3.3 Eindimensionale Wellengleichung
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- Tristan Armbruster
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1 3.3. Eindimensionale Wellengleichung Eindimensionale Wellengleichung Die Wellengleichung lautet c 2 u(x,t) = 2 u t 2(x,t) für alle x Ω Rn, t R, wobei c > 0 eine Konstante ist. Schauen wir uns diese Gleichung für den Fall n = 1 und Ω = [0,] ( > 0) genauer an. Sie beschreibt zum Beispiel die Auslenkung u(x, t) einer schwingenden Saite der änge, wobei dann zusätzlich folgende Randbedingung erfüllt ist: u(0,t) = u(,t) = 0 für alle t R. In dieser Situation ist die Konstante c durch das Material der Saite bestimmt und gibt deren Elastizität an. Wir können nun ösungen der Wellengleichung konstruieren, indem wir wiederum zunächst die Produktlösungen bestimmen und dann einen Reihenansatz aufstellen. Eine Funktion der Form u(x,t) = v(x)w(t) ist genau dann ösung der Wellengleichung, wenn c 2 v (x)w(t) = v(x)w (t) für alle x,t. Daraus folgt (falls v(x) 0 w(t)): v (x) v(x) = w (t) c 2 w(t). Also gibt es eine Konstante µ mit (1) v (x) = µv(x) (2) w (t) = µc 2 w(t) Ausserdem muss wegen der Randbedingung v(0) = v() = 0 sein. Nehmen wir jetzt an, µ sei positiv. Dann lautet die allgemeine ösung für die erste Gleichung v(x) = c 1 e µx + c 2 e µx. Aus v(0) = 0 folgt c 1 = c 2, und daher v(x) = c 1 (e µx e µx ) = 2c 1 sinh( µx). Der Sinus Hyperbolicus hat nur eine Nullstelle bei 0. Deshalb kann die zweite Randbedingung v() = 0 hier nicht erfüllt werden. Also kommen nur Konstanten µ 0 in Frage. Für µ = 0 gibt es wegen der Randbedingung nur die konstante ösung. Ist µ negativ, gibt es ein λ > 0 mit µ = λ 2, und Gleichung (1) hat die allgemeine ösung v(x) = c 1 cos(λx)+c 2 sin(λx). Aus v(0) = 0 folgt sofort c 1 = 0, und aus v() = 0 ergibt sich, dass λ eine Nullstelle der Sinusfunktion sein muss. Also hat Gleichung (1) nur dann ösungen, die zu der Randbedingung passen, wenn λ = k π für ein k N 0. Setzen wir dies wiederum in Gleichung (2) ein, erhalten wir schliesslich folgendes Resultat: Ergebnis: Die Produktlösungen der eindimensionalen Wellengleichung zur Randbedingung u(0,t) = u(,t) = 0 für alle t R sind sämtliche Funktionen der Form u(x,t) = sin(k π ( x) αcos(k πc ) t)+βsin(kπc t), wobei k N 0 und α,β R ist.
2 78 Kapitel 3. Partielle Differentialgleichungen Man bezeichnet die Produktlösungen auch als harmonische Schwingungen. Eine einzelne harmonische Schwingung entspricht einem reinen Ton der Frequenz k πc (k N). Die kleinste, für eine vorgegebene Saite mögliche Frequenz ist also die Frequenz ν = πc. Alle anderen möglichen Frequenzen sind ganzzahlige Vielfache dieser Grundfrequenz. Je länger die Saite ist, umso tiefer ist der hörbare Grundton. Ausserdem hängt der Grundton auch vom Material der Saite ab. Tatsächlich hört man, wenn eine Geigensaite angespielt oder eine Klaviersaite angeschlagen wird, niemals nur eine einzige harmonische Schwingung, sondern immer eine Überlagerung von harmonischen Schwingungen. Zum Grundton treten also stets Obertöne hinzu. Die Gewichtung der Obertöne entscheidet dabei über die Klangfarbe des Gesamttons. Durch Superposition harmonischer Schwingungen erhält man sämtliche ösungen der eindimensionalen Wellengleichung. Genauer gilt folgender Satz: Satz Zu beliebig vorgegebenen Funktionen f C 2 ([0,],R) mit f(0) = f() = 0 und g C 1 ([0,],R) mit g(0) = g() = 0 gibt es genau eine ösung u C 2 ([0,] R,R) der Wellengleichung c 2 2 u x 2(x,t) = 2 u (x,t) für alle x [0,], t R t2 zur Randbedingung u(0,t) = u(,t) = 0 für alle t R, die folgende Anfangsbedingungen erfüllt: u(x,0) = f(x) und u (x,0) = g(x) für alle x [0,]. t Diese ösung hat folgende Gestalt: ( u(x,t) = α k cos(k πc t)+β ksin(k πc ) t) sin(k π x), wobei α k = 2 0 f(x)sin(k π x)dx und β k = 2 g(x)sin(k π kcπ 0 x)dx. Für den Beweis dieses Satzes benötigen wir die Fourierentwicklung periodischer Funktionen, mit beliebiger Periodenlänge emma Sei f: R R eine stückweise stetig differenzierbare, periodische Funktion der Periode 2 ( > 0 vorgegeben), das heisst f(x+2) = f(x) für alle x. Dann lässt sich f folgendermassen durch eine gleichmässig konvergente Fourierreihe darstellen: f(x) = c k e ik π x, wobei c k = 1 2 f(x)e ik π x dx. 2 0 k=
3 3.3. Eindimensionale Wellengleichung 79 Beweis. Diese Aussage kann man leicht auf die Fourierentwicklung 2π-periodischer Funktionen zurückführen. Hat nämlich f die Periode 2, so ist die Funktion g:r R, definiert durch g(t) := f( t) eine periodische Funktion der Periode 2π. Nun muss π man nur noch die Fourierreihe von g in x umschreiben. q.e.d. Nun zum Beweis des Satzes: Beweis. Nehmen wir zunächst einmal an, dass die angegebene Reihe gleichmässig konvergiert. Dann folgt, dass es sich um eine ösung der Wellengleichung handelt, weil jeder einzelne Summand die Wellengleichung erfüllt. Die Randbedingung ergibt sich sofort durch Einsetzen. Was uns noch fehlt, ist der Zusammenhang der Koeffizienten α k und β k mit den Anfangsbedingungen. Dazu setzen wir zunächst t = 0 ein und erhalten: u(x,0) = α k sin(k π x). Die Anfangsbedingung u(x,0) = f(x) ist also erfüllt, wenn die Koeffizienten α k gerade so gewählt sind, dass es sich hier um die Entwicklung von f in eine Sinusreihe handelt. Nun ist f eine stetige Funktion auf [0,] mit f(0) = f() = 0. Wir können deshalb f zu einer stetigen, ungeraden Funktion auf[, ] fortsetzen, indem wir für 0 < x definieren f( x) := f(x). Schauen wir uns nun die Fourierentwicklung von f an. Weil f ungerade ist, handelt es sich bei der Fourierreihe eigentlich um eine Sinusreihe, und es gilt: ( 2 f(x) = f(x)sin(k π )sin(k 0 x)dx π x). Durch Koeffizientenvergleich erhalten wir nun die behauptete Form von α k. Durch gliedweises Differenzieren der Reihe ergibt sich ausserdem: u t (x,0) = kcπ β k sin(kπ x). Die Bedingung an die Anfangsgeschwindigkeit ist also genau dann erfüllt, wenn die Koeffizienten dieser Sinusreihe mit den entsprechenden Fourierkoeffizienten von g übereinstimmen. Daraus folgt der angegebene Ausdruck für β k. Durch Vergleich der Fourierreihen von f und g mit der Reihenentwicklung für u ergibt sich auch die gleichmässige Konvergenz. Auf die Details wollen wir hier verzichten. Die Eindeutigkeit der ösung kann man folgendermassen einsehen: Nehmen wir an, u ist eine ösung und t sei fest gewählt. Dann ist u t (x) := u(x,t) eine stetige Funktion auf [0,] mit u t (0) = u t () = 0. Wir können sie also wiederum zu einer stetigen, ungeraden Funktion auf [, ] fortsetzen und erhalten durch Fourierentwicklung eine Darstellung von u t als Sinusreihe der Form u t (x) = γ k (t)sin(k π x),
4 80 Kapitel 3. Partielle Differentialgleichungen wobei γ k (t) = 2 0 u(x,t)sin(kπ x)dx. Betrachten wir nun t wieder als variabel. Durch zweimaliges Ableiten nach t wird daraus γ k (t) = 2 2 u 0 t (x,t)sin(kπ 2c2 2 u x)dx = 2 0 x 2(x,t)sin(kπ x)dx, und durch partielle Integration erhalten wir γ k (t) = 2c2 (kπ )2 u(x,t)sin(k π x)dx = (kcπ 0 )2 γ k (t). Die ösungen dieser linearen Differentialgleichung zweiter Ordnung kennen wir, es folgt γ k (t) = α k cos(k πct) + β ksin(k πc(t)), wobei α k = γ k (0) und β k = 2πc γ k (0). Damit kommen wir auf die behauptete Gestalt der ösung u. q.e.d Beispiele Ist = π, f(x) = sin(nx) für x [0,2π] und g(x) = 0 für alle x, so lautet die ösung der Wellengleichung zu den entsprechenden Anfangsbedingungen u(x,t) = sin(nx)cos(nct) für x [0,2π] und t R. Ist = π, g(x) = sin(nx) für x [0,2π] und f(x) = 0 für alle x, so lautet die ösung der Wellengleichung zu den entsprechenden Anfangsbedingungen u(x,t) = sin(nx) 1 sin(nct) für x [0,2π] und t R. nc Es gibt noch eine zweite Möglichkeit, die ösungen der eindimensionalen Wellengleichung zu beschreiben, und zwar als Überlagerung einer einlaufenden und einer auslaufenden Welle. Dazu betrachten wir die vorgegebenen Funktionen f und g wiederum zunächst als ungerade Funktionen auf [, ] und denken sie uns dann sogar periodisch fortgesetzt zu (2)-periodischen Funktionen auf R. Die dazu passende ösung u = u(x,t) können wir dann auch als (2)-periodische Funktion auf ganz R auffassen. DasZielistjetztzuzeigen,dasses2-periodischeFunktionenv,w:R R gibt mit u(x,t) = v(x+ct)+w(x ct). Für jeden festgewählten Zeitpunkt t beschreibt die Zuordnung x v(x + ct) eine Funktion, deren Graph aus dem Graphen von v durch Verschiebung nach links um ct entsteht, und die Zuordnung x w(x ct) beschreibt eine Funktion, deren Graph aus dem Graphen von w durch Verschiebung nach rechts um ct entsteht. Also können wir den ersten Summanden als mit wachsendem t nach links laufende Welle und den zweiten Summanden als mit wachsendem t nach rechts laufende Welle auffassen, wobei c die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Welle angibt. Um die Behauptung zu zeigen, führen wir zunächst neue Koordinaten ξ = x+ct und η = x ct
5 3.3. Eindimensionale Wellengleichung 81 ein. Dann ist x = 1 2 (ξ +η) und t = 1 (ξ η). 2c Ist u C 2 (R R), so gilt für U(ξ,η) := u( 1(ξ +η), 1 (ξ η)): 2 2c U ξ = 1 u 2 x + 1 u 2c t und 2 U η ξ = 1 4 ( c 2 2 u x 2 u 2 t 2 Die Funktion u ist also genau dann eine ösung der Wellengleichung, wenn für U gilt: 2 U η ξ = 0. Die ösungen dieser Differentialgleichung sind sämtliche Funktionen der Form U(ξ,η) = v(ξ)+w(η), wobei v,w C 2 (R). Denn die Differentialgleichung für U bedeutet, dass die partielle Ableitung U nicht ξ von η, sondern nur von ξ abhängt, und durch Integration über ξ erhalten wir nun: U(ξ,η) U(0,η) = ξ 0 U(ξ, η) dξ =: v(ξ). ξ Setzen wir nun U(0,η) =: w(η), so erhalten wir wie behauptet U(ξ,η) = v(ξ)+w(η). Also können wir die ursprüngliche Funktion u nun wie angekündigt in folgender Form schreiben: u(x,t) = v(x+ct)+w(x ct). Die Anfangsbedingungen u(x,0) = f(x) und u (x,0) = g(x) liefern folgende t Bedingungen an die Komponenten v und w von U: v(x)+w(x) = f(x) und c(v (x) w (x)) = g(x). Also muss die Differenz v w eine Stammfunktion für 1 g sein. Sei G irgendeine c Stammfunktion von g. Dann erhalten wir: ). v(x) = 1 2 (f(x)+ 1 c G(x)+K) und w(x) = 1 2 (f(x) 1 c G(x) K), wobei K eine Konstante ist. Daraus ergibt sich schliesslich für die ösung u folgende Beschreibung: Resultat: Die ösung der eindimensionalen Wellengleichung zur Anfangsbedingung u(x,0) = f(x) und u (x,0) = g(x) für alle x [0,] t (wobei f(0) = 0 = f() und g(0) = 0 = g()) lässt sich folgendermassen als Überlagerung einer auslaufenden und einer einlaufenden Welle darstellen: u(x,t) = 1 2 (f(x+ct)+f(x ct))+ 1 2c x+tc x tc g(s)ds für alle x [0,],t R. Dabei sind f und g zu ungeraden, 2-periodischen Funktionen fortgesetzt. Der Wellenansatz funktioniert auch für eine Saite mit einem unendlich langen freien Ende.
6 82 Kapitel 3. Partielle Differentialgleichungen Satz Seien f, g: R R zweimal stetig differenzierbare ungerade Funktionen mit f(0) = 0 = g(0). Dann erfüllt u(x,t) = 1 2 (f(x+ct)+f(x ct))+ 1 2c x+tc x tc g(s)ds für alle x 0,t R die Wellengleichung und die Randbedingung u(0,t) = 0 (für alle t), sowie die Anfangsbedingungen u(x,0) = f(x) und t u(x,0) = g(x) für alle x 0. Der Separationsreihenansatz wiederum lässt sich auf beschränkte Gebiete in höheren Dimensionen übertragen und man kann so das Verhalten schwingender Membranen oder schwingender Körper beschreiben.
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