Predigt Steinertsee-Mittsommer-Fest: Jer 32,41 (Kaufungen, 19. Juni 2016)
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- Dieter Winkler
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1 Predigt Steinertsee-Mittsommer-Fest: Jer 32,41 (Kaufungen, 19. Juni 2016) Liebe Gemeinde! Mach mal Pause steht auf einer Postkarte, die ich mir neulich gekauft habe. Mach mal Pause ja, das ist wichtig. Wir können nicht immer nur funktionieren. Wir können nicht ununterbrochen etwas bringen. Wir können nicht ständig Betriebstemperatur fahren. Und wenn wir es doch versuchen, dann werden wir krank. Unser Körper schlägt Alarm und nicht selten auch unsere Seele. Und es leiden unsere Beziehungen. Wir haben keine Zeit mehr füreinander oder keine Kraft. Keine Zeit mehr für unsere Nachbarn. Keine Zeit mehr für unsere Freundschaften. Keine Zeit mehr für unsere Familien und unsere Partnerschaften. Wir wissen das alle. Aber es fällt schwer, dem Druck, der so oft auf uns lastet, etwas entgegenzusetzen. Manchmal müssen wir uns ganz bewusst herausziehen, um wieder Kraft zu schöpfen. Kraft, um zu erkennen, was wirklich wichtig ist im Leben und was nicht. Kraft, um auch einmal nein zu sagen. Kraft, um krankmachende Strukturen zu verändern. Für mich ist der Gottesdienst so ein Ort, an dem ich mich dem Druck entziehen, an dem ich Kraft schöpfen kann. Ich erinnere mich die Äußerung einer damals etwa 40jährigen Frau. Sie hatte mehrere Kinder. Sie und ihr Mann betrieben eine Schäferei. Sie war sehr eingespannt. Manchmal schaffe ich es, in den Gottesdienst zu gehen, sagte sie. Dann genieße ich diese Stunde, in der mal niemand etwas von mir will. Die Natur, die Schöpfung Gottes ist auch so ein Ort, an dem 1
2 wir uns dem Druck entziehen, an dem wir Kraft schöpfen können. Ich habe vor einigen Tagen mit Interesse in der Zeitung gelesen, wie vor vier Jahrzehnten dieses Naherholungsgebiet Steinertsee entstanden ist. Ich kenne etliche Menschen, die es immer wieder einmal hierher zieht. Hier drehen sie ihre Runden: alleine oder zu zwei. Und manchmal feiern sie hier auch. Ich durfte vor einigen Wochen in Andalusien sein und die Sonne genießen. Es war ganz schön warm, aber ich habe die Wärme genossen. Und auch die Helligkeit. Das ist ja mit ein Grund dafür, dass in manchen Ländern das Mittsommerfest gefeiert wird. Ich habe dazu Folgendes gelesen: Die Tage sind dann am längsten, und mittags steht die Sonne so hoch über dem Horizont wie sonst das ganze Jahr nicht. Das muss gefeiert werden, erst recht dort, wo es zu anderen Jahreszeiten besonders kalt und dunkel ist. Ja, das ist wichtig: wahrnehmen, feiern, genießen, was uns gut tut. Unser Leben darf nicht nur aus der Pflicht bestehen, es muss auch das Andere geben. Dazu hat die Bibel übrigens auch etwas zu sagen. Und sie bringt das in Verbindung zu Gott. Sie weiß etwas davon zu sagen, dass Gott uns Gutes tun will. Dass er uns beschenken will. Dass er uns ich sage es mal so ungeschützt in gewisser Weise sogar verwöhnen will. Wir haben oft ein ganz anderes Bild von Gott. Das Bild eines Gottes, der etwas von uns will. Und der aufpasst, ob wir dem auch nachkommen. Das Bild eines Gottes, dessen Ansprüchen wir genügen müssen. Das Bild eines Gottes, der Wohlverhalten belohnt und Fehlverhalten bestraft. Wie anders klingt das, was beim Propheten Jeremia im Alten Testament steht. Sicher, es geht da eigentlich um Gott und um das Volk Israel. Und das, was wir gleich hören werden, 2
3 gehört in eine ganz bestimmte geschichtliche Situation hinein. Wir leben in einer anderen Situation, in einer anderen Zeit. Und doch wird hier etwas vom Wesen Gottes deutlich, um es einmal ganz vorsichtig zu sagen. Wenn es aber zu ihm gehört, zu seinem Wesen, dann dürfen wir das, was ich jetzt vorlese, auch auf uns heute beziehen. Da sagt Gott im 32. Kapitel (Vers 41): Es soll meine Freude sein, ihnen Gutes zu tun Und dann kommt noch der Zusatz: von ganzem Herzen und von ganzer Seele. Es soll meine Freude sein, ihnen Gutes zu tun. Das heißt doch: Gott weiß, dass wir oft unter Druck stehen. Er weiß, dass wir oft Schweres und Schwieriges zu tragen und zu bewältigen haben. Er weiß, dass wir oft darunter leiden, dass wir nicht alles so hinbekommen, wie wir es eigentlich möchten. Er weiß, dass wir oft keine Lösung haben für etwas, das uns herausfordert. Und er weiß auch, dass wir uns manchmal schuldig machen - und dass uns das belastet. Aber er droht dann nicht im Bild gesprochen mit dem Zeigefinger. Er treibt uns auch nicht an. Er fordert nicht etwas von uns, sondern sein Vorhaben ist ein anderes: Es soll meine Freude sein, ihnen Gutes zu tun. Ich finde es ganz spannend, unter diesem Vorzeichen mal den eigenen Lebensweg anzuschauen: Wo und wann habe ich es schon erfahren in schönen Zeiten wie auch in schweren -, dass ich Gutes erfahren durfte? Heilsames. Wohltuendes. Übrigens kann es sein, dass das erst einmal keine einfache Erfahrung war. Das Gute kann ja darin bestanden haben, dass einer mir eine unangenehme Wahrheit zumutete. Einer Wahrheit, der ich immer wieder ausgewichen war. Einer Wahrheit, mit der ich mich nicht auseinandersetzen wollte. Aber mit einer großen oder kleinen Lebenslüge lebt sich s nicht gut. Da ist es wichtig, sich der Wahrheit zu stellen und 3
4 etwas zu ändern. Entweder man sieht das selber ein oder es muss einem gesagt werden. Also wenn Gott uns Gutes tut, kann das durchaus auch erst einmal schmerzhaft sein. Aber nur so kommen wir weiter. Wenn ein Zahn schmerzt, nutzt es ja auch nichts, wenn wir sagen: Da ist nichts. Und es hilft auch nicht weiter, eine Schmerztablette nach der anderen zu nehmen. Wir müssen ob wir wollen oder nicht zum Zahnarzt. Entweder wir sehen es von selbst ein oder es muss uns gesagt werden. Also: auch so etwas kann gemeint sein, wenn ich frage: Wo und wann habe ich es schon erfahren in schönen Zeiten wie auch in schweren -, dass ich Gutes erfahren durfte? Heilsames. Wohltuendes. Könnte uns ein solches Fragen vielleicht sogar helfen, Gott zu entdecken in unserem Leben? Ihn auch heute noch zu entdecken? Ich bin überzeugt davon. Und ich bin noch von etwas Zweitem überzeugt. Wenn ich Gott begreifen kann als den, der mir Gutes tut, werde ich dazu befreit, mir selbst Gutes zu tun. Ich kenne Menschen, die können sich selbst nichts Gutes tun. Die Gründe dafür können ganz verschiedene sein. Sie können in ihrer Kindheit liegen. Vielleicht meinten sie, immer den Anforderungen des strengen Vaters oder der strengen Mutter genügen zu müssen. Vielleicht dachten sie, sich so die Liebe und die Anerkennung der Eltern verdienen zu können. Vielleicht haben die Gründe etwas mit einem mangelnden Selbstwertgefühl zu tun oder mit einem übersteigerten Pflichtbewusstsein. Oder mit einer großen Selbstüberschätzung: Man meint, alles hinge von einem selbst ab. Und deshalb müsse man überall seine Finger mit im Spiel haben. Da ist dann einfach keine Zeit mehr da, sich selbst Gutes zu tun, 4
5 sich etwas zu gönnen. Wie dem auch sei. Für mich persönlich war es eine große Entdeckung, dass Gott mir Gutes tun will. Das hat mich dazu befreit, mir selbst auch Gutes zu tun. Einfach darauf zu schauen, was ich brauche, was mir hilft, was mich weiterbringt, was mich heilt, was mir Kraft gibt. Eine einzige Einschränkung habe ich. Es darf nicht zu Lasten anderer gehen. Es ist nicht gemeint: Ich lasse es mir gut gehen auf Kosten anderer. So etwas gibt es ja und das gar nicht so selten. Dann wäre alles falsch verstanden. Aber das ist ja eigentlich selbstverständlich. Ein Letztes. Ich glaube, es geschieht noch etwas, noch eine Befreiung, wenn ich Gott als den begreife, der mir Gutes tun will. Ich entdecke nämlich, dass er nicht nur mir Gutes tun will, sondern auch anderen. Ja, dass er anderen auch durch mich Gutes tun will. Auch anderen. Mal etwas platt gesagt: Gott redet im Plural, in der Mehrzahl. Es soll meine Freude sein, ihnen Gutes zu tun. Ihnen. Ich glaube, es verändert uns, es verändert unsere Haltung, unser Verhalten, wenn wir das entdecken. Wir werden aufhören, andere unter Druck zu setzen. Wir werden aufhören, anderen unnötig Schwierigkeiten zu machen. Wir werden aufhören, anderen immer wieder nur ihre Fehler und Versäumnisse vorzuwerfen. Wir werden aufhören, etwas von ihnen zu verlangen, was sie nicht leisten können. Wir werden anfangen, anders miteinander umzugehen: in der Nachbarschaft, an der Arbeit, in der Schule, in der Familie. Und das wird etwas verändern im Miteinander. Kann sein, dass das nicht immer einfach sein wird. Eine 5
6 Frau erzählte mir vor einiger Zeit, dass ein Vorgesetzter von ihr verlangt habe, von Untergebenen etwas zu verlangen, was diese zeit- und kräftemäßig einfach nicht schaffen konnten. Als sie den Vorgesetzten darauf hinwies, reagierte er: Das ist mir egal. Machen Sie Druck. Was macht man in einer solchen Situation? Ich habe da auch keine einfache Antwort, aber ich weiß, dass eine veränderte Haltung Antworten finden wird wenn nicht sofort, dann später. Es kommt auf die veränderte Haltung an. Sehe ich den anderen nur als Untergebenen an, der zu spuren hat? Oder als Konkurrent? Oder sehe ich ihn an als einen, den Gott auch meint, wenn er sagt: Es soll meine Freude sein, ihnen Gutes zu tun. Das gilt auch mit Blick auf die Flüchtlingsfrage. Oder besser gesagt: mit Blick auf die Flüchtlinge. Natürlich können wir nicht alle aufnehmen. Natürlich muss auch genau hingeschaut werden. Natürlich können wir das Flüchtlingsproblem nicht lösen, schon gar nicht alleine. Aber wir werden anders herangehen an diese großen Herausforderung, wir werden andere Lösungen suchen und finden, wir werden diesen Menschen anders begegnen, wenn wir begreifen, dass auch für sie gilt, was Gott sagt: Es soll meine Freude sein, ihnen Gutes zu tun. Amen. 6
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