Predigt im Gottesdienst am Sonntag 30. März 2014 in der reformierten Kirche Birmensdorf Die Verklärung Jesu

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1 Predigt im Gottesdienst am Sonntag 30. März 2014 in der reformierten Kirche Birmensdorf Die Verklärung Jesu Evangelium Mk 9,2-8 2 Und sechs Tage danach nimmt Jesus den Petrus, den Jakobus und den Johannes mit und führt sie auf einen hohen Berg, sie allein. Da wurde er vor ihren Augen verwandelt, 3 und seine Kleider wurden glänzend, ganz weiss, wie kein Färber auf Erden sie weiss machen kann. 4 Und es erschien ihnen Elija mit Mose, und sie redeten mit Jesus. 5 Da ergreift Petrus das Wort und sagt zu Jesus: Rabbi, es ist schön, dass wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija. 6 Er wusste nämlich nicht, was er sagen sollte, denn sie waren in Furcht geraten. 7 Da kam eine Wolke und warf ihren Schatten auf sie, und aus der Wolke kam eine Stimme: Dies ist mein geliebter Sohn. Auf ihn sollt ihr hören! 8 Und auf einmal, als sie um sich blickten, sahen sie niemanden mehr bei sich ausser Jesus. Predigt Liebe Mitfeiernde ich weiss nicht, wie es ihnen gegangen ist, aber ich habe vorhin bei der Taufe so manches Gesicht leuchten, strahlen gesehen fast wie die Sonne. Ja, in manchen Gesichtern leuchtete bei der Taufe von Lorina plötzlich Freude auf, Glück. Haben sie das bemerkt? Es gibt wohl nichts Schöneres als Gesichter, die strahlen, die vor Glück leuchten wie die Sonne. Das Strahlen bei einer Taufe, das Leuchten der Gesichter eines Brautpaars bei der Hochzeit, die leuchtenden Kinderaugen beim Anblick des Geburtstagskuchens mit den brennenden Kerzen. Es ist kostbar, Menschen strahlen zu sehen oder selber zu strahlen, 1

2 wenn der Himmel uns Glück schenkt. Wie arm und wie trostlos wäre eine Welt ohne Gesichter, die strahlen. Wenn ein Gesicht zu leuchten beginnt, so ist das, als ob ein Strahl der Ewigkeit in unsere Zeit hineinbricht. Eine solche Erfahrung haben Petrus, Jakobus und Johannes auch gemacht, als sie mit Jesus auf den hohen Berg gingen. Diese besondere Erfahrung war so ganz anders als der normale Alltag mit Jesus. In diesem Alltag erlebten die Jünger, wie unzählige Kranke zu Jesus gebracht werden und wie er manchmal in die Einsamkeit flieht, weil er total erschöpft ist. Sie erleben die Auseinandersetzung mit seinen Feinden, die immer gefährlicher wird. Petrus, Jakobus und Johannes wahrscheinlich haben diese drei Jünger sich manches Mal gefragt, ob ihre Entscheidung, Jesus nachzufolgen, wohl richtig war. Klar, sie haben Jesus gesehen, gehört und erlebt. Seine Güte, Barmherzigkeit und Nächstenliebe. Aber sie haben vor allem auch die Schwierigkeiten seines Alltags geteilt: die Verzweiflung, die Anfeindungen, die Angst, die Erschöpfung. Ist dieser Jesus wirklich der Messias? Dann aber, als die drei mit Jesus allein auf dem Berg sind, geschieht plötzlich etwas ganz Unerwartetes: Das Gesicht Jesu beginnt zu leuchten, wie die Sonne und seine Kleider werden weiss wie Schnee. Im wahrsten Sinne des Wortes leuchtet den drei Jüngern in diesem Moment ein, wer Jesus ist: der Messias, Gottes Sohn. Für diesen einen Moment müssen sie es nicht glauben, sondern sie sehen es. Und dann erscheinen da noch Mose und Elija, zwei wichtige Propheten aus der hebräischen Bibel, und eine Stimme ertönt aus dem Himmel: Das ist mein geliebter Sohn. Kein Wunder, will Petrus gleich Hütten bauen an dieser Stelle, wo man endlich sieht und hört, wie herrlich doch alles ist. Am liebsten würde er diesen Moment festhalten. Aber sogleich ist 2

3 die Erscheinung schon wieder verschwunden. Das Geheimnis ist durchgebrochen, ganz kurz. Aber es lässt sich nicht festhalten. Liebe Mitfeiernde wie gerne würden auch wir die Momente festhalten, in denen die Gesichter leuchten, in denen ein Strahl der Ewigkeit in diese Welt durchbricht. Wie sehr zweifeln wir auch wie die drei Jünger daran, dass dieses irdische Dasein etwas Ewiges, unbegreiflich Schönes in sich birgt, das wir jetzt noch nicht fassen können. Hie und da blitzt, leuchtet es auf und verschwindet wieder. Und wie sehr machen uns Menschen wieder Sorgen, Ängste, Zweifel, Kampf und Erschöpfung das Leben schwer. Ich hoffe, sie begreifen, dass in dieser biblischen Geschichte von der Verklärung Jesu in symbolischer Weise ganz grundlegende Lebenserfahrungen verdichtet sind verbunden mit der Botschaft, dass Christus, tatsächlich der Messias ist oder mit anderen Worten: dass das Leben tatsächlich Ewigkeit in sich birgt. Denn Christus sagt doch von sich: Ich bin das Leben. Zu glauben, dass Christus der Messias ist, heisst glauben, dass unser Leben Ewigkeit in sich birgt. Der Berg zunächst ist da der Berg. Wenn in der Bibel erzählt wird, dass Menschen auf einen Berg steigen, dann heisst das: sie steigen auf oder in die Verborgenheit, in die Geheimnisse des Lebens. Darum steigt Mose auf einen Berg, um die Worte Gottes zu erhalten. Darum hält auch Jesus auf einem Berg eine lange Predigt. Das ist nicht zufällig so. Berge bergen, verbergen etwas, wie die Sprache schon sagt. Die drei Jünger verlassen also mit Jesus den Alltag, das Normale und begeben sich in die Verborgenheit des Lebens. Und dort geschieht es, dort bricht das Geheimnis des Lebens durch: das Gesicht Jesu beginnt zu leuchten und seine Kleider werden weiss. Weiss ist die Farbe, die entsteht, wenn alle Farben des Spektrums zusammenfallen. Die Kleider Jesu sind nicht grün 3

4 oder blau oder gelb sie sind weiss. Alle Farben zusammen. Alles in sich vereint. Alle Aspekte, alle Momente des Lebens sind jetzt gesammelt und leuchten. Darum ist Weiss die Farbe der Ewigkeit. In der weissen Farbe ist alles vereint. Genauso sieht man die Ewigkeit als etwas, worin alles, das ganze Leben aus allen Zeiten, vereint ist. Alle Menschen, alles was Menschen geliebt haben ist da und noch viel mehr. Das weisse Kleid Jesu ist also ein Vorausblick auf Ostern, auf das grosse Versprechen: im Grunde genommen gibt es keinen Tod sondern nur Leben. Gott ist das Leben in Fülle. Es ist auch kein Zufall, dass Mose und Elija auf dem Berg erscheinen. Der Name Mose bedeutet aus dem Hebräischen übersetzt: Der-Aus-Dem-Wasser-Gezogene. Wasser ist ein Symbol für Zeit. Mose, der das Volk Israel aus der Sklaverei in Ägypten herausführt, symbolisch gedeutet aus dem Leiden in der Zeit heraus- und in das gelobte Land, die Ewigkeit führt, ist da. Und auch Elija, der Prophet der mit dem Wagen mit den feurigen Pferden in den Himmel fährt, der niemals stirbt, der Bote der Ewigkeit, ist ebenfalls anwesend. Beide Propheten, Mose und Elija, können als Begegnungen in unserem Leben gedeutet werden, durch die wir Befreiung und eine Ahnung von Ewigkeit erleben. Sie halten die Hoffnung auf Auferstehung und Ewigkeit in uns am Leben. Auferstehen heisst: ewig da sein in einer Welt, in der all das Leben hier mit dabei ist. Dieses Geheimnis vom ewigen Leben bricht für die Jünger Petrus, Jakobus und Johannes einen Moment lang durch. Es wird für sie sichtbar in diesem Leuchten auf Jesu Gesicht, in dem weissen Kleid, in Mose und Elija. Sie sehen, was sie sonst nur glauben können: Jesus ist der Christus, der Messias, der Sohn Gottes. Das Leben ist nicht nur zeitlich, sondern ewig. Liebe Mitfeiernde, wir alle können nicht mit Jesus auf den Berg gehen. Wir sehen keine Gewänder, die plötzlich weiss werden und hören keine 4

5 Stimme vom Himmel. Zum Glück hören wir keine Stimmen! Wir würden denken, wir wären verrückt. Diese biblische Geschichte ist aber auch nicht wörtlich zu verstehen. Ich hoffe, sie begreifen das. Es geht hier nicht um übernatürliche Ereignisse. Vielmehr handelt es sich um sprachliche Verdichtungen von Lebenserfahrungen im Horizont von tiefen religiösen Einsichten und Überzeugungen, die eine Botschaft mitteilen. Solche Erfahrungen können nun aber auch wir machen. Es gibt doch Momente im Leben, in denen wir Befreiung erleben und etwas von Ewigkeit spüren. Wenn sie einen lieben Menschen in die Arme schliessen. Wenn ein Kind geboren oder getauft wird. Wenn ein kranker Mensch gesund wird. Wenn sich jemand an einem Lied erfreut. Wenn jemand im Sternenhimmel Gott erahnt. Dann, wenn das Gesicht eines Menschen zu leuchten beginnt. Momente in denen die Zeit durchlässig wird und die Ewigkeit aufleuchtet. Momente die versprechen: nichts geht verloren. Gott sammelt alles ein. Gott behütet alles. Am Grunde von allem wartet noch ein grosses Glück auf uns. Ich wünsche ihnen allen, dass sie in dieser Fastenzeit vor Ostern ihren Blick und ihre Wahrnehmung üben können, um diese Momente zu erkennen und deren Botschaft zu verstehen. Momente, in denen Ewigkeit aufleuchtet. Momente, die Ewigkeit versprechen. Amen. Aesch, 26. März 2014 Marc Stillhard 5