F. Rechtsgeschäftslehre V: Vertretung
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- Dörte Beyer
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1 F. Rechtsgeschäftslehre V: Vertretung I. Überblick (Voraussetzungen, Wirkung, Zurechnung) II. III. IV. Insbesondere: Handeln im fremden Namen Insbesondere: Vertretungsmacht Insichgeschäft, 181 BGB V. Missbrauch der Vertretungsmacht VI. Wirkungen der Stellvertretung VII. Vertretung ohne Vertretungsmacht Folie 256
2 III. Vertretungsmacht 1. Gesetzliche Vertretungsmacht a) Gesetzliche Vertreter b) Organschaftliche Vertreter c) Insbesondere: Gesamtvertretung 2. Vollmacht (= rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht) a) Innenvollmacht b) Außenvollmacht c) Rechtsscheinvollmacht Folie 257
3 Beispiele zur gesetzlichen Vertretung 1. Der elfjährige K hat von seinem Großvater ein Hausgrundstück geerbt. Als der I einen fantastischen Preis bietet, verkaufen die Eltern des K das Grundstück im Namen des K an I, wirksam? 2. Die Eltern wollen das Grundstück nicht verkaufen, sondern vermieten. a) Auf dem Mietvertragsformular haben bislang Vater des K und Mieter M unterschrieben. Die Unterschriftszeile nach dem Namen der Mutter ist noch frei, Wirkungen? b) Vertrag kommt später zustande, dann stoppt M die Mietzahlungen, V schreibt außerordentliche Kündigung ( 543, 569 BGB) im Namen des K, M widerspricht nicht. Ist Kündigung wirksam, wovon hängt das ab? Folie 258
4 Gesetzliche Vertreter Beispiele - Minderjährige werden durch den Inhaber der elterlichen Sorge, 1629 BGB, hilfsweise durch einen Vormund, 1793 BGB vertreten, - Volljährigen kann ein Betreuer bestellt werden, 1902 BGB. Gerichtliche Zuständigkeiten - Eltern: Eingriffsrechte des Familiengerichts, 1666 BGB - Vormund: Aufsicht des Familiengerichts, 1837 BGB - Betreuer: Aufsicht des Betreuungsgericht, 1837, 1908i BGB Beschränkungen der Vertretungsmacht - Schenkungsverbot, 1641, 1804 BGB - Bedürfnis einer gerichtlichen Genehmigung, 1643, 1821 f. BGB (im Beispiel 1 ist Kaufvertrag gem I, 1643 BGB schwebend unwirksam.) Folie 259
5 Organschaftliche Vertreter Juristische Personen (AG, GmbH, ev) und rechtsfähige Personengesellschaften (GbR, 705 ff. BGB; OHG, 105 ff. HGB) werden durch Organe mit gesetzlicher Vertretungsmacht vertreten. Es gilt zu unterscheiden - bei juristischen Personen das Prinzip der Fremdorganschaft (Organ kraft Bestellung, 27 I BGB, 84 AktG) - bei Personengesellschaften das Prinzip der Selbstorganschaft (Organ kraft Mitgliedschaft, 714 BGB, 125 HGB) Die Vertretungsmacht der Organe ist grundsätzlich umfassend und Dritten gegenüber unbeschränkbar (Verkehrsschutz), zb 126 HGB, 35, 37 GmbHG, 82 AktG, abweichend freilich 26 I 3 BGB. Folie 260
6 Gesamtvertretung Beispiele - Eltern, 1629 I 2 BGB - Sämtliche Vorstandsmitglieder einer AG, 78 II AktG - Mehrheit der Vorstandsmitglieder eines Vereins, 26 II BGB Wirkung - Aktive Stellvertretung nur durch mehrere Gesamtvertreter - Passive Stellvertretung genügt Abgabe gegenüber einem Gesamtvertreter, 1629 I 2 Halbs. 2 BGB, 26 II 2 BGB Wichtig: Handeln nur eines mehrer Gesamtvertreter ist auszulegen: - Handeln als einer mehrer Gesamtvertreter, dann keine nach 164 I BGB dem Vertretenen gegenüber zurechenbare Willenserklärung, auch kein Handeln ohne Vertretungsmacht, also auch keine Genehmigung, 177 BGB, möglich - Handeln als Alleinvertreter, dann ist nach Vertretungsmacht zu fragen: ohne Vertretungsmacht, weil nur Gesamtvertreter, 177 ff. BGB anwendbar, mit Vertretungsmacht, wenn ermächtigt von anderem Gesamtvertreter. Folie 261
7 Lösung zum Beispiel 2 a) Es liegt keine Vertreterklärung vor, weil nur einer von zwei Gesamtvertretern bislang Erklärung (als Gesamtvertreter) abgegeben hat: Kein Anspruch des M gegen Vater aus 179 BGB Vertrag kann noch durch Erklärung/Unterschrift der Mutter zustande kommen, wenn Annahmefrist ( 147 BGB) noch gewahrt werden kann. b) Vater hat als Einzelvertreter Kündigung erklärt. Zurechnung hängt von Vertretungsmacht ab: Hatte Mutter den Vater ermächtigt, ist Kündigungserklärung wirksam. Ohne Ermächtigung der Mutter, ist Kündigung schwebend unwirksam, 177 BGB, Mutter kann genehmigen. Folie 262
8 Arbeitsanregungen Vertiefen der Grundlagen der Vertretungsmacht inkl. Gesamtvertretung: Bork, 34 A.-C. (Rn ) Folie 263
9 Beispiele S fragt, welchen Umfang in den folgenden Gestaltungen seine Vollmacht hat, V zu vertreten. - V erklärt dem S, S solle V vertreten können, um ihm eine (bestimmte) Wohnung bis zu einem Preis von X zu kaufen, bei ihm im Laden an der Kasse zu verkaufen, ihn während eines einjährigen Auslandsaufenthalts umfassend zu ersetzen. - Kaufmann V erteilt dem S Prokura. Warum sollte S von der jeweiligen Vollmacht, für V zu handeln, Gebrauch machen? Folie 264
10 Prokura im HGB 49 HGB (1) Die Prokura ermächtigt zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt. (2) Zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken ist der Prokurist nur ermächtigt, wenn ihm diese Befugnis besonders erteilt ist. 50 HGB (1) Eine Beschränkung des Umfangs der Prokura ist Dritten gegenüber unwirksam. (2) Dies gilt insbesondere von der Beschränkung, daß die Prokura nur für gewisse Geschäfte oder gewisse Arten von Geschäften oder nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten ausgeübt werden soll. (3)... Folie 265
11 Innenvollmacht Begründung der Vollmacht - Willenserklärung (einseitiges Rechtsgeschäft) Wirksamwerden durch Zugang Umfang der Vollmacht ist grds. Auslegungsfrage - Wirksamkeit - Verhältnis zum Grundverhältnis Erlöschen der Vollmacht Folie 266
12 Umfang der Vollmacht Umfang der Vollmacht ist grundsätzlich Inhalt der Bevollmächtigung, also der Willenserklärung, wird vom Vertretenen festgelegt, ist durch Auslegung zu ermitteln: - Individual-/Spezialvollmacht - Gattungs-/Bereichsvollmacht - Generalvollmacht Ausnahmsweise legt das Gesetz den Umfang typisierter Vollmachten fest; z. B. Prokura, 49 HGB Folie 267
13 Beispiele Wohnung: - Spezialvollmacht - Entgelt aus einem Geschäftsbesorgungsvertrag ( 675 BGB) Laden: - Gattungsvollmacht - Entgelt aus Arbeitsvertrag Auslandsaufenthalt: - Generalvollmacht - Entgelt aus Dienstvertrag Prokura: - Vollmacht mit gesetzlich beschränktem Umfang - Entgelt aus Arbeitsvertrag Folie 268
14 Vollmacht und Grundverhältnis I Berührt die Wirksamkeit des Vertrags im Grundverhältnis die Entstehung der Vollmacht? - Grundsätzlich nein, kein Merkmal des 167 I BGB, sog. Abstraktionsprinzip II Berührt eine Pflichtbindung (Verträge nur bis x EUR) aus dem Grundverhältnis den Umfang der Vollmacht? - Bei Prokura sind solche Beschränkungen nach Gesetz unbeachtlich, 50 I u. II HGB - Sonst kommt es grundsätzlich darauf an, ob Beschränkung auch Inhalt der Vollmacht ist (Auslegung), Spezialvollmacht: meist ja Gattungs- und Generalvollmacht: grds. nein Folie 269
15 Innenvollmacht Begründung der Vollmacht - Willenserklärung (einseitiges Rechtsgeschäft) Wirksamwerden durch Zugang Umfang der Vollmacht ist grds. Auslegungsfrage - Wirksamkeit, insbesondere: Form Willensmängel - Verhältnis zum Grundverhältnis Erlöschen der Vollmacht Folie 270
16 Beispiele Form 1. V hat S schriftlich Generalvollmacht erteilt. S soll in Abwesenheit von V auch dessen großes Vermögen aktiv verwalten. Daher schichtet er nicht nur verschiedene Aktieninvestments um, sondern verkauft auch ein Grundstück zu einem guten Preis an D1 und erwirbt dafür günstig ein anderes von D2, wirksam? 2. V erteilt dem S eine unwiderrufliche Vollmacht, mit der S im Namen des V sein Hausgrundstück an D veräußern darf. S schließt den Kauf ab, wirksam? Was ist, wenn nach Abschluss des Kaufes V dem S begeistert zum Vertragsschluss gratuliert, tolle Bedingung, hätte V selbst nicht besser machen können? Folie 271
17 Form der Bevollmächtigung 167 II BGB grds. formlos gültig Ausnahme - Gesetzliche Bestimmung, Bsp.: 2 II, 47 III GmbHG - Sonderfälle Bei Rechtsgeschäften, die nach 311b I BGB beurkundungsbedürftig sind notarielle Beurkundung der Vollmacht, wenn unwiderruflich oder wenn tatsächliche Bindung des Vollmachtgebers (BGHZ 132, 119, 124). Bei formbedürftiger Bürgschaft bedarf die Vollmacht des Bürgen der Form des 766 BGB (BGHZ 132, 119, 125), dazu Bitter/Röder Fall 58. Folie 272
18 Form: Lösungshinweis Beispiel 1 Wirksamkeit des Kaufvertrags V D1/2? Einigung zwischen D und V, vertreten durch S, 164 I BGB - Eigene Willenserklärung des S (Entscheidungsspielraum, Form des 311b I BGB muss Vertreter einhalten) - Im Namen des V - Vertretungsmacht durch Bevollmächtigung? Generalvollmacht erklärt Wirksam auch für Grundstückgeschäft wg. 167 II BGB keine Einschränkung ersichtlich - Einigung ist über 164 I BGB zustande gekommen. Unwirksamkeitsgründe sind nicht ersichtlich; insbesondere ist von notarielle Beurkundung auszugehen, nicht 125 S. 1, 311b I BGB. Vertrag ist wirksam! Folie 273
19 Form: Lösungshinweis Beispiel 2 Wirksamkeit des Kaufvertrags V D? Einigung zwischen D und V, vertreten durch S, 164 I BGB - Eigene Willenserklärung des S (Form, 311b I BGB) - Im Namen des V - Vertretungsmacht durch Bevollmächtigung? Unwiderrufliche Spezialvollmacht erklärt, formunwirksam, 125 S. 1 BGB? Zwar grds. nicht nach 167 II BGB formbedürftig, aber extensive Auslegung des 311b I BGB auf Vollmacht, wenn Bevollmächtigung dem Grundstückgeschäft gleich steht. Daher Vollmacht nach 125 S. 1, 311b I BGB nichtig. - Genehmigung durch V, 177 I, 182 II, 184 BGB - Einigung ist über 164 I, 177 I, 184 BGB zustande gekommen. Unwirksamkeitsgründe sind nicht ersichtlich. Vertrag ist wirksam! Folie 274
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