziellen Kategorien von Akademikern eine große Investition erfordert. Es ist daher vernünftig für den Staat, die Eingliederung jedes erfolgreichen Bewerbers in den Arbeitsmarkt anzustreben. Eine Nichtverfügbarkeit von Stellen für solche Kategorien wegen Sättigung steht für weiteren Aufwand, da Arbeitslosigkeit ohne Zweifel eine soziale Last für die Gesellschaft im Allgemeinen darstellt. Da es für den Staat unmöglich ist festzustellen, wie viele Absolventen den lokalen Markt verlassen wollen und Arbeit im Ausland suchen, kann der GH es nicht als unvernünftig einstufen,
7 7 Bsw 25851/09 wenn der Staat Vorsicht walten lässt und seine Politik auf der Annahme gründet, dass ein hoher Prozentsatz von ihnen im Land bleiben könnte, um dort zu arbeiten. Nach Ansicht des GH ist das zweite Kriterium daher ebenfalls verhältnismäßig. Zuletzt ist zu bemerken, dass den Bf. nicht das Recht verwehrt wurde, sich für irgendein anderes Studium zu bewerben, das sie interessierte und für das sie die erforderliche Qualifikation hatten. Auch wurde ihnen nicht die Gelegenheit verweigert, ihre Studien im Ausland zu verfolgen und ihrem möglichen Wunsch, im Ausland Karriere zu machen, nachzugehen. Da es nicht scheint, dass es eine Beschränkung dafür gibt, wie oft ein Bewerber die Prüfung ablegen kann, haben die Bf. immer noch die Möglichkeit, erfolgreich Zugang zum Studium ihrer ersten Wahl zu bekommen. Im Ergebnis befindet der GH, dass die auferlegten Maßnahmen nicht unverhältnismäßig waren und dass der Staat durch die Verwendung dieser Maßnahmen seinen Ermessensspielraum nicht überschritten hat. Keine Verletzung von Art Prot. EMRK (6:1 Stimmen; Sondervotum von Richter Pinto De Albuquerque). Was die Beschwerde des AchtBf., Herrn Marcuzzo, betrifft soweit sie weiter geht als die obige Beschwerde aller Bf. gemeinsam, da er die Aufnahmeprüfung nochmals ablegen musste, nachdem er vom Studium nach seiner achtjährigen Abwesenheit ausgeschlossen wurde bemerkt der GH, dass nicht vorgebracht wurde, dass diese Maßnahme unvorhersehbar gewesen wäre. Er bemerkt weiters, dass es nicht unvernünftig ist, von einem Studiengang einen Studenten auszuschließen, der es für acht auffeinanderfolgende Jahre verabsäumt hat, Prüfungen abzulegen. Dies gilt insbesondere in Anbetracht des
8 8 Bsw 25851/09 Umstands, dass für das in Frage stehende Studium ein numerus clausus angewendet wird. Daher verfolgte die Maßnahme ein legitimes Ziel und war im Lichte der staatlichen Befugnis, das Recht auf Bildung zu regulieren, verhältnismäßig. Sie schuf de facto einen Ausgleich zwischen den Interessen des AchtBf. einerseits und jenen von anderen Personen, die das fragliche Studium aufnehmen wollten sowie den Bedürfnissen der Gemeinschaft im Allgemeinen andererseits. Keine Verletzung von Art Prot. EMRK hinsichtlich dieses Teils der Beschwerde bezüglich des AchtBf. (einstimmig). Zu den übrigen behaupteten Verletzungen Die ErstBf. rügt unter Art. 6 EMRK die Unfairness des Verfahrens, das Versäumnis der Behörden, die Sache dem EuGH vorzulegen, und eine fehlende Begründung, da die Entscheidung vom nicht alle ihre Argumente behandelt habe. Der GH stellt fest, dass die ErstBf. dadurch, dass sie eine Sonderbeschwerde beim Präsidenten eingebracht hat, kein streitiges Verfahren angestrengt hat, das in den Anwendungsbereich von Art. 6 EMRK fallen würde. Diese Beschwerde ist daher ratione materiae unvereinbar mit der Konvention und muss als unzulässig zurückgewiesen werden (einstimmig). Die Bf. (außer der ErstBf.) rügen eine Verletzung von Art. 14 EMRK, da frisch von der Schule kommende Studenten eine bessere Chance hätten, wissensorientierte Prüfungen zu schaffen insbesondere solche, die auf den Oberstufenlehrplan abstellten, und das System daher diskriminierend aufgrund des Alters sei. Der GH beobachtet, dass eine Universität eine wissensorientierte Einrichtung ist und es daher nicht als
9 9 Bsw 25851/09 unvernünftig oder willkürlich angesehen werden kann, wissensorientierte Prüfungen einzurichten. Außerdem konnte nicht gezeigt werden, dass Personen eines bestimmten Alters es schwieriger fanden, die Prüfung zu schaffen. Diese Beschwerde ist daher unbegründet. Zuletzt bemerkt der GH, dass die subjektive Wahrnehmung, die ein Bf. von einer Prüfung haben kann, nicht für sich eine Frage unter Art. 14 EMRK aufwerfen kann. Auch diese Beschwerde ist daher offensichtlich unbegründet und muss als unzulässig zurückgewiesen werden (einstimmig). Vom GH zitierte Judikatur: Fall betreffend den Gebrauch von Sprachen in der Ausbildung/B v = EuGRZ 1975, 298 Kjeldsen, Busk Madsen und Pedersen/DK v = EuGRZ 1976, 478 Nasalli Rocca/I v (ZE) Leyla Sahin/TR v (GK) = NL 2005, 285 = EuGRZ 2006, 28 = ÖJZ 2006, 424 Hinweis: Das vorliegende Dokument über das Urteil des EGMR vom , Bsw /09 entstammt der Zeitschrift "Newsletter Menschenrechte" (NL 2013, 114) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt. Das Urteil im englischen Originalwortlaut (pdf- Format): df
10 10 Bsw 25851/09 Das Original des Urteils ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ( abrufbar.
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