Juristen Alumni e.v. Einführung in Recht und Rechtswissenschaft. Prof. Dr. Eric Hilgendorf
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1 Einführung in Recht und Rechtswissenschaft Prof. Dr. Eric Hilgendorf
2 Agenda 1) Der erste Jurist 2) Historische Grundlagen 3) Teilgebiete des Rechts 4) Das Gesetz 5) Rechtsanwendung 6) Gesetzesauslegung 7) Ein Fall 8) Juristische Berufsfelder 9) Kennzeichen guter Juristinnen und Juristen 2
3 Der erste Jurist - eine wahre Geschichte Vor sehr langer Zeit gab es einmal einen Streit zwischen zwei Schafhirten, A und B, um den Zugang zu einer Wasserquelle, an der sie ihre Herden tränken wollten. Das Wasser der Quelle war zurückgegangen, so dass nicht beide ihre Herden gleichzeitig zur Quelle treiben konnten. Weil sie sich nicht einigen konnten und der Streit zwischen den Hirten zunehmend eskalierte, gingen sie gemeinsam zu einem Mann, der in ihrem Dorf als weise galt, und fragten ihn um Rat. Der weise Mann antwortete ihnen wie folgt: Du, A, sollst die Quelle immer am ersten Tag des Monats und jedem zweiten darauf folgenden Tag nutzen, und Du, B, am zweiten Tag des Monats und jeden zweiten darauf folgenden Tag. Mir sollt ihr für diesen Rat jeweils ein Schaf geben. Und wenn es zu Meinungsverschiedenheiten über diese Abmachung kommt, sollt ihr wieder zu mir kommen. So geschah es, und der Streit um die Wasserquelle war beendet. So entstand das Recht, und der weise Mann war der erste Jurist. 3
4 Zweck des Rechts Recht hat den Zweck, das friedliche Miteinander zu sichern. Es erreicht diesen Zweck durch die Formulierung von Regeln (=Normen), nach denen die Menschen ihr Verhalten ausrichten sollen. Juristen schlagen derartige Normierungen vor, sammeln und systematisieren sie. Außerdem sind sie im Streitfall in der Lage, sie überzeugend zu interpretieren. 4
5 Zur Geschichte des Rechts in Europa Recht hat es in jeder Gesellschaft gegeben, allerdings wurde es anfangs selten von Moral getrennt. Die Ursprung unseres Rechts und unserer Rechtswissenschaft liegt im antiken Rom, dessen Recht am Ende der Antike von Kaiser Justinians zusammengesellt wurde. Die Rechtssammlung Justinians wurde gegen Ende des 11. Jahrhunderts wiederentdeckt, Damit beginnt die Geschichte der europäischen Rechtswissenschaft. 5
6 Trennung von Recht und Moral Moral: Normen, die menschliches Verhalten regeln Im Verletzungsfall Sanktionierung durch Gewissen (Selbstsanktionierung) oder durch die Gruppe, der man zugehört. Recht: Normen, die menschliches Verhalten regeln Im Verletzungsfall Sanktionierung durch organisierten gesellschaftlichen Zwang (Gerichtsvollzieher, Staatsanwalt) 6
7 Codex Hammurabi Älteste bekannte schriftliche Fixierung von Recht (18. Jh. v. Z.) Relief zeigt die sog Einführungsszene : König Hammurabi vor der Gottheit Samas 7
8 Teilgebiete des Rechts Zivilrecht Strafrecht Öffentliches Recht 8
9 Kennzeichen des Zivilrechts Leitender Grundsatz: Privatautonomie vgl. z.b. die Vertragsfreiheit Gebiete des Zivilrechts Bürgerliches Recht (im BGB) Sonstiges Zivilrecht (z.b. Handelsrecht, Arbeitsrecht, usw.) 9
10 Kennzeichen des Strafrechts Enthält die Regeln, nach denen vom Staat Strafe verhängt wird (StGB) Da die staatliche Strafmacht das schärfste Mittel des Staates darstellt, muss die Anwendung des Strafrechts an klare Regeln gebunden sein Grundsätze des deutschen Strafrechts sind die Orientierung am Rechtsgüterschutz, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Schuldprinzip. 10
11 Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht 1. Strafe muss sich auf ein geschriebenes Gesetz stützen können 2. Rückwirkende Strafgesetze sind verboten 3. Das Strafgesetz muss die Voraussetzungen von Strafbarkeit klar umschreiben 4. Der Rechtsanwender ist an den Gesetzeswortlaut gebunden 11 Anselm Ritter von Feuerbach,
12 Kennzeichen des Öffentlichen Rechts Typisch ist ein Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen Bürger und Staat Strafrecht ist Teil des Öffentlichen Rechts Teilgebiete des Öffentlichen Rechts sind die Grundrechte das Staatsorganisationsrecht das Verwaltungsrecht das Verfahrensrecht (auch das des Zivil- und Strafrechts) 12
13 Teilgebiete des Verwaltungsrechts Allgemeines Verwaltungsrecht Besonderes Verwaltungsrecht Polizeirecht Kommunalrecht Baurecht Beamtenrecht Bundesverwaltungsgericht in Leipzig 13
14 Die Rechtsgebiete im Studium Zivilrecht: ca. 40 % Strafrecht: ca. 20 % Öffentliches Recht: ca. 30 % Grundlagenfächer: ca. 10 % 14
15 Grundlage des Rechts: das Gesetz Gewohnheitsrecht (Auf-)Geschriebenes Recht Gesetz 15
16 Schritte der Rechtsanwendung Klärung und Feststellung des Sachverhaltes: Was ist der Fall? Was soll entschieden werden? (Fallfrage) Wer will was von wem woraus? Wer hat sich wonach strafbar gemacht? Was das Vorgehen von X rechtmäßig? Kann sich Y gegen den Bescheid der Behörde Z zur Wehr setzen? Welches Gesetz ist einschlägig? Auslegung (=Interpretation) des Gesetzes Subsumtion des Falles unter das Gesetz Lösung 16
17 Die vier Regeln der Gesetzesauslegung (Savigny) 1. Grammatische Auslegungsmethode: Gesetzeswortlaut Allgemeinsprache Juristische Fachsprache 2. Historische Auslegungsmethode: Geschichte des Gesetzes 3. Systematische Auslegungsmethode: Gesamtes Gesetz/Rechtsordnung insgesamt 4. Teleologische Auslegungsmethode Problem: Worin liegt der Unterschied zwischen der historischen und der teleologischen Auslegungsmethode? 17
18 Friedrich Carl von Savigny,
19 Der Syllogismus der Rechtsanwendung Obersatz: Das Gesetz Wer einen Menschen getötet hat, soll mit bestraft werden Untersatz: Der Sachverhalt A hat den Menschen B getötet Konklusion A soll mit bestraft werden 19
20 Gutachtenstil vs. Urteilsstil Das Gutachten dient der Erörterung aller aufgeworfenen Rechtsfragen. Der Gutachter geht von der Fallfrage aus und entwirft mögliche Antworten, die er dann durchprüft. Die Prüfung beginnt mit Sätzen wie A könnte (einen Anspruch auf.. haben). Sie endet mit Sätzen wie Also hat A. Kennzeichnend für den Gutachtenstil ist der Konjunktiv. Im Urteil steht der Richter fest, was die Lösung des Falles ist. Die Darstellung beginnt Feststellungen wie A hat einen Anspruch auf. Die Feststellung wird sodann systematisch begründet; die begründenden Sätze enthalten Vokabeln wie weil oder da. Kennzeichnend für den Urteilsstil ist der Indikativ. Merke: Prüfungsarbeiten an der Universität werden in einem gemischten Stil geschrieben. Alles, was problematisch ist, muss im Gutachtenstil erörtert werden, nur das, was völlig unproblematisch ist, darf im Urteilsstil dargestellt werden. 20
21 Ein Fall (aus dem Strafrecht) Tante Olga besitzt einen Dackel namens Waldi, der als übler Kläffer das gesamte Mietshaus wachhält. Examenskandidat A hält den Lärm nicht mehr aus und vergiftet Waldi. Tante Olga zeigt A bei der Polizei als Mörder an. Wie hat sich A strafbar gemacht? 21
22 Lösung des Falles Sachverhalt steht fest Fallfrage steht fest Einschlägige Gesetze? Mord, 211 StGB? Totschlag, 212 StGB? Sachbeschädigung, 303 StGB? Auslegung des Gesetzes Subsumtion des Falles unter das Gesetz Lösung 22
23 Einige juristische Berufsfelder Rechtsanwalt Allgemeinanwalt Fachanwalt Unternehmensjurist Personalabteilung Datenschutz Compliance Staatsdienst Richter Staatsanwalt Diplomat Hochschullehrer Honoré Daumier
24 Kennzeichen guter Juristinnen und Juristen Scharfsinn Fähigkeit, sich emotional vom Fall zu distanzieren Gerechtigkeitsgefühl Beharrlichkeit Fleiss 24
25 VIELEN DANK FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT!
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