Minister für Bau, Landesentwicklung und Verkehr Christian Carius. Grußwort. Eröffnungsveranstaltung Akademie Ländlicher Raum Thüringen

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1 Minister für Bau, Landesentwicklung und Verkehr Christian Carius Grußwort Eröffnungsveranstaltung Akademie Ländlicher Raum Thüringen Demografischer Wandel das Schicksal der Thüringer Städte und Gemeinden? 22. September 2011, Uhr, Lindeneck in der Gemeinde Eckstedt Es gilt das gesprochene Wort Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich freue mich, dass die Akademie ländlicher Raum hier in Eckstedt ihren Startschuss nimmt, weil der ländliche Raum gerade hier in Eckstedt Zukunft hat. Ich will es an dieser Stelle auch sagen, wir haben hier ein besonders vorzeigewürdiges Dorf, weil Eckstedt uns im Wettbewerb der Dorferneuerung vor drei Jahren präsentiert hat. Sicher wird sich der eine oder andere die Frage stellen, warum kommt denn heute der Bauminister zum Thema ländlicher Raum. Und ich glaube, die Antwort ist relativ einfach. Es ist notwendig, dass wir ressortübergreifend uns der Themen im ländlichen Raum annehmen, weil es nach den gängigen Definitionen beim ländlichen Raum um 95 Prozent des Freistaates geht.

2 2 Der ländliche Raum hat Zukunft. Und wir müssen uns deswegen darauf konzentrieren, wie wir die Dinge im Land insgesamt so regeln können, dass alle möglichst viel von den guten Entwicklungen partizipieren. Meine sehr verehrten Damen und Herren, was ist denn die entscheidende Frage des ländlichen Raums. Die große Herausforderung, vor der wir im ländlichen Raum stehen, ist, dass wir in den Dörfern schon längst nicht mehr das haben, was wir vor hundert oder fünfzig Jahren vorgefunden haben, nämlich die Einheit von Wohnen und Arbeiten an einem Ort. Weil es im Grunde überhaupt nicht mehr notwendig ist, dass wir ein ganzes Dorf brauchen, um die Flächen in der Umgebung zu bewirtschaften. Früher haben wir dafür Heerscharen gebraucht. Und das ist heute sozusagen die entscheidende Herausforderung. Die Frage lautet: Welche Funktion hat eigentlich der ländliche Raum? Und ich glaube, wenn man sagt, der ländliche Raum hat Zukunft, dann kann das eben nicht mehr heißen, wir machen jetzt einfach weiter wie bisher. Wir müssen uns stattdessen mit der Frage auseinandersetzen: Welche Funktionen sollen denn in Zukunft in welchen Dörfern erfüllt werden? Und jetzt komme ich zurück zu der Frage, warum der Bauminister nun eigentlich daher kommt. Das hat einfach damit zu tun, dass ich in der Landesregierung die Zuständigkeit für den Demographischen Wandel habe. Und ich glaube die entscheidende Herausforderung für den ländlichen Raum wird natürlich zum einen der demographische Wandel sein. Und zum anderen stellt sich die Frage, wie kommen wir mit dem energetischen Wandel zurecht.

3 3 Nun ist mir um den energetischen Wandel nicht allzu bange, denn wenn wir uns da umschauen, wispern es die Landwirte längst schon, dass wir im ländlichen Raum da bereits einen großen Umsteuerungsprozess haben. Ich hatte auch gestern ein Gespräch mit den Kirchen. Wir wissen alle, die Kirche gehört zum Dorf und wir sollten sie im Dorf lassen. Auch dort müssen wir uns natürlich Gedanken machen. Beispielsweise die Kirchenbauförderungsinitiative, die in meinem Ministerium angesiedelt ist. Wo wir mit Städtebaufördermitteln etwas dafür tun, dass Kirchen nicht nur als Orte von geistigen Gemeinden sondern auch als Orte der ganzen Gemeinde genutzt werden und wieder restauriert werden. Hier gibt es viele Menschen, die sich engagieren für einen historischen Ort in ihrer Gemeinde. Weil sie wissen, dass dieser ein wichtiger Ankerpunkt ist für eine Gemeinde. Wenn wir Kirchendächer sanieren, denken wir auch darüber nach, wie wir das energetisch besser nutzen können. Nicht nur auf den landwirtschaftlichen Betrieben gibt es große Dachflächen, sondern auch bei den Kirchen. Meistens sind es ziemlich große Flächen, die in Richtung Süden geneigt sind, wenn die Kirche ordentlich gebaut wurde. Also insofern glaube ich, beim energetischen Wandel müssen wir uns nicht so viele Sorgen machen. Der ist im vollen Gange. Eine der größeren Herausforderungen für uns besteht im demografischen Wandel. Und diese Aufgabe ist nicht einfach mit

4 4 viel Geld zu lösen. Ich weiß, dass dieser Wunsch sehr schnell kommt. Aber wir müssen uns darauf einstellen, dass wir künftig weniger Geld für das Land haben. Wir werden von der EU in den nächsten Jahren weniger bekommen und wir werden auch vom Bund in den nächsten Jahren weniger bekommen. Selbsthilfe ist dann die beste Hilfe. Wir wollen natürlich gerne - und so verstehe ich die Akademie ländlicher Raum und auch mein Angebot der Serviceagentur Demografischer Wandel - Hilfe zur Selbsthilfe geben. Wir können eben nicht nur mit mehr finanziellen Mitteln etwas bewegen. Wir müssen vielmehr auch vielfältige Ideen vermitteln. Ideen wie wir reagieren können auf die Entwicklungen. Und ich will die Entwicklungen nur ganz kurz beschreiben. Das meiste ist Ihnen bereits bekannt. Der demografische Wandel hat ja in den letzten zwanzig Jahren schon zugeschlagen. Da haben wir viel zurückgebaut in den Städten. Viele Plattenbauten wurden niedergelegt und herausgenommen. Wenn wir uns die Entwicklung der letzten Jahre genauer ansehen, werden wir feststellen, dass wir vielfach aus dem klassischen ländlichen Raum einen Wegzug von jungen Leuten haben. Und auch ältere Leute ziehen in die nächste Stadt, in die nächste größere Gemeinde, weil sie dort einfach bestimmte Daseinsvorsorgefunktionen vorfinden. Da ist ein Supermarkt in der Nähe, den ich zu Fuß erreichen kann. Da ist eben der Arzt in der

5 5 Nähe, den ich zu Fuß erreichen kann. Und der Pflegedienst kommt auch sehr schnell um die Ecke. Wir haben auch andere Fragen. Die Internetfrage ist eine. Aber wir haben auch ganz viele andere Infrastruktur, die man eben dort findet. Und ich glaube die Herausforderung besteht für uns darin, eine Antwort darauf zu geben - jeder für sich in seiner Kommune -, wie wir hierauf reagieren können. Und ich glaube, die Antworten müssen sehr vielfältig sein, da es keine Patentrezepte gibt. Das Beispiel Eckstedt ist aus meiner Sicht außerordentlich positiv, weil wir vor einigen Jahren noch eine Kommune hatten, die erstens überschuldet war. Die zweitens ein Vereinsleben hatte, was zum Erliegen gekommen war. Und drittens berechtigterweise über die Abwanderung wie jede andere Kommune Thüringens hätte Klage führen können. Mittlerweile ist es so, dass die Gemeinde zunächst einmal etwas dafür getan hat, dass ihre Finanzen in Ordnung kommen, also die Wohnungsgesellschaft privatisiert wurde. Auch das Vereinsleben wurde wieder aktiviert - übrigens sehr stark. Heute kann man feststellen, dass diese Gemeinde erstens wieder richtig lebt und zweitens, dass sie viel Spaß macht. Heute verzeichnet der Ort tatsächlich Zuzug. Eckstedt ist ein positives Beispiel. Und wenn man sich eben im ländlichen Raum Thüringens umschaut, wird man schnell feststellen, dass wir viele solcher Beispiele im ganzen Land haben.

6 6 Wir haben dabei Verknüpfungspunkte, die wir einfach nutzen müssen. Wir müssen uns bei der Förderung auch auf Netzwerke spezialisieren. Es kann im Grunde nicht mehr weiter angehen, dass wir nur über die Investitionen in die Netzinfrastruktur reden. Da müssen wir uns zum einen natürlich gelegentlich von dem Gedanken lösen, dass alles zentral gemacht werden muss. Unter anderem müssen wir auch schauen, wie es gelingen kann, vor Ort Netzwerke von Menschen zu bilden. Seit 20 Jahren haben wir nun den demografischen Wandel. Er wird unsere Gesellschaft komplett verändern. Wir verlieren nochmals Einwohner. Und die Gesellschaftsstruktur wird sich ändern. Die Jüngeren werden weniger und die Zahl der Älteren wird zunehmen. Das wird die gesamte Nachfrage nach öffentlicher Infrastruktur komplett verändern. Es wird die gesamte Nachfrage nach öffentlichen Dienstleistungen verändern. Und es wird natürlich auch die Nachfrage nach privaten Dienstleistungen komplett verändern. Ich glaube, darauf müssen wir uns einstellen. Es ist halt so und wir sollten das Beste daraus machen. Es bietet den Unternehmen viele Chancen etwas zu tun. Die gesamte Bauwirtschaft steht beispielsweise vor einer neuen Herausforderung. Es geht darum, altersgerecht bauen, d. h. für junge Familien als auch für Ältere. Wir sind gut beraten, mit der Serviceagentur, die faktisch den demografischen Wandel aufbereitet, Informationen über Lösungsansätze bereitzuhalten und Projekte mit unserem Rat zu begleiten. Aber wir brauchen auch die gesamten Erkenntnisse aus dem Bereich des ländlichen Raums. Welche Entwicklungen können

7 7 sich hier ergeben und welche Instrumente können wir hier für die Zukunft anpassen? Mit der Akademie ländlicher Raum und mit der Serviceagentur sind wir gemeinsam auf einem guten Wege den ländlichen Raum fit zu machen. Wir stehen vor großen Herausforderungen im ländlichem Raum und in ganz Thüringen. Ich freue mich, dass wir sie gemeinsam angehen. Nutzen Sie die Angebote, die ihnen die Akademie ländlicher Raum und die Serviceagentur Demografischer Wandel anbieten. Von beiden Einrichtungen werden wichtige Impulse für die Entwicklung des ländlichen Raums ausgehen. Vielen Dank!