MOSEL. STRAUSSWIRTSCHAFT AT IT S VERY BEST In Trarbach versteckt sich das Weingut Caspari DEUTSCHLANDS ÄLTESTER DOM Trierer Superlativ: St.

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1 Mit EXTRA Reiseatlas Faltkarte (of ine & Reiseatlas verfügbar) MOSEL STRAUSSWIRTSCHAFT AT IT S VERY BEST In Trarbach versteckt sich das Weingut Caspari DEUTSCHLANDS ÄLTESTER DOM Trierer Superlativ: St. Peter

2 STICHWORTE B RÄUCHE Im Moselland haben sich teils sehr seltsame Bräuche erhalten. Etwa das Ostereierkibben in Winningen: Am Ostersonntag fallen 6000 gekochte und gefärbte Eier einem Geschicklichkeitsduell jeweils zweier Kontrahenten zum Opfer die Eier werden gegeneinandergeschlagen, und wem es gelingt, das gegnerische Ei an Schbetz und Oarsch einzudellen, ist der Sieger. Am Faschingsdienstag ziehen jecke Kelten durch den Trierer Ortsteil Biewer. Sie hüpfen im Hahnenkostüm und mit schrillem Geschrei im Polkarhythmus und in Schlangenlinien durch die Straßen: Für den Schärensprung soll ein althergebrachter Fruchtbarkeitstanz Pate gestanden haben. In Bruttig werden die Glocken das ganze Jahr über gedengelt das heißt, sie werden von gestandenen Kerlen in melodischen Rhythmen von Hand geläutet. Ein ohrenbetäubender Lärm für die einen, himmlische Klänge für die anderen. F ELSEN Menschen, die ans Flachland gewöhnt sind, geraten oft angesichts der fast alpinen Gefälle und Steigungen von Wegen und gewundenen Straßen ins Schwitzen. Ohne das Grün der Reben oder aufgegebenen Weinbergsparzellen voller Wildwuchs wäre das Moseltal ein schroffes und überhaupt nicht liebliches Felsenland. Die steilen Wände des Canyons gehören offiziell zum Rheinischen Schiefergebirge, doch auch Buntsand- Bild: Beilstein bei Cochem

3 Wasser, Winzer und Weinberge prägen das Moselland ein Überblick über die vielfältigen Facetten der Region stein und Kalk liegen den Menschen hier en masse zu Füßen. Vor 400 Millionen Jahren, im Devon, schwappte hier ein warmer Ozean, dessen gelblich-weiße Korallenriffe heute an der Obermosel in der Sonne aufblitzen, der sandige Meeresboden verdichtete sich weiter nordöstlich zu rötlichem Stein, andere Sedimente wurden zu dunklem Schiefer verbacken und bergen bis heute unzählige Fossilien. Der felsige Untergrund ist ein Segen für Winzer, Kletterer, Schmetterlingssucher oder Romantiker, die mittelalterliche Dörfer mit besonderer Skyline lieben. Ein Fluch ist er vor allem im Frühjahr für Autofahrer und Straßenmeistereien: Denn Vorsicht Steinschlag! ist hier keine leere Drohung, sondern ernst zu nehmende Mahnung. H AGEL Der auch im engen Moseltal spürbare Klimawandel hat zu vermehrten Extremwetterlagen geführt. An sehr heißen Sommertagen bilden sich immer häufiger Gewitter, die im Talkessel hängen bleiben und auf teilweise eng begrenz

4 Hauswand mit Hochwassermarken: 1993 war der bisherige Höchststand ten Flächen immense Schäden etwa durch Hagel anrichten können. Im Jahr 2011 traf es Veldenz an der Mittelmosel besonders stark, kaum ein Haus kam mit intaktem Dach und heilen Fenstern davon. Auch die betroffenen Weinlagen können durch solche Wetterphänomene komplett zerstört werden während nur wenige Meter weiter alles heil bleibt. H OCHWASSER Beim Spaziergang durch die an der Mosel gelegenen Orte fallen mit Jahreszahlen versehene Markierungen an den Hausmauern auf. Der am höchsten gelegene Strich gehört zum Jahr 1993 und lenkt die Blicke auf das erste oder zweite Stockwerk. So hoch stieg damals zu Weihnachten das Wasser. Viele Anwohner ufernaher Bereiche haben sich längst an die regelmäßigen nassen Besuche gewöhnt und ihr Erdgeschoss gefliest sowie mit schnell ein- und ausbaubaren Möbeln versehen. Etliche Orte haben mobile Schutzwände bekommen, die bei Hochwasser ruckzuck aufgebaut werden. I NNENHÖFE Durch die Orte des engen Moseltals führen schmale Gassen, und die Häuser stehen dicht beieinander. Wer hier Auto fährt, sollte geübt sein, parken ist unmöglich. Dennoch sind die Dörfer und Städtchen keine Kopfsteinpflaster dschungel. Vor allem in den Sommermonaten lohnt ein Blick durch die Weinguttore in die Innenhöfe. Dort können Sie Blumenparadiese entdecken, die denen der Toskana in nichts nachstehen. Besonders in den schmalsten, steilsten und abgelegensten Winkeln eines Weinorts eröffnen sich häufig Blicke auf Gärten, die es sonst erst in deutlich südlicheren Gegenden gibt. M OSELFRÄNKISCH In Luxemburg oder vielmehr Lëtzebuerg ist das Moselfränkische eine der drei offiziellen Landessprachen. Und dabei ist der Dialekt gleich mehrfach tückisch für Touristen: Er wird außer in Luxemburg weder in Funk noch Fernsehen gesprochen, ist aus dem Grund außerhalb der Region nahezu unbekannt und klingt auch deshalb für Fremde wie ein Singsang von Aliens. Die Aussprache variiert zudem stark von Tal zu Tal in Eifel und Hunsrück, von Flussbiegung zu Flussbiegung entlang der Mosel. Selbst der Versuch gastfreundlicher Muttersprachler, aus dem Dialekt etwas halbwegs Hochdeutsches zu machen, misslingt bisweilen: Eisch han siwwe Kilo aafjeholt bedeutet zum Beispiel nicht,

5 STICHWORTE dass der Sprecher sieben Kilo irgendeiner Substanz irgendwo abgeholt hat, sondern dass er sieben Kilo schlanker geworden ist. Holen und nehmen werden meist andersherum als gewohnt gebraucht. R UINEN Nicht nur unzählige Burgruinen verpassen der Mosel ein romantisches Flair. Den Charme verfallender Architektur teilen auch viele alte Häuser und Winzerhöfe in den Ortskernen allerdings weniger romantisch für die Einheimischen. Nicht nur die relativ häufigen Hochwasser machen ihnen das Leben unten am Fluss zu unbequem. Auch die räumliche Enge lässt sie hinaus in die umgangssprachlich so genannten Känguruviertel der Dörfer ziehen: Große Sprünge, nichts im Beutel, heißt es salopp zu den Neubauten am Ortsrand. An vielen alten Gemäuern hängen Schilder te koop, also Zu verkaufen. Was wiederum auf eine schleichende Veränderung der Bevölkerung hinweist: Immer mehr Niederländer, Belgier oder auch Westfalen entdecken die historische Bausubstanz für sich und beleben sie neu. Sie sind nicht nur als Bauherren willkommen, sondern finden wegen der seit Jahren stabilen Vollbeschäftigung in der Region auch Jobs. S CHIFFFAHRT Römische Galeerensklaven ruderten riesige Weinfässer über die Mosel, um die Soldaten in der damaligen Hauptstadt Trier zu versorgen. Die Mosel wird bereits seit der Antike befahren. Heute ist sie eine Schifffahrtsstraße von internationaler Bedeutung, und das trotz ihres starken Gefälles von rund 670 m. Dafür sorgen 28 Staustufen mit Schleusen zwischen Koblenz und dem französischen Neuves-Maisons. Die zehn deutschen Staustufen bekommen nun Fischwechselanlagen, damit Aale, Zander & Co mehr Bewegungsfreiheit haben. Mehr Tourismus auf dem Fluss spielt an der Mosel eine große Rolle: Ausflugsschiffe am Kai in Koblenz 20 21

6 als Lastkähne mit Kohle und anderen Gütern durchpflügen pro Jahr den Fluss, hinzu kommen etwa 3000 Fahrgastschiffe. Da die Mosel mit vielen kleinen Anlegestegen zur Wasserwanderroute ausgebaut ist, sind auch unzählige Sportboote und Kanus unterwegs. S CHOPPEN Wer im Restaurant einen guten Wein zum Essen trinken und nicht gleich eine Flasche bestellen möchte, kann meist auf den Schoppen zurückgreifen, den Viertelliter. Mittlerweile bemühen sich die Gastronomen, eine möglichst große Auswahl sehr guter Weine offen auszuschenken. Jährlich wird der Wettbewerb Bester Schoppen ausgetragen. In Zeltingen bietet der Zeltinger Hof sogar gleich rund hundert Schoppen von der Mittelmosel an auch Raritäten. S TEILSTLAGEN Da besonders die Terrassenmosel ein waschechter Canyon ist, brauchen Sie bei manch einer Weinbergswanderung so viel Schwindelfreiheit und Trittsicherheit wie in den Alpen. Manche Winzer haben sich deshalb eine moderne Monorackbahn gekauft, um ihren Weinberg hinauf- und hinunterfahren zu können. Da die einschienigen Zahnradbahnen aber teuer sind, überwinden viele immer noch wie die Bergziegen die bis zu 68 Grad steile Hangneigung und arbeiten dabei auch noch. Hangrutsche, die vor den Bundesstraßen am Ufer nicht haltmachen, sind in der steilen Lage keine Seltenheit. Gefährlich wird es, wenn der Frost das Schiefergestein aufgesprengt hat. Dann sind die Bundesstraßen häufig gesperrt. Und trotz alledem werden jahrelang brachliegende Weinberge wie der Bremmer Calmont oder die Enkircher Ellergrub zunehmend rekultiviert. Das liegt an der Sonneneinstrahlung: Auf steile Hänge scheint die Sonne im Sommer senkrecht, dadurch ist es hier so warm wie viele Hundert Kilometer weiter südlich. Der Schieferboden speichert die Wärme hervorragend. S TRAUSSWIRTSCHAFT Die Winzer an der Mosel dürfen für einige Monate im Jahr ihren Wein direkt an Gäste ausschenken und ihnen Kleinigkeiten zum Essen anbieten. Dafür brauchen sie seit den Zeiten Karls des Großen keine Konzession. Sie hängen einfach einen Blumenstrauß, einen Rebenkranz oder einen Besen ans Tor und alle wissen Bescheid. Wie viele dieser informellen Gastwirtschaften es an Mosel, Saar und Ruwer gibt, weiß wohl niemand. Einige Dutzend haben sich zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen. Diese Winzer bieten einen Straußwirtschaftspass an. Ihn können Sie sich in den Straußwirtschaften der Arbeitsgemeinschaft stempeln lassen. Wenn Sie in acht verschiedenen Strauß