Differenzialdiagnose intra- und suprasellärer Neoplasien
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- Heinrich Carsten Möller
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1 Bildessay 515 Differential Diagnosis of Intrasellar and Suprasellar Neoplasia Differenzialdiagnose intra- und suprasellärer Neoplasien Einleitung Die Differenzialdiagnose intra- und suprasellärer Tumoren umfasst benigne und maligne Entitäten. Während im Erwachsenenalter Hypophysenadenome und Meningeome dominieren, sind im Kindesalter Kraniopharyngeome und Sehbahngliome häufig. und mittleren Erwachsenenalter auf (Linn J et al. Atlas klinische Neuroradiologie des Gehirns. Springer 2011: ). Bis zu einer Größe von 1 cm werden sie als Mikroadenome und darüber hinaus als Makroadenome bezeichnet (Cohnen M. Kopf- Hals-Radiologie. Thieme 2012: 37 38). Klinik Drei Viertel der Hypophysenadenome sind hormonaktiv. Nicht hormonproduzierende Mikroadenome sind oft asymptomatisch und werden bei zufälligem Nachweis als Inzidentalome bezeichnet (Cohnen M. Kopf-Hals-Radiologie. Thieme 2012: 37 38). Nachfolgend sind typische Differenzialdiagnosen intra- und suprasellärer Tumoren anhand von charakteristischen Merkmalen und Bildbeispielen dargestellt. Aufgrund der Vielzahl möglicher Differenzialdiagnosen wurden nur echte Neoplasien berücksichtigt. Das klinische Erscheinungsbild aller Entitäten ist häufig unspezifisch und kann von einer Hypophyseninsuffizienz bis zu kompressionsbedingten Symptomen führen. Hypophysenadenom und Einteilung Hypophysenadenome sind gutartige Tumoren (in der Regel WHO-Grad I), die in der Adenohypophyse entstehen. Sie machen % aller intrakraniellen Tumoren aus und treten bevorzugt im jüngeren Abb. 1 Hypophysenmikroadenom (Pfeil in b). a koronare T1w, b koronare T1w nach Kontrastmittel. Abb. 2 Großzystisches Hypophysenmakroadenom (Stern in a c) mit Verlagerung und Kompression des Chiasma opticum (Pfeil in b). a koronare T2w, b koronare T1w, c koronare T1w mit Fettsättigung nach Kontrastmittel.
2 516 Bildessay Abb. 3 Hypophysenmakroadenomrezidiv mit Destruktion der Schädelbasis (Stern in a c), Ummauerung der A. carotis interna bds. im cavernosalen Abschnitt (Pfeil in b) sowie Infiltration des Sinus cavernosus (offener Pfeil in b). a axiale native Computertomografie, b und c koronare und sagittale T1w nach Kontrastmittel. Hypophysenadenome sind intra- und suprasellär lokalisiert. Große Tumoren können zu einer Exkavation der Sella führen und in benachbarte Räume (Nasennebenhöhlen, Sinus cavernosus) einbrechen (Cohnen M. Kopf-Hals-Radiologie. Thieme 2012: 37 38; Linn J et al. Atlas klinische 2011: ). Mikroadenome In der MRT haben sie eine rundliche, glatt begrenzte Konfiguration und sind häufig isointens zur Hypophyse. Sie nehmen im Vergleich zur Adenohypophyse verzögert Kontrastmittel auf und demarkieren sich dadurch (q Abb. 1) (Linn J et al. Atlas klinische 2011: ). Makroadenome Große intra- und supraselläre Tumoren haben häufig eine Schneemannform, die durch das Diaphragma sellae verursacht wird. Sie können neben Zysten und Nekrosen auch Einblutungen aufweisen (q Abb. 2). Eine Destruktion der Schädelbasis ist selten (q Abb. 3). Es besteht oft ein kräftiges, heterogenes Enhancement (Linn J et al. Atlas klinische Neuroradiologie des Gehirns. Springer 2011: ). Abb. 4 Zystisches Kraniopharyngeom, histologisch adamantinöses Kraniopharyngeom (Pfeil in a und b). a axiale T2w, b sagittale T1w nach Kontrastmittel. Kraniopharyngeom Kraniopharyngeome sind gutartige Tumoren (WHO-Grad I) aus Resten der Rathke-Tasche. Sie machen 2 4 % aller intrakraniellen Tumoren aus und sind bei Kindern häufiger (Linn J et al. Atlas klinische 2011: ). Die Erkrankung weist 2 Altersgipfel auf; Dekade sowie 5. Dekade (Cohnen M. Kopf-Hals-Radiologie. Thieme 2012: 38). 80 % der Kraniopharyngeome sind suprasellär lokalisiert und können sich bis in die vordere, mittlere und hintere Schädelgrube ausdehnen. Eine intraselläre Manifestation ist selten (Cohnen M. Kopf-Hals- Radiologie. Thieme 2012: 38; Linn J et al. Atlas klinische Neuroradiologie des Gehirns. Springer 2011: ). Zystische Anteile und Verkalkungen sind typische Befunde (q Abb. 4, 5). Steigt der
3 Bildessay 517 Proteingehalt der Zysten, können sie bereits in der nativen T1w ein hyperintenses Signal zeigen. Daneben können sie solide Anteile mit kräftigem Enhancement aufweisen (q Abb. 6) (Rao VJ et al. Clin Radiol 2008, 63: ). Abb. 5 Kraniopharyngeom, histologisch adamantinöses Kraniopharyngeom: suprasellärer Tumor mit verkalktem (Pfeil in a und b) und zystischem Anteil (Stern in b). a axiale native Computertomografie mit sagittaler multiplanarer Rekonstruktion (b). Abb. 6 Kraniopharyngeom, histologisch adamantinöses Kraniopharyngeom: kräftig kontrastmittelaufnehmender suprasellärer Tumor (Stern in b) mit Verlagerung des Chiasma opticum nach kranial (Pfeil in a). a koronare T1w, b sagittale T1w nach Kontrastmittel (mit freundlicher Genehmigung der radiologischen Gemeinschaftspraxis Dres. Weise, Kaulen und Nöbel, Donatsring 20, Freiberg). Meningeom Meningeome gehen aus Zellen der Arachnoidea hervor. Sie sind überwiegend benigne (WHO-Grad I), können in bis zu 10 % eine atypische oder anaplastische Differenzierung (WHO-Grad II und III) aufweisen. Die Erkrankung ist mit der Neurofibromatose Typ 2 assoziiert (Linn J et al. Atlas klinische Neuroradiologie des Gehirns. Springer 2011: ). Das Manifestationsalter liegt zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr, und es besteht eine weibliche Geschlechtsprädominanz (Cohnen M. Kopf- Hals-Radiologie. Thieme 2012: 33 34). Supraselläre Meningeome gehen häufig vom Tuberculum sellae, Proc. clinoideus, Planum sphenoidale oder dem Keilbeinflügel aus, wachsen sekundär nach intrasellär und verlagern die Hypophyse (Rao VJ et al. Clin Radiol 2008, 63: ). Während Grad-I-Tumoren scharf begrenzt sind, können Grad-II- und -III-Tumoren unregelmäßig berandet sein und infiltrativ wachsen. Ein breitbasiger Kontakt zu den Meningen ist charakteristisch. Meningeome können Verkalkungen aufweisen. Das Enhancement ist homogen, und oft besteht ein typisches Dural-tail-Zeichen (q Abb. 7, 8). Große Tumoren können ein perifokales Hirnödem zeigen (Abele TA et al. Clin Radiol 2012; 67: ; Cohnen M. Kopf-Hals-Radiologie. Thieme 2012: 33 34; Linn J et al. Atlas klinische Neuroradiologie des Gehirns. Springer 2011: ). Abb. 7 Meningeom, histologisch atypisches Meningeom WHO-Grad II: intra- und suprasellärer Tumor (Stern in a und b), mit Ummauerung der A. carotis interna bds. im cavernosalen Abschnitt (Pfeile in a) und Wachstum entlang dem Planum sphenoidale mit Dural tail (Pfeil in b). a koronare T1w, b sagittale T1w nach Kontrastmittel. Pituizytom Pituizytome sind seltene und langsam wachsende niedriggradige Gliome, die von der Neurohypophyse ausgehen und im mittleren Lebensalter auftreten (Wolfe SQ et al. Neurosurgery 2008, 63: E173 E174).
4 518 Bildessay Pituizytome sind gut begrenzte, solide intra- und supraselläre Tumoren (Wolfe SQ et al. Neurosurgery 2008, 63: E173 E174). Sie ähneln bildgebend Hypophysenmakroadenomen und führen häufig zu einer Exkavation der Sella. Pituizytome sind in der MRT T1w isointens zur grauen Substanz. In der T2w können sie ein hyperintenses Signal aufweisen. Aufgrund der ausgeprägten Vaskularisation besteht nach Kontrastmittelapplikation ein kräftiges Enhancement (q Abb. 9) (Wolfe SQ et al. Neurosurgery 2008, 63: E173 E174). lokalisiert (Linn J et al. Atlas klinische 2011: , ). Die Tumoren führen zu einer Auftreibung der Sehbahn. Sie können sich bis zum Diaphragma sellae ausbreiten und verdrängend wachsen, eine intraselläre Ausbreitung ist selten. Sehbahngliome sind in T1w isointens zum Hirnparenchym und können in der T2w ein hyperintenses Signal aufweisen. Im Gegensatz zu den infratentoriellen pilozytischen Astrozytomen nimmt die Mehrzahl der Sehbahngliome kein Kontrastmittel auf (q Abb. 10, 11) (Linn J et al. Atlas klinische Neuroradiologie des Gehirns. Springer 2011: , ; Rao VJ et al. Clin Radiol 2008, 63: ). Keimzelltumoren Keimzelltumoren gehen aus omnipotenten Keimzellen hervor und können Anteile aller 3 Keimblätter enthalten. Folgende Tumoren werden unterschieden: Germinome, Teratome, embryonale Karzinome, Dottersacktumoren und Chorionkarzinome. Der Erkrankungsgipfel liegt im Kindes- und Jugendalter, und das maligne Potenzial ist abhängig von der Tumorentität (Linn J et al. Atlas Pilozytisches Astrozytom (Sehbahngliom) Pilozytische Astrozytome sind langsam wachsende, gutartige Tumoren der Astroglia (WHO-Grad I). Sie machen 5 10 % aller Gliome aus, treten vor allem im Kindes- und Jugendalter auf und können mit einer Neurofibromatose Typ 1 assoziiert sein (Linn J et al. Atlas klinische Neuroradiologie des Gehirns. Springer 2011: , ). Supraselläre pilozytische Astrozytome sind typischerweise im N. opticus, im Chiasma opticum oder im Hypothalamus Abb. 8 Supraselläres Meningeom, histologisch WHO-Grad I (Stern in a und b), das sich entlang des Lig. petroclivale ausbreitet (Pfeile in a) und die Hypophyse nach kaudal verlagert (Pfeil in b). a axiale T1w mit Fettsättigung nach Kontrastmittelgabe, b sagittale T1w nach Kontrastmittel. Abb. 9 Pituizytom: kräftig kontrastmittelaufnehmender intra- und suprasellärer Tumor (Stern in a c) mit Verlagerung des Chiasma opticum nach kranial (Pfeil in a). a koronare T1w, b und c koronare und sagittale T1w nach Kontrastmittel (mit freundlicher Genehmigung der radiologischen Gemeinschaftspraxis Dres. Wihsgott, Aikele und Haupt, Industriestraße 40, Dresden).
5 Bildessay 519 klinische Neuroradiologie des Gehirns. Springer 2011: ). Keimzelltumoren sind mittellinienassoziierte Tumoren, die häufig in der Pinealisloge, der suprasellären Zisterne, im Thalamus und den Basalganglien zu finden sind (Linn J et al. Atlas klinische 2011: ). Abb. 10 Pilozytisches Astrozytom: suprasellärer Tumor (Stern in a und b), der den Hypophysenstiel nach dorsal verlagert (Pfeil in b) und die A. carotis interna rechts im cavernosalen Abschnitt partiell ummauert (Pfeil in a). a koronare T2w, b sagittale T1w nach Kontrastmittel. Abb. 11 Pilozytisches Astrozytom: suprasellärer, selten kontrastmittelaufnehmender Tumor des Chiasma opticum (Stern in c), der sich in den N. opticus, den Tractus opticus sowie nach diencephal beidseits fortsetzt (Pfeile in a), der Hyophysenstiel liegt dem Tumor unmittelbar an (offener Pfeil in a). a und b koronare und sagittale T1w nach Kontrastmittel. Keimzelltumoren sind scharf begrenzt und können nekrotische oder zystische Anteile enthalten. Neben Einblutungen sind auch Verkalkungen und Fett möglich. Charakteristisch ist ein kräftiges Enhancement solider Tumoranteile (q Abb. 12, 13). Eine Infiltration des angrenzenden Parenchyms ist möglich. Einzelne Entitäten weisen eine liquorgene Tumorausbreitung auf (Linn J et al. Atlas klinische Neuroradiologie des Gehirns. Springer 2011: ). Metastasen Hypophysenmetastasen sind selten und Folge hämatogener oder liquorgener Absiedlungen. Hämatogene Metastasen treten z. B. beim Mamma- und Bronchialkarzinom auf. Liquorgene Hypophysenmetastasen werden u. a. beim Ependymom, Medulloblastom, Germinom und Pineoblastom beobachtet (Abele TA et al. Clin Radiol 2012; 67: ; Rao VJ et al. Clin Radiol 2008; 63: ). Aufgrund der arteriellen Versorgung sind Hypophysenmetastasen gewöhnlich in der Neurohypophyse lokalisiert (Rao VJ et al. Clin Radiol 2008; 63: ). Abb. 12 Reifes Teratom, histologisch u. a. reifes Knorpelgewebe: großer suprasellärer Tumor (Stern in a und b) mit Kompression des III. Ventrikels von kaudal. a axiale T2w, b sagittale T1w nach Kontrastmittel. Es gibt keine charakteristischen Veränderungen in der. Ein schnelles Wachstum und Destruktion der Sella grenzt Hypophysenmetastasen von benignen intrasellären Tumoren ab. Sie können zu einer Vergrößerung der Neurohypophyse sowie des Hypophysenstiels führen. Hypophysenmetastasen weisen häufig ein Enhancement auf
6 520 Brennpunkt Abb. 13 Chorionkarzinom: intra-, supra- und parasellärer Tumor (Pfeile in a, Stern in b und c) mit Ummauerung der A. carotis interna bds. im cavernosalen Abschnitt (offener Pfeil in b), Kompression des Chiasma opticum (Pfeil in c) und rechts betonter Infiltration des Sinus cavernosus (offener Pfeil in c). a axiale native Computertomografie, b axiale T2w, c koronare T1w nach Kontrastmittel. (Abele TA et al. Clin Radiol 2012; 67: ; Rao VJ et al. Clin Radiol 2008; 63: ). Zusammenfassung Die Vielzahl der Differenzialdiagnosen intra- und suprasellärer Tumoren und die bildgebend zum Teil ähnliche stellt eine Herausforderung an den Radiologen dar. Anhand der CT- und MRT- sind die verschiedenen Neoplasien nicht immer eindeutig voneinander zu unterscheiden (Abele TA et al. Clin Radiol 2012; 67: ), sodass Fehldiagnosen möglich sind. Eine nähere differenzialdiagnostische Eingrenzung ist oft nur in Zusammenschau mit dem Patientenalter, der Anamnese sowie neurologischer und endokrinologischer Symptome möglich (Rao VJ et al. Clin Radiol 2008; 63: ). Die definitive Diagnose wird histologisch nach transsphenoidaler oder transkranieller neurochirurgischer Intervention gestellt. D. Daubner, T. A. Juratli, K. Engellandt, R. von Kummer, G. Hahn, G. Schackert, T. Pinzer, Dresden
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