EPOCHENSCHWELLE UND EPOCHENBEWUSSTSEIN

Größe: px
Ab Seite anzeigen:

Download "EPOCHENSCHWELLE UND EPOCHENBEWUSSTSEIN"

Transkript

1 SONDERDRUCK AUS EPOCHENSCHWELLE UND EPOCHENBEWUSSTSEIN POETIK UND HERMENEUTIK XII Herausgegeben von Reinhart Herzog und Reinhart Koselleck 1987 WILHELM FINK VERLAG MÜNCHEN

2 INHALTSVERZEICHNIS Vorwort VII I. VORLAGEN... 1 WILFRIED BARNER: Über das Negieren von Tradition - Zur Typologie literatur- programmatischer Epochenwenden in Deutschland... 3 HANS BELTING: Wandmalerei und Literatur im Zeitalter Dantes - Zwei öffentli- che Medien an einer Epochenschwelle CARL DAHLHAUS: Epochen und Epochenbewußtsein in der Musikgeschichte.. MANFRED FRANK: "Ein Grundelement der historischen Analyse: die Diskonti- nuität" - Die Epochenwende von 1775 in Foucaults "Archäologie" MANFRED FUHRMANN: Erneuerung als Wiederherstellung des Alten Zur - Funktion antiquarischer Forschung im spätrepublikanischen Rom.... FRANTisEK GRAus: Epochenbewußtsein im Spätmittelalter und Probleme der Periodisierung WALTER HAUG: Die Zwerge auf den Schultern der Riesen Epochales - und typologisches Geschichtsdenken und das Problem der Interferenzen..... REINHART HERZOG: Epochenerlebnis `Revolution' und Epochenbewußtsein 'Spätantike'- Zur Genese einer historischen Epoche bei Chateaubriand MAX IMDAHL: Bildbegriff und Epochenbewußtsein? HANS ROBERT JAUSS: Der literarische Prozeß des Modernismus von Rousseau bis Adorno REINHART KOSELLECK: Das achtzehnte Jahrhundert als Beginn der Neuzeit 269 THOMAS LUCKMANN: Gelebte Zeiten - und deren Überschneidungen.... im Tages und Lebenslauf... NIKLAS LUHMANN: Paradigmawechsel in der Systemtheorie - ein Paradigma für den Fortschritt? BERNHARD Lypp: Reflexionen zur Gegenwart der Kunst ODO MARQUARD: Temporale Positionalität-Zum geschichtlichen Zäsurbedarf des modernen Menschen CHRISTIAN MEIER: Der Umbruch zur Demokratie in Athen (462/61 v. Chr. ) - Eine Epoche der Weltgeschichte und was Zeitgenossen daran wahrnahmen.. KLAUS SCHREINER: "Diversitas temporum" - Zeiterfahrung und Epochenglie derung im späten Mittelalter

3 KLAUS SCHREINER "DIVERSITAS TEMPORUM" Zeiterfahrung und Epochengliederung im späten Mittelalter' "Unter einer Epoche", schrieb Johannes Haller in der Einleitung zu seinem 1923 zum ersten Mal erschienenen Buch über Epochen der deutschen Geschichte, "versteht man bekanntlich einen Zeitpunkt, bei dem etwas Neues beginnt, ein neues Moment bestimmend in die Entwicklung eintritt, ein Ereignis dem Lauf der Dinge eine neue Richtung gibt. Ereignisse dieser Art bezeichnen wir als epochemachend oder epochal. In übertragenem Sinne nennt man dann wohl auch den ganzen Zeitraum, der von den Nachwirkungen eines solchen Ereignisses beherrscht ist, eine Epoche. Wer sich dieser Bedeutung des Wortes erinnern will, wird wissen, was ich im Auge habe. Es handelt sich um die entscheidenden Augenblicke der deutschen Geschichte, die Wendepunkte ihres Verlaufes`. Haller ging es um Erkenntnis und Ordnung des Vergangenen. Eine solche Ord- nungsleistung, die aus Zeit "gegliederte Zeiten" (tempora distincta) zu machen sucht, verursachte solange keine Schwierigkeiten, als ungebrochenes Vertrauen in die Konti- nuität naturwüchsiger Geschichtsprozesse die Arbeit der Historiker bestimmte. Eine solche Vorgabe, die es für möglich und machbar hält, aus einem homogen gedachten Zeitkontinuum zäsurbildende Wendepunkte des Geschehens herauszuheben, versteht sich heute nicht mehr von selbst. Beim gegenwärtigen Stand des Nachdenkens über Grundfragen der Geschichte und Geschichtsschreibung ist eine derartige Annahme nicht mehr zu begründen. Wissenschaft von der Geschichte, bei welcher "die Vernunft nicht schlafen" soll (Hegel), ersetzt den homogenen Strom der Zeit durch gleichzeitige Ungleichzeitigkeiten; an die Stelle eindeutiger Beziehungen zwischen Ursachen und Wirkungen rückt sie anonyme Verkettungen und Prozesse; sie gibt sich Rechenschaft darüber, daß der "typische Zeitraum" durch eine "Mischung aus inkonsistenten Elementen" gebildet wird' und nur "im Modell. eines * Im folgenden werden Problemfelder abgesteckt, die es mit Zeiterfahrung und Epochenbewußtsein zu tun haben. Eine solche Thematik vollständig und erschöpfend behandeln zu wollen, wäre vermessen. Der Aufsatz bündelt Entwürfe und Einzelskizzen, die es m. E. lohnen, daß ihnen durch weiteres Nachbohren ein höheres Maß an Genauigkeit, Wirklichkeitsnähe und Tiefenschärfe zuteil wird. - Die Wortverbindung `diversitas temporum" ist kein ad hoc gefertigtes Kunstprodukt; sie entstammt der Quellensprache des Mittelalters. `Diversitas temporum" bezeichnet sowohl die Verschiedenheit menschlicher Lebensund Handlungszeiten als auch die Andersheit von Geschichtszeiten. - Die erweiterte Fassung der für die Tagung in Bad Homburg bestimmten Vorlage wird unter dem Titel "'Verschiedenheit der Zeiten'. Zeiterfahrung, Epochenbewußtsein und Epochengliederung im späten Mittelalter" als eigene Schrift erscheinen. J. Haller, Die Epochen der deutschen Geschichte, 4. Aufl., Stuttgart - Berlin 1925, S S. Kracauer, Geschichte - Vor den letzten Dingen, Frankfurt a. M. 1973, S. 171.

4 382 KLAUS SCHREINER aus vielen einzelnen Adern gebündelten Stranges, eines Plurals von Zusammenhän- gen, Traditionen, Sach- und Schulgeschichten, Rezeptionen und Reaktionen" vorge- stellt und erfaßt werden kann'. Ein solches Zeit- und Geschichtsverständnis rechnet mit Konstanten und Gleichförmigkeiten inmitten von Wandel; es trägt der Tatsache Rechnung, daß sich in der historischen Wirklichkeit Vorgänge von langer, mittlerer und kurzer Dauer kreuzen und überlagern. Skepsis in die Erklärungskraft geschichtlicher Periodisierung ließ die Auffassung entstehen, daß Wissenschaft von der Geschichte auf zeitgliedernde Epochenbegriffe durchaus verzichten könne4. Zu behaupten, daß die Gliederung der Zeit in geschicht- liche Zeitalter entbehrlich sei, widerspricht dem in Tradition und Theorie verankerten Aufgabenkanon des Faches Geschichte. Periodisierungen wird gemeinhin eine "klä- rende" und "didaktische Bedeutung" zugeschrieben. Wer nämlich, so wurde gesagt, die "Grenzen eines Zeitalters" festzulegen suche, sei gehalten, dessen Wesen zu bestimmen: "Periodisierung als Wesensbestimmung großer Zeitalter vereinfacht die Geschichtswirrnis". Als Kriterium der Epochenbildung habe die politische Geschichte zu gelten, mit deren Hilfe es möglich sei, unverbundene Fakten als Erscheinungsformen epochaler Ideen und Tendenzen miteinander zu verknüpfen: "Die politische Geschichte, und nur sie, liefert die Epochen eines Zeitalters"5. So begriffene und betriebene Geschichtswissenschaft beruht auf einer doppelten Grund- annahme: Politisch ausgerichtete Epochengliederung verdeutlicht die Eigenart gewe- sener Zeit. Die Rekonstruktion von Epochenschwellen ist ein unabdingbarer Bestandteil historischer Arbeit. Die Notwendigkeit geschichtlicher Periodisierung zählt zu den unumstrittenen Grundsätzen der Geschichtswissenschaft - unabhängig davon, ob diese auf herme- neutisches Verstehen oder theoriegeleitete Erklärung angelegt ist oder nicht. Auch derjenige, der beansprucht, mit Hilfe einer universalgeschichtlichen Theorie den Verlauf der Menschheitsgeschichte deuten und durchschauen zu können, ist gehalten, chronologische Trennlinien anzugeben, welche die Umbildung des Alten und die Entstehung des Neuen in den Blick rücken. "Die Periodisierung", so lautet ein Grundsatz marxistischer Historik, "leistet eine unerläßliche Ordnungs- und Aufbe- reitungsarbeit, die uns das Auffinden historischer Gesetze erleichtert"6. Ein als "Synonym des Begriffs der Gesellschaftsformation" gebildeter Epochenbegriff soll a H. Blumenberg, Die Legitimität der Neuzeit, Frankfurt a. M. 1966, S H. Günter, Artikel "Neuzeit, Mittelalter, Altertum", in Historisches Wörterbude der Philosophie, Bd. 6, hg. von J. Ritter und K. Gründer, Basel - Stuttgart 1984, Sp. 796, zur Frage, was Epochen- und Periodenbegriffe für die Erkenntnis historischer Abläufe tatsächlich leisten: "So hoch die Verständigungsfunktion bei gleichartigen Voraussetzungen sein kann, so gering ist ihr heuristischer \Vert... Die historische Arbeit verwandelt sie, kann aber auch nahezu auf sie verzichten". H. Heimpel, "Über die Epochen der mittelalterlichen Geschichte", in: Der Mensch in seiner Gegenwart, Göttingen 1954, S. 43; 66. e E. Engelberg, "Zu methodologischen Problemen der Periodisierung", in: Theorie, Empirie und Methode in der Geschichtswissenschaft - Gesammelte Aufsätze, hg. von W. Küttler und G. Seeber, Berlin 1980, S Ebd. S. 127.

5 "DIVERSITeiS TET. SPORUAi" 383 "die Vielfalt des historischen Geschehens auf seine Grundlinien" reduzieren, "um eben dadurch das tiefere Eindringen in das Wesen der Ereignisse zu ermöglichen"'. Konsens besteht allenthalben über die Notwendigkeit von Epochenbildung; unterschiedliche Antworten auf die Frage, kraft welcher Maßstäbe welche Ereignisse, Strukturveränderungen oder geschichtsgestaltende Gründerfiguren als epochema- chend gelten können oder nicht, verweisen jedoch auf wissenschaftstheoretische Differenzen, die kaum miteinander zu vermitteln sind. Mangelndes Einvernehmen über Kategorien geschichtlicher Epochenbildung ermöglicht Epocheneinteilungen, die sich sowohl durch ihre zeitliche Reichweite als auch durch ihre inhaltlichen Bestimmungsmerkmale erheblich voneinander unterscheiden. Derartige Divergenzen sind Indikatoren für den subjektiven Anteil, der allen Versuchen der Zeitgliederung eigen und eigentümlich ist. Es zählt zu den methodischen Selbstverständlichkeiten heutiger Geschichtswissenschaft, daß Epochenbe- griffe nicht allein "einflußreiche Neuerungen", "leitende Ideen" und "herrschende Tendenzen" bündeln, den "senso commune" und den "Geist der Zeit" wiedergeben, "ökonomische Gesellschaftsformationen" kenntlich machen oder auf "weltgeschicht- liche Individuen und Ereignisse" vergangener Jahrhunderte Bezug nehmen; Epochen- bestimmungen geben zugleich auch Auskunft darüber, wie Individuen, Gruppen und Generationen ihre eigene Gegenwart sowie deren Ort im Gang der Geschichte gedeutet und verstanden wissen wollen. "Ich habe kaum nötig", schrieb Johann Gustav Droysen in seinen Erwägungen über "Epochen der Geschichte", "hier ausdrücklich darauf aufmerksam zu machen, daß es in der Geschichte so wenig Epochen gibt, wie auf dem Erdkörper die Linien des Äquators und der Meridian- kreise, daß es nur Betrachtungsformen sind, die der denkende Geist dem empirisch Vorhandenen gibt, um es so desto gewisser zu fassen"9. Die Bildung vbn Epochen hat es mit der Konstruktion von Sinn- und Lebenseinheiten zu tun, die sowohl Vergange- nes vergegenwärtigen als auch die "Funktion gesellschaftlicher Selbstbeschreibungen" erfüllen10, wobei, wie polemisch bemerkt wurde, die "Neuheitsqualität" eines Epo- chenanfangs "so gut wie immer übertrieben ist"". Jede Epochengliederung erfüllt demnach einen zweifachen Zweck: Sie dient sowohl der Erkenntnis des Vergangenen als auch dem Selbstverständnis einer Gesellschaft, die nach ihrer Herkunft, ihrer Identität, ihrem Platz in der Geschichte fragt. Ein Epochenbegriff, der beide Aufgaben erfüllt, bedarf des Bezugs zur historischen Wirklichkeit. Bleibt die Bildung von Periodisierungsbegriffen subjektiver Willkür überlassen, sind Epocheneinteilungen als bloße "flatus vocis", als "eine Art Volks- ' Ebd. S J. G. Droysen, Texte zur Geschidustheorie, hg. von G. Birtsch und J. Rüsen, Göttingen S N. Luhmann, `Das Problem der Epochenbildung und die Evolutionstheorie", in: Epochenschwellen und Epochenstrukturen im Diskurs der Literatur- und Sprachtheorie, hg. von H. U. Gumbert und U. Link-Heer, Frankfurt a. ßt. 1985, S. 25. Ebd. S. 26.

6 384 KLAUS SCHREINER glauben der Intellektuellen" einzustufen, "der sich bei näherem Zusehen in Nebel auflöst"12. Für eine Epochenschwelle, die diesen Namen verdient, scheinen zwei Merkmale konstitutiv zu sein: die zunehmende Verdichtung und Verflechtung tiefgreifender Veränderungen in verschiedenen Teilbereichen der Gesellschaft zum einen, die Tatsache, daß diese Veränderungen von den Zeitgenossen selbst als beschleunigter Wandel wahrgenommen werden, zum anderen. Gegenstand der folgenden Überle- gungen ist insbesondere der letztere Gesichtspunkt. Es geht nicht um die Beschreibung realgeschichtlicher Strukturveränderungen. Untersucht werden soll die Frage, ob und in welcher Weise Zeitgenossen des späten Mittelalters und der beginnenden Neuzeit Erfahrungen des Wandels machten, durch die sie sich veranlaßt fühlten, ein neues Verhältnis zur Zeit und zur Geschichte auszubilden. Auf der Suche nach quellengemäßen Antworten wird von folgenden Hypothesen atisgegangen: Soziale Differenzierung schärft die Aufmerksamkeit für die Zeitlichkeit der eigenen Existenz sowie den Zeitbezug wirtschaftlichen, politischen und sozialen Handelns (I). Zeiterfahrung, die durch beschleunigten Wandel geprägt ist, verändert das überkommene Geschichts- und Epochenverständnis (II)13. I "Die, -Zeit", schrieb Petrarca ( ) an Kaiser Karl N., "ist eine überaus kostbare, ja in ihrem Wert kaum abschätzbare Sache" (pretiosissima, immo vero inextimabilis res est tempus)14. Petrarcas Bekenntnis zum Wert der Zeit verdeutlicht eine im späten Mittelalter weit verbreitete Einstellung. Zeitverlust durch Müßiggang und moralisch bedenklichen Zeitvertreib wurde gebrandmarkt. Zeitvergeudung galt als Sünde. Theologen und Prediger ermahnten ihre Leser und Hörer, ihre Zeit so zu 12 Ebd. 13 Den Zusammenhang zwischen der Veränderung des Zeitbewußtseins und dem Übergang von stratifikatorischer zu funktionaler Gesellschaftsdifferenzierung hat insbesondere Niklas Luhmann theoretisch zu begründen versucht. Vgl. ders., Gesellsd., aftsstruktur und Semantik: Studien zur Wissens sziologie der modernen Gesellschaft, Bd. 1, Frankfurt a. M. 1980, Luhmann will insbesondere wissen, "wie das europäische Gesellschaftssystem der frühen Neuzeit durch Veränderungen seines Zeitbewußtseins auf eigenen strukturellen Wandel reagiert und damit semantische Bedingungen für die Verarbeitung von Erfahrungen schafft, die ihrerseits die Transformation der Gesellschaft weiterführen können" (S. 256). Eine solche Fragestellung ist auch auf die sog. Zeit des Mittelalters anwendbar, sofern man nicht dem Vorurteil verfällt, Statik, die gesellschaftliche Außenseite eines metaphysischen Ordnungsprinzips, sei der beherrschende Grundzug des Mittelalters gewesen. - Die Frage, wie die Entstehung des staatlichen Gewaltmonopols und aktive Selbstdisziplinierung oder anders gesagt: das durch zunehmende Funktionsteilung wachsende politisch-soziale Interdependenzgeflecht und "genaue Einteilung der Lebenszeit" miteinander zusammenhängen, ist eine Kernfrage in den geschichtlichen und entwicklungssoziologischen Überlegungen von N. Elias, Über den Prozeß der Zivilisation, Bd 1-2, Frankfurt a. M. 1976; hier: 2, S. 338; 322. Zitiert nach R. Glasser, "Die humanistische Wertschätzung der Zeit in: Die Welt als Geschichte 7 (1941) S , hier: S

7 "DIVERSITAS TEMPORUM" 385 gebrauchen, daß das, was sie in der Zeit denken und tun, zum geistlichen und sittlichen Fortschritt beiträgt. Nachdenken über den Wen der Zeit führte zur Ausbildung einer ausgesprochenen Zeitethik. Die Frage, was der Einzelne tun könne, um seine physische Lebenszeit zu verlängern, wurde zu einer existenziellen Herausforderung (1). Die Ausweitung und beschleunigte Verbreitung des Wissens stellten den Erwerb von Wissenschaft und Bildung unter Zeitdruck (2). Handel und Manufaktur machten neue Formen rationa- ler Zeitökonomie erforderlich. Der Zeitplan kirchlicher Frömmigkeit kollidierte mit Erfordernissen weltlicher Erwerbsarbeit. Preisbildung und Geldleihe sowie das Tempo des sozialen Aufstiegs jener, die durch Reichtum zu Ansehen und Macht gelangten, warfen sozialethische Probleme auf (3). Die wachsende Verselbständigung gesellschaftlicher Funktionsbereiche lenkte die Aufmerksamkeit überdies auf die Zeitbezogenheit politischer, rechtlicher und sozialer Sachverhalte. Der Wandel von Recht (mutatio legis) und Verfassung (mutatio politiarum) wurde zum Gegenstand historisch-politischer Reflexion (4). 1. Lebenszeit. Soziale Differenzierung, die ganzheitliche Ordnungsbilder auflöst, steigert die reflexive Tätigkeit des Einzelnen. Verstärktes Nachdenken über die eigene Lebenszeit ist ein Indiz freiwerdender und freigesetzter Subjektivität. Für eine solche Interpretation spricht außerdem die in anderem Zusammenhang gemachte Beobachtung, daß sich das Zeitverständnis des 13. und 14. Jahrhunderts durch zunehmende "Subjektivierung" oder "Individualisierung" auszeichnete15 Begrifflichen Ausdruck fand dieser Tatbestand nicht zuletzt in der Unterscheidung zwischen eigener, persönlicher Zeit (tempus proprium) und gesellschaftsbezogener, der Allgemeinheit gehörigen Zeit (tempus commune) 16. Verantwortung gegenüber dem Leben des Einzelnen ließ es in Familien des Adels und der stadtbürgerlichen Führungsschicht als wichtig erscheinen, den besten Zeit- punkt der Zeugung zu wissen, das Datum der Geburt aufzuschreiben, das vorteilhafteste "tempus nubile" für Söhne und Töchter zu kennen, vor allem aber über Wege und Mittel der eigenen Lebensverlängerung unterrichtet zu sein. "sj. Leclercq, `Zeiterfahrung und Zeitbegriff im Spätmittelalter", in: Antiqui und tlfoderni: Traditionsbewußtsein und Fortschrittsbewußtsein im späten Mittelalter, hg. von A. Zimmermann, (Miscellanea Mediaevalia 9) Berlin-New York 1974, S. 1-20, hier: S. 8: "Zeit, die im Frühmittelalter eine empirische, ungenaue und sakrale Gegebenheit war", wurde im Spätmittelalter "stärker individualisiert und subjektiver erfahren'-das nicht zuletzt deshalb, weil es gelungen war, mit Hilfe der mechanischen Uhr Zeit nach objektiven Kriterien zu messen. Zur mittelalterlichen Zeitmessung mit Hilfe der mechanischen Uhr vgl. G. Bilfinger, Die mittelalterlidien Horen und die modernen Stunden, Stuttgart 1892; Ph. Wolff, "Le temps et sa mesure au moyen age', in: Annales d'bistoire economique et sociale 17 (1962) S , Leclercq, "Zeiterfahrung" S. 8-14; von G. Dohrn-van Rossum ist eine größere Arbeit über "Die mechanische Uhr und die Auswirkungen der modernen Stundenrechnung im Mittelalter" zu erwarten. Zur Erfindung der `Räderuhren mit Gewicht und Hemmung", die "wahrscheinlich zwischen 1270 und 1300" erfolgte, vgl. R. Wendorff, Zeit und Kultur, Geschichte des Zeitbewußtseins in Europa, 2. Aufl., Opladen 1980, S So Bemhardin von Siena ( ) in seinemtraktat "De temporis venditione, et quando hoc liceatvel non liceat', in: Opera omnia, hg. A. Sepinski, Bd. 4, Quaracchi - Firenze 1956, S. 165.

8 386 KLAUS SCHREINER Leon Battista Alberti ( ), der aus einer Florentiner Bankiersfamilie stam- mende Gelehrte, Literat und Künstler, stellte die für viele seiner Zeitgenossen virulente Frage: "Wie werden wir es machen, dem Menschen ein langes Leben zu sichern? "17. Das von Alberti aufgeworfene Problem ist nicht neu; die Frage ist seit der Mitte des 13. Jahrhunderts mit zunehmender Intensität diskutiert worden. Roger Bacon (ca ) verstand Wissenschaft als Kunst, das Leben des Menschen zu verlängern und den Prozeß des Alterns zu verlangsamen18. "Verlängerung des Lebens" (prolongatio vitae) und "Verlangsamung des Alterns" (retardatio senectutis) bezeichnete der Oxforder Franziskaner als vorrangiges Ziel menschlicher Wissenschaft. In einer alternden Welt (mundus senescens), argumentierte Bacon, werden Men- schen nicht deshalb alt, weil die Welt altert (non propter mundi senectutem). Altern habe andere Ursachen19. Bacon nennt ihrer drei: die Vermehrung der Menschen, welche die uns umgebende Luft verschlechtern (multiplicatio viventium inficientium ipsum aerem, qui nos circumdat), Vernachlässigung der Gesundheitsvorsorge (regi- men sanitatis) durch Speise, Trank, Schlaf und Wachen, Ruhe und Bewegung, schließlich mangelndes Wissen über die Heilkraft von Medikamenten. Altern führte Bacon auf den Verlust an natürlicher Wärme zurück, der nicht zuletzt durch falsches, gesundheitswidriges Verhalten verursacht und beschleunigt werde. Gelinge es dem Menschen, durch gesunde Ernährung, durch innere Ausgeglichenheit und durch geeignete Heilmittel seine natürliche Feuchtigkeit, den "Zündstoff der natürlichen Wärme" (caloris naturalis fomentum), ständig zu erneuern und zu reinigen, werde es ihm auch möglich sein, seine Jugend zu erhalten und kraft Gottes Hilfe das schnelle Kommen des Alters zu verlangsamen (per hoc conservabitur iuventus et festina senectus retardabitur dei virtute excelsi)20. Bacons Theorien, wie sich das Leben verlängern, Jugend und Gesundheit bewahren lasse, stellten theologisch gebildete Zeitgenossen unter Häresieverdacht21. Auch darin zeigt sich das Neuartige und Ungewöhnliche von Bacons Überlegungen, die quer zu eingespielten Denktraditionen lagen. Johannes von Rupescissa (f 1356), ein südfranzösischer Franziskaner, der "nach alchimistischen Mitteln der Lebensverlängerung und der Erleichterung von Altersleiden" suchte, fühlte sich deshalb veranlaßt, seine Lehren und Rezepte von vornherein theologisch abzusichern. Er beteuerte, daß der Alchimist "nicht die von Gott gesetzten Grenzen des Lebens verlängern" könne; wohl aber könne er "die körperlichen Leiden und menschlichen Schwächen unter gnädiger Leon Battista Alberti, Über das Hauswesen-Della Famiglia, übers. von \V'. Kraus, Zürich 1962, S Rogerus Bacon, "Epistula de secretis operibus antis et naturae, et de nullitate magiae c. VII", in: Opera, Bd. 1, hg. J. S. Brewer, London 1958 (Nachdr. 1965), S. 538: Sed ultimus gradus in quem potest artis complementum, cum omni naturae potestate, est prolongatio vitae humanae usque ad magnum tempus. Rogerus Bacon: "De retardatione accidentium senectutis, c. 1: De causis senectutis" in: Opera hactenus inedita Fasc. -IX, cd. A. G. Little et E. Withington, Oxonii 1928, S Ebd. S. 6. R. Sprandel, "Modelle des Alterns in der europäischen Tradition", in: Historische Anthropologie: Der Mensch in der Geschichte, hg. von H. Süssmuth, Göttingen 1984, S. 115.

9 "DIVERSITAS TEriPORUri" 387 göttlicher Mithilfe lindern und damit die Hindernisse, die dem heiligen Gebet und der Meditation im Wege stehen, auf eine wunderbare Weise beiseiteräumen"zz. Die Einbindung neuen medizinischen Wissens in theologische Sinnbezüge schien gegen den Vorwurf der Häresie abzuschirmen. Fragen der Lebensverlängerung berührten Grundfragen der kirchlichen Lehrtradition, die zwischen Sünde und Altern einen ursächlichen Zusammenhang herstellte. Spätmittelalterliche Laien waren aber offenkundig nicht mehr bereit, die eigene Lebensdauer als ein von Gott verhängtes Schicksal, das sich menschlicher Beeinflussung entzieht, unbeteiligt und abwartend hinzunehmen. Die Deutungsangebote der Theologen deckten sich nicht mehr mit den Lebensinteressen und Lebenserwartungen der Laien. "Sorgen wir also dafür", beteu- erte Alberti, "daß diejenigen, welche am Leben sind, so lange als es ihnen möglich ist, unter uns bleiben-"3. Alberti war der Ansicht, daß insbesondere schlechtes Klima, der Genuß verdorbener Nahrungsmittel, ungeordnetes Leben und übertriebene Anstren- gungen die Lebenszeit des Menschen verkürzen. Sorge für ein langes Leben dulde keine Sparsamkeit24. Wenn, so mahnte er, für einen Sohn "die Luft in Florenz... zu dünn ist, so schicke man ihn nach Rom; wenn es ihm dort zu heiß ist, nach Venedig; sollte es ihm dort zu feucht sein, lasse man ihn anderswohin übersiedeln und stelle jeden anderen Vorteil immer hinter die Gesundheit zurück und lasse ihn dort bleiben, wo er ohne irgendeine Schwäche verweilen kann"zs Sorge für den Fortbestand der eigenen Familie lasse es mitunter geboten erscheinen, einen pestkranken Verwandten zu meiden und dem Tod preiszugeben. "Sich selbst zu schaden, ohne daß man dem anderen helfen kann-ich sehe nicht ein, inwiefern das ein Ausfluß von Barmherzigkeit sein soll"26. Grassiere die Pest, "werden die Weisen es vorziehen, sich durch Flucht zu retten, als durch Verweilen anderen nicht zu helfen und sich selbst zu schaden"'. Alberti schrieb für adlige und bürgerliche "Hausväter", denen er zutraute, kraft ihres moralischen Willens und mit Hilfe ihrer wirtschaftlichen Ressourcen für ein langes Leben Vorsorge treffen zu können. Seine Empfehlungen für die Gestaltung der dem Menschen zugemessenen Zeit fußten, genauer betrachtet, auf Gesundheitsregeln der spätmittelalterlichen Diätetik. Nach deren Auffassung trug der rechte Umgang mit der Zeit wesentlich dazu bei, die "Waage des Menschen", d. h. das Verhältnis zwischen inneren und äußeren Kräften, im Gleichgewicht zu halten. Der Mensch, schärfte der Mediziner und Philosoph Paracelsus (Theophrast Bombast von Hohenheim) ( ) seinen Zeitgenossen ein, solle mit Verstand essen und trinken, um genau zu wissen, "was ihm daraus entspringen mag zur Verlängerung seines Lebens Den., Alterssdiicksal und Altersmoral: Die Geschichte der Einstellungen zum Altern nach der Pariser Bibelexegese des Jahrhunderts, (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 22) Stuttgart 1981, S Alberei, Über das Haustresen (wie Anm. 17), S Ebd. S. 153 f. Ebd. S zs Ebd. S Ebd. S. 157.

10 388 KLAUS SCHREINER Wenn... einer isset zu seiner Gesundheit und meidet, was sein Leben verkürzt, der ist der rechte Faster! Denn alle unsere Dinge sollen sein zum langen Leben". Wersich jedoch "zu Tod säuft oder frisset", sei nicht in der Lage, "am Jüngsten Tage seine Völlerei zu verantworten"28. Desgleichen komme es im Wechsel von "Arbeit und Müßiggehen" darauf an, Maß zu halten und das innere Gleichgewicht zu bewahren. Wichtig für die Gesundheit sei gleichfalls der geordnete Wechsel von Schlafen und Wachen. Alles sei im Lot, meinte Paracelsus, wenn der Mensch von 4 Uhr morgens bis 8 Uhr abends wache und danach schlafe. Der Mensch sei nämlich dazu geschaffen, mit der Sonne aufzustehen und wieder mit der Sonne sich zur Ruhe zu legen. Alle anderen Lebensrhythmen seien "wider die Natur" und würden deshalb lebensverkür- zende Krankheiten verursachen29. - In diesen Überlegungen spiegelt sich ein grundlegender Wandel überkommener Mentalitäten, die, den Aussagen des Psalmisten folgend, langes Leben nur als Gabe Gottes erfahren ließen. Der in der Bibel vorgezeichnete Zusammenhang zwischen Sünde und Altern bildete ein Kernstück des von der Kirche gelehrten und gepredigten Altersverständnisses30. Der Fromme, beteuerten mittelalterliche Theologen, lebe länger als der Böse. Sünde verkürze das Leben. Auch die geistige und natürliche Grundverfassung des Menschen, -die Altern zu einer Zeit nachlassender Kräfte, einer Geschichte der Mühsal und des Leidens machte, sei die Folge sündigen Verhaltens. Die "inveteratio seu vetustas nature seu temporis" und die "inveteratio culpae" bedingten sich wechselseitig3t Den lebensverkürzenden Schuldkomplex "Sünde" bezogen mittelalterliche Theo- logen sowohl auf das aktuelle sündige Verhalten des Einzelnen als auch auf die von Adam und Eva herrührende Erbschuld. Vor der Sintflut, behaupteten sie, hätten die Menschen länger gelebt als danach. Die Sintflut habe die Lebensjahre des Menschen verkürzt (anni... facto diluvio breviati sunt)32. Kürzer werdendes Leben deutete der Franziskaner Johannes von La Rochelle (t 1245) als Zeichen zunehmender Sünde und wachsenden Zerfalls. Er meinte: "Im Fortgang der Zeit ist die Zahl der Jahre abgekürzt worden und sie nimmt immer mehr und mehr ab"33. Im Kontext solcher Glaubensüberzeugungen trugen Kenntnisse über die natürliche Funktionsweise des Körpers dazu bei, die Folgen des Sündenfalls wieder rückgängig zu machen. Erfahrungswissen nahm dem frommen Glauben an die lebensbegren- zende Macht der Sünde seine Naivität und Selbstverständlichkeit. Spätmittelalterli- chem Denken und Glauben entsprach es allerdings, in Krisensituationen sowohl von der Medizin als auch von frommen, theologisch anfechtbaren Gebräuchen Hilfe zu 2e H. Schipperges, Paracelsus: Der Mensch im Licht der Natur, Stuttgart 1974, S. 173f. 39 Ebd. S Zahlreiche Belege zu dieser Verbindung bringt Sprandel, Altenschicksal und Altersmoral (wie Anm. 22). Vgl. z. B. ebd. S. 55f.; 59; 63; 69; 74; Ebd. S. 56; Ebd. S Ebd. S. 87: Procedente vero tempore abreviatus est numerus et semper plus et plus decrescit.

11 "DIVERSITAS TEMPORUM" 389 erwarten. Wenn, wie die Kirche lehrte, Sünde das Leben verkürzte, entbehrte es nicht der theologischen Folgerichtigkeit, daß sich spätmittelalterliche Fromme der Hoff- nung hingaben, nicht älter zu werden, solange sie ohne Gelegenheit zur Sünde der Messe beiwohnten34. In der Predigt des 16. Jahrhunderts wurde die Frage nach Ursachen für die Kürze oder Länge des menschlichen Lebens vornehmlich als sittliches Problem behandelt. Prediger und Moralisten beklagten, daß die Leute durch ihr "unmäßiges Fressen und Saufen" das ihnen von Gott geschenkte Alter "verkürzen"35. "Deren", so wurde beklagt, "die ein stattlich Alter erreichen, sind wenig, der größte Teil stirbt gemeiniglich, ehe er zu 40 Jahren kommt, wer 50 oder 60 erreicht, ist alt zu unsern Zeiten"36. So zu predigen, entsprach der kirchlichen Lehr- und Glaubenstradition. Lebens- länge und Lebenskürze wurden vornehmlich als Fragen des Glaubens und der Sitte behandelt. Bacon, Alberti und Paracelsus hatten Regeln für eine methodische, zeitbewußte Lebensführung entworfen. In diesem Spannungsverhältnis zwischen traditionaler Gläubigkeit und selbstverantwortlicher, von rationalen Überlegungen geprägter Lebensführung zeigt sich unstreitig eine veränderte Einstellung zur eigenen Lebenszeit. 2. Zeit der Wissenschaft und der Bildung. Bacons Erwägungen darüber, wie sich menschliches Leben verlängern und der Prozeß des Alterns verlangsamen lasse, sind eingebettet in eine Theorie des wissenschaftlichen Fortschritts. Sie sind gespeist vom Enthusiasmus für eine kommende Wissenschaft, die sowohl die Verlängerung des Lebens als auch die Konstruktion von Flugmaschinen, von selbstfahrenden Wagen und Apparaturen zur Fortbewegung unter Wasser möglich und wirklich machen wird. Wissenschaft ist für Bacon gleichbedeutend mit Vermehrung des Wissens in der Zeit. Produktive \Vissenschaft stütze sich auf Wissensbestände, welche "die alten Philosophen und Gelehrten" (philosophi et doctores antiqui) nach den Möglichkeiten ihrer Zeit (iuxta tempora sua) aufgebaut und der Nachwelt übereignet haben. Sache der "modernen" Gelehrten sei es, "durch Erfindung" (per invencionem) das überlie- ferte Wissen zu erweitern37. \Veil die "ersten Erfinder" (primi inventores) jedweder Hilfe entbehrten, die Nachfahren jedoch an die Erfahrungen früherer Generationen anknüpfen konnten, sei die Weisheit ständig gewachsen (semper crevit sapiencia). Fortschritt der Wissenschaft bedeute deshalb Erweiterung des Wissens "juxta sui So Johannes Gerson ( ), der berühmte Konstanzer Konzilstheologe und Kanzler der Pariser Universität. Vgl. J. Huizinga, Herbst des Mittelalters: Studien über Lebens- und Geistesformen des 14. sind 13. Jahrhunderts in den Niederlanden, S. Aufl., Stuttgart 1961, S ss JohannesJanssen, KulturzuständedesdeutschenVol. (esseitdemausgangdesmittelaltersbiszumbegin n des Dreißigjährigen Krieges, Bd 4, Freiburg i. Br. 1903, S Ebd. S. 299 Anm. 4- Um darzutun, daß `Unmäßigkeit das Leben verkürzt", schrieb der Benediktinermönch Wolfgang Seidel in seinem Fürstenspiegel (1545): "Von der fressercy sind vil gestorben". Vgl. B. Singer, Die Fürstenspiegel in Deutsdiland ins Zeitalter des Humanismus und der Reformation, München 1951, Rogerus Bacon, "Metaphisica de viciis contractis in studio theologie", ed. Robert Stelle, in: Opera hactauu inedita Fasc. 1, Oxonii 1905, S. 4f.

12 390 KLAUS SCHREINER temporis opportunitatem". Vom Fortschritt ausgenommen bleibe allein die göttliche Offenbarung, die ein für allemal abgeschlossen sei38. Den Gedanken, wonach wissenschaftlicher Fortschritt ausschließlich durch die Anstrengung und Solidarität zahlreicher Generationen zustande komme, vertrat nicht weniger entschieden Thomas von Aquin ( ). Bewegung "als Fortschritt zur Vollkommenheit" (progressus ad perfectionem)39 bestimmte seiner Auffassung nach nicht nur die Geschichte des Heils, sondern auch die Geschichte des Wissens und des Glaubens. Fortschritt in den Wissenschaften geschieht in der Abfolge der Zeiten (per successionem temporum), indem Nachfahren die Erkenntnisse ihrer Vorfahren erweitern und vervollkommnen. Wissenschaftlicher Fortschritt vollzieht sich deshalb "schrittweise vom Unvollkommenen zum Vollkommenen" (gradatim ab imperfecto ad perfectum)40. Das gilt nicht nur für den Fortschritt der Wissenschaft im ganzen, sondern auch für die Vermittlung von Wissen zwischen Lehrern und Schülern. Ein guter Meister wird seine Lehre dem wachsenden Denkvermögen seines Schülers anpassen und darauf bedacht sein, Lehren und Lernen als zeitlich gestufte Vorgänge einzurichten. In gleicher Weise "haben die Menschen Fortschritte gemacht in der Erkenntnis des Glaubens durch die Abfolge der Zeiten" (profecerunt homines in cognitione fidei per temporum successionem)i1. Die Einsicht in die Zeitgebundenheit menschlicher Wahrheitserkenntnis war Thomas nicht fremd. Die von Aulus Gellius (um 170) geprägte Sentenz, wonach die "Wahrheit eine Tochter der Zeit" sei (veritas filia temporis)42, hätte sich Thomas vorbehaltlos zu eigen machen können, sofern eine solche Aussage ausschließlich auf die Art und Weise menschlicher Erkenntnis abhob, nicht aber die unwandelbare Substanz göttlicher Offenbarungswahrheiten berührte. Thomas betonte nachdrücklich, daß bei der Vermehrung des Wissens "die Zeit gleichsam eine Erfinderin und gute Helferin sei" (viderur tempus esse quasi adinven- tor, vel bonus cooperator)". Fortgang der Zeit, gekoppelt mit Fortschritten der Wissenschaft, vermehrte das Wissen in einer Weise, daß dessen Aneignung die Zeit wissensdurstiger Individuen und Gruppen erheblich verknappte. Verstärkte Wissensproduktion verursachte insbesondere in klösterlichen Gemeinschaften Probleme der Zeiteinteilung. Gebet und Wissenserwerb mußten zeitlich aufeinander abgestimmt werden. Vernünftige Lebensplanung sollte von Zeitdruck entlasten. Von dem Humanistenpapst Pius II. ( ) berichtet sein Biograph Platina (Bartolomeo Sacchi, ), er habe bis tief in die Nacht, im Bette liegend, Bücher gelesen und Texte diktiert. Zum J8 Ebd. S. 5f. sv Summa theologica III Suppl., qu. 89, a. 2; vgl. auch ebd. I-II, qu. 106 a. 4, qu. 107 a. I 40 Ebd. I-II, qu. 97, a. I. 41 Ebd. II-1I, qu. 1, a 7, ad F. Saxl, "Veritas filia temporis", in: Philosophy and History, Essays presented to E. Cassirer, hg. R. Klibansky/H. J. Paton, Gloucester, Mass. 1975, S ; W. v. Leyden, "Antiquity and Authority: A Paradox in the Renaissance Theory of History", in: Journal of the History of Ideas 19 (1958) , hier: S. 485 f. U In I. Ethic. lect. XI, 13.

13 "DIVERSITAS TEMPORUM" 391 Schlafen seien ihm nicht mehr als fünf bis sechs Stunden geblieben. Aus dieser Askese im Dienst der "litterae" leitete er das Recht ab, jeden Bischof, der sich nicht in gleicher Weise um Bildung und Gelehrsamkeit bemühte, mit einem Esel zu vergleichen". Der italienische Humanist Pietro Paolo Vergerio (1497/ ) verwies auf das nachahmenswerte Verhalten Catos, der selbst im Senat Bücher zu lesen pflegte, um jede Gelegenheit zur Aneignung von Wissen zu nutzen45. Vergerio mahnte überdies zur "ratio temporis" und warnte vor unbedachtem Zeitverlust. Gelehrte sollen weder beim Essen lesen noch über Büchern einschlafen; sie sollen "Instrumente in ihrer Bibliothek haben, mit denen sie Stunden und Zeiten messen und die dahinfließende Zeit mit ihren Augen sehen können`. Der Gelehrte, empfahl Erasmus von Rotterdam (1466/ ), solle unzeitige Nachtarbeit vermeiden. Der Morgen sei vor allem den Musen freundlich und für Studien geeignet. Vor und nach dem Mittagessen empfehle sich ein kurzer Spazier- gang, vor dem Einschlafen solle man zu einem Buch greifen, das etwas "Besonderes" (exquisiti quippiam) und "Gedächtniswertes" (dignum memoria) enthalte47. Erasmus wußte freilich auch dies: Mit Hingabe betriebene Wissenschaft ließ die Zeit knapp werden. Als Paracelsus seinem Baseler Universitätskollegen Erasmus diagnostische Ratschläge "zu langem und gesundem Leben" gab, antwortete Erasmus zurückhal- tend und sanft abweisend: Vor lauter Studien habe er im Augenblick "nicht Zeit zu einer Kur, nicht einmal zum Kranksein oder zum Sterben"48. Jeden Augenblick, der nicht zur Lektüre genutzt wurde, hielten Humanisten für verloren. In ihrem Bekenntnis zur "ratio temporis" spiegelt sich nicht nur das berufliche Ethos einer Bildungselite; die humanistische Wertschätzung der Zeit ist überdies ein Indiz für veränderte Bedingungen der Wissensaneignung. Geordnete Zeit als Möglichkeit und Voraussetzung des Wissenserwerbs gab es bislang nur im Kloster. Geistige Selbstvervollkommnung durch Studium setzte freien Umgang mit der Zeit voraus. In der Welt des späten Mittelalters waren nur Freie in der Lage, nach diesem Ideal ihr Leben einzurichten. Zeit und Arbeitszwang kennzeichneten die Lebensform des bäuerlichen Unfreien, des handwerklichen Gesellen, des in Manufaktur und Bergwerk tätigen Lohnarbeiters. Erst in "Utopia" oder im "Sonnenstaat", wo die Arbeitszeit auf sechs oder gar nur vier Stunden beschränkt bleiben sollte, verlor der Umgang mit Büchern seinen Charakter als soziales Privileg. Im Zuj t ftsstaat des Thomas Morus ( ) und des Tommaso Campanella (15, ) sollte ein hohes Maß an arbeitsfreier Zeit allen Bürgern Gelegenheit geben, sich der "Freiheit und Kultur des Geistes" (animi libertas cultusque) hinzugeben 49.. "' Platina, `Liber de vita Christi ac omnium pontificum', in: Rerurn Italicarum Scriptores 3, S. 358; 363. 'S Petrus Paulus Vergerius, De ingenuis moribus, Venetiis 1493, f. b III'. 4' Ebd. f. c I1-. 'r So in einem Brief an Christian Northoff aus dem Jahre Vgl. Glasser, "Wertschätzung der Zeit" (wie Anm. 14), S " H. Schipperges, `Paracelsus' in: Exempla bistorica, (Epochen der Weltgeschichte in Biographien 23), Frankfurt a , S. 146 Anm. 7. '9 Glasser, "Wertschätzung der Zeit' (wie Anm. 14), S. 178.

14 392 KLAUS SCHREINER Das waren Entwürfe für eine Freizeitgesellschaft, in der wenig gearbeitet und viel gelesen wurde. In der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gesellschaft hinge- gen konnte selbst die Art und Weise der Wissensaneignung in Normenkonflikte verstricken, denen Zeitprobleme zugrundelagen. Der humanistischen Wissenschafts- maxime, Wissen nicht aus zweiter Hand zu schöpfen, sondern unmittelbar "zu den Quellen" (ad fontes) zu greifen, widersprach eine breit anschwellende Übersetzungs- literatur. Diese wurde jedoch mit dem Hinweis gerechtfertigt, daß muttersprachliche Texte die Zeit der Wissensaneignung abkürzen und beschleunigen` Was den einen von Nutzen war, schadete anderen. Der Marquis de Condorcet ( ) machte sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Gedanken darüber, welche Folgen es für das Zeitbudget der verschiedenen Leserkreise habe, wenn auch wissenschaftliche Werke in der Volks- und Landessprache abgefaßt werden. Er räumte ein, daß der Verzicht auf den ausschließlichen Gebrauch des Lateinischen "die Wissenschaften volkstümlicher machte"; er fügte jedoch hinzu, daß der Gebrauch der einzelnen Landessprachen es den Gelehrten schwermache, dem allgemeinen Fortgang der Wissenschaften zu folgen. Der Übergang vom Lateinischen zur Volkssprache bewirke nämlich, "daß ein Buch zwar von einer größeren Zahl wenig unterrichteter Menschen desselben Landes, zugleich aber von einer geringeren Zahl der aufgeklärtesten Menschen Europas gelesen werden konnte». Diese Verände- rung habe "zwar viele lernbegierige Menschen, die weder über Zeit noch Mittel für ausgedehnten und gründlichen Unterricht verfügten, von der Erlernung des Lateini- schen" befreit, jedoch die Gelehrten gezwungen, "mehr Zeit auf die Erlernung verschiedener Sprachen zu verwenden". Um Menschen zu befähigen, sich im Laufe ihres Lebens das erforderliche Heils- und Berufswissen anzueignen, wurde frühzeitige Einschulung gefordert. Schulische Lernvorgänge sollten so eingerichtet sein, daß sie in angemessener Zeit zu guten Ergebnissen führen. Als Geschenk Gottes an die Menschen wurde insbesondere der Buchdruck gerühmt52. Autoren und Drucker des 15. und 16. Jahrhunderts wurden nicht müde, immer wieder auf den Entlastungs- und Beschleunigungseffekt hinzuweisen, der vom Buchdruck beim Erwerb von Wissen ausgehe. Sie erinnerten gleichfalls daran, daß der Buchdruck die Grenzen des alten Bildungssystems gesprengt habe. Dank des Buch- drucks sei nunmehr auch für den gemeinen Mann der Erwerb von Wissen erschwing- lich geworden53 so A. Buck, Italienische Dichtungslehren vom Mittelalter bis zum Ausgang der Renaissance, Tübingen 1952, S. 130; ders., Die humanistische Tradition in der Romania, Berlin - Zürich 1968, S s' Marquis de Condorcet, Entwurf einer historischen Darstellung der Fortschritte des menschlichen Geistes, hg. von W. Alff, Frankfurt a. M. 1976, S. 140f. st Zur providentiellen Bedeutung des Buchdrucks in der Sicht Martin Luthers vgl. E. Lauch, "Luthers bleibende Grüße an die Buchdrucker', in: Luther. Mitteilungen der Luthergesellschaft 23 (1941) S ; H. Widmann, "Divino quodam numine... Buchdruck als Gottesgeschenk", in: Festschrift fiirkarl Hermann Schelkle, Düsseldorf 1973, B7 Ders., "Gutenberg im Urteil der Nachwelt', in: Der gegenwärtige Stand der Gutenberg-Forschung, hg.

15 "DIVERSITAS TEriPORUTi" 393 Wissenschaft und Weisheit, beteuerte der Kölner Kartäuser Werner Rolevinck (t 1502), als er im Jahre 1470 ein breiteres Publikum mit seinem sermo de praesenta- tione beatae hlariae virginis bekannt machen wollte, könnten mit Hilfe des Buchdruckes "schneller" (cicius) und "leichter" (facilius) sehr vielen Personen mitgeteilt werden als in den Zeiten zuvor. Rascher verlief sowohl die individuelle Aneignung von Wissen als auch dessen gesellschaftliche Verbreitung durch Schule, Wissenschaft, Buch und Bibliothek. Für die Liebhaber von "Kunst und Ehre", versicherte der Verfasser der Kölnischen Chronik im späten 15. Jahrhundert, sei jetzt "eine angenehme goldene und selige Zeit" angebrochen; die Erfindung des Buchdruckes gebe nämlich Gelegenheit, "ihren Verstand mit so manchen göttlichen Strahlen" zu erleuchten. Diejenigen aber, die sich nicht in gleicher Weise zu den schönen Künsten hingezogen fühlen, könnten "mit halber Arbeit Jahren"55. Buchdruck so viel lernen in einer kurzen Zeit, als zuvor einer mochte in vielen entlastete von den Folgen des Sündenfalls - der Mühsal der Arbeit. Martin Luther ( ) vertrat die Auffassung, in "vnsern zeiten" sei es leichter, Knaben zum Pfarr- und Predigtamt zu erziehen, "weil itzt nicht allein die heilige schrifft, sondern auch allerley künst reichlich am tage ist, mit so viel buchern lesen predigen (Gott lob) das man ynn dreyen iaren, mehr kan lernen, denn vor hin ynn zwentzigen"56 Was Zeitgenossen als Segen empfanden, kritisierten Nachfahren als Verflachung des Geistes. "Buchdruckerei erfunden! ", meinte Johann Gottfried Herder ( ), "und wie sehr die Welt der Wissenschaft geändert! erleichtert und ausgebreitet! licht und flach geworden! Alles kann lesen, buchstabieren - alles was lesen kann, wird gelehrt "57. Im späten 15. und beginnenden 16. Jahrhundert hingegen wurden Ein- wände gegen den Buchdruck als Zeitprobleme diskutiert. "Die Schrift", gab der gelehrte Humanistenabt Johannes Trithemius ( ) zu bedenken, "wenn sie auf Pergament geschrieben wird, vermag tausend Jahre zu überdauern; wie lange wird aber der Druck (impressura), der ja vom Papier abhängt, Bestand haben? Wenn ein Papierbuch zweihundert Jahre überdauert, ist es viel". Der Schreiber, nicht der Drucker, gebe vergänglichen Texten, die der Erbauung künftiger Generationen dienen sollen, epochenübergreifende "Langlebigkeit". Auf eine. Handschrift werde von H. Widmann, Stuttgart 1972, S Genauere Angaben über tatsächliche Bücherpreise bringen 0. Clemen, `Die Bücherpreise um 1520', in: Gutenberg-Festschrift, hg. von A. Ruppel, Mainz 1925, S ; M. Brecht, 'Kaufpreis und Kaufdaten einiger Reformationsschriften", in: Gutenberg- Jahrbuch 1972, S Einen Versuch, Bücherpreise in Beziehung zu setzen zu Löhnen und Lebenshaltungskosten im späten Mittelalter und in der beginnenden Neuzeit unternahm M. Sauer, Die deutschen Inkunabeln, ihre historischen Merkmale und ihr Publikum, Düsseldorf 1956, S. 21 ff. sa Widmann, "Gutenberg im Urteil der Nachwelt" (wie Anm. 53), S ss Die Cbronnikeu der niederdeutschen Städte: Cöln, Bd 3: Koelhoffsche Chronik 1499, Göttingen 1968, S. 794f. sb Martin Luther, "Eine Predigt, daß man Kinder zur Schulen halten solle", in: Werke, kritische Gesamtausgabe, Bd 30,2. Abt., Weimar 1939, S Johann Gottfried Herder, Mensch und Geschichte. Sein Werk im Grundriß, hg. von W. A. Koch, Stuttgart 1957, S. 174.

16 394 KLAUS SCHREINER zudem mehr Fleiß und Sorgfalt verwendet als auf einen Druck. Sowohl die Recht- schreibung als auch die Ausstattung eines geschriebenen Codex seien besser als die eines Druckes5ß. In der Tat: Klagen über geschäftstüchtige Drucker, die, indem sie auf Korrektoren verzichten, schnell und billig produzieren wollen, sind bei Autoren des beginnenden 16. Jahrhunderts Legioni9. Was jedoch Trithemius aus seinen Gedan- kengängen aussparte, war dies: Auch für die Anfertigung von Handschriften wurde im späten Mittelalter Papier verwendet; umgekehrt mangelt es nicht an Beispielen dafür, daß Klassiker und Bibeltexte auf Pergament gedruckt wurden. Gleichwohl war Trithemius davon überzeugt, daß "die Zeit, das kostbarste Gut überhaupt", beim Abschreiben von Büchern fruchtbringend genutzt werde. Deshalb sei es auch Mönchen und Laien erlaubt, an Sonn- und Festtagen, moralisch nützliche Materien, geistliche Texte und heilige Bücher zu schreiben. Nur wer "gegen Bezah- lung" (pro precio) schreibe, verrichte, wie nutzbringend auch der Gegenstand seines Schreibens sein möge, "niedrige Arbeit" (servile opus), die gegen das Gebot der Sonntags- und Festtagsheiligung verstoße. 3. Zeit derarbeit, der Wirtschaft und des sozialen Aufstiegs. Das Spannungsverhält- nis zwischen Sonntagsheiligung und Erwerbsarbeit verweist auf entgegengesetzte Zeitauffassungen. In einer Zeit; in der die Zahl der Feiertage zunahm und das Bedürfnis nach Arbeitszeit größer wurde, mußten kirchliche und weltliche Zeitinter- essen aufeinander abgestimmt werden. Die Zeit, die allein Gott gehört, geriet in Widerspruch zur Zeit, die Mittel von Erwerb und Gewinnsucht sein kann; zwischen der "Zeit der Kirche und der Zeit des Händlers" kam es zum Konflikt". Theoretische und praktische Ausgleichsversuche trugen jedoch langfristig dazu bei, das gespannte Verhältnis zu entschärfen. Auf dem Konzil von Lyon im Jahre 1274 warnte der dominikanische Ordensgeneral Humbert de Romanis (t 1277) vor einer unkontrollierten Vermehrung der Feiertage. Das Nichtstun an Feiertagen, argumentierte er, gebe in verstärktem Maße Gelegenheit zu sündhaftem Verhalten. Im übrigen würden die vorhandenen Arbeitstage kaum ausreichen, um ärmere Schichten in die Lage zu versetzen, aus eigener Kraft ihren 58 Johannes Trithemius, De laude scriptorum: Zum Lobe der Schreiber, eingel., hg. und übers. von K. Arnold, (Mainfränkische Hefte 60) Würzburg 1973, S. 62. sv Vgl. die Quellennachweise bei J. Janssen, Kulturzustände des deutschen Volkes seit dem Ausgang des Mittelalters bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges, Bd 7, Freiburg i. Br. 1904, S Trithemius, De laude scriptorum (wie Anm. 58), S. 60. Zur Schreibtätigkeit an Sonn- und Feiertagen vgl. auch Stephan Landskron, Mitglied des regulierten Chorherrenstifts der Augustiner zu St. Dorothea in Wien, in seiner 1464/65 abgeschlossenen Himmelsstraße: wenn einer "in ainem puch list und cttwas unrechts da vindt, das mag er gorrigiren oder gerecht machen. Das aber ainer umb lön oder aus ainem puech in das ander schreib oder corrigier oder lang brieff oder instrument mach und schreib oder des geleichen, das ist unczimleich an feyrtagen an notturft" (P. E. Weidenhiller, Untersuchungen zur deutschsprachigen katechetischen Literatur des späten Mittelalters: Nach den Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek, (MünchenerTexte und Untersuchungen zur Deutschen Literatur des Mittelalters 10) München 1965, S. 184). 61 J. Le Goff, "Zeit der Kirche und Zeit des Händlers im Mittelalter, in: M. Bloch, F. Braudel, L. Febvre u. a., Schrift und Materie der Geschichte: Vorschläge zur systematischen Aneignung historischer Prozesse, hg. von C. Honegger, Frankfurt a. M. 1977, S

17 "DIVERSITAS MMPORUri" 395 Lebensunterhalt zu erarbeiten62. Mit der nämlichen Begründung trat auch Pierre d'ailly ( ) auf dem Konstanzer Konzil dafür ein, man solle an allen Heiligenfesten nach der Messe körperliche Arbeit gestatten; davon ausgenommen sollten nur Sonntage und größere Kirchenfeste bleiben. Der Reformer befürchtete, daß Feiertage nicht die Frömmigkeit erhöhen, sondern zu sündhaftem Verhalten verleiten würden; er brachte überdies in Erinnerung, daß der arme Mann, wenn er an Feiertagen nicht arbeiten könne, in Existenz- und Versorgungsnöte gerate63. Auf die Frage, ob die "gemeinen firtag" nicht zu Lasten der "armen luten" überhandnehmen würden, gaben denn auch die in Konstanz versammelten Konzilsväter die Antwort, es sei besser, wenn die Leute an Werktagen "wurketen", als daß sie an Feiertagen "zu dem win und zu den tanczen gond". Das Übel der zahlreichen Feiertage lasteten die Konzilsväter dem Papst an, der kraft seines Kanonisationsrechtes "bißher vil newer heilgen gemacht"". Dieser Mißstand sei nur dadurch zu ändern, daß ohne Einwilli- gung des Konzils fürderhin kein neuer Feiertag eingeführt werden dürfe. Erasmus von Rotterdam gab folgendes zu bedenken: Im Neuen Testament, wo alle Tage gleich sind, sei nichts über Feiertage zu finden. Für die Abschaffung der zahlreichen Feiertage, die in nachapostolischer Zeit "aus den leichtfertigsten Gründen" eingerichtet worden seien, machte er sowohl sittliche als auch ökonomische Gründe geltend. "Würde ein Arbeitsmann nicht besser daran tun, für seine Familie zu arbeiten als einen Heiligen zu ehren? Soll ein Bauer seine Ernte lieber verderben lassen, als daß er einen günstigen Tag, der einem Heiligen geweiht ist, ausnützt"65? Erst die Abschaffung der Heiligenfeste durch die Reformation kam einer "Revolu- tion" der Arbeitszeit gleich. Die entthronten Heiligen verursachten eine Profanierung von Zeit, die wirtschaftlich genutzt werden konnte66. Bislang hatten die kirchlichen 62 E. C. Rodgers, Discussion of Holydays in the Later Middle Ages, New York 1967, S ' Ebd. S s` Acta Concilii Constanciensis, Bd 2, hg. von H. Finke, Münster i. W. 1923, S R. H. Bainton, Erasmus: Reformer zwisd. jen den Fronten, Göttingen 1972, S Erasmus forderte überdies die Bischöfe dazu auf, sich daran zu erinnern, "daß Gesetze auf der Zustimmung der Regierten begründet sind. Sie sollen das Seufzen derjenigen hören, denen unerträgliche Lasten aufgeladen sind". Treffen die Feststellungen des Erasmus zu, empfanden Handwerker und Bauern die kirchlichen Festtage als Einschränkung ihrer Arbeitszeit. \Viren Bauern und Handwerker verpflichtet gewesen, weniger Feiertage zu feiern, hätten sie die Möglichkeit gehabt, sich stärker um ihre materielle Existenzsicherung zu kümmern. Die Straßburger Handwerkergesellen dachten in diesem Punkt anders. Vgl. u. Anm. 67. Als sich der Nürnberger Rat 1525 entschloß, "die uberfliessigen feyerteg abzuthun", tat er das mit der Begründung, "das auß den feyertagen, wie die bisher gehalten seind worden, anders nichts dann aller ubel, laster sehend, zutrinken, morderey und anders entstanden". Für die Feiertage gebe es keinen "cristenlichen grund"; sie seien vielmehr aus Gruppeninteressen der Kleriker und Kaufleute entstanden, "damit man Nil Opfer und einen grossem jarmarck hab dann an den gemeinen werckentagen". Hand- werksmeistern sollte es fürderhin "frey und erlaubt" bleiben, "an werckentagen zu arbeyten oder zu feyern; ein ytlicher bedenck sein nutz'. Im Blick auf die zu erwartenden Beschwerden der Knechte und Ehalten gab der Rat seiner Hoffnung Ausdruck, es "werde mancher ehalt noch fro sein, das er am feyertag und sonst nach seins maisters begern arbeyt, damit er das prot verdiene und zu essen hab". Ein Christ, der seine "cristenliche freyheit" richtig bedenke, würde, indem er "seine handarbeyt" verrichtet, "alle tag feyem". \'gl. Quellen zur Nürnberger Reformationsgeschichte, bearb. von G. Pfeiffer, Nürnberg 1965, S In Basel wurden aufgrund eines Raubeschlusses vom etwa 20

18 396 KLAUS SCHREINER Heiligen dafür gesorgt, daß faktisch nur an fünf Wochentagen gearbeitet werden mußte; nachdem die Reformatoren die Heiligen als Götzen entlarvt hatten, waren es sechs. Kein Wunder, wenn die Straßburger Gesellen darum baten, mit ihrer Lage "ein christlichs einsehens" zu haben, da durch die Abschaffung der Heiligenfeste ihre Arbeitszeit erhöht worden, ihr Lohn aber gleichgeblieben sei. Nutznießer der abge- schafften Heiligenfeste waren die zünftigen Meister, die mehr und billiger produzieren konnten, weil sie nicht gehalten waren, die in Arbeitszeit umgewandelte Festzeit eigens zu entlohnen. Schaffe man die "feyertag" ab, ohne daß der "wuchenlon umb keinen heller gebessert" werde, könne nicht mehr von "brüderlicher liebe und eynigkeit" gesprochen werden, eher von "eynem deckmantel oder eygennutse"67. Im protestantischen Geschichtsbild des 19. Jahrhunderts wurde die Abschaffung der altkirchlichen Heiligenfeste als Triumph des Bürgerfleißes gefeiert. Marxistische Kirchenkritiker brandmarkten den Protestantismus als die den "neuen Handels- und Industriebedürfnissen der Bourgeoisie angepaßte Form der Kirche", die sich nicht "um die Erholung des Volkes" kümmere, sondern die "Heiligen im Himmel" entthront habe, um ihre Feste auf Erden abschaffen zu können". Der "Haß gegen die Feiertage", so behaupten sie, habe sich erst in dem Moment bemerkbar gemacht, "wo die moderne industrielle und kommerzielle Bourgeoisie auf die Bühne tritt, d. h. im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert`. Derartige, durch den Streit um Heiligenfeste ausgelöste Interessenkonflikte sind symptomatisch für eine Gesellschaft, in der religiöse und weltliche Zeitordnung eng miteinander verflochten waren. Handwerksgesellen, die an ihre vitalen Lebensinter- essen dachten, erfuhren die Reformation nicht als Sieg des Evangeliums, sondern als Bewegung, die ihre Arbeitszeit verlängerte, ohne ihre Entlohnung aufzubessern. Die als Götzendienerei entlarvte Heiligenverehrung kam nicht den Gesellen, sondern den Meistern zugute. Soziale Folgen ergaben sich zwangsläufig, wenn eine religiöse Feiertage abgeschafft. Der Rat tat das mit der Begründung, daß Gott nur den Sonntag zum Ruhetag bestimmt habe. Überdies wurden an Feiertagen während der Woche "mehr als an anderen Werktagen alle suendliche und argerliche Ueppigkeit, es sey mit Spielen, Saufen, Prassen, Hurerey, Tanzen, Hoffart und anderm, so den Sünden dienlich, geuebt, aus dem dann Todtschlaege und dergleichen Uebel erfolgen". Zitiert nach K. Schulz, Handwerksgesellen und Lohnarbeiter: Untersuchungen zur oberrheinischen und oberdeutschen Stadtgeschichte des 14. bis 17. Jahrhunderts, Sigmaringen 1985, Anm Das Argument war nicht neu. Bereits spätmittelalterlichetheologen hielten es für besser, am Sonntag zu arbeiten, "denn newr ein unchewsch werch oder ander totsunde zu verpringen". Zitiert nach K. Wiedemann, Arbeit und Bürgertum: Die Entwicklung des Arbeitsbegriffs in der Literatur an der Wende zur Neuzeit, Heidelberg 1979, S. 98. Das Zitat stammt aus dem Gewissensspiegel des Martin von Amberg. G. Schanz, Zur Geschichte der deutschen Gesellen-Verbinde: Mit SS bisher unveröffentlichten Documenten aus der Zeit des Jahrhunderts, Leipzig 1877 (Neudruck Glashütten 1973), Nr. 96, S. 24& Vgl. dazu auch Schulz, Handwerksgesellen (wie Anm. 66), S Zum Kampf um die "Entlohnung an den Feiertagen", um "bezahlte Feiertagsruhe" im steirischen Bergbau vgl. A. Koch, Arbeitsrechtliche Bestimmungen am steirischen Erzberg im 16. Jahrhundert, Graz 1942, S Vgl. S. 104: "Wiederholt ist es dem Landesfürsten und den Radmeistern und darüber hinaus der Wiener Regierung gelungen, einzelne Feiertage abzuschaffen. Im ganzen gesehen jedoch ist es der Arbeiterschaft immer wieder möglich gewesen, ihren Anspruch auf bezahlte Arbeitsruhe in einem Umfang zu verteidigen, der unseren heutigen Vorstellungen über Urlaub nichts nachgibt". P. Lafargue, Das Recht der Faulheit, hg. von I. Fetscher, Wien 1966, S. 33 Anm. 9.

19 "DIVERSITAS TEMPORUM" 397 Ordnung, in die auch gesellschaftliche Werte und Interessen eingelassen waren, verändert wurde. Die Abschaffung der Feiertage erfüllte deshalb gleichermaßen religiöse und wirtschaftlich-soziale Zwecke: Sie trug sowohl den Grundsätzen einer erneuerten Theologie als auch den Zielen einer neuen Wirtschaftsgesinnung Rech- nung. Letztere dokumentierte sich überdies in dem Bemühen, den Arbeitsertrag sowohl durch Verschärfung der Zeitkontrolle als auch durch eine intensivere Nutzung der Arbeitszeit zu verbessern. Unpünktlichkeit wurde zu einem strafwürdigen Delikt, Fleiß zu einer Sache des Arbeitstempos. Das Bemühen um Steigerung des Arbeitsertrags durch beschleunigtes Arbeitstempo kam dem gleich, was man seit dem späten 18. Jahrhundert als "Industrie", als "Erwerbs-" und "Kunstfleiß" bezeichnete - die "möglichste Uebung und schnelle Anwendung der Leibes- und Seelenkräfte an mannichfaltigen Gegenständen", die "sparsame Verwendung der Zeit und Kräfte zur Verbesserung des Wohlstandes und Lebensgenussesi69. Spätmittelalterliche Kloster- satzungen stellten langsames Arbeiten unter Strafe. Puritanische Theologen werteten Arbeitsunlust als "Symptom fehlenden Gnadenstandes" (Max Weber). In der Praxis täglicher Arbeitsvollzüge steigerte der Übergang vom Zeit- zum Stücklohn das Tempo der Arbeit. Ökonomische Erwägungen machten es überdies erforderlich, den natürlichen Zeitrhythmus von Tag und Nacht, von Sonnenaufgang und Sonnenunter- gang zu durchbrechen. Im Bergwesen, das auf ununterbrochenen Betrieb angelegt war, wurden die 24 Tag- und Nachtstunden Die drei Zwischenstunden in drei Schichten eingeteilt. Jede Schicht dauerte sieben Stunden. dienten dem Schichtwechsel. "Die erste Schicht", vermerkt der Chemnitzer Stadtarzt und Bürgermeister Georg Agricola ( ) in seiner 1556 im Druck erschienenen Abhandlung über Berg- und Hüttenwesen (De re libri XII), "beginnt metallica um 4 Uhr morgens und dauert bis 11 Uhr; die zweite beginnt um 12 Uhr und endet um 7 Uhr; diese beiden die sind Tagschichten und werden in Früh- und Mittagsschicht geteilt. Die dritte ist die Nachtschicht, sie nimmt um die achte Abendstunde ihren Anfang und endet um 3 Uhr nachts". Zwei Schichten hintereinander zu fahren, vyar dem Bergmann verwehrt, "weil ihn sonst meist der Schlaf in der Grube übermannt, wenn er durch so lange Arbeit erschöpft ist oder weil er dann gern später zur Schicht kommt oder sie früher beendet, als vorgeschrieben ist"70. Durch diese Vorschrift sollte verhindert werden, daß ermüdeten Arbeitern für 69 F. W. Kohler, Gedanken über Einführung der Industrieschulen, auf Begehren der Württembergischen allgemeinen Landesversammlung aufgesetzt und übergeben, Leipzig 1801, Erster Abschnitt S 1. Ebd. S 2: `Industrie ist mehr als Fleiß. Der Fleiß benutzt nur, was da ist, arbeitet an einem gewohnten Gegenstande nach dem Herkommen, in einem immer gleichen Zeitmaaße. Industrie aber ist erfindsam, sucht immer mehrere Gegenstände hervor, veredelt sie, breitet sie aus, und sucht bei der Bearbeitung derselben bald an Zeit, bald an Kräften zu gewinnen". n Georg Agricola, 12 Bücher vom Berg- und Hüttenwesen, übers. und bearb. von C. Schiffner, München 1977 (Nachdruck der 3. Auflage Düsseldorf 1961) S Um arbeitshemmender Müdigkeit entgegenzuwirken, sollten Bergleute singen. `Damit sie aber", schreibt Agricola, "infolge des langen Wachbleibens oder wegen Abspannung nicht einfach einschlafen, so suchen sie sich die harte und lange Arbeit durch Gesang, der weder ungebildet noch unangenehm klingt, zu erleichtern" (ebd. ). Indem sie das

20 398 KLAUS SCHREINER geringerwertige Arbeit der volle Lohn bezahlt werden muß. Zwei Schichten zu übernehmen, wurde dem bergmännischen Lohnarbeiter hin und wieder nur dann gestattet, "wenn er von dem Lohne nur einer Schicht, besonders wenn Teuerung schwer drückt, nicht leben kann"71. Durch das Läuten einer großen Glocke, die den Zeitangaben einer mechanischen Uhr folgte, wurden Anfang und Ende der Arbeitszeit angezeigt. Eingeteilte, mit Uhren gemessene Zeit, die es im frühen und hohen Mittelalter nur in Klöstern, "den Pflanzschulen der rationalen Lebensführung" (Sombart), gab, wurde zu einem Bestimmungsmerkmal weltlicher Berufsarbeit. Im Bergwerk selbst funktionierten mitunter auch Grubenlampen als Zeituhr. Sie "zeigen das Ende der Schicht an, wenn der Unschlitt fast ausgebrannt ist oder ganz ausgeht"72. Der Samstag war arbeitsfrei; da kauften Bergleute "alles das ein, was für den Lebensunterhalt nötig ist». An Sonn- und Feiertagen opferten die Bergleute "ihre Schicht heiligen Zwecken". An Feiertagen zu arbeiten, "wenn die Not es dringend fordert", wurde "nicht als der Religion widersprechend angesehen"73. Zeitprobleme anderer Art stellten sich für den Bergunternehmer, der sich kraft Eigentum und Herrschaft Erträgnisse fremder Arbeit aneignete. Der unternehmende Bergmann, versicherte Georg Agricola, könne "in kurzer Zeit" ohne Gewalt und Betrug zu Reichtum gelangen. Nur übelwollende Gegner des Bergwesens würden prophezeien, daß Bergleute oder ihre Kinder aufgrund ihrer unehrlichen Praktiken "in kurzer Zeit in Armut geraten"7'. Kurzfristiger Gewinn kostete allerdings seinen Preis. Ein Grubenbesitzer, "der bestrebt ist, sein Vermögen zu mehren", müsse "oftmals Tag und Nacht in der Grube bleiben", um "einige Zeit auf die Untersuchung des Verhaltens der Gänge und Klüfte zu verwenden und sowohl untertag als auch übertag alle Arbeitsweisen sich genau anzusehen und gründlich zu beobachten"75. Verstärktes Reichtumsstreben machte Zeit zu einem knappen, kostbaren Gut taten, folgten sie dem Beispiel mittelalterlicher Zisterzienser, die bei der Arbeit unter freiem Himmel Psalmen zu singen pflegten. Vgl. L. Dolberg, "Cisterzienser-Mönche und Conversen als Landwirthe und Arbeiter", in: Studien und Mittheilungen aus dem Benedictiner- und dem Cisterzienser-Orden 13 (1892) S. 222 f. Auch die Laienbrüder und Regularkanoniker der \Vmdesheimer Kongregation pflegten während der Handarbeit "den Brauch, deutsche Psalmen zu singen" (H. M. Franke, Der Liber Ordinarius der RegularkanonikerderWindesheimerKongregation, (Studia VindesemensiäIl, 1) Leverkusen - Opladen und Bonn 1981, S. 71). Wenn die Mönche von Cluny Bohnen enthülsten, Unkraut ausjäteten oder in der Bäckerei Brote formten, sollten sie dabei Psalmen beten (vgl. B. Egger, Geschichte der Cluniazenser-Klöster in der Westschweiz, (Freiburger Historische Studien 3) Freiburg/Schweiz 1907, S. 219). Agricola: Berg- und Hüttenwesen (wie Anm. 70), S. 77. Ebd. S. 78. Ebd. - Vgl, dazu auch Matthes Enderleins Joacbimsthaler Berggebräuche ( ): "Wo es die not erfordert, uber feyertage anzufahren, da sollen heuer, jungen und knechte am sontag anzufahren schuldig sein" (Das erzgebirgische Bergrecht des 15. und 16. Jahrhunderts, bearb. von H. Löscher, Teil I: Die erzgebirgischen Berggebräuche des 16. Jahrhunderts und ihre Vorläufer seit etwa 1450, (Freiberger Forschungshefte D. 24) Berlin 1957, S. 140). Georg Agricola, Berg- und Hüttenwesen (wie Anm. 70), S. 18. Ebd. S. 23.

21 "DIVERSITAS TE3iPORUTi" 399 Wirtschaftlicher Erfolg wurde zu einer Zeitfrage. Das galt sowohl für den Umfang und die Nutzung der Arbeitszeit als auch für die Wahl des richtigen Zeitpunktes beim Kauf und Verkauf von Waren. Ethisch relevante Zeitprobleme stellten sich im Kaufmannsberuf überdies bei der Bildung gerechter Preise, bei der Gewährung von Kredit, der als bloßer "Zeitverkauf" aufgefaßt und gebrandmarkt wurde, und schließlich bei der Pflege kirchlich gebotener Frömmigkeit, die durch beruflich bedingten Zeitmangel Schaden zu nehmen drohte. Preise, schrieb Bischof Antonin von Florenz ( ) auf Zeit, Orte und Personen" (respectu temporum, locorum sollen "unter Rücksicht et personarum) festgelegt werden76. Es sei sittenwirdrig, Waren zur selben Zeit und am selben Ort billig einzukaufen und teuer zu verkaufen. Kaufmannschaft \Varen, die "in großer Quantität" sei nur dann rechtens, wenn (in notabili quantitate) eingekauft werden, "nicht sogleich, sondern von Zeit zu Zeit und Stück für Stück" (non statim, sed de tempore in tempus et per partes) und mit einem angemessenen Gewinnaufschlag angeboten werden. zum Verkauf Zinsnahme wurde als unmoralischer Verkauf von Zeit definiert. Geldleihe verkehre die Natur des Geldes, das seiner Natur nach nicht wertbildend sei, sondern nur in Verbindung mit menschlichem Fleiß eine Quelle des Gewinns sein könne. Bei Zinsgeschäften entstehe jedoch Gewinn durch den Verkauf der Zeitfrist zwischen Leihe und Rückzahlung. Die von Gott geschaffene und dem Menschen geschenkte Zeit sei ihrem Wesen nach unverkäuflich78. Kampf gegen Zinswucher im Namen der Zeit beschränkte sich nicht allein auf Disputationen und Traktate lateinisch sprechender und lateinisch schreibender Theo- logen. Volkssprachliche Laienspiegel des späten Mittelalters suchten einem breiten Laienpublikum jene Bedenken, Vorbehalte und Einwände zu vermitteln, mit denen Fachtheologen moralische Defizite bürgerlichen Erwerbsstrebens kritisierten. Die erste Ungerechtigkeit, so heißt es in einem Spiegel des Christenglaubens aus dem späten 15. Jahrhundert, bestehe darin, daß der Wucher "die zijt vercoyft die got allen mynschen ghemeyn ghemacht hevet nemant vis ghenomen". Möge ein reicher Mann auch mehr Geld haben als ein armer, so habe er doch "neit meer an der ziyt dan eyn arm mynsch". Und weil der Arme "die ziyt also viel ghebruychen mach" als der C. Ilgner, Die volkswirtsdiaftlidden Ansdiauungen Antonins von Florenz ( ) Paderborn 1904, S. 79. " Ebd. S. 83. " Iohannes Wpcliff, De dominio divino libri tres, hg. R. L. Pool, London 1890, S. 36f.: Conceditur"tamen hominem in pane habere usum temporis, non tarnen ut posset tempus faccre, conservare, vendere, abdicate, et sic de aliis accedentibus dominii quos posset circa sublunaria possessa exercere: est ergo homo incomplete et imperfecte dominus temporis. - Bernardinus Senensis, Sermo 43 (Quantum usura adversetur Deo et usurarium idolatrare fach), in: Opera omnia, Tom. IV, Quaracchi - Firenze 1956, S Vgl. J. T. Noonan jr., The Sdiolastic Analysis of Usury, Cambridge, Massachusetts 1957, S Vgl. M. Pacaut, "Saint Bemardin dc Sienne et l'usurc, in: Le Moycn Age 69 (1963) S ; Le Goff, `Zeit der Kirche' (wie Anm. 61), 5.393; 410 Anm. 2.

22 400 KLAUS SCHREINER Reiche und weil der Reiche "die rast beyde des daghes inde des nachtes" verkauft hat, darum soll ihm "die ewyghe rast benomen werden"79. Auf Kritik stieß überdies die Unruhe, mit der Kaufleute ihren Geschäften nachgingen. Kaufmännisches Erwerbsstreben, so wurde ihnen von kirchlichen Moralisten vorgeworfen, -lasse keine Zeit mehr für die Sorge um das eigene Seelenheil. Kaufleu- ten, "dy iren fleyzz tag und nacht legen auf irdyschs gut", so daß sie vor lauter Geschäftigkeit "nicht gepeten mögen", wurden keine Heilschancen eingeräumt80. Ein Prediger des 17. Jahrhunderts sagte: "Steigt auf die Höhen, meine Brüder, von denen aus man das Leben in den Städten übersehen kann. Richtet Eure Blicke auf das Treiben ihrer Einwohner. Was seht Ihr da? Menschen, die hin und her eilen, ständig in Bewegung sind, miteinander Verhandlungen pflegen, sich gegenseitig aufsuchen. Sie kümmern sich um alles Mögliche; nur um eines kümmern sie sich nicht, um das Heil ihrer Seele"81. Die Hauptsünde des Bürgers bestand darin, für Gott keine Zeit zu haben. Eine rastlose, auf Gewinn bedachte Berufstätigkeit widersprach nicht nur dem Gebot christlicher Nächstenliebe, sie führte auch dazu, daß Gott und die von ihm offenbar- ten Handlungsnormen aus dem Bewußtsein unermüdlich tätiger Bürger verdrängt wurden. Zeitprobleme nahmen außerdem den Charakter von "casus conscientiae" an, wenn nach der sittlich angemessenen Dauer von Reichtumsbildung und sozialem Aufstieg gefragt wurde. Aufstieg in der spätmittelalterlichen Gesellschaft mußte schritt- und stufenweise erfolgen, sollte er nicht gegen die herrschende Sozialethik verstoßen. Reichtum, der eine grundlegende Bedingung und Triebkraft sozialen Wandels dar- stellte, galt nur dann als moralisch legitim, wenn er alt und abgelagert war. Alter Reichtum galt insbesondere deshalb als Zeichen von Tugend (signum virtutis), weil angeblich nur tugendhafte Leute in der Lage waren, aus ihren Erwerbungen ein dauerhaftes Besitztum zu machen. Die Erfahrung bestätige das. Die Sitten der "Neureichen" seien gemeinhin schlechter als die der "Reichen von jeher"82. "Neurei- che" würden, wenn sie kraft ihres Reichtums zu Amt und Würden gelangen, eine Sinnesänderung (mutatio animi) durchmachen und sich als Zwingherren ihrer Unter- tanen gebärden83. "Altreiche", lautete die Quintessenz einer solchen Argumentation, verbürgen ständische Kontinuität; "Neureiche" stören die soziale Ordnung. Wirklichkeits- und zeitnäher argumentierte Kardinal Cajetan ( ). Mit Stadtarchiv Köln G. B : Spiegel des Christenglaubens (15. Jahrhundert), f. 29'-33' (über den Wucher) 8 Weidenhiller, Untersuchungen (wie Anm. 60), S fli B. Groethuysen, Die Entstehung derbiirgerlichen Welt-und Lebensanschauung in Frankreich, Bd 2: Die Soziallehren der katholischen Kirche und das Biirgertum, Frankfurta. b1.1978, (Nachdruck derausgabe Halle/Saale 1927), S W. Berges, Die Fiirstenspiegel des hohen und späten Mittelalters, (Schriften desreichsinstituts für ältere deutsche Geschichtskunde 2) Stuttgart 1938 (unveränderter Nachdruck 1952), S. 226 (zum Fürstenspiegel des Aegidius Romanus). 83 Felix Hemmerli , De nobilitate et rusticitate dialogus s. a. et 1., f '.

23 "DNIiRSITAS TEItiIPORUDi" 401 bemerkenswerter Offenheit für gesellschaftliche Realitäten räumte er ein, daß Men- schen seiner Zeit ohne Gewissensskrupel ihren sozialen Status zu verbessern suchten, indem sie Reichtümer sammelten, die über ihren unmittelbaren Bedarf hinausgingen. Die kirchliche Verkündigung konnte auf die Dauer nicht ins Unrecht setzen, was längst zu einer gesellschaftlichen Selbstverständlichkeit geworden war. Eine weitverbreitete Lebenspraxis bedurfte der Rechtfertigung. Um zu begründen, was der herkömmlichen Standesmoral widersprach, bediente sich der Kardinal gleichfalls des Zeitarguments - allerdings in einem anderen Sinne, als das die Verfechter gesellschaftlicher Stabilität taten. Maßstab des Reichtumsstrebens, argumentierte Cajetan, bilde nicht die gegenwärtige soziale Lage eines Menschen, sein "praesens status", sondern dessen angestrebter, gedanklich und handlungsmäßig vorweggenommener "futurus status'. Das statische Prinzip standesgemäßer Bedürfnisbefriedigung ersetzte er durch ein Ethos der sozialen Bewegung, in welchem Standesbedarf nicht mehr an der Gegenwart, sondern an der Zukunft gemessen wurde. Sich ungeachtet konservativer Ordnungsmuster die eigene Zukunft selbst zu entwerfen, wurde zu einer Sache des Individuums. Zumindest einige Theologen waren bestrebt, sozialen Aufstieg im Lichte christlicher Ethik anerkennungswürdig zu machen. 4. Zeitbezogenheit von Politik, Recht und Verfassung. Mit größerer Gelassenheit reagierten spätmittelalterliche Theologen auf Phänomene der Verzeitlichung in Poli- tik, Recht und Verfassung. Deren Zeitbezogenheit wurde wahrgenommen und umschrieben als Rechtsänderung (mutatio legis) und Verfassungswandel (mutatio politiarum) sowie als Forderung nach politischem Handeln, das mit der "qualitas", "necessitas" und "utilitas temporis" übereinstimmte. Die mittelalterliche Rechtsordnung stand nicht, wie oftmals behauptet wird, außerhalb der Zeit. Sie im Wandel und Fortgang der Zeit zeitgemäß umzubilden, war ein Akt politischer Klugheit. Wandel des Rechts "secundum qualitatem tem- poris" meinte Revision überlieferter Normen im Lichte neuer Erfahrungen, bedeutete Stabilisierung des Rechtssystems durch Anpassung an veränderte Umwel- ten. Eine Kirche, die für ihre Rechtssatzungen Gehorsam beanspruchte und Ungehor- sam mit Exkommunikation belegte, mußte auch darüber Rechenschaft geben, wie sich denn der Unterschied zwischen den Lebensformen der Urkirche und der Kirchenver- fassung der Gegenwart erklären lasse. Kirchliche Rechtslehrer des hohen Mittelalters machten für die "diversitas statutorum", die mangelnde Geschlossenheit der kirchli- chen Rechtsüberlieferung, die "diversitas temporum" verantwortlich. Es sei keinesfalls tadelnswert, argumentierten die Teilnehmer des 4. Laterankonzils (1215), wenn sich "secundum varietatem temporum" menschliche Lebens- und Handlungsnormen ändern, zumal wenn eine "urgens necessitas" oder eine "evidens utilitas" das erfor- " W. Friedberger, Der Reicbtuntserwcrb im Urteil des hl. Thomas von Aquin und der Theologen im Zeitalter des Friýbkapitalismus, Passau 1964, S , hier: S. 114 Anm. 71.

24 402 KLAUS SCHREINER dere. Gott selbst habe von dem, was er im Alten Bunde festgelegt habe, im Neuen wiederum einiges "geändert" (mutavit)s5. Der Hinweis auf die "diversitas temporum" rechtfertigte neues Recht und relati- vierte die Geltungskraft überlieferter Gesetze. Ging es um zeitgemäße Rechtserneue- rung, konnte die Vergangenheit mit ihrem guten alten Recht nicht mehr beanspru- chen, unumschränkte Lehrmeisterin der Gegenwart zu sein. Der Topos von der "Verschiedenheit der Zeit" stellte die Übertragbarkeit vergangener Problemlösungen auf veränderte Gegebenheiten der Gegenwart in Frage; er forderte dazu auf, bei der Festlegung von Handlungsnormen den je spezifischen Gegenwartsinteressen Rech- nung zu tragen. Recht bedurfte sowohl der Dauer als auch der Veränderung. Kaiser Friedrich II. ( ) umschrieb diesen Zusammenhang in seinen Konstitutionen für das Königreich Sizilien in folgender Weise: "Dem Ansehen der alten Fürsten tun wir keinen Abbruch, wenn wir aufgrund der Eigenschaft der neuen Zeiten aus dem Schoße der Natur neue Rechte schöpfen und für neue Mißstände neue Heilmittel ersinnen" (Nihil veterum principum auctoritati subtrahimus, si iuxta novorum tem- porum qualitatem de naturae gremio nova iura producimus, si novis nova remedia reperimus)sb. Der staufische Herrscher bediente sich einer in der scholastischen Rechtslehre geläufigen Unterscheidung zwischen veränderlichen Rechten und unveränderlichen Formalprinzipien des Naturrechts. Thomas von Aquin (1224/ ) hat sich in seiner Summa theologica eingehend mit dieser Frage befaßts'. Für ihn sind Vernunft, Zeit und gesellschaftliche Bedürfnisse jene Kriterien und Faktoren, die den Wandel des Rechts sinnvoll und notwendig machen. Der "ratio humana mutabilis" entspreche eine "lex mutabilis". Insofern komme es darauf an, Gesetze mit dem im Fortgang der Zeit erreichten Vollkommenheitsgrad der menschlichen Vernunft in Einklang zu bringen. Außerdem könnten und müßten Gesetze geändert werden angesichts verän- derter menschlicher Lebensbedingungen (propter mutationem conditionum hominum). Richtmaß für ein gutes Gesetz sei die "utilitas communis", das allgemeine Wohl, der öffentliche Nutzen, welcher von den verschiedenen Lebensbedingungen der Menschen abhänge. Die Unwandelbarkeit der "lex naturalis" und die Wandelbar- keit der "lex humana" würden sich nicht ausschließen. \Vas sich ändere, seien nicht die im Naturgesetz enthaltenen "praecepta universalia", sondern die geschichtlichen Voraussetzungen für deren Verwirklichung. Der in der politischen Theorie häufig geäußerte Gedanke, daß veränderte Zeitver- hältnisse Anpassungen und Korrekturen des Rechts verlangen, wurde in der politi- 85 Mansi, Collectio conciliorum, Torn. 22, Sp ac Die Konstitutionen Friedrichs II. von Hohenstaufen für sein Königreich Sizilien, hg. und übers. von H. Conrad, T. von der Lieck-Buycken und W. Wagner, (Studien und Quellen zur Welt Kaiser Friedrichs II., 2) Köln 1973, S Summa Theologica qu. 97, a. 1-4: De mutatione legum. Vgl. St. Gagner, Studien zur Ideengeschichte der Gesetzgebung, Uppsala 1960, S

25 "DIVERSITAS TEIIPORUr1" 403 schen Praxis nicht weniger häufig herangezogen, um Rechtserneuerungen, die bürgerliche Kommunen, Stadt- und Landesherren für erforderlich hielten, zu begründen. Nicht nur das einzelne Gesetz, auch die Verfassung (politia) eines Gemeinwesens im ganzen unterlag - unbeschadet ihrer Verankerung im unveränderlichen Naturrecht - den Einflüssen von Zeit und Geschichte. Theoretiker, die, wie der Pariser Universi- tätsmagister Jean Quidort (t 1306), eine der vielseitigsten und markantesten Gestal- ten der Pariser Thomistenschule, die politische Ordnung nicht "ex jure divino", sondern "ex naturali instictu" ableiteten, erinnerten daran, daß sich die Vielfalt von Geschichte und Natur auch in verschiedenartigen Formen des Rechts und der Verfassung niederschlage. Die Verschiedenheit der Menschen finde ihre Entspre- chung in der Vielfalt politischer Verfassungen. Nur in der Kirche sei die Hinordnung aller auf einen höchsten Herrschaftsträger rechtens und notwendig, nicht aber im weltlichen Bereich. Es widerspreche der politischen Vernunft und der Natur des Menschen, Staat und Kirche nach denselben Strukturprinzipien aufbauen zu wollen. Politische Vielfalt, nicht politische Uniformität kennzeichne die tatsächlichen Ver- hältnisse. In der historischen Wirklichkeit gebe es "verschiedene Formen des Zusam- menlebens" (diversi modi vivendi), "verschiedenartig verfaßte Gemeinwesen" (diver- sae politiae), und zwar "wegen der Verschiedenheit der geographischen Lage, der Sprachen und sozialen Lebensbedingungen der Menschen" (secundum diversitatem climatum et linguarum et condicionum hominum). Was bei einem Volk gut sei, müsse es zwangsläufig nicht bei einem anderen sein88. In natürlichen Vorgegebenheiten, in Siedlung, Sprache, Wirtschaft und Beruf erblickte Quidort Faktoren politischer Verfassungsbildung. Marsilius von Padua (1275/ /43) berief sich auf Aristoteles, um die Zeit- und Ortsgebundenheit von Verfassungsformen zu begründens9. Wilhelm von Ockham (ca /9) erhob die Forderung, daß sich die jeweilige Herrschaftsform im Einklang mit der "Not- wendigkeit und Verfassung der Zeit" (necessitas et qualitas temporis) befinden solle93. Weder Quidort noch Marsilius von Padua leiteten aus der Geschichtlichkeit verfassungsbildender Bedingungen und Ursachen ein explizites Recht auf Verfas- sungsänderung ab. Wilhelm von Ockham ging in diesem Punkt einen Schritt weiter. Verfassungswandel war für ihn nicht nur eine Frage der Zeit, sondern auch und vor allem eine Frage der Legitimität. Welche Regierungsform einer Bürgerschaft ange- messen ist, müsse nach den Notwendigkeiten und Besonderheiten der Zeit S8 F. Bleienstein, Johannes Quidort von Paris über königliche und päpstliche Gewalt (De regia potestate'et papali), Text und Edition mit deutscher Übersetzung, (Frankfurter Studien 4) Stuttgart 1969, S Marsilius von Padua, Der Verteidiger des Friedens (Defensor Paris), bearb. und eingel. von H. Kusch, (Leipziger Übersetzungen und Abhandlungen zum Mittelalter Reihe A, Bd 2, I) Leipzig 1958, S. 90: alia et altera multitudo, in alia vel diversa regione ac tempore dispösita est ad alteram et diversam policiam, aliumque auf alterum ferne principatum. " J. Miethke, `Parteistandpunkt und historisches Argument in der spätmittelalterlichen Publizistik", in: Objektivität und Parteilidikeit in der Geschichtsrcissettschaft, hg. von R. Koselleck, W. J. Mommsen und J. Rüsen, (Beiträge zur Historik 1) München 1977, S. 60.

26 404 KLAUS SCHREINER ("secundum quod necessitas et qualitas temporis unum principatum vel alium exigit et requirit") entschieden werden. Grundsätzlich räumt Wilhelm von Ockham der Gesamtheit der Bürger eine "potestas variandi principatus" ein, welche, wie Jürgen Miethke gezeigt hat, "die Möglichkeit einschließt, von dem theoretisch besten `principatus' (dem monarchischen) auch in der Kirche für eine Zeit lang abzugehen, wenn es die `necessitas' oder `utilitas evidens' gebietet`. Auf die "qualitas tem- porum" müßten auch die Wähler achten, wenn sich für sie die Frage stelle, "ob bei gleichwertigen Prätendenten der mächtigste Fürst mit dem größten Anhang oder ein Mann ohne alle Freunde der richtige Königskandidat ist"92. Zeit- und Umweltbezogenheit als Ursache möglicher und notwendiger Verände- rungen ist ein Aspekt, unter dem im späten Mittelalter Dauer und Wandel politischer Ordnungen diskutiert wurde; die Frage, wie sich eine Verfassung inmitten von Wandel behaupten und zum Wohle der Gesamtheit verwirklichen lasse, ein anderer. Politisches Handeln im Interesse des allgemeinen Besten machte Nikolaus von Kues ( ) von drei Bedingungen abhängig: Der Regent eines Gemeinwesens müsse von "Liebe zu einer beständigen Verfassung" (amor ad consistentem politiam) erfüllt sein, über Macht (potentia) verfügen und mit Klugheit (prudentia) zu handeln verstehen. Klugheit, die gleichermaßen Erfahrung, Kenntnis des Gegenwärtigen und Voraussicht des Künftigen einschließt, betrachtete Cusanus als Grundtugend des Staatslenkers93. Aus der Lektüre des Aristoteles war ihm die Einsicht geläufig, daß ein Gemeinwe- sen einem "Körper" (corpus) zu vergleichen sei, der durch das unverhältnismäßige Wachstum einzelner Glieder zu zerfallen drohe. Wahre Regierungskunst bestehe darin, einen kranken Staat je "nach Zeit und Ort" (secundum tempus et locum) durch wirksame Heilmittel wiederum ins Gleichgewicht zu bringen - "anders jetzt, anders später, wie es die Qualität der Zeit erfordert" (aliter nunc, aliter tunc et temporis qualitas deposcit). Zeitbedingte Veränderungen im göttlichen und menschlichen Recht (mutationes tam in divinis quam humanis legibus) erläuterte er an einem Beispiel, das bereits Augustinus benutzt hatte, um den""\vandel göttlicher Gesetze" (divinarum legum mutatio) verständlich zu machen. Eine Medizin, die bei einer bestimmten Krankheit einem jungen Mann helfe, bleibe wirkungslos, wenn sie derselben Person in fortgeschrittenem Alter verabreicht werde, um dieselbe Krank- heit zu heilen. Veränderte Situationen bedürften neuer Mittel und Rezepte? '. Die Pflicht, zeitgerecht zu handeln, beschränkte sich nicht allein auf die Wahl der richtigen Mittel, sondern auch und vor allem auf die \Vahl des richtigen Zeitpunktes. Der Dominikaner und Basler Konzilstheologe Johannes von Ragusa (t 1443) erin- 91 J. Miethke, Ockhams Weg zur Sozialpbilosopbie, Berlin 1969, S. 549 f. 92 Miethke, "Parteistandpunkt» (wie Anm. 90). 93 Nicolai de Cusa, De concordantia catbolica libri tres, hg. G. Kallen, Hamburg 1963, S Ebd. S. 323 f. - Aus der von Augustinus übernommenen Metapher zieht Cusanus folgenden Schluß: "Hoc exemplo Augustinus instruit mutationes tam in divinis quam humanis lcgibus utiliter pro tempore per eundem ac ad eundem finem fiert» (ebd. S. 324).

27 "DIVERSITAS TE1iPORUIM" 405 nerte in einer Ansprache, die er wahrscheinlich in Wien vor König Friedrich III. hielt, eindringlich an die temporale Grundverfassung politischen Handelns95. Ausgehend von dem Psalmwort "Nunc reges intelligite", das es Regenten zur Pflicht mache, bei der Ausübung ihrer Herrschaft auf den Zusammenhang zwischen Zeit, politischer Einsicht und politischem Handeln zu achten, unterschied er vier Arten von Königen und Fürsten: Solche, die überhaupt nicht erkennen, was ihre Pflicht ist und deshalb auch keine Probleme mit der Zeit haben; andere, die zur "Unzeit" Einsicht gewinnen, weswegen ihre Einsicht "ex inopportunitate temporis" leer, nichtig und politisch folgenlos bleibt; wieder andere, die zur richtigen Zeit einsehen, was zu tun an der Zeit ist, die Realisierung ihrer Entschlüsse jedoch aufschieben; schließlich jene, die im Strom der Zeit den richtigen Zeitpunkt (tempus debitum) erkennen und im Einver- nehmen "mit den Erfordernissen der Sachen und den Umständen der Zeiten" (cum debitis rerum et temporum circumstanciis) das als richtig Erkannte in die Tat umzusetzen suchen96. Nur solche Regenten, die bestrebt sind, ihr Handeln "mit der Zeit und dem Wohl des Gemeinwesens" in Einklang zu bringen, würden jenem Gegenwartsbezug Rech- nung tragen, den der Psalmist als Grundbedingung erfolgreichen Handelns bezeichnet97. Johannes von Ragusa zieht daraus folgenden Schluß: "Jetzt", d. h. in der Gefahr der gegenwärtigen Zeit (modernum tempus) sind König und Fürsten aufgerufen, nach dem Beispiel Kaiser Konstantins oder im Gedenken an Karl den Großen "unser Europa vor dem Ansturm der Türken zu retten"". Die Pflicht, im Interesse der Allgemeinheit politische Verantwortung wahrzunehmen, geriet im 15. Jahrhundert in wachsendem Maße unter Zeit- und Handlungsdruck. Die Türkengefahr duldete keine Unentschlossenheit. Für die Rolle, die dem Faktor Zeit in politischen Entscheidungsprozessen zukam, bildete sie ein einleuchtendes, unmittelbar erfahrbares Paradigma. Jene Schmähschrift, die 1470 ein Kleriker, vermutlich ein Minorit, gegen Kaiser Friedrich III. verfaßt und in Wien öffentlich angeschlagen hatte, beweist das". Worum ging es in diesem Pamphlet, das als Reflex 9' Deutsche Reidistagsakten unter Kaiser Friedrid, III., erste Abteilung , hg. von H. Herre, 2. Aufl., Göttingen 1957, S % Ebd Ebd. 96 Ebd. S. 350f. - Der Grundsatz, wonach politisches Handeln, das im Interesse des Gemeinwohls (reipublicae utilitas) liegt, der `qualitas et necessitas temporum" entsprechen müsse, ist, im Lichte seiner Entstehungsgeschichte betrachtet, eine bereits im Alten Testament begegnende Maxime. Im Buch Esther (Liber Hester)16,9 heißt es: nec putare debetis si diversa iubeamus ex animi nostri venire levitate sed pro qualitate et necessitate temporum ut reipublicae poscit utilitas ferse sententiarn. Vgl. dazu W. Ullmann, "The Bible and Principles of Government in the Middle Ages", in: La Biblia nell' alto tnedioevo, Spoleto 1963, S. 211 f. 9' P. Joachimsohn: `Ein Pamphlet gegen Kaiser Friedrich III. aus dem Jahre 1470", in: Historisches Jahrbuch 12 (1891) Der Text wurde herausgegeben von K. Haselbach, Die Tiirkennoth im XV. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung der Zustände Oesterreichs, Wien 1864, Anhang S. IX-XV; J. von Zahn, `Maueranschlag wider Kaiser Friedrich III., 1478", in: Jahresbericht des steicntürkischen Landesardnizes 1 (1869) S

28 406 KLAUS SCHREINER eines Stimmungsausdrucks gedeutet wurde, "aus dem die \Vut der `armen Leute' in Innerösterreich über Friedrichs Geiz und Untätigkeit wild aufleuchtete"? "' Das Manifest beginnt mit dem Satz: "Stand auf von dem schlaf darinn du lang nach leibs lust gelegen pist". Des Kaisers "Schlaf", eine dem 43 (44). Psalm entnommene Metapher (43 (44), 24), meinte Tatenlosigkeit angesichts bedrohlicher und bedrängen- der Zeitläufte. "Schlaf" stand überdies für Blindheit, mit welcher der Kaiser die Untaten anderer stillschweigend übersah und duldete. Vom "Schlafe aufzustehen" hieß für das "arme volk" entschlossene Türkenabwehr und Bekämpfung des Fehde- wesenslo' Friedrichs Verschlafenheit und Langsamkeit waren sprichwörtlich. Papst Nikolaus soll ihn bei der Kaiserweihe in Rom angefaucht haben, weil er langsam und träge das Schwert aus der Scheide zog102. Johannes Bechtenhenne, der damalige Frankfurter Gesandte in Wien, schrieb an den Rat seiner Heimatstadt: "... sprechent die lute gar sere ubel von unserm herren dem konige, daz er alles langsam ußrichte und nichts fertige"103. Stadtmagistrate führten Klage, daß er Briefe spät oder überhaupt nicht beantworte10{. Übelgenommen hat man ihm außerdem, daß er bis tief in den Tag hinein schlief - ein Vorwurf, der bereits bei der Absetzung Adolfs von Nassau eine Rolle gespielt hattelos Bezeichnend für die Mentalität des Verfassers besagter Schmähschrift und seine Einstellung zur Zeit ist auch der folgende Hinweis: Wenzel sei wegen seiner Trägheit, seiner "sawmnuss", abgesetzt worden. \Venzels Schicksal wurde auch Friedrich III. angedroht: die Absetzung. "Darumb", so fährt der Anonymus fort, "eyl lauf und sawm dich nicht lenger dy zeit ist kurcz worden"". Mit der Wendung "Die Zeit ist kurz" (1 Kor 7,28) hatte ehedem der Apostel Paulus den Christen von Korinth zu erklären versucht, wie sie sich angesichts der unmittelbar bevorstehenden Wiederkunft Christi verhalten sollen. Der anonyme Verfasser der Schmähschrift machte aus 100 A. Lhotsky, Quellenkunde zur mittelalterlichen Geschichte Österreichs, (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Erg. Bd. 19) Graz u. Köln 1963, Haselbach, Tiirkennoth (wie Anm. 99), S. IXf.; Joachimsohn, "Pamphlet" (wie Anm. 99), S R. Wackernagel, Geschichte der Stadt Basel, Bd 2,1, Basel 1911, S Frankfurts Reichskorrespondenz, hg. von J. Janssen, Bd 2, Freiburg 1872, S. 88. Vgl. B. Haller, Kaiser Friedrich III im Urteil der Zeitgenossen, Wt ien 1965, S Haller, Friedrich III. (wie Anm. 103, S. 64). 103 Thomas Ebendorfer, Chronica Austriae, hg. von A. Lhotsky, (MGH Script. rer. Germ. nova series 13) Berlin - Zürich 1967,5.191 f. - Als Gipfel fürstlicher Trägheit kritisierte Erasmus von Rotterdam ( ) die Verhaltensweise großer Herren, die ihre Lust- und Heilsbedürfnisse gleichzeitig erfüllen wollen, indem sie sich vor dem Bett die Messe zelebrieren ließen. Vgl. Erasmus von Rotterdam, Auswahl aus seinen Schriften, hg. von A. Gail, Düsseldorf 1948, S. 243 f. über die "geziemenden Künste eines wahrhaft vornehmen Höflings "Man schläft, bis die Sonne hoch am Himmel steht. Dann steht ein dienstwilliger Geistlicher am Bett, der ihnen die Messe liest, fast ohne daß sie aufstehen brauchen. Gleich geht es zum Frühstück, das kaum zu Ende ist, wenn das Mittagessen schon ruft. Hinterher gibt es Würfelspiele, Brettspiele, Verlosungen, Spaßmacher, Hofnarren, Dirnen, Tändelei und sonstigen Schnickschnack. Zwischendurch wird noch hin und wieder gevespert. Dann kommt das Abendessen und nachher das Bankett, und bei Zeus nicht nur eines! So verstreichen die Stunden, Tage, Monate, Jahre und Zeitalter ohne Langeweile". 106 Haselbach, Tiirkennoth (wie Anm. 99), S. XI.

29 "DIVERSITAS TEAiPORUTi" 407 dem eschatologischen Deutungsmuster der Bibel eine innerweltliche Beschreibungs- und Deutungskategorie, mit deren Hilfe er den Kaiser zu einer zeit- und situationsge- mäßen Handlungsweise anspornen wollte. Die antikaiserliche Schmähschrift gab eine verbreitete Stimmungslage wieder. Das unterstreicht nicht zuletzt die Tatsache, daß sich 1478 die Stände Krains das antikai- serliche Pamphlet zu eigen machten, um es als "Vorstellung der Stände von Krain über die Türkennot" dem Kaiser auszuhändigenlo' Daß auch Regierung und Reform der Kirche Zeitprobleme beinhalten, suchte Papst Hadrian VI. seinem 1522 zum Nürnberger Reichstag entsandten Legaten Francesco Chierregati verständlich zu machen. Der Papst räumte unumwunden ein, "daß sich die Krankheit der Kirche vom Haupt auf die Glieder, von den Päpsten auf die Prälaten verbreitet hat". Gleichwohl solle es niemanden überraschen, daß sich "nicht sofort und zugleich" (non statim) alle Gebrechen der Kirche beheben und beseitigen lassen. Die Krankheit sei nämlich "nicht einfach" (non simplex), sondern "vielgestaltig" (varius et multiplex) und alt (inveteratus). Wolle man etwas verbessern, sei es notwendig, "schrittweise" (pededentim) vorzugehen und nicht durch eine "Totalre- form", die alle Mißstände gleichzeitig zu beheben suche (omnia pariter reformare volentes), noch größere Verwirrung zu stiften. Mit Recht behaupte Aristoteles, daß alle "schnellen Veränderungen" (subite mutationes) einem Gemeinwesen gefährlich seien'o'. Der Papst plädierte nicht - wie mittelalterliche Reformer und frühneuzeitli- che Reformatoren das taten - für einen radikalen Neuanfang, sondern für langfristige, mit Augenmaß ins Werk gesetzte Verbesserungen. Die wachsende Bedeutung des Faktors Zeit im historisch-politischen Denken des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit zeigte sich nicht zuletzt darin, daß "Zeit" (tempus) Züge einer eigenständigen Geschichtsmacht annehmen konnte. Die als Person gedachte "Zeit" wurde zur Metapher für die Dynamik historischer Prozesse. Autoren, die Geschichte zur ausschließlichen Sache großer Individuen machten, benutzten "die Zeit" als Epitheton der von ihnen beschriebenen und gerühmten Herrscher. "Ich nenn und haiss den jungen weisen kunig", schrieb der Verfasser von Kaiser Maximilians I. Weisskunig, "in seiner handlung nit ein mensch, sondern haiss in die. Er glaubte, dies deshalb tun zu dürfen, weil Maximilian durch zeit"109 sein außeralltägliches Handeln alle Menschen übertroffen und "sich der zeit geleicht" habe. Dem Autor lag nicht daran, seinen Helden dem Gott Chronos anzugleichen, der, mit einer Sense bewaffnet, die Lebenszeit sterblicher Menschen abkürzt. Die mythische Gleichsetzung Maximilians mit der Zeit sollte eher daran erinnern, daß der 1`7 Ebd. S. 46; Joachimsohn, 'Pamphlet' (wie Anm. 99), S D1 So Papst Hadrian VI. in einer Instruktion an den Legaten Francesco Chieregati im Jahre Vgl. G. Denzler, Das Papsttum und der Amtszölibat, Bd 2: Von der Reformation bis in die Gegenwart, Stuttgart 1976, S. 3S0. '09 Kaiser Maximilians I. Weisskunig, hg. von Th. iiiusper mit R. Buchner, H. -O. Burger und E. Petermann, Bd 1, Stuttgart 1956, S. 224.

30 408 KLAUS SCHREINER Kaiser zeitgerecht zu handeln verstehe und kraft seiner universalen Herrschermacht eine neue, andere Zeit heraufführen und gestalten könne. Zugegeben: Die Suche nach Zeugnissen, die gewandeltes Zeitbewußtsein zierbar machen, identifi- fördert heterogene Quellenbelege zutage. Die Summe der diffus anmutenden Artikulationsformen von Zeitbewußtsein und Verzeitlichung zeigt jedoch, daß in der Verfassungslehre und politischen Ethik des späten Mittelalters der beginnenden Neuzeit der Faktor Zeit eine immer bedeutsamere Rolle spielte. "Der aber wird weniger irren", konstatierte Machiavelli lungsweise zu seiner Zeit paßt""'. tungen sich nicht mit den Zeiten ändern"". Erfolg rechnen, dessen Handlungsweise und ( ), "dessen Hand- Staaten würden untergehen, "wenn ihre Einrich- mit Nur derjenige könne mit Glück und dem "Charakter der Zeit" überein- stimme112. Auch die Tatsache, daß seit der Mitte des 16. Jahrhunderts zahlreiche Traktate De mutationibus rerum publicarum geschrieben wurden, mag die zuneh- mende Temporalisierung des politischen Denkens und Handelns unterstreichen"' II Aktuelle Zeiterfahrung, die sich in verschiedenartigen Formen der Verzeitlichung artikulierte, veränderte das Geschichtsbild und blieb nicht ohne Einfluß auf die Gliederung der vergangenen Zeit. Zeiterfahrung erschöpfte sich nicht in der Feststel- lung gegenwärtiger Veränderungen. Erfahrene Zeit weckte das Bedürfnis, das in der Gegenwart Erfahrene mit Erfahrungen der Vergangenheit und Erwartungen der Zukunft zu verbinden. Betroffene Zeitgenossen waren deshalb darauf bedacht, mit Hilfe kontinuitätsbildender Epochenschemata erfahrene Veränderungen der Gegen- wart an erinnerte Zeitläufe der Vergangenheit anzuschließen. Die Anschlußfähigkeit überlieferter Epochenschemata versteht sich jedoch nicht von selbst. Spätmittelalterli- che Chronisten, die ihre Gegenwart als Zeit des Wandels erfuhren, waren nicht bereit, ihre Zeiterfahrungen unbedacht in jene Raster und Entwürfe einzupassen, deren sich die Geschichtsschreibung gemeinhin bediente, um vergangenes und künftiges 10 Niccolö Machiavelli, Politische Betrachtungen über die alte und die italienische Geschichte, übers. u. eingel. von F. von Oppeln-Bronikowski, 2. Aufl., hg. von E. Faul, Köln - Opladen 1965, S Ebd "' Niccolö Machiavelli, Der Fürst, übertr. von E. Merian-Genast, mit einer Einführung von H. Freyer, Stuttgart 1961, S Der Jurist Paul Matthias Wehner veröffentlichte 1610 eine, tletamorphosis rerumpublicartan, die kurz danach unter dem Titel "Von Mutation/Verenderung/Untergang auffnemung Verwandelung/perioden und Wechselung der Regimenten/und Gemeinden im Politischen Zustand" ins Deutsche übersetzt wurde. Zum Problem des Verfassungswandels (mutatio rei publicae) in der staatsrechtlichen Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts vgl. R. Landfester, Historie Magistra Vitae: Untersuchungen zur humanistischen Geschichtstheorie des 14. bis 16. Jahrhunderts, Geneve 1972,5.114 f.; 123; 126. W. Schulze, "Die veränderte Bedeutung sozialer Konflikte im 16. und 17. Jahrhundert", in: Europäi- sche Bauernrevolten der frühen A'euzeit, hg. von W. Schulze, Frankfurt a. M. 1982, S. 287; 304 Anm. 45.

31 "DIVERSITAS TErIPORUri" 409 Geschehen in einzelne Abschnitte einzuteilen. Ihnen lag daran, die herkömmlichen Deutungs- und Epochenschemata so umzubilden, daß diese sowohl den gegenwärti- gen Erfahrungen als auch dem Verlangen nach Kontinuität gerecht wurden. Selbst die sechstägige Weltenwoche, die Augustin ( ) den sechs Schöpfungs- tagen und sechs Altersabschnitten des Menschen nachgebildet hatte, mußte sich mitunter Abwandlungen gefallen lassen, um Gegenwart und Vergangenheit in ihrem heilsgeschichtlichen Zusammenhang kenntlich und erfahrbar zu machen. Das fol- gende Beispiel mag das Gemeinte verdeutlichen: Augustin und Cassiodor hatten bei ihrer Auslegung von Psalm 70 aus "senecta" (hohes Alter) und "senium" (Alters- schwäche) Zeit- und Epochenbegriffe der Kirche gemacht. Als "senecta" bezeichnete und erfuhr Cassiodor (um ) seine eigene Gegenwart, die er dem Ende nahe glaubte (etas proxima fini), weil der Glaube Fortschritte mache (proficit fides) und das Volk Gottes sichtlich wachse (dei populus augetur). Als "Altersschwäche" und "Greisenalter" (senium) Rollte er jene Zeit verstanden wissen, in welcher mit dem Kommen des Antichristen zu rechnen sei't'. Mittelalterliche Exegeten folgten dieser Aufgliederung. Ihre Rezeption eschatologischer Zeitkategorien blieb jedoch zurückgebunden an die eigene Zeiterfahrung. Der anonyme Verfasser der Glossa ordinaria (1117) ordnete die Kirche seiner Zeit der "senecta" zu, in welcher zwar-wie es auch Cassiodor formuliert hatte "der Glaube - durch die Kirchen voranschreitet" (fides per ecclesias proficit), die Liebe jedoch schon zu erkalten beginnt; "senium" als Zeit des Untergangs (occiduum tempus) stand nach Auffassung des Anonymus noch bevortts Petrus Lombardus (um um 1164) machte die Ausbreitung des Glaubens zum Kriterium einer Gegenwart, die er als "fortschreitende Zeit" empfand (Progrediente vero tempore est nunc... cum fides per ecclesias proficit); als "senecta" deutete er nicht seine eigene Gegenwart, sondern jene Zeit, "in welcher die Liebe zu erkalten beginnen wird" (quando incipiet frigescere caritas). Petrus Lombardus tat sich offenkundig schwer, eine Zeit gesteigerter theologischer Reflexion und kirchlich- monastischer Reform als Zeit erkaltender Liebe zu empfinden und zu bezeichnen. Das "senium" verlegte er an "das Ende der Zeit" (in fine seculi), an dem der Antichrist kommen wird"'. Der spanische Augustiner-Eremit Jacobus Parez de Valencia (t 1490) hingegen deutete den Zustand der spätmittelalterlichen Kirche so, daß die herkömmliche Parallele zwischen Lebensalter und Kirchenalter für die Kirche eine andere Zeit- und Ortsbestimmung ergab. "Alter" (senectus sive senecta), argumentierte der Augustiner-Eremit aus Valencia, kennzeichne den Sechzigjährigen, dessen Körperkraft und seelisches Wahrnehmungsvermögen abzunehmen anfange. "Alters- schwäche" (senium) sei typisch für den Zustand des Achtzigjährigen. Dessen Lebenskraft sei zu einem Großteil geschwunden; alle Schwächen und Schmerzen würden sich Sprandel, Altenschicksal (nie Anm. 22), S. 7Sf. ris Ebd. S Ebd.

32 410 KLAUS SCHREINER bei ihm regen. Entsprechendes gelte für die Kirche: Das "Alter" (senectus) begann in der Kirche in der Zeit nach Justinian, als die Liebe abnahm, die Wissenschaft aber noch blühte - vornehmlich in Frankreich, England, Deutschland und Italien. "Jetzt aber, im Jahre 1484, befindet sich die Kirche im Greisenalter (senium), in dem nicht nur Glaube und Liebe geschwunden sind, sondern auch die heilige Wissenschaft in Verfall kam"117. Gegenwartserfahrungen bewirkten Umdeutungen oder Umbesetzungen überlie- ferter Gliederungsschemata. Das gilt auch für Petrarca, dem für die Entstehung des Mittelalter-Begriffes eine Schlüsselstellung zukommt. Auch Petrarca hat ein vorgegebenes dreigliedriges Epochenschema durch neue Deutungs- und Gliederungskriterien "umbesetzt". Petrarca unterschied zwischen "alten Geschichten" (historiae antiquae) und "neuen Geschichten" (historiae novae), die er durch eine literatur- und kulturlose Zwischenzeit, das "medium tempus", scharf voneinander getrennt sah118. Die Geschichte nach theologischen Gesichtspunkten in drei Epochen zu gliedern, hatte Tradition. Als "mittlere Zeit" (medium tempus) hatte Bonaventura (um ) die Zeit des Kommens Christi bestimmt, die sich als Zeit der Heilung zwischen die Zeit der Krankheit und die Zeit des Gerichtes schob. Gott, der seine Pläne in einer zeitlich abgestuften Ordnung verwirkliche, habe auch die Geschichte der Kirche in drei Abschnitte gegliedert. In den Aposteln und ihren Schülern habe Gott der Urkirche wunder- und zeichenkräftige Männer als Lenker gegeben; in der "mittleren Zeit" seien den wundertätigen Aposteln gelehrte Männer gefolgt, die in der Heiligen Schrift, in der Literatur und Philosophie bewandert waren. In der "letzten Zeit" habe Gott Männer gesandt, die aus freiem Entschluß betteln und arm leben. Die Apostel und Jünger des Anfangs hätten mit Hilfe der ihnen eigenen Wunderkraft Götzen und Götzenbilder zerstört; die Gelehrten des "Mittelalters" hätten die Häresien besiegt, die Armen der Endzeit die Habsucht überwunden"'. Wirtschaftliche Strukturverän- derungen des 12. und 13. Jahrhunderts hatten ein Streben nach Gewinn und Reichtum freigesetzt, das von Bonaventura als zeittypische Herausforderung der dritten und letzten Geschichtsepoche begriffen wurde. Als Franziskanertheologe konnte er sich jenem Orden zugehörig fühlen, der auf Gefahren einer veränderten Zeit eine neue, im Evangelium grundgelegte Antwort zu geben suchte. Ebd. S Sprandel spricht in diesem Zusammenhang von "Periodisierungswandel", der die "Exegesegeschichte" durchziehe (ebd. S. 83 Anm. 1). Im Wandel überlieferter Epochenschemata, den Sprandel "nur am Rande mit erwähnt" (ebd. ), spiegeln sich verinderte Gegenwartserfahrungen. 18 J. Voss, Das Mittelalter im historischen Denken Frankreichs: Untersuchungen zur Geschichte des Mittelalterbegriffes und der Mittelalterbewertung von der 2. Hälfte des 16. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, München 1972, Teil 1, S. 40. Vgl. dazu auch Th. E. Mommsen, "Der Begriff des 'finsteren Zeitalters' bei Petrarca", in: Zu Begriff und Problem der Renaissance, hg. v. A. Buck, Darmstadt 1969, S (Übersetzung aus dem Englischen: "Petrarch's Conception of the 'Dark Ages", in: Speculum 17 (1942) S ); R. Koselleck, "'Neuzeit'; Zur Semantik moderner Bewegungsbe- griffe", in: Vergangene Zukunft: Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt a. M. 1979, S Bonaventura, "De perfectione evangelica qu. 2 a. 2 c. 20", in: Opera varia theologica, Tom. V, Ad Claras Aquas (Quaracchi) 1891, S. 147f. Vgl. J. Ratzinger, Die Geschichtstheologie des Heiligen Bonaventura, München - Zürich 1959, S. 116.

33 "DIvERsrrAs TEMPORUM" 411 Gleich Bonaventura hatte auch Wilhelm von St. Amour (t 1272) die Armut zum Maßstab der Epochenabgrenzung gemacht, um die Geschichte der Kirche in drei Abschnitte zu gliedern. Die Urkirche (primitiva ecclesia) lebte nach Gottes Geheiß in größter Armut. In der "mittleren Zeit" (medium tempus) wurde sie mit Hilfe des Heiligen Geistes vermögend und reich; in der Endzeit wird die Kirche durch Mitwirkung eben dieses Heiligen Geistes zur ursprünglichen Armut zurückkehren120. Als Petrarca das herkömmliche Drei-Epochen-Modell umdeutete, wollte er nicht die durch Gottes Vorsehung verbürgte Kontinuität der Geschichte in Frage stellen, sondern einer tugendarmen Zeit Impulse für eine neue Praxis geben. Das schien ihm nur durch eine Vergegenwärtigung der in der Antike verwirklichten "virtus" möglich zu sein. Diesem Ziel dienten auch die "studia humanitatis", denen Petrarca zutraute, daß sie das antike Verständnis von \Velt und Mensch von neuem zum Bewußtsein bringen und zum Maßstab des sittlichen Handelns machen. Gegenwart suchte er zu verändern aufgrund vergangener Erfahrungen'21. Petrarca füllte ein vorgegebenes Raster, das drei Heils- und Geschichtszeiten unterschied, mit einem gänzlich neuen Inhalt. Der neue Inhalt verschob auch die überkommenen Zeitgrenzen. Petrarcas Periodisierung der Geschichte folgte nicht mehr dem zeitlich gestuften Heilshandeln Gottes, sondern dem Verhalten des Men- schen. Menschlicher Praxisvollzug und das sich darin ausdrückende Verständnis der \Velt und des Menschen bestimmten die Einstellung zur Geschichte und deren Gliederung. Die "durch die göttliche providentia garantierte Kontinuität der Geschichte" schloß nicht aus, entlang der "Differenz zwischen dem menschlichen Verhalten zu verschiedenen Zeiten" neue, innerweltliche Epochengrenzen zti ziehen122. Andere Autoren gingen bei der Anverwandlung überlieferter Epochenschemata an veränderte Gegenwartserfahrungen und Gegenwartsinteressen behutsamer zu Werk. Mit bemerkenswerter Eigenwilligkeit hatte Notker von St. Gallen (um ) in seinen 883 abgefaßten Gesta Karoli rlfagni Daniels Lehre von den vier Weltreichen umgedeutet, um seiner eigenen Zeit "das Bewußtsein eines neuen Anfangs" zu geben123. Den Bericht des Propheten, wonach Gott die Füße der aus vier Metallen gebildeten Statue zerschlagen habe, bezog er - abweichend von der seitherigen Auslegungstradition - auf den Untergang des Römischen Reiches. Gott habe jedoch in der Person Kaiser Karls des Großen eine nicht minder bewundernswerte, mit einem goldenen Haupt geschmückte neue Statue errichtet. Notker distanzierte sich von '20 Bonaventura, `De per"fectione' (wie Anm. 119), S E. Kessler, Petrarca und die Geschichte: Geschichtsschreibung, Rhetorik, Philosophie im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. München 1978, S. 36f.; 114f. (`Das Beispiel der Antike als Erfahrung und Legitimation eines neuen Praxisverständnisses"). 12' Ebd. S. 115 f. H. Löwe, Von Theoderidi dem Grossen zu Karl dem Grossen: Das Werden des Abendlandes im Gesdiidiubild des frühen Mittelalters, Darmstadt 1956, S Vgl. dazu jetzt eingehend H. -W. Goetz, Strukturen der sptkarolingisdien Epoche im Spiegel der Vorstellungen eines zeitgenössischen Mönchs: Eine Interpretation der 'Gesta Karol' Notkers von Sankt Gallen, Bonn 1981, S. 71 ff.

34 412 KLAUS SCHREINER Daniels eschatologischem Pessimismus und sprach vom "Anfang einer neuen von Gott gewollten Weltreichsgeschichte"IZ'. Melanchthon ( ) griff auf die Daniel-Prophetie von den vier Weltreichen zurück, um seinen Zeitgenossen einzuschärfen, daß das Ende der Welt in greifbare Nähe gerückt sei'zs. Johannes Sleidanus ( ), Hofhistoriograph Karls V., wollte mit Hilfe des Danielschen Epochen- schemas zeigen, daß sich im Kaisertum Karls V. die Prophetie Daniels erfüllt habe. Die Visionen des alttestamentlichen Propheten, welche die Geschichte des Reichs in einen universalgeschichtlichen Zusammenhang eingliederten, deutete Sleidanus als göttliche Bestätigung für die Kontinuität und Rechtmäßigkeit des von Karl regierten Imperiums126. Der Verschiebung vorgegebener Zäsuren bedurfte es allerdings nicht, wenn einem Gegenwartsereignis, das den Zustand der bestehenden Verhältnisse von Grund auf zu verändern schien, epochale Wirkungen zugeschrieben wurden. Das war beim ersten Auftauchen der Pest ( ) der Fall, die, als das Massensterben aufgehört hatte, den Glauben entstehen ließ, Welt (mundus) und Zeit (saeculum) seien erneuert worden, ein neues Zeitalter (nova aetas) habe seinen Anfang genommen. Dieser Glaube verflüchtigte sich jedoch schnell wieder, als die Pest in immer neuen Wellen zurückkehrte und die Überzeugung Platz griff, daß die Erfahrung des großen Sterbens nicht zu einer sittlichen Läuterung der Menschen geführt hatte127. Außerdem bleibt bemerkenswert, daß Erfahrung des Wandels ein Bewußtsein von Modernität hervorbringen konnte, das sich unabhängig von vorgegebenen Epochen- schemata artikulierte. Erasmus von Rotterdam äußerte in einem Brief an Papst Leo X. vom Jahre 1516 die Hoffnung auf den Anbruch eines "saeculum aureum", das er allerdings nicht als Restauration einer vergangenen, vermeintlich "goldenen Zeit" verstanden wissen wollte. Drei "Grundwerte" (precipua bona) waren es, deren Erneuerung Erasmus von der gegenwärtigen und kommenden Zeit erwartete: "Christliche Frömmigkeit" (pietas Christiana), "hervorragende Wissenschaft" (opti- 124 Ebd. S A. Klempt, Die Säkularisierung der universalhistorischen Auffassung: Zum Wandel des Geschichtsdenkens im 16. und 17. Jahrhundert, (Göttinger Bausteine zur Geschichtswissenschaft 31) Göttingen 1960, S. 32 und S. 145 Anm. 91; M. Haeusler, Das Ende der Geschichte in der mittelalterlichen Weltchronistik, (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 13) Köln - \Vien 1980, S. 164 f. 116 E. Marsch, Biblische Prophetie und chronographische Dichtung: Stoff- und Wirkungsgeschichte der Vision des Propheten Daniel nach Dan. VII, (Philologische Studien und Quellen 65) Berlin 1972, S So der Pariser Karmelitermönch jean de Venette (ca. 1307/08 - nach 1368), vgl. Guillaume de Nangis, Chronique latine de Nangis de 1113 ä 1300 avecles continuations de cette chronique de 1300 ä 1368, hg. von H. Geraud, Paris 1843, Bd 2, S. 215: mundus est quodammodo renovatus et sacculum, ut sic sit quaedam nova aetas. Sed, prob dolor! ex hujus renovatione saeculi non est mundus propter hoc in melius commutatus. Nam homines fuerunt postea magis avari et tenaces, cum multo plura bona quarr antea possiderent; magis etiam cupidi et per lites, brigas et rixas atque per placita seipsos conturbantes. Nec per hujusmodi terribilem mortis pestem a Deo inflictam fuit pax inter reges et dominos reformata; quinimo inimici regis Franciae ac edam Ecclesiae, fortiores et pejores quam ante, per mare et per terram guerras suscitaverunt, et mala amphora ubique pullularunt. Vgl. N. Bulst, "Der Schwarze Tod: Demographische, wirtschafts- und kulturgeschichtliche Aspekte der Pestkatastrophe von Bilanz der neueren Forschung", in: Sacculunt 30 (1979) S. 66.

35 "DIVERSITAS TENiPORUM" 413 mae literae) sowie "allgemeine und dauernde Eintracht" (publica et perpetua con- cordia)i_s. Erasmus glaubte, Gott für die Bildungsfreude und das geistige Interesse seines Jahrhunderts danken zu sollen. Als dankens- und lobenswert empfand er insbeson- dere die Tatsache, daß allenthalben die Studien "wieder aufblühten". Mit Hoffnung erfüllte ihn die Tatsache, daß Medizin, Rechtswissenschaft und Theologie zu ihrem "alten Glanz" (pristinus nitor) zurückzufinden schienen129, die Bibliotheken sich füllten und nicht zuletzt die gelehrten Schulen Unterricht in den drei heiligen Sprachen erteilten, ohne die jede Wissenschaft Stückwerk bleibe. Aufgrund dieser Indizien wagte Erasmus das enthusiastische Bekenntnis: "Video, video prorsus seculum quoddam aureum exoriri"133. Die Ankunft des "goldenen Zeitalters" machte er allerdings von der Bedingung abhängig, daß sich die Fürsten mit "prudentissima pietas" der Friedenssicherung, der Frömmigkeit und der Wissenschaft annehmen. Erneuerung, Reform und Wiedergeburt wollte er nicht allein auf die schönen Künste beschränkt wissen. Theologisch vertiefte Frömmigkeit, Eintracht und Frieden, "die Quelle und Mutter von Religion und Bildung", waren für ihn nicht weniger bedeut- same Grundbedingungen einer erneuerten Gesellschaft und goldenen Zeit131. Renais- sance war für ihn gleichbedeutend mit "Übereinstimmung so vieler Jahrhunderte und so vieler Nationen" (tot aetatum, tot nationum consensus)"'. Dieses Bekenntnis zu epochenübergreifenden Heils- und Bildungsgütern darf jedoch nicht darüber hinweg- täuschen, daß Erasmus Einvernehmen ausschließlich mit der griechischen, römischen und christlichen Antike suchte. Als sich jedoch in den 20er Jahren des 16. Jahrhunderts der politische Horizont verdüsterte, schlug die Hoffnung auf ein goldenes Zeitalter in Krisenstimmung um. "Es scheint", schrieb er 1522 an seinen Basler Verleger Bonifaz Amerbach, "daß der ýý Opus epistolarum Des. Erasmi Roterodanti, recogn. per P. S. Allen, Tom. II, Oxonii 1910, S Für den Neuplatoniker Marsilio Ficino stellte sich die eigene Zeit gleichfalls als "goldenes Zeitalter" (seculum aureum) dar, weil es die fast erloschenen freien Künste wiederum ins Licht zurückgeführt habe. So in einem Brief vom 13. Sept. 1492, zitiert von F. Schalk, "Das goldene Zeitalter als Epoche", in: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 199 (1962) S. 81. Auch der Erzhumanist Conrad Celtis ( ) gab in den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts seiner Überzeu- gung Ausdruck, "in einer neuen Zeit zu leben". Literatur und Kunst würden in ihrem alten Glanz erstrahlen, die'foeda secula' würden weichen, die "aurea secula" zurückkehren. Vgl. L. Varga, Das Sdilagwort vom 'Finsteren Mittelalter', Baden-Brünn 1932 (Neudruck Aalen 1978), S In einem Brief an seinen Bruder pries Johannes Trithemius die neuen "goldenen Zeiten, in denen das Studium der guten Literatur, nachdem es viele Jahre lang vernachlässigt worden war, von neuem erblühte" (aurea tempore, in quibus bonarum literarum studia multis annis neglecta refloruerunt). Zitiert nach F. J. Worstbrock, "Über das geschichtliche Selbstverständnis des deutschen Humanismus", in: Historizität in Sprach- und Literaturwissenschaft, Vorträge und Berichte der Stuttgarter Germanistentagung 1972, hg. von W. Müller-Seidel, München 1974, S Opus epistolarum (wie Anm. 128), S. 384f. Ebd. S Vgl. auch ebd. S. 487; 384: gratulandum est nostro seculo, gratandum superis, quorum benignitate praeclara studia, tot iam seculis pene sepulta, toto terrarum orbe reflorescunt ac felicissime propagantur. Ebd. S. 492f.; 527f.; 587. Opus epistolarum (wie Anm. 128), Tom. I, Oxonii 1906, S. 291.

36 414 KLAUS SCHREINER ganze Erdkreis zu einer außergewöhnlichen Veränderung hinstrebt" (torus orbis videtur ad insignem quandam mutationem tendere). Deshalb sein Rat: "Vor allem, mein Bonifaz, sei darauf bedacht, daß Du am Leben und gesund bleibst" (cura ut vivas et valeas)133 Die "Unruhe der Welt" (orbis tumulrus) zerstörte Hoffnungen auf ein "goldenes Jahrhundert". Das ist aus Erwägungen zu entnehmen, die Sebastian Münster ( ) in einem Brief an den polnischen König Sigismund im Jahre 1550 zu Papier brachte. Dauer, schrieb er, charakterisiere die Natur, Veränderung die Geschichte. Indes Flüsse, Seen und Teiche unverändert ihre "alten Namen" (prisca nomina) tragen, "vollzog sich in den Verhaltensweisen im ganzen Leben und Streben der Menschen eine so große Wandlung und vollzieht sich fortwährend weiter, daß im Vergleich mit dem Altertum der Eindruck entsteht, es sei ein ganz neues Jahrhundert auf Erden geboren worden, so unruhig und unbeständig ist der Mensch in seinen Handlungen. Meinem Urteil nach kann kein Bericht nützlicher und willkommener sein als dieser, welcher zeigt, wie sich in der menschlichen Geschichte die alte Zeit verändern konnte"134 Münster beschrieb Alltagserfahrungen seiner Zeitgenossen. Die Unvergleichlich- keit zwischen Altem und Neuem hat in ihm das Gefühl entstehen lassen, in einem neuen Zeitalter zu leben. Spätmittelalterliche Geschichtsdenker sprachen von "diver- sitas temporum", um Erfahrungen der Andersheit und des Wandels auf den Begriff zu bringen. Das Wissen um die epochale Einmaligkeit und Differenz der verschiedenen Zeiten bildete eine Grundkategorie ihres geschichtlichen Denkens. Die Wortverbin- dung "diversitas temporum" beweist einen Zugewinn an entwicklungsgeschichtlicher Denkweise. Der Gedanke der "Zeitverschiedenheit" ermöglichte die Ausdifferenzie- rung einer eigenen Geschichtszeit, für welche Einmaligkeit, Dauer und Wandel grundlegend waren. Die Einsicht in die Verschiedenheit und Andersheit vergangener Zeiten befreite von theologischen, kosmologischen und anthropologischen Prinzipien der Zeitgliederung; sie erschloß Möglichkeiten, weltlichen Handlungs- und Ereignis- folgen ihre eigene Historizität zu geben. "Diversitas temporum" stellte deshalb alles andere als ein inhaltsloses Formalprinzip geschichtlicher Zeitgliederung dar. Die Verschiedenheit einer Zeit beruhte auf der Verflechtung (complexus) zeitspezifischer Sachverhalte und Strukturen, auf Wirkungszusammenhängen, die durch "certae personae", "certi -loci", "certa tempora" und "certae actiones" entstanden waren. "Zeitverschiedenheit", wie sie im späten Mittelalter als Grundbestimmung menschli- 133 Opus epistolarum (wie Arun. 128), Tom. V, Oxonii 1924, S Briefe Sebastian Mfiinsters, Lateinisch und Deutsch, hg. u. übers. von K. H. Burmeister, Frankfurt a. M. 1964, S. 167: "Manent coelorum atque terrarum situs, durant et flumina, lacus atque stagna, ct in multis prisca nomina adhuc incorrupta perseverant at in moribus hominum totaque hominis vita et in cönatu tanta facta est et continuo fit mutatio, ut hodie collatione veteris aetatis novum plane saeculum in terris videatur natum, adeo mobilis et inconstans est homo ipse in omnibus operibus suis. Nulla ergo meo iudicio relatio utilior auf gratior esse potest quarr haec quae ostendit, quantum in humanis rebus mutare potucrit vetustas".

37 "DIVERSITAS TEMPORUM" 415 cher Geschichte erkannt wurde, verweist sowohl auf Komplexität als auch auf Beschleunigung. "Täglich", so wurde im beginnenden 15. Jahrhundert gesagt, "ändern sich die Voraussetzungen und Bedingungen des Handelns" (conditiones et status quotidie variantur), woraus ein "rapidus cursus temporum" entstehe, der auch nicht mehr durch das Widerstreben bereits vollzogener Tatsachen, die "Widerständigkeit des Wirklichen" (occursus rerum gestarum), gestoppt werden könne13s. Geschichtsschreiber und Geschichtsdenker des späten Mittelalters machten aus dem Gedanken zeitbedingter "Verschiedenheit" eine erkenntnisfördernde Kategorie historischer Wahrnehmung und Erklärung. Indem sie das taten, bedienten sie sich eines Begriffs, der in der Geschichtstheologie Augustins seinen ursprünglichen Platz hatte'36. Der Regularkanoniker Anselm (j' vor 1158), seit 1128 Bischof von Havelberg, machte "Vielheit" (varietas) zu einem Konstitutionsprinzip der Kirche - sowohl ihrer gegenwärtigen Verfassung als auch ihrer vergangenen und künftigen Geschichte137. Geschichtliche Vielheit und theologische Wahrheit schlossen sich seiner Auffassung nach nicht aus. Wandel in der Zeit, argumentierte Anselm, sprenge nicht die geistliche Einheit des "einen Kirchenleibes", sondern trage der geschichtlichen Grundverfas- sung des Menschen Rechnung, der nur schritt- und stufenweise (paulatim) zur Erkenntnis der göttlichen Offenbarung geführt werden könne. Die zeitgebundene "Vielfalt" der göttlichen Heilsgeschichte, deren mangelnde Gleichförmigkeit in immer neuen kultischen Formen, Geboten und Verboten zur Erscheinung und Entfaltung komme, sei vornehmlich darauf zurückzuführen, daß Gott bei der Offen- barung seines Wesens und Willens auf die jeweilige geistige Aufnahmefähigkeit der Menschen Rücksicht nehme. Wandel, der Vielheit und Verschiedenheit hervorbringt, machte Anselm zu einem Wesensmoment der christlichen Kirche. Er erinnerte daran, daß die Kirche in ihrer Geschichte "zahlreiche Neuerungen" (tot novitates) durchge- macht habe. \\7andel, der in der Verschiedenheit sich neu bildender Mönchsorden, in ständig neuen Gesetzen und Gebräuchen in Erscheinung trete, bestimme auch das Bild der gegenwärtigen Kirche. Um zu verhindern, daß die Erfahrung kirchlicher Veränderungen Zweifel an der Wahrheit des christlichen Glaubens hervorruft, stellte er folgende Fragen: Nimmt die christlische Religion, die heute ändert, was sie gestern noch für. heilig und unwandelbar erklärte, nicht Schaden? Sind neue Ordnungen, die "sub praetextu novae religionis" beschlossen und ins Werk gesetzt werden, theolo- gisch überhaupt legitimierbar? Geht man von der Voraussetzung aus, daß sich us G. 11ellcille, 'System und Diachronie: Untersuchung zur theoretischen Grundlegung geschichtsschreiberischer Praxis im Mittelalter", in: Historisches Jahrbuch 95 (1975) S. 65; Augustinus, Ep. 23,4, in: CSEL 34,1, S. 68; ep. 102, in: CSEL 34, Sp ; ep. 138, in: CSEL 44, Vgl. auch U. Duchrow, Sprachverständnis und biblisches Hören bei Augustin, Tübingen 1965, S "Anticimenon id est Eber contrapositorum sub dialogo conscriptus" (meist 'Dialogi' genannt), in: Migne PL 188, Sp Zur Deutung dieses Textes vgl. W. Eberhard, "Ansätze zur Bewältigung ideologischer Pluralität im 12. Jahrhundert: Pierre Abelard und Anselm von Havelberg", in: Historisches Jahrbud, 105 (1985) S

38 416 KLAUS SCHREINER Wertvolles durch zeitüberlegene Stetigkeit, nicht durch permanenten Wechsel auszeichnet, verliert dann eine Kirche, deren Glaubens-, Lebens- und Verfassungsfor- men offenkundigem Wandel unterworfen sind, nicht ihre Glaubwürdigkeit? Theologische Bedingungen für die Möglichkeit kirchlicher "varietates" erblickte Anselm in dem einen heiligen Geist, der sich "als vielfältig erweist in der vielfältigen Verteilung seiner Gaben" (multiplex in multifaria donorum suorum distributione), sowie in dem einen Glauben, der, weil er "vielgestaltig unterschieden ist durch die vielfältige Verschiedenheit des Lebens" (multiformiter distinctum multiplici vivendi varietate) (I 2,1144), auch zur Folge habe, daß die eine, vom Heiligen Geist belebte und gelenkte Kirche seit den Zeiten Abels, des "Ersten im Glauben" (primus in fide), "durch verschiedene Glieder in verschiedenen Zeiten und Zeitaltem gegliedert und unterschieden" (per diversa membra diversis temporibus et aetatibus discretum et distinctum) (I 2, Sp. 1144) sei. Was der Kirche, unbeschadet abweichender, ja sogar mitunter widersprüchlicher Kultformen und göttlicher Gebote Zusammenhang gebe, sei der Glaube ihrer Träger, der aus der Zeit des Naturgesetzes (lex naturae), der Zeit des geschriebenen Gesetzes (lex scripts) und der Zeit des Evangeliums eine eng miteinander verwobene geschichtliche Einheit entstehen lasse. Von Abel bis Moses und von Moses bis zum Erscheinen Christi seien immer wieder Fromme aufgetreten, die "certissima fide" Gott geopfert, ihm vertraut und als solche "in unitate Ecclesiae" gehandelt und gelebt hätten (I 3, Sp. 1145). Aus so verstandener "Vielfalt" machte Anselm eine kirchenpolitische und lebens- praktische Handlungsmaxime. Im Bekenntnis zur Vielheit, argumentierte er, beweise die Kirche ihre Reformfähigkeit. Gott fördere nämlich stets das Neue, weil er wisse, "daß sich Einrichtungen und Gemeinschaftsformen im Trott der Gewohnheit verbrauchen und immer geistige Trägheit droht""'. Es sei ein und derselbe Geist Gottes, der "in verschiedenen Zeiten und in verschiedenartigen geistlichen Lebensformen" (in diversis temporibus et in diversis ordinibus) (I, 10, Sp. 1157) erneuernd am Werke sei. In der Tat: Anselms Überlegungen zur Vereinbarkeit von geschichtlicher Vielfalt und zeitloser Offenbarungswahrheit enthalten eine zukunftsweisende "Geschichtsphilosophie in nute, wie sie damals einem zünftigen Theologen, den die Folianten- Tradition immer umgab, kaum gelingen konnte"139. "Distingue tempora et concordabis scripturas", lautete ein kirchenrechtlicher Grundsatz, der es ermöglichen sollte, die Widersprüchlichkeit divergierender Rechts- überlieferungen auszugleichen140. Grundlegend für das Geschichtsverständnis des späten Mittelalters waren "tres temporum distinctiones", denen "tres status hominum" zugeordnet wurden141. Den drei verschiedenen Zeiten entsprachen drei 1e W. Berges, "Anselm von Havelberg in der Geistesgeschichte des 12. Jahrhunderts", in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands 5 (1956) S. 52. H. Grundmann, Studien über Joachim von Fiore. Mit einem Vorwort zum Neudruck, Darmstadt 1975 (unveränd. reprograph. Nachdruck der Ausgabe Leipzig-Berlin 1927), S. 92. t+o Miethke, "Parteistandpunkt" (wie Anm. 90), S. 60. Thomas von Aquin hat der vormosaischen Zeit (tempus ante legem) den "status naturalis" bzw. den "status innocentiae" zugeordnet, dem Alten Bund als der Zeit unter dem Gesetz (tempus sub lege) den

39 "DIVERSITAS TETSPORUTI" 417 verschiedene Verfaßtheiten der Menschen, die sich im Fortgang der Zeit verändertenl{z. Diesen drei Besonderungen göttlicher Heils- und menschlicher Geschichtszeit lagen, folgt man den Gedankengängen des Thomas von Aquin, folgende Überlegun- gen zugrunde: Heil realisiert sich nicht unvermittelt und zugleich (statim), sondern in einer Ordnung der zeitlichen Aufeinanderfolge (quodam temporali successionis ordine)i4;. Dieselben Prinzipien, welche die verschiedenen Geschichtsepochen kon- stituieren, begründen auch die verschiedenen Heilsverfassungen des Menschen: die "unversehrte Natur" vor dem Sündenfall (ante legem), welcher die Einführung des Gesetzes notwendig machte; die Sünde unter der Herrschaft des mosaischen Gesetzes (sub lege); schließlich die Gnade, welche die Zeit zwischen Menschwerdung und Wiederkunft Christi zu einer Epoche "unter der Gnade" (sub gratia) werden läßt. Heils- und Weltgeschichte wurden einem einheitlichen Gliederungsprinzip unterworfen. Änderten sich die göttlichen Bestimmungsgründe der Geschichte, änderte sich auch die Verfaßtheit des Menschen. Als Kriterium der Unterscheidung diente das göttliche Heil, das sich in der Geschichte in unterschiedlichen Zeitstufen verwirklicht. Die drei heilsgeschichtlichen Großepochen, die Thomas in seiner Auseinanderset- zung mit Joachim von Fiore und dessen Anhängern entwickelt und begründet hatte, stifteten allgemeine Sinnhorizonte, ohne die Eigengesetzlichkeit innerweltlicher Geschichte aufzuheben. Thomas von Aquin war der Überzeugung, daß der Mensch den Plan der Geschichte, soweit er sein Heil berührt, zu kennen vermag; "aber er kennt nicht das Plangefüge der einzelnen Ereignisse`". Das \Vissen um den Sinn der Geschichte beinhaltete weder eine apriorische Erklärung weltimmanenter Geschichtsprozesse noch ein Vorauswissen über künfti- ges Geschehen. Erfahrene Geschichte durch figurale Deutungen nach dem Schema von Weissagung und Erfüllung aufzuschlüsseln und in einen universalgeschichtlichen Zusammenhang einzuordnen, widersprach dem Geschichtsbegriff und Geschichts- verständnis des Aquinaten. Erfahrene Geschichte bezog er auf den "Wandel menschlicher Lebensbedingungen" (mutatio conditionum hominum), der zur Folge hat, daß sich "per successionem temporis" die Ordnungen menschlichen Zusammenlebens verändern. Die Erfahrung strukturellen Wandels verlangte nach einer Begrifflichkeit, die Veränderung (mutatio) benenn- und erklärbar machte"' Thomas von Aquin ging allerdings noch nicht so weit, empirisch wahrnehmbare Veränderungen aufgrund gemeinsamer Strukturmerkmale zu einer Epoche zusam- 'status culpae', dem Neuen Bund als der Zeit unter der Gnade (tempus sub gratia) den "status gloriae". Vgl. M. Seekler, Das Heil in der Geschidite: Gesdiiditstheologisches Denken bei Thomas von Aquin, München 1964, S Thomas von Aquin, Summa Tbeologica I-II, qu. 106, a. 3 ad 2: diversus status humani generis... variatur per temporis successionem. Seckler, Heil (wie Anm. 141), S Ebd. S "s Vgl. K. Schreiner, 'Sozialer Wandel im Geschichtsdenken und in der Geschichtsschreibung des späten Mittelalten', in: Gesdiichtsscbreibung und Gesdiichtsbewußtsein im Spätmittelalter, hg. von H. Patze (Vorträge und Forschungen 31) Sigmaringen 1986, S. 267.

40 418 KLAUS SCHREINER menzufassen. Versuche in dieser Richtung unternahm \Vilhelm von Ockham. Im Blick auf die Geschichte des Eigentums unterschied er eine "dreifache Zeit" (triplex tempus). Vor dem Sündenfall (ante peccatum) bestimmte "engelgleiche widerstandslose Herr- schaft" den Umgang des Menschen mit der Kreatur. Die "zweite Zeit" (secundum tempus) begann mit dem Sündenfall, der zur Folge hatte, daß die Menschen eine Aneignungsbefugnis (potestas appropriandi) zur Bildung von Gemeineigentum (dominium commune) beanspruchten. Die "dritte Zeit" (tertium tempus), deren Anfangstermin Ockham offenläßt, begann mit der "Aufteilung der Güter" (divisio dominiorum). Aus der Auflösung des Gemeineigentums entstand kraft menschlichen Rechts Privateigentum (dominium proprium) als individuelle Sachherrschaft. So gelingt es Ockham, eine Geschichte des "dominium" als "Abfolge von drei Zeitstufen" zu entwerfen, die sich durch zeitspezifische Formen des Erwerbens und Besit- zen" voneinander unterscheiden 16. Dem fügte Ockham eine hermeneutische Regel hinzu: die verschiedenen Formen des Eigentums (distincta dominia) seien in "ver- schiedenen Zeiten" (diversa tempora) entstanden. Man müsse deshalb die verschiede- nen "dominia" den entsprechenden "tempora" zuordnen, um biblische und theologi- sche Texte, die Aussagen über Ursprung und Geschichte des Eigentums machen, richtig einschätzen zu können147. Autoren, die Kirchenreform als Verfassungsreform verstanden und als solche ins Werk zu setzen suchten, zitierten zur historischen Legitimation ihrer Reformvor- schläge nicht einzelne historische Exempel, sondern verwiesen auf langfristige Veränderungsprozesse, die zeigen sollten, was es mit der "Verschiedenheit der Zeiten" auf sich habe. "Verschiedenheit" machte der Dominikaner Johannes von Ragusa in seinem Tractatus de ecclesia zu einem Stukturprinzip der "kämpfenden Kirche"ras. An die Spitze der den Aufbau der Kirche strukturierenden Verschiedenheiten stellte er die diachrone "diversitas temporum". Mit dieser verknüpfte er synchrone Verschieden- heiten - die "diversitas rituum", die "diversitas graduum et dignitatum", die diversitas locorum", die "diversitas electionum" sowie die "diversitas spatuum". Verschiedenheit in der Liturgie (diversitas rituum) trenne die West- von der Ostkirche. Pfarr-, Metropolitan- und Kathedralkirche hätten einen verschiedenartigen rechtlichen Rang (diversitas graduum et dignitatum). Die römische Kirche sei nicht identisch mit der Kirche von Köln oder Konstanz (diversitas locorum). Die "Kirche dervollkommenen" (ecclesia perfectorum), die sich einem betrachtenden Leben hingeben, sei-abzuheben von der "Kirche der Unvollkommenen", die ein aktives Leben führen (diversitas electionum). Die Verschiedenheit der "Stände" (diversitas statuum) zeige sich in der Differenz zwischen der "Kirche der Guten" (ecclesia bonorum), die im Gnadenstand leben, und der "Kirche der Verworfenen" (ecclesia malorum), die der Gnade ent- behren. 146 J, Miethke. Ockhams Weg zur Sozialphilosophie (wie Anm. 91) S. 476 und Anm Ebd. S W. Krämer, Consens und Rezeption: Verfassungsprinzipien der Kirche im Basler Konziliarismus, Münster 1980, S. 380f.

41 "DIVERSITAS TEMPORUNi". 419 Die "Verschiedenheit der Zeiten" (diversitas temporum) komme nicht zuletzt im Bedeutungswandel und in der Bedeutungsvielfalt des Begriffes Kirche zum Ausdruck. Kirche, als Synonym für Synagoge, bezeichne sowohl die "Vielfalt der Gläubigen vor der Ankunft Christi unter dem Gesetz" als auch die "Vielheit der Glaubenden unter der Gnade", wobei sich die Kirche der apostolischen Zeit, die "bis in die Zeiten Konstantins und des heiligen Silvester" dauerte, deutlich von der Kirche der Gegen- wart (ecclesia praesens et moderna) unterscheide. Sich über die "Verschiedenheit der Zeiten» und die "Verschiedenheit kirchlicher Aufbauprinzipien" Gedanken zu machen, warfür den Basler Konzilstheologen Johan- nes von Ragusa alles andere als eine Sache praxisentrückter Spekulation. Als er im Sommer 1438 in \Vien König Albrecht aufsuchte, machte er aus der "Verschiedenheit der Zeiten" ein kirchenpolitisches Argument, das den deutschen König veranlassen sollte, die Legitimität des Basler Konzils und seiner Beschlüsse anzuerkennen. Um das zu erreichen, erinnerte Johannes von Ragusa an die Zeitgebundenheit und den Wandel kirchlicher Verfassungsformen. Im einzelnen argumentierte er so: Die Art und Weise, wie allgemeine Kirchenversammlungen zusammentraten und sich konstituierten, war "nach den verschiedenen Zeiten verschieden" (secundum diversa tempora diversus fuit modus congregationis generalium et universalium conciliorum). Anders wurden Kirchenversammlungen einberufen und gehalten in der Urkirche, als die christliche Lehre noch nicht weit verbreitet war, anders danach, als sich die Kirche "über den Erdkreis" ausweitete und die römischen Kaiser den christlichen Glauben annahmen, anders in den Zeiten, als die Amtsträger der Kirche, insbesondere der römische Bischof, zu Ehren kamen, ihre Macht und ihr Reichtum wuchsen, anders in "unseren Zeiten", in denen das Konstanzer Konzil die Kompetenz von Papst und Konzil neu definierte1i9. Die Erklärungskraft der Interpretationsfigur "Zeitverschiedenheit" bezog sich im späten Mittelalter vornehmlich auf den Wandel empirisch feststellbarer Verfassungs- strukturen, nicht auf die Sinngebung universalgeschichtlicher Abläufe und Zusam- menhänge. Der Gebrauch, den Nikolaus von Kues von der Wortverbindung "diversi- tas temporum" machte, zeigt dasls. 19 Deutsdie Reicbstagsakten unter Kaiser Friedridi III. (wie Anm. 95), S Welche Bedeutung den Worn erbindungen "diversitas temporum", "varietas temporum" und "necessi- tas temporis" im Geschichtsdenken des Nikolaus von hues zukommt, hat Erich Meuthen in seinen grundlegenden Untersuchungen zum Geschichtsverständnis des Cusanus in eindrucksvoller Weise kenntlich gemacht. Vgl. ders., "Kanonistik und Geschichtsverständnis: Über ein neuentdecktes Werk des Nikolaus von Kurs: De maioritate auctoritatis sacrorum conciliorum supra auctoritatem papae", in: Von Konstanz nadi Trient, Beiträge zur Geschichte der Kirche von del: Reformkonzilien bis zum Tridentinum, Festgabe für August Franzen, hg. von R. Bäumer, München-Paderborn-Wien 1972, ; «Nikolaus von Hues und die Geschichte", in: Das Menschenbild des Nikolaus von Kues und der dirisdicbe Humanismus, Festgabe für Rudolf Hauest zum 65. Geburtstag, hg. von M. Bodewig, J. Schmitz u. R. Weier, (Mitteilungen und Forschungsbeiträge der Cusanus-Gesellschaft 13) Mainz 1978, S ; «Nikolaus von Kurs auf dem Konzil von Trient", in. Reformatio Ecclesiae: Beiträge zu kirdilicbet: Reformbemühungen von deralten Kirdie bis zurneuzeit, Festgabe für Erwin Iserlob, hg. von R. Bäumer, Paderborn-München-\\rien-Zürich 19S0, S

42 420 KLAUS SCHREINER Cusanus war in seinen Geschichtsentwürfen Altertum mit nicht darauf bedacht, das heidnische der Geschichte von Reich und Kirche zu verbinden. Das deutsche Kaisertum betrachtete er nicht mehr als unmittelbare Fortsetzung des Römischen Reichs. Deshalb konnte er auf die von Daniel prophezeite Abfolge der vier Monar- chien verzichten. Weil er auf die relative Eigenständigkeit des Politischen Wert legte, verwarf er die Translationslehre. Leitbilder für eine Reform von Reich und Kirche fand er in der Zeit der Ottonen, in welcher die Eintracht zwischen Regnum und Sacerdotium noch nicht durch krisenhafte Erschütterungen und Konflikte getrübt war. Weder die Vier-Monarchien-Lehre, die auf dem Gedanken der "Übertragung" aufbaute, noch die figurale Geschichtsdeutung, die Strukturidentitäten zwischen alttestamentlichem Vorbild und neutestamentlicher Erfüllung zu Gesicht brachte, boten Anknüpfungspunkte, Verschiedenheit und Wandel zu Leitbegriffen histori- scher Erkenntnis zu machen. Eine Abkehr von der universalen Heilsgeschichte, die einem Verzicht auf den durch das Christusereignis vorgegebenen Zeitrahmen gleichgekommen wäre, lag außerhalb der Denkmöglichkeiten spätmittelalterlicher Chronisten. Dessenungeachtet waren sie bestrebt, die Grenzen zwischen Geschichte und Heilsgeschichte nicht vorschnell zu verwischen. Glaube an den göttlichen Sinn der Geschichte schloß nicht aus, empirisch wahrnehmbare Geschichtsdaten nach strukturellen Gesichtspunkten zu ordnen, sich ihre jeweilige Andersheit bewußt zu machen und zu chronologisch abgrenzbaren Einheiten zusammenzufassen. Es ist deshalb zu fragen, wie sich die Differenz zwischen Geschichts- und Heilszeit auf das Geschichtsdenken des Cusanus auswirkte. Das dreigliedrige Epochenschema, das Natur, Gesetz und Gnade zu Periodisierungskriterien machte, verbürgte die Sinnhaftigkeit des gegenwärtigen und künftigen Geschichtsverlaufs; es bot jedoch keine Erklärung für die Abfolge von Ereignissen und die Verkettung von Umständen in der historischen Realität. Die zeitprägende, zusammenhangbildende Kraft göttlicher Heilsveranstaltungen war Sache des Glaubens; das Bemühen, sich mit Hilfe des Begriffes "Zeitverschiedenheit" die qualitative Andersheit vergangener Zeiten zu vergegenwärtigen, entsprang dem Willen nach vernünftiger Einsicht und Erklärung. Eine "unverkennbare Zurückhaltung in der Anwendung apokalyptischer Motive""' gab ihm die Möglichkeit, der relativen Eigengesetzlichkeit weltlicher Geschichte Rechnung zu tragen. Aus dem Bemühen um empiriebezogene Erkenntnis realgeschichtlicher Zusammenhänge erklären sich zahlreiche Formen der Verzeitlichung, die für das Geschichtsdenken und das Geschichtsbild des Cusanus charakteristisch sind. Zeitbezug wurde zu einem Element der Quellenkritik. Apokryphe Briefe, deren Echtheit nicht zweifelsfrei feststehe, würden sich von selbst entlarven, wenn man ihr R. Stadelmann, Vom Geist des ausgehenden Mittelalters, Stuttgart - Bad Cannstatt 1966 (Faksimile- Neudruck der Ausgabe Halle 1929), S. 234.

43 "DIvERSITAS TEMPORUM" 421 Verhältnis zur Zeit (ad tempus) prüfe, d. h. mit den urkundlich verbrieften Tatbestän- den der jeweiligen Zeit vergleiche152. Zeitgebunden sei überdies die Sprache der Quellen. Der Verschiedenheit der Zeiten (varietas temporum) entspreche eine Ver- schiedenheit der Begriffe (varietas vocabulorum). Die Bedeutungsveränderung von Begriffen sei ein Indikator für Zeitverschiedenheit (iuxta temporum varietatem voca- bula eciam variata sunt)153. An Gedankengänge des Thomas von Aquin anknüpfend, insistierte er auf der Wandelbarkeit des Rechts, unbeschadet der Unveränderlichkeit des Naturrechts. Er erinnerte an Veränderungen des kirchlichen Eherechts, das in verschiedenen Zeiten verschiedene Gestalt angenommen habe, weil die Kirche jeweils "iuxta temporis conditiones" entschieden habe. Zeitgemäße Entscheidungen zu treffen, hieß für Cusanus auch immer, "vernunftmäßig" (rationabile) zu entscheiden. Vernunft und Geschichte bildeten seiner Ansicht nach keine Gegensätze154. Normwandel betrachtete er als Folge von Strukturwandel. Er erläutert diesen Zusammenhang am Beispiel des Gemeineigentums, das der frühchristlichen Sozial- verfassung ihr unverwechselbares Gepräge gab. Gemeineigentum, argumentierte Cusanus, habe einer Gemeinschaft entsprochen, die klein war und in einer idealisti- schen Aufbruchphase lebte. Als sich die "Vielzahl der Heiden" zum Christentum bekehrte, sei der religiös begründete Verzicht auf Privateigentum nicht mehr "univer- sauter" zu verwirklichen gewesen. Cusanus zog aus diesem Befund grundsätzliche Schlüsse: Ein und dieselbe Vorschrift war "secundum rationabilem temporis congruentiam" anfangs von allen erfüllbar, später nur noch von einigen, den Mönchen nämlich 15'. Die Universalisierung der Kirche verursachte eine Differenzierung ihrer Normen. Um geschichtlich zu erhärten, daß im Rang- und Kompetenzstreit zwischen Papst und Konzil dem Konzil eine "maioritas auctoritatis" zukomme, berief sich Cusanus auf die "varietas temporum et vocabulorum". Den Wandel sprachlicher Bedeutungs- inhalte brachte er in einen ursächlichen Zusammenhang mit dem Wechsel der Zeiten, um auf diese Weise die kontrovers beantwortete Frage nach dem rechten Kirchenver- ständnis und nach der richtigen Kirchenverfassung an der "Wurzel" (fundamentum) anzupacken15b. Die bestehende Kirchenverfassung, argumentierte Cusanus, sei nicht theologisch, sondern geschichtlich zu erklären. Die Kirche habe im Laufe ihrer Geschichte keine eigene Verfassungsordnung ausgebildet, sondern sich weltlichen Organisationsstruk- turen angepaßt. Ihre Gliederung in fünf Patriarchate beruhe letztlich auf politischen 'S2 Meuthen: 'Geschichte' (wie Anm. 150), S '" Meuthen, "Kanonistik' (wie Anm. 150), S. 155; Cusaruas-Texte II: Traktate, 2. De maioritate sacronnn condliorum supra auaoritatem papae, hg. u. erl. von E. Meuthen, Heidelberg 1977, S. 42. Vgl. auch ders., 'Geschichte' (wie Anm. 150), S 'S' Meuthen, `Geschichte' (wie Anm. 150), S. 248 und Anm. 82. "Ebd. S. 248 und Anm. 83. 'S6 Meuthen, 'Kanonistik' (wie Anm. 150), S. 155.

44 422 KLAUS SCHREINER Vorgegebenheiten. Wenn es in der Gegenwart nur noch das römische Patriarchat gebe, sei das eine unmittelbare Folge des abendländischen Schismas. Entsprechend seien auch die Entstehungsursachen für den römischen Primat in der politischen Geschichte zu suchen. Nicht ein göttlicher Befehl habe ihn begründet, sondern die politische Vormachtstellung des alten Rom. Die Vergegenwärtigung geschichtlich bedingter Strukturveränderungen nahm dogmatischen Grundsatzpositionen ihre unversöhnliche Schärfe; sie machte sie diskutierbar. Cusanus ging jedoch nicht so weit, unter Berufung auf die Geschichtlichkeit der bestehenden Kirchenverfassung für einen grundlegenden kirchlichen Strukturwandel zu plädieren. Er wußte sich an die Entscheidung der alten Konzilien gebunden, die Rom den Primat zuerkannt hatten; er war sich des friedenstiftenden Nutzens bewußt, der aus der Eintracht zwischen geistlicher und weltlicher Ordnung erwächst157. Besinnung auf die Geschichte war für Cusanus zwar "ein wichtiges Element des Sachverständnisses"158; Entscheidungshilfe bot der Rückblick in die Vergangenheit jedoch nur dann, wenn er mit Wert- und Handlungsinteressen übereinstimmte, welche die gegenwärtige Kirche verfolgte. Ging es darum, geschichtliches Nachdenken in gegenwärtiges Handeln umzuset- zen, brach auch Nikolaus von Kues, alles andere als ein Mann unbedachter, opportunistischer Anpassung, den "Weg geschichtlicher Reflexion an einem bestimmten Punkte ab""'. Für die Anstrengungen des Cusanus, geschichtliche Vielfalt und theologische Wahrheit miteinander zu vermitteln, ist insbesondere die Böhmenfrage ein instruktives Beispiel160. Nikolaus von Kues räumte vorbehaltlos ein: Die Geschichte der Kirche kennt Belege sowohl für den Empfang der Eucharistie unter einer als auch unter beiderlei Gestalten. Gegen eine Kommunion "sub utraque specie" sei aus historischen Gründen nichts einzuwenden. Bleibe die Einheit der Kirche erhalten, könne der Ritus durchaus verschieden sein (in eadem quidem ecclesia remanente unitate varium posse ritum esse sine periculo nemo dubitat)161 Ausdrücklich bekennt er sich zu dem Grundsatz, daß "in der Verschiedenheit der Riten ein einziger Glaube" (religio una in rituum varietate) lebendig seil6z. "Verschiedenheit nach dem Heil der Zeit" (varietas secundum temporis salutem) liege in Gottes Absicht163. Ebd. S. 156ff.. 'se Ebd. S 'sv Ebd. S Vgl, dazu Meuthen, "Geschichte» (wie Anm. 150), S ; H. Hanauer, "Das Glaubensgespräch mit den Hussiten", in: Nikolaus von Krres als Promotor der Ökumene, hg. von R. Haubst, (Mitteilungen und Forschungsbeiträge der Cusanus-Gesellschaft 9) Mainz 1971, S Mcuthen, "Geschichte" (wie Anm. 150), S. 247 Anm Nicolai de Cusa, "De pace fidei», in: Opera omnia, Bd. 7, Hamburg 1970, S. 7. Zur Herkunft des cusanischen "Toleranzgedanken", wie er ihn in der Formel "una religio in rituum varietate» zum Ausdruck bringt, vgl. E. Meuthen, "Nikolaus von Dues: Dialogus concludens Amedistarum errorem ex gestis et doctrina concilii Basiliensis", in: Mitteilungen und Forschungsbeiträge der Cusarus- Gesellschaft 8 (1970) S Meuthen konnte nachweisen, daß die Formel "Erbgut der kanonistischen Tradition" ist (S. 61). 163 Meuthen, "Geschichte» (wie Anm. 150), S Vgl. außerdem M. Seidlmayer, "'Una religio in

45 "DIVERSITriS TEMPORUM" 423 Das hohe Maß an Offenheit und Toleranz, das Nikolaus von Kues als theologischer Denker unter Beweis stellte, kollidierte jedoch mit Amts- und Loyalitätspflichten, die er als Sekretär und Kanzler des Trierer Erzbischofs erfüllen zu müssen glaubte16'. In der Kirche sah er jene Instanz, der es rechtens zukomme, mögliche Variabilität einzuschränken. Deshalb sei in der Kelchfrage die Entscheidung der gegenwärtigen Kirche maßgebend, in welcher Christus "pro temporum varietate" die göttlichen Geheimnisse ordne und "das, was den einzelnen Zeiten gemäß ist" (quae singulis temporibus congruunt), auf wunderbare Weise zu erkennen gebe165. Cusanus"erin- nerte überdies an die Einheit der Kirche, die auch in der Gleichförmigkeit (confor- mitas) ihrer liturgischen Gebräuche zum Ausdruck kommen müsse. Der von den Böhmen geforderte Laienkelch lasse jedoch eine Abspaltung von der Kirche (scissura ecclesiae) vermuten. Auf die Frage, wie und ob die Kirche, die zu verschiedenen Zeiten das Evangelium verschieden auslege, ihre Identität wahren könne, verweist Cusanus auf das Wirken des Heiligen Geistes, "der in verschiedenen Zeiten Verschie- denes zum Heil der Glaubenden bewirkt hat" (varia variis temporibus pro salute fidelium operatus est)166. Ob eine Auslegung des Evangeliums von Gott inspiriert sei oder nicht, sei verbindlich daran abzulesen, wie die Kirche eine biblische Weisung aufgreife, deute und verwirkliche. Nur eine solche Norm, die durch die "maior et sanior pars" der Glaubenden anerkannt und angenommen worden sei, besitze gesamtkirchliche Relevanz. Jede Majorität, auch die momentane, könne sich im Fortgang der Geschichte wieder ändern; dennoch gelte im Augenblick der von der Mehrheit getragene "usus" der Kirche. Zeitgebundenheit und Normativität schlossen sich nicht ausi67. Theologisch und geschichtlich legitime Vielfalt sollte an der jeweiligen Lebens- praxis der Kirche ihre Grenze finden. Nikolaus von Kues beharrte auf der "prinzipiellen Geschichtlichkeit der Riten "168, die er als "Spiegel und Symbole" sich geschichtlich verschränkender Epochen deu- tete 169; aber er war nicht bereit, im Blick auf die "Verschiedenheit der Zeiten" die Einheit der Kirche in Frage zu stellen. Wissen um epochale Einmaligkeit konnte ihn auch nicht bewegen, den durch das Christusereignis vorgegebenen Zeitrahmen aufzu- geben, um Raum zu schaffen für unbegrenzte weltliche Zukunft. Kirchen- und rituum varietate': Zur Religionsauffassung des Nikolaus von Kues", in: Wege und Wandlungen des Humanismus: Studien zu seinen politischen, etl isdien, religiösen Problemen, Göttingen 1965, S ; Hallauer, "Glaubensgespräch" (wie Anm. 160), S ; Meuthen, "Nikolaus von Kues auf dem Konzil von Trient" (wie Anm. 150), S "M Vgl. dazu Hallauer, `Glaubensgespräch" (wie Anm. 160), S. 70: "Am Dialog mit den Böhmen erleben wir seinen inneren Konflikt zwischengroßzügiger Toleranz, geistiger Offenheit und Loyalität zu Amt und Auftrag. Sein Denken bricht aus den traditionellen Bahnen aus. Aber vor die Entscheidung gestellt, schreckt er zurück, scheut den Bruch, bleibt der gehorsame Gefolgsmann des Papstes, den Anschauungen seiner Zeit verpflichtet. " Dleuthcn, -Geschichte' (wie Anm. 150), S. 247 Anm. 71. "" Ebd. S. 249 Anm Ebd. S ', ' Meuthen, "Nikolaus von Kurs auf dem Konzil von Trient" (wie Anm. 150) S l, leuthen, "Geschichte" (wie Anm. 150), S. 248.

46 424 KLAUS SCHREINER Weltgeschichte bezog Cusanus immer noch auf die Geschichte des Heils. Aber weltliche Geschichte war nicht mehr unmittelbar zu Gott. Als Handlungsfeld frei entscheidender Menschen entzog sie sich geschichtstheologischen Zugriffen, die beanspruchten, auch in den Verkettungen innerweltlicher Ereignisgeschichte Gottes Handeln erfassen und erklären zu können170. Die Tatsache, daß Cusanus die Wiederkunft Christi als ein unmittelbar bevorste- hendes Ereignis aus seinem Geschichtsbild ausblendete171, ließ Zeit als nahezu unbegrenzte Dauer erscheinen, welche von endzeitlichen Überraschungen und Katastro- phen befreite. An die Stelle eschatologischer Zeitverkürzung trat die Vorstellung langfristiger struktureller Veränderungen`. Eine als Krise erfahrene Gegenwart weckte keine apokalyptischen Ängste, sondern gebot entschlossenes Handeln. Nikolaus von Kues verknüpfte Krisenerfahrungen mit Reformerwartungen. Auf die wahrgenommene "deformitas" in Reich und Kirche reagierte er mit geschichtlich begründeten Reformvorschlägen. Zwischen Krisenbewußtsein und Krisenbewälti- gung bestand für ihn keine unüberbrückbare Kluft. Das Wissen um Zeitverschiedenheit sicherte die Kontinuität und den Fortgang der Geschichte. Deren baldiges Ende zu befürchten, bestand für Nikolaus von Kues kein Anlaß. Das Geschichtsverständnis der Reformatoren trug andere, eschatologische Züge. Auf erfahrene Krisen und erkannte Gefährdungen reagierten sie mit verstärkter Naherwartung. Daniels Visionen dienten ihnen gleichermaßen als Gliederungsprin- 170 Rationalisierend wirkte auch die Tatsache, daß Cusanus die Maße derzeit ausdrücklich als Hervorbrin- gungen des menschlichen Geistes definierte. Vgl. P. M. Watts, Nirnlaus Cusanus: A Fifteenth-Century Vision ofman, (Studies in the History of Christian Thought 30) Leiden 1982, S. 205: "Cusanus contends that it is not time that controls man but rather man who controls time, for man has, in effect, invented the measures of time". Als Beleg zitiert Watts folgende Äußerungen des Cusanus: "Crest anima sua inventione nova instrurnenta ut discernat et noscat, ut Ptolemäeus astrolabium et Orpheus lyram et ita de multis. Neque ex aliquo extrinseco inventores crearunt ilia sed ex propria mente. Explicarunt enim in sensibili materia conceptum. Sic, annus, mensis, horae sunt instruments mensurae temporis per hominem creatae. Sic tempus, cum sit mensura motus, mensurantis animae est instrumentum. Non igitur dependet ratio animae a tempore, sed ratio mensurae motus, quae tempus dicitur, ab anima rationali dependet" (ebd. S. 205 Anm. 33). "t fn seiner 1446 abgefaßten Schrift "De coniectura de ultimis diebus"suchte Cusanus mit Hilfe biblischer Zahlenapgaben glaubhaft zu machen, daß zwischen 1700 und 1750 mit dem Weltende zu rechnen sei. Nitrolau; yon Kues ist jedoch weit davon entfernt, solche Zahlenspekulationen für begründete Glaubcpsaussagcn zu halten. Er weiß, daß sich schon sehr viele Exegeten, wenn sie die Jahreszahl des Weltunterganges errechnen wollten, geirrt haben. Er ist sich überdies bewußt, daß viel davon abhängt, wie man Daniels prophetische Zahlenangaben (Dan 8) interpretiert. Aber auch für die Auslegung der Danielprophetie gelte, daß alle Bibelexegese zeitgebunden sei und deshalb verschiedenartige Einsichten zeitigen könne. Vgl. "Cgniectura de ultimus diebus', in: Opera omnia, Bd 4, Hamburg 1959, S. 98 f.; S. 100: "Sant que iam effluxa plura tempora, quae docti etiam viri non putarunt futura, et transierunt sic plurimi et transibunt in varierate interpretationis prophetae Danielis. " 12 Meuthen, "Geschichte" (wie Anm. 150), 5.251, umschrieb den hier angesprochenen Sachverhalt so: Für "den Humanismus stand der praktische Nutzen der Geschichte als magistra vitae im Vordergrund, während das Geschichtsverständnis des Cusanus die Struktur der Geschichte in einem spekulativen Gesamtzusammenhang zu begreifen beginnt". - Auf den für das Geschichtsverständnis des Cusanus gleichfalls zentralen Gedanken der "Verschiedenheit der Zeiten" gedenke ich in der erweiterten Fassung dieser Vorlage ausführlicher einzugehen. R

47 "DIVERSITAS TEMPORUM" 425 zip und Deutungsmuster der vergangenen, gegenwärtigen und künftigen Geschichte. Wer, wie Luther, Carion und Melanchthon, die Wiederkunft des von Daniel prophezeiten Antichristen auf den Türken, den Papst und die römische Kirche bezog, der mußte auch vom nahenden Weltende beunruhigt und überzeugt sein. Deshalb verstand Luther seine Zeit als "die letzte Stunde""; er war von dem Bewußtsein erfüllt, "unmittelbar vor dem Untergang der Welt zu leben"»a. Melanchthon glaubte zu wissen, daß die "Zeit des besseren Lebens" (tempus melioris vitae), die mit Christi Wiederkunft anbreche, nicht mehr weit seil". Um Daniels Prophetie auf die politischen Verhältnisse des beginnenden 16. Jahrhunderts abzustimmen, mußten Luther und Melanchthon dem Türkischen Reich den Charak- ter eines ernst zu nehmenden politischen Gebildes absprechen. Andernfalls hätte es als fünftes Reich gezählt werden müssen. Das hinwiederum hätte den Propheten Daniel, der nur vier Reiche kannte, als "Lügner" ins Unrecht gesetzt, was aufgrund theologi- scher Prämissen schlechterdings "nicht möglich" war'76. Gegenüber der Geschichtsauffassung spätmittelalterlicher Konziliaristen, welche "Zeitverschiedenheit" zu einem Element ihres Geschichtsdenkens und ihrer kirchen- politischen Handlungstheorie gemacht hatten, bedeutete das Geschichtsbild der Reformatoren einen Verlust an historischer Rationalität. "Zeitverschiedenheit" auf der einen, Daniels Vision von der Aufeinanderfolge der vier Weltreiche auf der anderen Seite erschlossen in unterschiedlicher Weise Gegenwart und Vergangenheit. In der 'Wortverbindung "diversitas temporum" spiegelt sich das Bemühen um Ausgrenzung und Verselbständigung einer relativ autonomen Geschichtszeit. Der Gedanke der "Zeitverschiedenheit" entlastete von eschatologischem Erwartungs- druck; er begünstigte eine Haltung gelassenen Nichtwissens, die gegen die Unruhe zeitverkürzender Naherwartung abschirmte. Geschichtsdenker und Geschichts- schreiber, die auf eine theologisch-eschatologische Gesamtdeutung der Geschichte verzichteten, waren nicht gehalten, innerweltliche Krisen eschatologisch zu deuten. Die Vorstellung eines durch strukturelle Veränderungen gegliederten Zeitkontinuums befreite vom Glauben an eine unmittelbar bevorstehende apokalyptische Katastrophe und ermöglichte deshalb "rationalere" Formen der Krisendeutung und Krisenbewäl- tigung. "Zeitverschiedenheit", ein von seinem Ursprung her theologischer Begriff, der die Einheit des göttlichen Heilshandelns in seiner zeitlich gestuften Entfaltung benennen und begreiflich machen sollte, wandelte sich im späten Mittelalter zu einer Beschreibungs- und Erklärungskategorie für innerweltliche Wandlungsprozesse. In der Auseinandersetzung zwischen Papalisten und Konziliaristen diente die "diversitas 'n Marsch, Biblische Prophetie (wie Anm. 126), S M. Greschat, `Luthers Haltung im Bauernkrieg', in: Archiv für Reformationsgeschichte 56 (1965) S Zum Glauben Martin Luthers, daß der Jüngste Tag nahe sei, vgl. außerdem U. Asendorf, Eschatologie bei Luther, Göttingen 1967, S. 206,280ff. 'Chronicon Carionis', in: Philippi. Afelarttbonis opera omnia, cd. C. G. Brctschneider, Vol. XII, Halis Saxonum 1844, Sp Marsch, Biblische Prophetie (wie Anm. 126), S. 118 Anm. 44.

48 426 KLAUS SCHREINER temporum" als Argument, um der Geschichte, deren Wesen als Wandel begriffen wurde, zu ihrem Recht zu verhelfen. Das Danielische Epochenschema, das Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nicht nur gliederte, sondern auch deutete, sperrte sich gegen die Ausbildung entwicklungs- und strukturgeschichtlicher Denkformen. Daniels "mutationes regnorum" waren keine von Menschen in Gang gebrachten und getragenen Prozesse, die zwischen einem früheren und einem späteren Zeitpunkt qualitative Veränderungen herbeiführten, sondern "Übertragungen", die Gott wegen der Sünden von Fürsten und Untertanen verfügt und vorgenommen hatte. "Reichsübertragung" bedeutete nicht politischen Strukturwandel, sondern von Gott beschlossenen politischen Orts- wechsel. Erst eine Geschichtstheologie, die darauf verzichtete, aus dem neutestamentlichen Christusereignis auf die Gottunmittelbarkeit alles Geschehens zu schließen, konnte die Welt als Wirkungsfeld menschlichen Handelns freigeben. Für Daniel und seine Anhänger waren Heilsglaube und Geschichtsbild eng mitein- ander verflochten. Weil ihrer Überzeugung nach das Ende des vierten Reiches mit dem Jüngsten Gericht zusammenfiel, hatte jede Reichskrise zwangsläufig eine theologische Dimension. Angesichts der bedrohlichen "tyrannis Mahometica" war denn auch Melanchthon der Überzeugung, "im höchsten Greisenalter der Welt" zu leben. Die tatsächliche Erfüllung biblischer Verheißungen mache evident, daß der Tag des Jüngsten Gerichtes nahe bevorstehe177. Als seit der Mitte des 16. Jahrhunderts die eschatologische Anspannung nachließ und der Glaube an das unmittelbar bevorstehende Ende verblaßte, griff das Bewußt- sein Platz, in geschwinden laufften und höchstgefahrlichen zeiten" zu leben178. Schlußerwägungen Drei Sachverhalte- erscheinen bemerkenswert, wenn man abschließend und zusam- menfassend Rechenschaft zu geben sucht, in welcher Weise sich im ausgehenden Mittelalter die Wahrnehmung gegenwärtiger und vergangener Zeit veränderte: zunehmende Aufmerksamkeit für die zeitliche Strukturiertheit der alltäglichen Lebenswelt, ein Bewußtsein um den Zeitbezug gesellschaftlicher Handlungszusammenhänge, deren zunehmende Verselbständigung den Bedarf an Zeit erhöhte, sowie wachsende Einsicht in die Besonderheit geschichtlicher Zeiten und Epochen. Zeiterfahrung und Geschichtsbewußtsein des späten Mittelalters bestimmten sich in verstärktem Maße aus geschärftem Wissen um die "Verschiedenheit" (diversitas) lebens- weltlicher Zeitebenen, systemspezifischer Zeitbedürfnisse und epochal abgrenzbarer Zeitalter. Klempt, Säkularisierung (wie Anm. 125), S. 145 Anm. 91; vgl. auch "Chronicon Anm. 175), Sp Singer, Fürstenspiegel (wie Anm. 36), S. 39. Vgl. auch ebd. S. 38; 110; 113. Carionisb (wie

49 "DIVERSITAS TETiPORUri" 427 Der bewußtseinsmäßigen Vergegenwärtigung verschiedenartiger Zeitbezüge und Zeitformen innerhalb einer vielschichtigen Lebenswelt entsprach die Entdeckung von Geschichtszeiten, die sich durch verschiedenartige Verfaßtheiten theologisch-anthropologischer, geistig-literarischer und politisch-sozialer Art voneinander abheben. Die Frage, wie sich lebensweltliche Zeiterfahrung und historisches Epochenbewußtsein wechselseitig bedingen, wie Tageslauf, Lebenslauf und allgemeiner Geschichtsverlauf miteinander zusammenhängen, beantworteten Theologen und Chronisten des Mittel- alters nicht durch sozialphilosophische Hypothesen und Theorien, sondern durch metaphorische Verweise zwischen einzelnen Tagesstunden und einzelnen Ereignissen der Heilsgeschichte, zwischen Festen des Kirchenjahrs und Stationen der christlichen Heilsgeschichte, zwischen Lebensaltern des einzelnen Menschen und Weltaltern der göttlichen Schöpfung, zwischen dem Wechsel der Jahreszeiten und den Zeitstufen in der Geschichte des göttlichen Heilst". Auf diese Weise blieb der gegliederte Tag, das gegliederte Jahr und der gegliederte Lebenslauf eingebettet in die umfassende Geschichte des christlichen Gottesvolkes, die mit der Schöpfung begann und im Weltgericht enden wird. Zeiterfahrung und Geschichtsbewußtsein glaubender Chri- sten hatten ein universalgeschichtliches, von Gott gelegtes Fundament. Glaube gab Sinn; geistliche Metaphorik stiftete Zusammenhang; weltliche Begriffe bündelten Einsichten, Erwartungen und Erfahrungen. Im geschichtlichen Selbstver- ständnis humanistischer Philologen schob sich zwischen die vorbildliche Antike und die als Zeit der Wiedergeburt erfahrene Gegenwart eine dunkle, historisch uneigentliche Zwischen- und Übergangszeit- das barbarische Mittelalter180. Sie entwarfen kein universalhistorisches Epochenschema, sondern unterschieden aufgrund ihres geistigen Überlegenheitsbewußtseins "drei Phasen der Sprach- und Bildungsgeschichte"18t tr' Vgl. dazu G. Schreiber, Die Wochentage im Erlebnis der Ostkirche und des christlichen Abendlandes, Köln u. Opladen 1959; J. Ehlers, Hugo von St. Viktor: Studien zum Geschichtsdenken und zur Geschichtsschreibung des 12. Jabrhunderts, (Frankfurter Historische Abhandlungen 7) Wiesbaden 1973, S. 141; 150f.; B. Maurmann-Bronder, `Tempora Significant: Zur Allegorese der vier Jahreszei- ten", in: Verbum et Signum: Beitrige zur mediivistischen Bedeutungsforschung, Bd 1, hg. von H. Fromm, W. Harms und U. Ruberg, München 1975, S. 76. F. Ohly, "Die Kathedrale als Zeitenraum: Zum Dom von Siena in: Schriften zur mittelalterlichen Bedeutungsforschung, Darmstadt 1977, S tc: Grundlegend für das geschichtliche Selbstverständnis der Humanisten war das Bewußtsein, "nach einem Äon finstern Verfalls" (Worstbrock, `Geschichtliches Selbstverständnis des deutschen Humanismus" (wie Anm. 128), S. 509) in einer Zeit zu leben, in welcher die "litterae" wieder erweckt und die "studia humanitatis" von neuem gepflegt wurden. Vgl. dazu auch K. Arnold, "Das `finstere' Mittelalter: Zur Genese und Phänomenologie eines Fehlurteils", in: Saeculum 32 (1981) S Das geschichtliche Selbstverständnis der Humanisten, am Anfang einer neuen Zeit zu leben, deckt sich mit der herkömmlichen Epochenscheide zwischen Mittelalter und Neuzeit. Ob allerdings der Neuheitsgrad der wahrgenommenen und beschriebenen Bildungsrenaissance uneingeschränkt den wahren Verhältnis- sen entspricht, ist letztlich eine Frage der Perspektive. Betrachtet man nämlich "das Trecento und Quattrocento vom Mittelalter aus, so sind die Momente der Kontinuität in Weltinterpretation und Selbstbewußtsein nicht zu übersehen und das, was wirklich neu ist im Humanismus, scheint sich weniger einer Epochenschwelle als einer kontinuierlichen Entwicklung zu verdanken", Kessler: Petrarca (wie Anm. 121), S. 59. tt' Klempt, Säkularisierung (, nie Anm. 125), S. 76.

Zur Entstehungsgeschichte von Thomas Morus' Utopia und Niccolo Machiavelli's Der Fürst

Zur Entstehungsgeschichte von Thomas Morus' Utopia und Niccolo Machiavelli's Der Fürst Politik Frank Hoffmann Zur Entstehungsgeschichte von Thomas Morus' Utopia und Niccolo Machiavelli's Der Fürst Studienarbeit Inhaltsverzeichnis 1.Einleitung...S. 2 2.Die Renaissance... S. 3 3. Das Leben

Mehr

Predigt zu allein die Schrift und allein aus Gnade am Reformationstag 2017

Predigt zu allein die Schrift und allein aus Gnade am Reformationstag 2017 Predigt zu allein die Schrift und allein aus Gnade am Reformationstag 2017 Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen. Amen

Mehr

Joachim Ritter, 1961 Aristoteles und die theoretischen Wissenschaften

Joachim Ritter, 1961 Aristoteles und die theoretischen Wissenschaften Aristoteles und die theoretischen Wissenschaften Die theoretische Wissenschaft ist so für Aristoteles und das gilt im gleichen Sinne für Platon später als die Wissenschaften, die zur Praxis und ihren Künsten

Mehr

B Gelübde C Nonne D Augustiner-Orden. A Mönch C Nonne D Augustiner-Orden

B Gelübde C Nonne D Augustiner-Orden. A Mönch C Nonne D Augustiner-Orden 1 A Kloster: Mönch Wie nennt man einen männlichen Bewohner eines Klosters? 1 B Kloster: Gelübde Wie nennt man das Versprechen, das jemand beim Eintritt in ein Kloster gibt? B Gelübde C Nonne D Augustiner-Orden

Mehr

Gottes Gnade genügt - 1 -

Gottes Gnade genügt - 1 - Gottes Gnade genügt Gott schenkt uns seine Liebe, das allein ist der Grund unseres Lebens und unseres Glaubens. Wir glauben, dass wir Menschen mit dem, was wir können und leisten, uns Gottes Liebe nicht

Mehr

Immanuel Kant. *22. April 1724 in Königsberg +12. Februar 1804 in Königsberg

Immanuel Kant. *22. April 1724 in Königsberg +12. Februar 1804 in Königsberg Immanuel Kant *22. April 1724 in Königsberg +12. Februar 1804 in Königsberg ab 1770 ordentlicher Professor für Metaphysik und Logik an der Universität Königsberg Neben Hegel wohl der bedeutendste deutsche

Mehr

Orientierungsfragen und -aufgaben für die Klausur zur Vorlesung über die Bedeutung der Wahrheit nach Thomas von Aquin.

Orientierungsfragen und -aufgaben für die Klausur zur Vorlesung über die Bedeutung der Wahrheit nach Thomas von Aquin. Orientierungsfragen und -aufgaben für die Klausur zur Vorlesung über die Bedeutung der Wahrheit nach Thomas von Aquin Zweite Lieferung Zum Thema: Die Klugheit als das Wesen der Moralität [1] Inwiefern

Mehr

Bibelstudium (5) Hauptgrundsätze: Zusammenhang eines Schriftworts

Bibelstudium (5) Hauptgrundsätze: Zusammenhang eines Schriftworts Bibelstudium (5) Hauptgrundsätze: Zusammenhang eines Schriftworts Willem Johannes Ouweneel EPV,online seit: 03.03.2006 soundwords.de/a1306.html SoundWords 2000 2017. Alle Rechte vorbehalten. Alle Artikel

Mehr

Erste Lieferung. Zum Thema: Wahrheit und die Autoritäten Die theologsiche Hermeneutik der mittelalterlichen Scholastik

Erste Lieferung. Zum Thema: Wahrheit und die Autoritäten Die theologsiche Hermeneutik der mittelalterlichen Scholastik Orientierungsfragen und -aufgaben für die Klausur zur Vorlesung: Theologien im europäischen Mittelalter Die Vielfalt des Denkens in der Blütezeit der Theologie Erste Lieferung Zum Thema: Wahrheit und die

Mehr

Christliche Sozialethik und Moraltheologie

Christliche Sozialethik und Moraltheologie CLEMENS BREUER Christliche Sozialethik und Moraltheologie Eine Auseinandersetzung mit den Grundlagen zweier Disziplinen und die Frage ihrer Eigenständigkeit 2003 Ferdinand Schöningh Paderborn München Wien

Mehr

Warum? Was wuerdest Du fuer eine Welt erschaffen Wenn Du Gott waerst?

Warum? Was wuerdest Du fuer eine Welt erschaffen Wenn Du Gott waerst? Warum? Wenn Gott allwissend, allmaechtig und voller Liebe ist... Wuerde er dann eine Welt wie unsere erschaffen? Was wuerdest Du fuer eine Welt erschaffen Wenn Du Gott waerst? --Eine Welt ohne Leiden --Eine

Mehr

Predigttext: Maleachi 3,13-21

Predigttext: Maleachi 3,13-21 DAS BUCH DES LEBENS Predigttext: Maleachi 3,13-21 Guten Morgen, liebe Gemeinde. Ich freue mich, wieder bei euch zu sein und habe euch einen Bibeltext mitgebracht, den ich durch mein Studium sehr schätzen

Mehr

A,4 Persönliches sich Mitteilen in der Gegenwart des Herrn (Schritt 4 und 5)

A,4 Persönliches sich Mitteilen in der Gegenwart des Herrn (Schritt 4 und 5) A: Bibel teilen A,4 Persönliches sich Mitteilen in der Gegenwart des Herrn (Schritt 4 und 5) Zur Vorbereitung: - Bibeln für alle Teilnehmer - Für alle Teilnehmer Karten mit den 7 Schritten - Geschmückter

Mehr

Themenvorschläge Philosophie

Themenvorschläge Philosophie Themenvorschläge Philosophie Der Philosophieunterricht: Wie wurde in den vergangenen Jahrhunderten an den Gymnasien des Kantons Luzern Philosophie unterrichtet? Welche Lehrbücher wurden verwendet? Was

Mehr

Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Akademiebibliothek. Ausgewählte Literaturnachweise aus dem Bestand der Akademiebibliothek

Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Akademiebibliothek. Ausgewählte Literaturnachweise aus dem Bestand der Akademiebibliothek Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften Akademiebibliothek Ausgewählte Literaturnachweise aus dem Bestand der Akademiebibliothek Wilhelm Philosoph Berlin 2002 Bibliothek der Berlin-Brandenburgischen

Mehr

Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie

Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie Ernst-Wolfgang Böckenförde Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie Antike und Mittelalter Mohr Siebeck Inhaltsverzeichnis Vorwort VII 1 Einleitung 1 I. An wen wendet sich und was will das Buch? (1)

Mehr

Rezension zum Aufsatz von Wolfgang Klafki: "Studien zur Bildungstheorie und Didaktik"

Rezension zum Aufsatz von Wolfgang Klafki: Studien zur Bildungstheorie und Didaktik Pädagogik Simone Strasser Rezension zum Aufsatz von Wolfgang Klafki: "Studien zur Bildungstheorie und Didaktik" Rezension / Literaturbericht Rezension zum Aufsatz von Wolfang Klafki: Studien zur Bildungstheorie

Mehr

Christlicher Glaube in moderner Gesellschaft

Christlicher Glaube in moderner Gesellschaft Christlicher Glaube in moderner Gesellschaft Teilband 2 Hans-Georg Gadamer I Heinrich. Fries Mythos und Wissenschaft Alois Halder / Wolf gang Welsch Kunst und Religion Max Seckler I Jakob J. Petuchowski

Mehr

Als meine Tochter sehr klein war, hatte ich ein ganz interessantes Erlebnis mit ihr.

Als meine Tochter sehr klein war, hatte ich ein ganz interessantes Erlebnis mit ihr. 1 Predigt Du bist gut (4. und letzter Gottesdienst in der Predigtreihe Aufatmen ) am 28. April 2013 nur im AGD Als meine Tochter sehr klein war, hatte ich ein ganz interessantes Erlebnis mit ihr. Ich war

Mehr

Ekkehard Martens/ Herbert Schnädelbach (Hg.) Philosophie. Ein Grundkurs. rowohlts enzyklopädie

Ekkehard Martens/ Herbert Schnädelbach (Hg.) Philosophie. Ein Grundkurs. rowohlts enzyklopädie Ekkehard Martens/ Herbert Schnädelbach (Hg.) Philosophie Ein Grundkurs rowohlts enzyklopädie Inhalt Ekkehard Martens/Herbert Schnädelbach 1 Vorwort 9 Ekkehard Martens/Herbert Schnädelbach 2 Zur gegenwärtigen

Mehr

Was glauben die, die glauben

Was glauben die, die glauben Traugott Schächtele Was glauben die, die glauben Antworten auf die wichtigsten Fragen Von Abendmahl bis Zukunft Gruppe priesterlicher Amtsträger herausbildet. Der Gedanke vom Priestertum aller ist in der

Mehr

Da sprach der HERR zu Mose: Nun sollst du sehen, was ich dem Pharao antun werde; denn durch einen starken Arm muß er gezwungen werden.

Da sprach der HERR zu Mose: Nun sollst du sehen, was ich dem Pharao antun werde; denn durch einen starken Arm muß er gezwungen werden. Liebe Gemeinde, Zehn Finger haben sie an ihren beiden Händen. Das ist ganz praktisch, wenn man etwas hochheben will. Und das ist auch ganz praktisch, wenn man bis zehn zählen will. Und wenn man will, dass

Mehr

Domvikar Michael Bredeck Paderborn

Domvikar Michael Bredeck Paderborn 1 Domvikar Michael Bredeck Paderborn Das Geistliche Wort Entdeckungsreise zu Jesus Christus Sonntag, 20.02. 2011 8.05 Uhr 8.20 Uhr, WDR 5 [Jingel] Das Geistliche Wort Heute mit Michael Bredeck. Ich bin

Mehr

ERKLÄRUNG DER DEUTSCHEN BISCHÖFE ZUR PARTEIPOLITISCHEN TÄTIGKEIT DER PRIESTER

ERKLÄRUNG DER DEUTSCHEN BISCHÖFE ZUR PARTEIPOLITISCHEN TÄTIGKEIT DER PRIESTER ERKLÄRUNG DER DEUTSCHEN BISCHÖFE ZUR PARTEIPOLITISCHEN TÄTIGKEIT DER PRIESTER Vorwort Aus Sorge um die Schäden, die der Kirche aus der parteipolitischen Betätigung der Priester erwachsen, haben die deutschen

Mehr

Predigt für die Weihnachtszeit

Predigt für die Weihnachtszeit Predigt für die Weihnachtszeit Kanzelgruß: Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Wir hören ein Wort heiliger Schrift

Mehr

Schuleigener Lehrplan Geschichte (Klasse 7)

Schuleigener Lehrplan Geschichte (Klasse 7) Schuleigener Lehrplan Geschichte (Klasse 7) Lebensformen im Hoch- und Spätmittelalter (Lehrbuch Bd. 3 neu, 10 41 und S. 82 ff.) beschreiben das Dorf das Dorf als Lebensort interpretieren von als Lebensort

Mehr

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus:

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form Auszug aus: Lernwerkstatt: Mittelalter - Das Leben von Bauern, Adel und Klerus kennen lernen Das komplette Material finden Sie hier: School-Scout.de

Mehr

Schulinternes Curriculum Geschichte, Jahrgang 7

Schulinternes Curriculum Geschichte, Jahrgang 7 Wilhelm-Gymnasium Fachgruppe Geschichte Schulinternes Curriculum Jg. 7 Seite 1 von 5 Schulinternes Curriculum Geschichte, Jahrgang 7 Hoch- und Spätmittelalter / Renaissance, Humanismus, Entdeckungsreisen

Mehr

Du bist begabt_teil 2

Du bist begabt_teil 2 Du bist begabt_teil 2 Textlesung: Jakobus 1, 16+7 NGÜ Macht euch nichts vor, meine lieben Geschwister! Von oben kommen nur gute Gaben und nur vollkommene Geschenke; sie kommen vom Schöpfer der Gestirne,

Mehr

2017 weiter-sehen Initiativen zum Reformationsgedächtnis 2017 in der Erzdiözese München und Freising DR. F. SCHUPPE 1

2017 weiter-sehen Initiativen zum Reformationsgedächtnis 2017 in der Erzdiözese München und Freising DR. F. SCHUPPE 1 2017 weiter-sehen Initiativen zum Reformationsgedächtnis 2017 in der Erzdiözese München und Freising DR. F. SCHUPPE 1 Es stimmt hoffnungsvoll, dass mit dem 500. Jahrestag der Reformation erstmals ein Reformationsgedenken

Mehr

MARTIN LUTHER IM WIDERSTREIT DER KONFESSIONEN

MARTIN LUTHER IM WIDERSTREIT DER KONFESSIONEN Evangelisch-Theologische Fakultät Katholisch-Theologische Fakultät MARTIN LUTHER IM WIDERSTREIT DER KONFESSIONEN Historische und theologische Perspektiven Symposium 5. 7. Oktober 2016 Alte Kapelle am Campus

Mehr

Sonntag als Tag der Freiheit 3. Adventssonntag 2010 (a-az-3)

Sonntag als Tag der Freiheit 3. Adventssonntag 2010 (a-az-3) Sonntag als Tag der Freiheit 3. Adventssonntag 2010 (a-az-3) Auch die heutigen Bibeltexte möchte ich im Zusammenhang mit unserem Jahresthema Sonntag: gestern-heute-morgen lesen. In diesen Texten entdecken

Mehr

Zur Kirche, die geprägt ist durch die frohe Botschaft des Evangeliums. Wie wird es sein, wenn Du stirbst und Du mußt vor Gottes Gericht erscheinen?

Zur Kirche, die geprägt ist durch die frohe Botschaft des Evangeliums. Wie wird es sein, wenn Du stirbst und Du mußt vor Gottes Gericht erscheinen? Keine Kirche der Angst. Predigt am Reformationsfest, 6. November 2016, in der Petruskirche zu Gerlingen Das ist es, was Martin Luther aufgegangen ist. Ja, wenn man versucht, es ganz schlicht auf den Punkt

Mehr

THEOLOGIE UND KIRCHENLEITUNG

THEOLOGIE UND KIRCHENLEITUNG THEOLOGIE UND KIRCHENLEITUNG Festschrift für Peter Steinacker zum 60. Geburtstag herausgegeben von Hermann Deuser, Gesche Linde und Sigurd Rink N. G. ELWERT VERLAG MARBURG 2003 INHALTSVERZEICHNIS Vorwort

Mehr

Hanspeter Diboky DELTA PÄDAGOGIK DER MENSCH AUS GEIST, SEELE UND LEIB EINE ZUSAMMENFASSUNG UND ENTSPRECHENDE ERLEBNISSE

Hanspeter Diboky DELTA PÄDAGOGIK DER MENSCH AUS GEIST, SEELE UND LEIB EINE ZUSAMMENFASSUNG UND ENTSPRECHENDE ERLEBNISSE Hanspeter Diboky DELTA PÄDAGOGIK DER MENSCH AUS GEIST, SEELE UND LEIB EINE ZUSAMMENFASSUNG UND ENTSPRECHENDE ERLEBNISSE Hanspeter Diboky DELTA PÄDAGOGIK DER MENSCH AUS GEIST, SEELE UND LEIB EINE ZUSAMMENFASSUNG

Mehr

Orientierungsfragen und -aufgaben für die Klausur zur Vorlesung über Theologische Fragen an die Hirnforschung. Erste Lieferung

Orientierungsfragen und -aufgaben für die Klausur zur Vorlesung über Theologische Fragen an die Hirnforschung. Erste Lieferung Orientierungsfragen und -aufgaben für die Klausur zur Vorlesung über Theologische Fragen an die Hirnforschung Erste Lieferung Zum Thema: Einführung: Verbreitete Ansichten, die für die Theologie relevant

Mehr

Römer 14, Denn unser keiner lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber. 8 Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir

Römer 14, Denn unser keiner lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber. 8 Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir Römer 14, 7-9 7 Denn unser keiner lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber. 8 Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: wir leben oder sterben, so sind wir

Mehr

Inhalt. Einleitung Die Unterschätzung des Spiels in der evangelischen Religionspädagogik - Problemanzeige 19

Inhalt. Einleitung Die Unterschätzung des Spiels in der evangelischen Religionspädagogik - Problemanzeige 19 VORWORT 13 I. ERSTES KAPITEL Einleitung 15 1.1 Die Unterschätzung des Spiels in der evangelischen Religionspädagogik - Problemanzeige 19 1.2 Das gute Spiel - Annäherung an eine theologische Spieltheorie

Mehr

Einführung in die Rechtsphilosophie Prof. Dr. Pierre Hauck

Einführung in die Rechtsphilosophie Prof. Dr. Pierre Hauck Einführung in die Rechtsphilosophie Prof. Dr. Pierre Hauck Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015 26.03.2015 1 I. Gegenstand und Aufgaben der Rechtsphilosophie Rechtswissenschaften Dogmatische

Mehr

METZLER LITERATUR CHRONIK

METZLER LITERATUR CHRONIK METZLER LITERATUR CHRONIK Volker Meid Metzler Literatur Chronik Werke deutschsprachiger Autoren Zweite, erweiterte Auflage Verlag J. B. Metzler Stuttgart. Weimar Inhaltsverzeichnis Vorwort V Werke deutschsprachiger

Mehr

Glaube kann man nicht erklären!

Glaube kann man nicht erklären! Glaube kann man nicht erklären! Es gab mal einen Mann, der sehr eifrig im Lernen war. Er hatte von einem anderen Mann gehört, der viele Wunderzeichen wirkte. Darüber wollte er mehr wissen, so suchte er

Mehr

EV.-LUTH. NEUSTÄDTER MARIEN-KIRCHENGEMEINDE BIELEFELD

EV.-LUTH. NEUSTÄDTER MARIEN-KIRCHENGEMEINDE BIELEFELD EV.-LUTH. NEUSTÄDTER MARIEN-KIRCHENGEMEINDE BIELEFELD Biblische Lesungen für eine kirchliche Trauung Bitte suchen Sie sich EINE Lesung aus; sie kann von dem Trauzeugen, der Trauzeugin oder einem Familienmitglied

Mehr

Gottes Sieg über mein Fleisch bzw. Leben im Geist Röm. 8, 2-9/12

Gottes Sieg über mein Fleisch bzw. Leben im Geist Röm. 8, 2-9/12 Gottes Sieg über mein Fleisch bzw. Leben im Geist Röm. 8, 2-9/12 von Monika Flach Versprichst du mir was? Es wäre doch mal was ganz neues, wenn du oder ich Gott einfach mal schlicht glauben, was er sagt.

Mehr

Gebet bewirkt Veränderung. Poster oder Karten mit einem

Gebet bewirkt Veränderung. Poster oder Karten mit einem Kapitel Ein souveräner und persönlicher Gott 9 Gebet bewirkt Veränderung. Poster oder Karten mit einem Spruch in dieser Richtung findet man überall. Vielleicht haben Sie ja sogar welche zu Hause. Unzählige

Mehr

Arbeitsblatt 7: Verbindung nach oben zum 10. Textabschnitt

Arbeitsblatt 7: Verbindung nach oben zum 10. Textabschnitt Kontakt: Anna Feuersänger 0711 1656-340 Feuersaenger.A@diakonie-wue.de 1. Verbindung nach oben Arbeitsblatt 7: Verbindung nach oben zum 10. Textabschnitt Hier sind vier Bilder. Sie zeigen, was Christ sein

Mehr

Zu Immanuel Kant: Die Metaphysik beruht im Wesentlichen auf Behauptungen a priori

Zu Immanuel Kant: Die Metaphysik beruht im Wesentlichen auf Behauptungen a priori Geisteswissenschaft Pola Sarah Zu Immanuel Kant: Die Metaphysik beruht im Wesentlichen auf Behauptungen a priori Essay Essay zu Immanuel Kant: Die Metaphysik beruht im Wesentlichen auf Behauptungen a

Mehr

Die Soziologie und das Soziale

Die Soziologie und das Soziale Geisteswissenschaft Holger Michaelis Die Soziologie und das Soziale Eine Erklärung der bislang vergeblichen Versuche einer adäquaten Bestimmung des Gegenstandes der Soziologie Dr. Holger Michaelis Die

Mehr

Descartes, Dritte Meditation

Descartes, Dritte Meditation Descartes, Dritte Meditation 1. Gewissheiten: Ich bin ein denkendes Wesen; ich habe gewisse Bewusstseinsinhalte (Empfindungen, Einbildungen); diesen Bewusstseinsinhalten muss nichts außerhalb meines Geistes

Mehr

Ob Ihr Glaube Ihnen die nötige Sicherheit bietet, hängt davon ab, wem Sie glauben.

Ob Ihr Glaube Ihnen die nötige Sicherheit bietet, hängt davon ab, wem Sie glauben. Was glauben Sie? Wer meint, es sei nebensächlich, ob oder was wir glauben, der täuscht sich. Unser Glaube bestimmt nämlich unsere Lebensweise. Wer glaubt, dass es keinen Gott gibt, der lebt nach seinem

Mehr

HERMAN NOHLS THEORIE" DES PÄDAGOGISCHEN BEZUGS

HERMAN NOHLS THEORIE DES PÄDAGOGISCHEN BEZUGS HERMAN NOHLS THEORIE" DES PÄDAGOGISCHEN BEZUGS Eine Werkanalyse Damian Miller PETER LANG Inhaltsverzeichnis Vorwort des Autors 19 1 Einleitung und Methodik 21 1.1 Begründung 23 1.2 Verlauf der Untersuchung

Mehr

Thema 2: Gottes Plan für dein Leben

Thema 2: Gottes Plan für dein Leben Thema 2: für dein Leben Einleitung Viele Menschen blicken am Ende ihres Lebens auf ihr Leben zurück und fragen sich ernüchtert: Und das war s? Eine solche Lebensbilanz ziehen zu müssen ist eine große Tragik!

Mehr

Georg-August-Universität Göttingen Modul B.TheoC.01: Bibelkunde English title: Bible Knowledge

Georg-August-Universität Göttingen Modul B.TheoC.01: Bibelkunde English title: Bible Knowledge Modul B.TheoC.01 - Version 1 Modul B.TheoC.01: Bibelkunde English title: Bible Knowledge Die Studierenden erwerben grundlegende Kenntnisse zum Aufbau und Inhalt des Alten und Neuen Testaments sowie der

Mehr

Predigt zu Johannes 14, 12-31

Predigt zu Johannes 14, 12-31 Predigt zu Johannes 14, 12-31 Liebe Gemeinde, das Motto der heute beginnenden Allianzgebetswoche lautet Zeugen sein! Weltweit kommen Christen zusammen, um zu beten und um damit ja auch zu bezeugen, dass

Mehr

DIE NEUE WISSENSCHAFT des REICHWERDENS LESEPROBE DIE NEUE WISSENSCHAFT. des REICHWERDENS

DIE NEUE WISSENSCHAFT des REICHWERDENS LESEPROBE DIE NEUE WISSENSCHAFT. des REICHWERDENS DIE NEUE WISSENSCHAFT des REICHWERDENS LESEPROBE DIE NEUE WISSENSCHAFT des REICHWERDENS 248 Vorwort AKTUALISIERTE VERSION 9 1. DAS RECHT REICH ZU SEIN was auch immer zum Lobpreis der Armut gesagt werden

Mehr

Joachim Stiller. Platon: Menon. Eine Besprechung des Menon. Alle Rechte vorbehalten

Joachim Stiller. Platon: Menon. Eine Besprechung des Menon. Alle Rechte vorbehalten Joachim Stiller Platon: Menon Eine Besprechung des Menon Alle Rechte vorbehalten Inhaltliche Gliederung A: Einleitung Platon: Menon 1. Frage des Menon nach der Lehrbarkeit der Tugend 2. Problem des Sokrates:

Mehr

Einführung in die Methoden der empirischen Sozialforschung

Einführung in die Methoden der empirischen Sozialforschung Einführung in die Methoden der empirischen Sozialforschung 20.11.2008 Fragen Womit beschäftigen sich Ethnologen, Sozial- und Kulturanthropologen? Definitionen Das Eigene und das Fremde Spannungen (Nähe

Mehr

Analyse der Tagebücher der Anne Frank

Analyse der Tagebücher der Anne Frank Germanistik Amely Braunger Analyse der Tagebücher der Anne Frank Unter Einbeziehung der Theorie 'Autobiografie als literarischer Akt' von Elisabeth W. Bruss Studienarbeit 2 INHALTSVERZEICHNIS 2 1. EINLEITUNG

Mehr

Eröffnung Huttererpark Jakob Hutter ( ) Innsbruck Franz Greiter Promenade 16. Oktober 2015

Eröffnung Huttererpark Jakob Hutter ( ) Innsbruck Franz Greiter Promenade 16. Oktober 2015 Eröffnung Huttererpark Jakob Hutter (1500 1536) Innsbruck Franz Greiter Promenade 16. Oktober 2015 Die Güter der Gerechtigkeit, der Wahrheit, der Schönheit... brauchen Zeit, Beständigkeit, Gedächtnis,

Mehr

Thomas Christian Kotulla. Was soll ich hier? Eine Begründung der Welt.

Thomas Christian Kotulla. Was soll ich hier? Eine Begründung der Welt. Thomas Christian Kotulla Was soll ich hier? Eine Begründung der Welt. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

Mehr

Der Schöpfer und die Menschen in ihren Sünden Warum ein Menschenopfer nötig war (Teil 1)

Der Schöpfer und die Menschen in ihren Sünden Warum ein Menschenopfer nötig war (Teil 1) Und es hörten ihn die zwei Jünger reden und folgten Jesus nach. Joh 1,37 Wie alles begann... Der Schöpfer und die Menschen in ihren Sünden Warum ein Menschenopfer nötig war (Teil 1) 2014 Jahrgang 1 Heft

Mehr

Was bedeutet Dir die Auferstehung? Welche Auswirkung hat sie auf dein Leben?

Was bedeutet Dir die Auferstehung? Welche Auswirkung hat sie auf dein Leben? Was bedeutet Dir die Auferstehung? Welche Auswirkung hat sie auf dein Leben? Bedeutung der Auferstehung: Der Beweis, dass der Vater das Erlösungswerk Jesu angenommen hat, es bestätigt hat. Der Beweis,

Mehr

Geisteswissenschaft. Carolin Wiechert. Was ist Sprache? Über Walter Benjamins Text Über Sprache überhaupt und über die Sprache des Menschen.

Geisteswissenschaft. Carolin Wiechert. Was ist Sprache? Über Walter Benjamins Text Über Sprache überhaupt und über die Sprache des Menschen. Geisteswissenschaft Carolin Wiechert Was ist Sprache? Über Walter Benjamins Text Über Sprache überhaupt und über die Sprache des Menschen Essay Veranstaltung: W. Benjamin: Über das Programm der kommenden

Mehr

Allgemeinbildung und Persönlichkeitsentwicklung

Allgemeinbildung und Persönlichkeitsentwicklung Hans-Joachim Hausten Allgemeinbildung und Persönlichkeitsentwicklung Ein Beitrag zur Aufarbeitung der DDR-Pädagogik PETER LANG Frankfurt am Main Berlin Bern Bruxelles New York Oxford Wien Inhaltsverzeichnis

Mehr

Predigt zu Markus 9,14-21 "Ich glaube, hilf meinem Unglauben" Pfrin Martina Müller, 31. Oktober 2000, Muttenz Dorf, Jubiläum Goldene Hochzeit

Predigt zu Markus 9,14-21 Ich glaube, hilf meinem Unglauben Pfrin Martina Müller, 31. Oktober 2000, Muttenz Dorf, Jubiläum Goldene Hochzeit Predigt zu Markus 9,14-21 "Ich glaube, hilf meinem Unglauben" Pfrin Martina Müller, 31. Oktober 2000, Muttenz Dorf, Jubiläum Goldene Hochzeit 1. Einleitung Ich möchte Sie heute dazu anstiften, über Ihren

Mehr

Das Menschenbild im Koran

Das Menschenbild im Koran Geisteswissenschaft Nelli Chrispens Das Menschenbild im Koran Studienarbeit Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung...2 2. Der Mensch als Geschöpf Gottes...3 3. Stellung des Menschen im Islam...4 3.1 Der Mensch

Mehr

Raumkonzepte in der Schedelschen Weltchronik

Raumkonzepte in der Schedelschen Weltchronik Geschichte Franziska Koch Raumkonzepte in der Schedelschen Weltchronik Die Darstellungen der Länder in Text, Bild und Karte Bachelorarbeit Philosophische Fakultät I Institut für Geschichtswissenschaften

Mehr

Gott redet indirekt zu mir (PP Start mit F5) > Folie 1: Gott redet indirekt zu mir

Gott redet indirekt zu mir (PP Start mit F5) > Folie 1: Gott redet indirekt zu mir (PP Start mit F5) > Folie 1: Interessantes Buch zur Reihe: Auf Gottes Stimme hören und mich führen lassen. Gottes leise Stimme hören, Bill Hybels (viele praktische Beispiele). Erfahrungsberichte gesucht:

Mehr

Zur Erinnerung Predigt zu 1. Korinther 15,1-11 (Ostern 2016) Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Zur Erinnerung Predigt zu 1. Korinther 15,1-11 (Ostern 2016) Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen. Zur Erinnerung Predigt zu 1. Korinther 15,1-11 (Ostern 2016) Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen. Liebe Gemeinde, manchmal muss man erinnert werden.

Mehr

Evangelisch-Lutherisches Pfarramt St. Christophorus Siegen Dienst am Wort. vor zwei Wochen habe ich euch schon gepredigt, dass das

Evangelisch-Lutherisches Pfarramt St. Christophorus Siegen Dienst am Wort. vor zwei Wochen habe ich euch schon gepredigt, dass das Evangelisch-Lutherisches Pfarramt St. Christophorus Siegen Dienst am Wort Johannes 14,23-27 Wer mich liebt, der wird mein Wort halten. Liebe Gemeinde, 24. Mai 2015 Fest der Ausgießung des Heiligen Geistes

Mehr

HEILIGTUM 01 HEILIG 01

HEILIGTUM 01 HEILIG 01 HEILIGTUM 01 HEILIG 01 HEILIGTUM 01 HEILIG 02 HEILIGTUM 01 HEILIG 03 Wie die Speichen eines Rades von einer Nabe ausgehen, so ist die Bibel um das Thema des Heiligtums geordnet. ln der Tat widmet die Bibel,

Mehr

Hilfsgerüst zum Thema:

Hilfsgerüst zum Thema: Lieferung 11 Hilfsgerüst zum Thema: Das Böse 1. Die Lehre des Averroes Alles Gute geht auf Gott zurück; Böses geht auf die Materie zurück. Die erste Vorsehung ist die Vorsehung Gottes. Er ist die Ursache,

Mehr

Allerheiligen Heilig sein heilig werden. Allerheiligen Heiligkeit für alle?! Es gibt einige Worte der religiösen Sprache, die für

Allerheiligen Heilig sein heilig werden. Allerheiligen Heiligkeit für alle?! Es gibt einige Worte der religiösen Sprache, die für Allerheiligen 2007 Heilig sein heilig werden Liebe Schwestern und Brüder, Allerheiligen Heiligkeit für alle?! Es gibt einige Worte der religiösen Sprache, die für manche Christen in einer Schamecke gelandet

Mehr

jemand segnet? Wie werde ich für andere zum Segen? 1- Mein erster Gedanke: Die verfehlte Wahrheit,

jemand segnet? Wie werde ich für andere zum Segen? 1- Mein erster Gedanke: Die verfehlte Wahrheit, Der Segen Heute geht es um das Thema Segen. Und aus diesem Grund möchte ich mit ihnen, die bekannteste Segnung der Bibel lesen, die Segnung Abrahams in 1 Mose 12, 1-2 Und der HERR sprach zu Abraham: Geh

Mehr

Grundlagen des Glaubens

Grundlagen des Glaubens Grundlagen des Glaubens Einheit 2 Was ist ein Christ? Typische Vorstellungen Was soll die Frage wir sind doch alle Christen Schließlich leben wir doch im christlichen Abendland Ein Christ ist ein moralisch

Mehr

Kompetenzorientiertes Schulcurriculum für das Fach Evangelische Religionslehre für die Jahrgangsstufen 7 bis 9

Kompetenzorientiertes Schulcurriculum für das Fach Evangelische Religionslehre für die Jahrgangsstufen 7 bis 9 Kompetenzorientiertes Schulcurriculum für das Fach Evangelische Religionslehre für die Jahrgangsstufen 7 bis 9 Inhaltsfelds 1: Entwicklung einer eigenen religiösen Identität Inhaltlicher Schwerpunkt: Luther

Mehr

Die Wiedergeburt eines "neuen Menschen" in der Renaissance

Die Wiedergeburt eines neuen Menschen in der Renaissance Geisteswissenschaft Nicole Borchert Die Wiedergeburt eines "neuen Menschen" in der Renaissance Exemplarische Betrachtungen in Philosophie, Kunst und Gesellschaft Studienarbeit Technische Universität Darmstadt

Mehr

Offenbarung hat Folgen Predigt zu Mt 16,13-19 (Pfingsten 2015)

Offenbarung hat Folgen Predigt zu Mt 16,13-19 (Pfingsten 2015) Offenbarung hat Folgen Predigt zu Mt 16,13-19 (Pfingsten 2015) Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen. Liebe Gemeinde, in der Schriftlesung haben wir die

Mehr

Schulinterner Lehrplan. für das Fach. Kath. Religion

Schulinterner Lehrplan. für das Fach. Kath. Religion Schulinterner Lehrplan für das Fach Kath. Religion Stand: Juni 2009 Schulinterner Lehrplan Kath. Religion Inhalt Seite 1. Inhaltliche Gestaltung des Unterrichts / schulinterner Lehrplan 3 1.1. Erprobungsstufe:

Mehr

Mit Adolph Kolping den Kreuzweg beten Gebete

Mit Adolph Kolping den Kreuzweg beten Gebete Mit Adolph Kolping den Kreuzweg beten Gebete So weit Gottes Arm reicht, ist der Mensch nie ganz fremd und verlassen. Und Gottes Arm reicht weiter als Menschen denken können. Mit Adolph Kolping den Kreuzweg

Mehr

Inhalt.

Inhalt. Inhalt Vorwort 11 Einleitung 17 1. Erfahrungen und Grundhaltungen charismatischer Erneuerung: Beriebt und Zeugnis 19 1.1. Unser Weg mit Christus % 19 1.1.1. Die grundlegende Erfahrung.... 19 1.1.2. Einzelne

Mehr

Ansprache / Gnade macht fröhlich

Ansprache / Gnade macht fröhlich Ansprache / Gnade macht fröhlich Wie bekomme ich einen gnädigen Gott? und Wie werde ich vor Gott gerecht? Das sind die Fragen, die Martin Luther lange Zeit sehr intensiv beschäftigten. Für ihn waren sie

Mehr

+ die Kirche. Eine Einführung. M.E., September Alle Bilder selbst produziert oder Gemeingut/Public Domain.

+ die Kirche. Eine Einführung. M.E., September Alle Bilder selbst produziert oder Gemeingut/Public Domain. + die Kirche Eine Einführung. M.E., September 2012. Alle Bilder selbst produziert oder Gemeingut/Public Domain. Gott ist der Schöpfer des Universums. Er ist allmächtig er kann alles tun, was er will. Er

Mehr

M. Porcius Cato und die griechische Kultur

M. Porcius Cato und die griechische Kultur Geschichte Robert Scheele M. Porcius Cato und die griechische Kultur Studienarbeit Eberhard-Karls-Universität Tübingen Fakultät für Philosophie und Geschichte Historisches Seminar Abteilung für Alte Geschichte

Mehr

Solus Christus Allein Jesus Christus

Solus Christus Allein Jesus Christus Karfreitag und Ostern sind der Wendepunkt der Weltgeschichte. Jetzt kann jeder Mensch, so wie er ist, vor Gott kommen. Der Opfertod Jesu am Kreuz ermöglicht Vergebung und der Weg zu einer persönlichen

Mehr

Was ist Wissenschaftstheorie?

Was ist Wissenschaftstheorie? Was ist Wissenschaftstheorie? Taher Brumand Ary Mahmoud Ary Mahmoud & Taher Brumand 1 Inhalt Wissenschaftstheorie Was ist Wissenschaft? Moderne Wissenschaftstheorie Immanuel Kant Was sind wissenschaftliche

Mehr

Kätlin Hommik-Mrabte, Ex- Christin, Estland Kätlin Hommik-Mrabte

Kätlin Hommik-Mrabte, Ex- Christin, Estland Kätlin Hommik-Mrabte Kätlin Hommik-Mrabte, Ex- Christin, Estland [ألماني - German [Deutsch - Kätlin Hommik-Mrabte Übersetzer: Eine Gruppe von Übersetzern 1434-2013 اكتلني هوميك مرابيت هرصاهية سابقا إستوهية»باللغة األملاهية«اكتلني

Mehr

Berufung. Aufbruch. Zukunft. Beiträge des Erzbischofs (13) Hirtenbrief des Erzbischofs zum Diözesanen Forum 2014

Berufung. Aufbruch. Zukunft. Beiträge des Erzbischofs (13) Hirtenbrief des Erzbischofs zum Diözesanen Forum 2014 Beiträge des Erzbischofs (13) Berufung. Aufbruch. Zukunft. Hirtenbrief des Erzbischofs zum Diözesanen Forum 2014 Das Zukunftsbild für das Erzbistum Paderborn Berufung. Aufbruch. Zukunft. Das Zukunftsbild

Mehr

Inhaltsverzeichnis.

Inhaltsverzeichnis. Inhaltsverzeichnis Seite 1. Allgemeine Aufgabenbeschreibung 9 2. Die didaktische Struktur der Rahmenrichtlinien 12 2.1 Didaktische Konzeption Fünf Lernschwerpunkte als Strukturelemente 13 2.2 Beschreibung

Mehr

Kants,Kritik der praktischen Vernunft'

Kants,Kritik der praktischen Vernunft' Giovanni B. Sala Kants,Kritik der praktischen Vernunft' Ein Kommentar Wissenschaftliche Buchgesellschaft Inhalt Einleitung des Verfassers 11 Der Werdegang der Ethik Kants 1. Kants Ethik und die Tradition

Mehr

- Römer 1:1-7 - Zuschrift und Gruß: Paulus, der Apostel der Heiden. Paulus, Knecht Jesu Christi, berufener Apostel, für das Evangelium Gottes,

- Römer 1:1-7 - Zuschrift und Gruß: Paulus, der Apostel der Heiden. Paulus, Knecht Jesu Christi, berufener Apostel, für das Evangelium Gottes, - Römer 1:1-7 - Zuschrift und Gruß: Paulus, der Apostel der Heiden Paulus, Knecht Jesu Christi, berufener Apostel, ausgesondert für das Evangelium Gottes, das er zuvor verheißen hat in heiligen Schriften

Mehr

Max Webers Konzepte von Macht und Herrschaft im Spiegel kontroverser Ansichten Hannah Arendts

Max Webers Konzepte von Macht und Herrschaft im Spiegel kontroverser Ansichten Hannah Arendts Geisteswissenschaft Marc Franz Max Webers Konzepte von Macht und Herrschaft im Spiegel kontroverser Ansichten Hannah Arendts Studienarbeit Westfälische Wilhelms-Universität Institut für Philosophie SS

Mehr

Hannelore und Hans Peter Royer

Hannelore und Hans Peter Royer Hannelore und Hans Peter Royer Inhalt Ich schreibe dir diesen Brief, denn meine Worte werden dir guttun 14 Weißt du, wer ich bin? Ich will mich dir vorstellen 16 Ich bin der Urheber von allem, was du bist

Mehr

Die Gnade. Liebe Gemeinde! Der vorgeschlagene Predigttext für den diesjährigen 17.S.n.Tr. steht im Brief des Paulus an die Römer, im 10. Kapitel.

Die Gnade. Liebe Gemeinde! Der vorgeschlagene Predigttext für den diesjährigen 17.S.n.Tr. steht im Brief des Paulus an die Römer, im 10. Kapitel. Die Gnade Liebe Gemeinde! Der vorgeschlagene Predigttext für den diesjährigen 17.S.n.Tr. steht im Brief des Paulus an die Römer, im 10. Kapitel. Der Apostel schreibt: Wenn du mit deinem Munde bekennst,

Mehr

Version 25. Juni 2015 Heilsgewissheit Einbildung oder Wirklichkeit?

Version 25. Juni 2015 Heilsgewissheit Einbildung oder Wirklichkeit? www.biblische-lehre-wm.de Version 25. Juni 2015 Heilsgewissheit Einbildung oder Wirklichkeit? 1. Erkennungszeichen: Vertrauen in die Heilige Schrift... 2 2. Erkennungszeichen: Rechte Selbsterkenntnis und

Mehr

Standards Thema Jesus Christus Inhalte Kompetenzen. Zeit und Umwelt Jesu, Leiden u. Sterben (Mk 14;15)

Standards Thema Jesus Christus Inhalte Kompetenzen. Zeit und Umwelt Jesu, Leiden u. Sterben (Mk 14;15) Standards Thema Jesus Christus Inhalte Kompetenzen -können Grundzüge der Botschaft Jesu in ihrem historischen und systematischen Zusammenhang erläutern -kennen ausgewählte Texte der Botschaft Jesu vom

Mehr

Lebensformen im Hoch- und Spätmittelalter. Erkenntnisgewinnung durch Methoden. nehmen punktuelle Vergleiche zwischen damals und heute vor

Lebensformen im Hoch- und Spätmittelalter. Erkenntnisgewinnung durch Methoden. nehmen punktuelle Vergleiche zwischen damals und heute vor Klasse 7 Lebensformen im Hoch- und Spätmittelalter beschreiben das Dorf als Lebensort der großen Mehrheit der Menschen im Mittelalter. stellen das Kloster als Ort vertiefter Frömmigkeit und kultureller,

Mehr