Baurecht im Wintersemester 2017/2018
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- Käthe Arnold
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1 Professor Dr. Barbara Remmert Baurecht im Wintersemester 2017/ Termin Ausgangspunkt: Vielfalt der Funktionen des Bodens 2 Abs. 2 BBodSchG: Der Boden erfüllt im Sinne dieses Gesetzes 1. natürliche Funktionen als a) Lebensgrundlage und Lebensraum für Menschen, Tiere, Pflanzen und Bodenorganismen, b) Bestandteil des Naturhaushalts, insbesondere mit seinen Wasser- und Nährstoffkreisläufen, c) Abbau-, Ausgleichs- und Aufbaumedium für stoffliche Einwirkungen auf Grund der Filter-, Puffer- und Stoffumwandlungseigenschaften, insbesondere auch zum Schutz des Grundwassers, 2. Funktionen als Archiv der Natur- und Kulturgeschichte sowie 3. Nutzungsfunktionen als a) Rohstofflagerstätte, b) Fläche für Siedlung und Erholung, c) Standort für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung, d) Standort für sonstige wirtschaftliche und öffentliche Nutzungen, Verkehr, Ver- und Entsorgung. 2 Aufgabe des Baurechts Überlegung: ob der Boden diese Funktionen erfüllen kann, hängt u.a. von der Nutzung der Erdoberfläche ab Folgerung: - es bedarf rechtlicher Regelungen, wie die Erdoberfläche genutzt wird - diese Regelungen müssen die Interessenkonflikte ausgleichen = Aufgabe des Baurechts beachte: Baurecht bezieht sich nicht nur auf das Bauen, sondern auch auf andere Nutzungen der Erdoberfläche 3 1
2 Baurecht privates Baurecht öffentliches Baurecht = Bestandteil des Privatrechts - regelt z.b: rechtliche Beziehungen zwischen Bauherrn, Bauunternehmern, Architekten und Nachbarn Normen: 631 ff. BGB; 903 ff., 1004 BGB; Nachbarrechtsgesetz (NRG BW) 4 öffentliches Baurecht = Bestandteil des öffentlichen Rechts - regelt zwei zentrale Fragen 1. wie ordnet der Staat im Vorfeld der konkreten Nutzung von Grundstücken die Bodennutzung? 2. unter welchen Voraussetzungen ist ein ganz konkretes Vorhaben und seine ganz konkrete Nutzung auf einem ganz bestimmten Grundstück rechtlich zulässig? beachte: Vorhaben sind v.a. künftige Gebäude = bauliche Anlagen 5 Bodenrecht/Städtebaurecht/Bauplanungsrecht 1. Frage: wie ordnet der Staat im Vorfeld der konkreten Nutzung von Grundstücken die Bodennutzung? - wie kann der Staat bestimmen, ob ein unbebautes Grundstück später für Wohn- oder Industriebebauung oder als Weide zur Verfügung steht? - welche Vorschriften kann er den Eigentümern dazu machen? - wer ist für den Erlass der Vorschriften zuständig und welche Verfahren sind dabei einzuhalten? - was sind die Kriterien dafür, welche Nutzung für ein Grundstück vom Staat vorgesehen wird? - wie wird sichergestellt, dass die geplante Nutzung später auch realisiert wird? 6 2
3 Bodenrecht/Städtebaurecht/Bauplanungsrecht -> Regelungsbereich des Bauplanungsrechts Synonyme: - Städtebaurecht - Bodenrecht, vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG = Recht der Planung der Bodennutzung sowie das Recht der Instrumente ihrer Sicherung und Realisierung Gesetzgebungskompetenz für das Bauplanungsrecht: -> Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG wichtigste Normen: - Baugesetzbuch (BauGB) - Baunutzungsverordnung (BauNVO) 7 Zulassung von Vorhaben 2. Frage: unter welchen Voraussetzungen ist ein ganz konkretes Vorhaben und seine ganz konkrete Nutzung auf einem ganz bestimmten Grundstück rechtlich zulässig? Bauplanungsrecht insbes. 29 ff. BauGB Bauordnungsrecht = Ordnungsrecht = Gefahrenabwehrrecht 8 Bauordnungsrecht stellt sicher, - dass von dem Vorhaben keine Gefahren ausgehen (z.b. durch Regelungen zur Standsicherheit/zum Brandschutz) - dass es die Nutzung benachbarter Grundstücke nicht stört (z.b. durch Regelungen über Abstandsflächen) - dass es bestimmte soziale Standards einhält (z.b. durch Regelungen über die Zahl der erforderlichen Toiletten) - dass es ökologischen Mindestvorgaben entspricht (z.b. durch Regelungen zur Abwasserentsorgung) - dass es ästhetisch gestaltet ist (sog. Verunstaltungsverbote) Gesetzgebungskompetenz für das Bauordnungsrecht: -> Länder, Art. 70 Abs. 1 GG wichtigste Norm: Landesbauordnung (LBO) 9 3
4 Verfahren zur Durchsetzung der Anforderungen an ein Vorhaben Frage: wer stellt sicher, dass ein konkretes Vorhaben die Anforderungen des Bauplanungsrechts und des Bauordnungsrechts erfüllt? -> staatliche Behörden in staatlichen Genehmigungs- und Überwachungsverfahren Frage: wer ist zuständig? -> Landesbehörden (= Baurechtsbehörden) in landesrechtlich geregelten Verwaltungsverfahren -> Regelung: LBO (-> Doppelfunktion) -> verfahrensrechtliche Verzahnung von Bauplanungs- und Bauordnungsrecht, vgl. z.b. 58 Abs. 1 S. 1, 2 LBO 10 Gliederung des Stoffes in der Vorlesung Aufgabe der Vorlesung: beide Fragestellungen sind zu behandeln A. Grundlagen B. Die staatliche Vorordnung der Bodennutzung (= Frage 1) -> Bauplanungsrecht C. Die Zulässigkeit von Vorhaben (= Frage 2) - inhaltliche Anforderungen -> Bauplanungs- und Bauordnungsrecht - Verfahren -> Bauordnungsrecht 11 Die staatliche Vorordnung der Bodennutzung/ unionsrechtliche Vorgaben Ausgangspunkt: Regelungen des BauGB Frage: welche Anforderungen muss das BauGB beachten? Unionsrecht Verfassungsrecht - keine unmittelbar einschlägige Kompetenz der EU - Relevanz von natur- und sonstigen umweltschutzrechtlichen Richtlinien 12 4
5 Die staatliche Vorordnung der Bodennutzung/ verfassungsrechtliche Vorgaben Art. 14 Abs. 1 GG Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verfassungsrechtliche Schutz- und Planungspflichten 13 Art. 14 Abs. 1 GG Art. 14 Abs. 1 GG: Eigentumsfreiheit bzgl. Grundstücke = Nutzungsfreiheit = insbes. Baufreiheit beachte: Art. 14 Abs. 1 GG = normgeprägtes Grundrecht Anforderungen an den Gesetzgeber: vor allem: Beachtung des Übermaßverbots bei Einschränkung vorhandener Nutzungen Überlegung aus Sicht des Art. 14 Abs. 1 GG als Abwehrrecht: -> Staat muss sich bei der Reglementierung der Bodennutzung zurückhalten 14 Schutz- und Planungspflichten - aus Art. 20a GG - aus Grundrechten, z.b.: - Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG -> gesunde Wohnverhältnisse - Art. 4 Abs. 1, 2 GG -> Kirchen und Moscheen - Art. 13 Abs. 1 GG -> Wohnraum - Art. 14 Abs. 1 GG -> ungestörte Grundstücksnutzung Überlegung aus Sicht der Schutzpflichten: -> Staat muss die Bodennutzung regeln wichtigstes Instrument zur Austarierung beider Tendenzen: -> Abwägung u.a. nach 1 Abs. 6, Abs. 7 BauGB 15 5
6 Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG Frage: wer macht das/wer ist zuständig? -> Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG: grundsätzlich die Gemeinden durch sog. Bauleitpläne = Regelwerke zur künftigen Nutzung -> Gemeinden haben das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu regeln (= Aufgabengarantie) -> umfasst Befugnis, für das eigene Gebiet die Bodennutzung vorzuordnen = Planungshoheit -> Entscheidungskompetenz liegt grundsätzlich bei der Gemeinde, vgl. 2 Abs. 1 S. 1 BauGB 16 Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG Frage: kann die Gemeinde abwägen wie sie will? Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG: -> grundsätzlich ja -> Gemeinden handeln in eigener Verantwortung (= Modalitätsgarantie) -> umfasst Befugnis, nach eigenen Maßstäben selbst zu entscheiden -> Gestaltungskompetenz liegt grundsätzlich bei der Gemeinde, vgl. 2 Abs. 1 S. 1 BauGB 17 Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG allerdings: im Rahmen der Gesetze = Gesetzesvorbehalt -> es gibt Vorschriften, die die Zuständigkeit der Gemeinde auf andere Stellen übertragen, z.b. 203 Abs. 2, 205 Abs. 6 BauGB (relevant für Tübingen, vgl. 1 Abs. 1, Abs. 2 NVerbG, dazu später) -> es gibt Vorschriften im BauGB zu den Inhalten von Bauleitplänen, zum Verfahren usw. -> es gibt Pflichten, die gemeindliche Bauleitplanung in andere Planungen einzupassen, z.b. 1 Abs. 4 BauGB, 2 Abs. 2 S. 1 BauGB 18 6
7 Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG Frage: müssen die Gemeinden das ganze Gebiet der Bundesrepublik überplanen? -> 1 Abs. 3 BauGB: nur, wenn es erforderlich ist Frage: was gilt für ein Grundstück, wenn eine Gemeinde von ihrer Planungskompetenz keinen Gebrauch macht? -> Vorordnung der Bodennutzung durch 34, 35 BauGB -> BauGB springt ein = sog. Planersatzfunktion der 34, 35 BauGB 19 Mögliche Lektüre BVerfGE 3, 407 [423 ff.] Gesetzgebungskompetenzen BVerfGE 53, 257 ff.; 58, 300 ff.; 117, 272 ff.; 122, 374 ff. Eigentumsfreiheit BVerfGE 79, 127 ff.; 107, 1 ff. Rastede/kommunale Selbstverwaltung StGH BW, NJW 1976, 2205 ff. Flächennutzungsplanung durch Verwaltungsgemeinschaften Dähne, Die so genannte Baufreiheit, JURA 2003, 455 ff. 20 7
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