Erfahrungsbericht. Ein Semester in Mérida, México. Simone Kurfess

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1 Erfahrungsbericht Ein Semester in Mérida, México Simone Kurfess Heimathochschule: HFT Stuttgart Gasthochschule: Universidad autonoma de Yucatan (UADY) Studienfach: Bauingenieurwesen, 4. Semester (Facultad de Ingenieria) Zeitraum: Wintersemester 2015 Förderung: Baden-Württemberg Stiftung Kontakt: (Hiermit stelle ich den Bericht zur Veröffentlichung zur Verfügung)

2 Vorbereitung Die größte Hürde in der Vorbereitung für einen längeren Auslandsaufenthalt ist immer die Entscheidung! JA oder NEIN? Familie und Freunde für eine lange Zeit zurücklassen? Das Studium um ein Semester verzögern? Eine Menge Papierkram? Das sichere Zuhause verlassen und ein unsichereres Land gehen? Flüge buchen, Sachen packen und einfach verschwinden? Für mich war die Antwort eindeutig Ja! Vielleicht wird am Ende des Berichtes klar, warum. Wenn die Entscheidung einmal getroffen ist, geht doch alles schneller als gedacht. Der gefürchtete Papierkram (Bewerbung, Flüge, Versicherung, Kreditkarte) ist dann doch nicht so kompliziert und mit allen großen und auch kleineren Fragen kann man sich immer ans Auslandamt wenden an dieser Stelle ein Dankeschön an Frau Kreis, die immer ein offenes Ohr und Antworten für mich hatte. Glücklicherweise habe ich zeitnah die Unterstützung durch die Baden-Württemberg-Stiftung zugesagt bekommen, welche mir einige Geldsorgen erspart hat. Ich möchte mich an dieser Stelle nochmals herzlich für die Unterstützung bedanken, denn ohne wäre mir dieser Auslandsaufenthalt nicht möglich gewesen! Eine Unterkunft findet sich dank Facebook auch recht einfach und wenn die letzten Prüfungen geschrieben sind, heißt es eigentlich nur noch: Sachen packen, Auf Wiedersehn sagen und ins Flugzeug steigen. Ich würde jeder und jedem, der mit dem Gedanken spielt ein Auslandssemester zu absolvieren, empfehlen die obigen Fragen mit Ja zu beantworten, über seinen oder ihren Schatten zu springen, Gewohntes zurückzulassen und sich für eine Zeit lang auf eine andere Realität, Lebensweise und Kultur einzulassen.

3 Ankunft und Studium im Gastland Aller Anfang ist schwer! Wie komme ich zur Uni? Ich bin schon wieder am anderen Ende der Stadt - haben die Busse auch nur irgendein System? Die Straßennummern wiederholen sich ständig wo bin ich denn schon wieder? Gibt es eigentlich auch was anderes zu Essen außer Tortillas und Fleisch? Trotz so mancher Verwirrungen Am Anfang meines Aufenthalts, waren nach ein paar Wochen waren alle Fragen beantwortet. Dank meiner Mitbewohnerin bin ich sehr gut angekommen und habe mich schon bald wie Zuhause gefühlt. Mit den Vorlesungen und Seminaren habe ich mir anfangs sehr schwer getan. Da es mir nicht möglich war die Spanischkurse der Uni zu besuchen, ging es mit den Sprachkenntnissen nur schleppend voran. Oft saß ich nur mit vielen Fragezeichen im Kopf in der Vorlesung und habe mich darauf beschränkt, Wörter aufzuschreiben, die ich nicht kannte was anfangs sehr viele waren. Ich hatte die Möglichkeit die Fächer frei zu belegen, die mich wirklich interessieren. Das waren in meinem Fall Kurse über Umweltschutz, Wasserversorgung und Management aus dem Bachelor- sowie aus dem Masterprogramm. Bezüglich der Kurswahl waren die zuständigen ProfessorInnen recht flexibel. Allerdings waren die Informationen auch recht flexibel (Falsche Räume, falsche Uhrzeiten, Kurse die nicht existieren) in der Hinsicht habe ich leider keine guten Erfahrungen mit der Partnerhochschule gemacht. Nach ein paar Wochen hat sich aber alles eingependelt und ich habe tatsächlich die Vorlesungen besuchen können, die ich mir ausgesucht hatte. Aufgrund meiner Sprachkenntnisse habe ich die Kurse zwar nicht mit großem Erfolg abgeschlossen aber trotzdem einiges dazugelernt.

4 Teils war ich etwas überrascht vom Vorlesungsstil: Proxima semana: classe en Facebook! Vorlesung in Facebook?? Heißt konkret: Eine Gruppe Studenten bereitet eine Vorlesung vor, postet z.b. Videos in Facebook und stellt Fragen dazu. Benotet werden die Kommentare dazu oder wer am schnellsten dazu geantwortet hat. Im Allgemeinen ist die Beziehung von Studenten und Professoren nicht so distanziert wie in Deutschland. Die freundschaftliche und positive Atmosphäre in der Vorlesung scheint wichtiger zu sein. Das hat mir sehr gefallen und schon bald waren die anfänglichen Probleme vergessen. Land, Leben und Leute Mérida ist eine sehr sichere Stadt nachts kann man ohne Probleme wie z.b Diebstahl durch die Straßen laufen und sonst hatte ich auch nie nennenswerte Probleme. Die Halbinsel Yucatan ist sehr touristisch es gibt auch viel zu sehen (Pyramiden, Cenotes, Strände und Kolonialstädte). In Merida gibt es einige Studentenorganisationen die fast jedes Wochenende Ausfahrten zu Attraktionen in der Umgebung organisieren. Allerdings halte ich nicht viel davon, mit zwei Reisebussen voller feierwütiger Studenten in ein kleines Städtchen einzufallen und Fotos von jedem Winkel zu machen, oder Lautsprecher in der Mitte des Stadtzentrums aufzustellen und die ganze Innenstadt zu beschallen. Man bekommt einen anderen und viel authentischeren Blick auf Land und Leute, wenn man sich in einen lokalen Bus setzt - der alle 500m anhält, um Leute einsteigen zu lassen - und auch so zu seinem Ziel kommt, sich mit Leuten im Bus unterhält und die Chance hat, nicht als ein weiterer Tourist in der Masse gesehen zu werden.

5 Ich lege jedem ans Herz, sich aus der Touristenblase herauszubewegen und das echte Mexico zu erleben nicht nur die surrealen Orte, die nur für Touristen zu existieren scheinen. Orte, die durch europäische Preise eine Distanz zwischen Touristen und Einheimischen schaffen. Ich denke, es ist wichtig, sich jederzeit darüber im Klaren zu sein, dass die meisten Einheimischen nicht die Möglichkeit bzw. das Geld haben, wie ich selbst eine Weile aus der eigenen Realität auszusteigen, in ein anderes Land zu fliegen und eine andere Lebensart zu leben. Manchmal führt diese Tatsache zu kleineren Konflikten wie z.b. überhöhte Preise für Touristen oder Diebstähle. Spanischkenntnisse sind in Mexico sehr empfehlenswert, auch weil die Leute viel freundlicher reagieren, wenn man Interesse für Sprache und Kultur zeigt. Auch ist das technische Spanisch, dass man für die Vorlesungen braucht ein ganz anderes als die Umgangssprache auf der Straße. Ich würde daher dringend empfehlen vor dem Aufenthalt so viele Spanischkurse wie möglich zu belegen. Cenote Pyramiden Ek Balam Markt in Oaxaca

6 Alles in allem hatte ich eine wunderbare Zeit, habe viele schöne Orte gesehen, viele nette Leute getroffen und viele positive Erfahrungen gesammelt sowohl an der Uni als auch außerhalb. Vielen Dank an die Baden-Württemberg Stiftung für diese Möglichkeit! Ich schätze es sehr, dass die Stiftung jungen Menschen die Chance gibt außergewöhnliche und unvergessliche Erfahrungen zu sammeln, die einen vielleicht das ganze Leben prägen. Simone Kurfess