Nutzungsplanung und Baubewilligung in lärmbelasteten Gebieten
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- Benedict Amsel
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1 Vollzug Umwelt MITTEILUNG ZUR LÄRMSCHUTZ-VERORDNUNG (LSV) Nr. 4 (1991); Ausgabe 1992 Nutzungsplanung und Baubewilligung in lärmbelasteten Gebieten Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL)
2 Bezugsquelle Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft Abteilung Lärmbekämpfung 3003 Bern Fax +41 (0) Internet: Bestellnummer MLSV-4-D BUWAL 1991; Ausgabe 1992
3 1 Nutzungsplanung und Baubewilligung in lärmbelasteten Gebieten Das Umweltschutzgesetz (USG) vom 7. Oktober 1983 enthält in den Artikeln 22 und 24 Vorschriften, die sich direkt auf die Instrumente des Bau- und Planungsrechts beziehen. Im Sinne eines vorbeugenden Lärmschutzes wird in Artikel 24 USG die Nutzungsplanung angesprochen, indem Anforderungen an das Ausscheiden neuer und die Erschliessung bestehender Bauzonen aufgestellt werden. Sind baureife Gebiete bereits lärmbelastet, wird direkt auf das Baubewilligungsverfahren verwiesen, indem lärmschützerische Anforderungen an die Errichtung von Gebäuden aufgestellt werden (Art. 22 USG). Die Artikel 30 und 31 der Lärmschutz-Verordnung (LSV) vom 15. Dezember 1986 konkretisieren diese Anforderungen. Zu deren Klärung dienen die nachfolgenden Erläuterungen. A. NUTZUNGSPLANUNG 1. Neue Bauzonen Neue Bauzonen für lärmempfindliche Gebäude dürfen nur in Gebieten geschaffen werden, in denen die Lärmimmissionen die Planungswerte nicht überschreiten oder in denen diese Werte durch planerische, gestalterische oder bauliche Massnahmen eingehalten werden können (Art. 24 Abs. 1 USG). Die nach dem 1. April 1987 ausgeschiedenen Bauzonen gelten als neu (Art. 29 Abs. 2 LSV). Als bestehende Bauzonen können nach dem Bundesgesetz über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG) nur Zonen gelten, die in einem Zonenplan enthalten sind, der den Anforderungen des RPG zu genügen vermag (Kommentar USG, N 6 ff. zu Art. 24; BGE vom 30. Mai 1990 Malans, S. 10). 2. Bestehende, noch nicht erschlossene Bauzonen a. Auch für bestehende, aber noch nicht erschlossene Bauzonen gelten die Planungswerte. Sind diese überschritten, so ist durch planerische, gestalterische oder bauliche Massnahmen dafür zu sorgen, dass im überwiegenden Teil der Bauzone die Planungswerte eingehalten werden können (Art. 24 Abs. 2 USG). Gelingt dies nicht, so muss das Gebiet einer weniger lärmempfindlichen Nutzung zugeführt werden. Seit dem 1. April 1987 dürfen deshalb bestehende, noch nicht erschlossene Bauzonen grundsätzlich nur noch so weit erschlossen werden, als die Planungswerte eingehalten sind (Art. 30 LSV). b. Nach den Vorstellungen des Parlaments sollte das Kriterium der Erschliessung dazu führen, dass für Aus- oder Umzonungen aus Lärmschutzgründen in der Regel keine Entschädigungen aus materieller Enteignung geleistet werden müssen. So führte der Berichterstatter des Ständerates aus: "Wir haben uns überlegt, ob Artikel 21 (heute Art. 24 USG) zu Prozessen über materielle Enteignung führen kann. Absatz 2 bezieht sich indessen auf nicht erschlossene Bauzonen. Es fehlt demzufolge das entscheidende Kriterium für die Entschädigungspflicht aus materieller Enteignung. Diese wird ja normalerweise nur für baureife Parzellen angenommen" (Amtl. Bull. S ). In der Entschädigungspraxis werden den baureifen Grundstücken solche gleichgestellt, bei denen die Baureife ohne erheblichen Aufwand geschaffen werden kann.
4 2 c. Zur Auslegung von Artikel 24 Absatz 2 USG muss Artikel 19 RPG herangezogen werden. Nach dieser Bestimmung gilt eine Bauzone als erschlossen, wenn die für die betreffende Nutzung hinreichende Zufahrt besteht und die erforderlichen Wasser-, Energie- und Abwasserleitungen so nahe heranführen, dass ein Anschluss ohne erheblichen Aufwand möglich ist. Die vorhandene Versorgungsinfrastruktur muss genügend leistungsfähig und zur Erschliessung der betreffenden Grundstücke bestimmt sein. Muss noch ein Quartieroder Gestaltungsplan erarbeitet werden oder sind noch vom kantonalen bzw. kommunalen Recht verlangte spezielle Erschliessungsmassnahmen zu treffen (z.b. Anschluss an den öffentlichen Verkehr), so ist ein Grundstück resp. ein Baugebiet in aller Regel noch nicht baureif im Sinne von Artikel 24 Absatz 2 USG und Artikel 30 LSV (vgl. BGE vom 02. Oktober 1991 i.s. Staat Zürich, E. 4b). Dies in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichts zur materiellen Enteignung, wonach beim Fehlen einer Quartierplanung eine Auszonung in aller Regel entschädigungslos zu dulden ist. (Vgl. zum Ganzen: BGE 117 1b 308; VLP Schriftenfolge Nr. 53a; Kommentar USG, N 11 zu Art. 24; Enrico Riva, Hauptfragen der materiellen Enteignung, Bern 1990). B.BAUBEWILLIGUNG 1. Baubewilligung in lärmbelasteten Gebieten a. Nach Artikel 22 Absatz 1 USG dürfen Baubewilligungen in lärmbelasteten Gebieten nur erteilt werden, wenn die Immissionsgrenzwerte eingehalten sind. Dabei bestimmt Artikel 39 LSV als Referenzpunkt für die Lärmermittlung die Mitte der offenen Fenster lärmemfindlicher Räume des geplanten Bauvorhabens. Sind die Immissionsgrenzwerte überschritten, werden gemäss Artikel 22 Absatz 2 USG Baubewilligungen für Neubauten, die dem längeren Aufenthalt von Personen dienen, nur erteilt, wenn die notwendigen zusätzlichen Schallschutzmassnahmen getroffen und die Räume zweckmässig angeordnet werden. b. Im Parlament bestand Einigkeit darüber, dass hier mit zusätzlichen Schallschutzmas s- nahmen primär Massnahmen gemeint sind, die vor dem Immissionspunkt wirken (Kommentar USG, N zu Art. 22). Dazu gehören alle Massnahmen, welche der Gebäudehülle vorgelagert sind, d.h. bauliche und gestalterische Massnahmen auf dem Ausbreitungsweg des Lärms (Schutzwälle etc.). In diesem Sinne interpretiert auch Artikel 31 Absatz 1 LSV das Gesetz: Die Immissionsgrenzwerte müssen durch bauliche oder gestalterische Massnahmen, die das Gebäude gegen Lärm abschirmen, oder durch die Anordnung der lärmempfindlichen Räume auf der dem Lärm abgewandten Seite des Gebäudes eingehalten werden können. Artikel 22 USG verwendet damit einen anderen Begriff der Schallschutz-Massnahmen als Artikel 20 USG. In Artikel 20 USG spricht das Gesetz von Massnahmen am Gebäude und meint vor allem Schallschutzfenster. Mit solchen Massnahmen können jedoch die Grenzwerte nicht am Immissionsort (Mitte des offenen Fensters der lärmempfindlichen Räume) eingehalten werden.
5 3 2. Ausnahmebewilligung a. Gleichzeitig wollte der Gesetzgeber mit Art. 22 Abs. 2 USG dem Bundesrat aber auch die Möglichkeit geben, für Ausnahmefälle vom Immissionsgrenzwert abzuweichen. Genannt wurde als Beispiel die Schliessung von Baulücken im Kernbereich von Siedlungen (Amtl. Bull. N 1983 S. 1165). In diesem Sinne erlaubt Artikel 31 Absatz 2 LSV die Erteilung der Baubewilligung auch dann, wenn die Immissionsgrenzwerte nicht eingehalten werden können, jedoch an der Errichtung des Gebäudes ein überwiegendes Interesse besteht. b. Artikel 31 Absatz 2 LSV verlangt eine Interessenabwägung im Einzelfall. Das Interesse des Ortsbildschutzes oder an einer guten Ausnutzung des Baugebietes und der Erschliessungsanlagen kann ausnahmsweise die Anliegen des Lärmschutzes überwiegen. Zu beachten ist aber immerhin, dass auch die Raumplanung eine Siedlungsgestaltung anstrebt, die Wohngebiete vor Lärm möglichst verschont (Art. 3 Abs. 3 Bst. b RPG). Das Interesse an einer baulichen Nutzung des lärmbetroffenen Grundstücks wird deshalb nur im weitgehend überbauten Gebiet (Art. 15 Bst. a RPG) die Lärmschutzinteressen überwiegen können. Die Ausnahmebewilligung bezieht sich immer nur auf ein einzelnes Gebäude; für ganze Gebiete kann nicht eine generelle Ausnahme gewährt werden; ein solches Vorgehen würde Artikel 22 USG verletzen. c. Die Bewilligung nach Artikel 31 Absatz 2 LSV bedarf der Zustimmung einer kantonalen Behörde. Diese kantonale Verfügung soll eine rechtsgleiche und einheitliche Bewilligungspraxis garantieren. Gleichzeitig mit der Ausnahmebewilligung muss für einen angemessenen baulichen Schallschutz am Gebäude gesorgt werden (Art. 21 USG; Art. 32 Abs. 2 LSV). 3. Sonderfall: Lärm von Flugplätzen a. Im Unterschied zu anderen Lärmarten kann Fluglärm nur mit Massnahmen an der Quelle, kaum jedoch mit solchen im Ausbreitungsbereich begrenzt werden. Als Massnahmen an der Quelle kommen dabei hauptsächlich Betriebseinschränkungen in Betracht. In der Regel können weder bauliche und planerische Massnahmen im lärmbetroffenen Gebiet, noch eine gute Anordnung lärmempfindlicher Räume gegen Fluglärm abschirmen. Das USG verlangt die Sanierung bestehender Flugplätze, sie müssen grundsätzlich die Immissionsgrenzwerte einhalten. Bei Flughäfen und Militärflugplätzen lässt sich aber der Betrieb nicht immer auf das aus Lärmschutzgründen eigentlich nötige Mass reduzieren. Die zuständige Behörde wird für den im öffentlichen Interesse unvermeidlichen Flugbetrieb Erleichterungen nach Artikel 17 USG gewähren. Deshalb können in der Umgebung von Flughäfen und Militärflugplätzen die Immissionsgrenzwerte oder gar die Alarmwerte nicht immer eingehalten werden (Art. 17, 20 und 25 USG). Die Erstellung von Gebäuden mit lärmempfindlichen Räumen wäre im lärmbetroffenen Gebiet kaum mehr möglich. b. Diesen besonderen Umständen kann bei der Interessenabwägung nach Artikel 31 Absatz 2 LSV Rechnung getragen werden. Dem Interesse an der guten baulichen Ausnutzung des Bodens wird hier etwas mehr Gewicht zukommen, insofern, als eine Ausnahmebewilligung nicht nur für Baulücken im weitgehend überbauten Gebiet, sondern auch für Baugebietslücken in nur teilweise überbauten Bauzonen erteilt werden kann. Das Interesse des Lärmschutzes überwiegt aber dort, wo die Alarmwerte nicht eingehalten werden können. Unzulässig bleibt auch hier, Ausnahmebewilligungen für ein ganzes Gebiet gesamthaft zu erteilen (vergleiche Ziffer 2, Bst. b letzter Satz).
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