Verkehrsplanerische Stellungnahme zur möglichen Freigabe der Fußgängerzone für den Kfz-Verkehr in der Stadt Bodenwerder
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- Eva Martin
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1 Verkehrsplanerische Stellungnahme zur möglichen Freigabe der Fußgängerzone für den Kfz-Verkehr in der Stadt Bodenwerder Aufgabenstellung (1) In der Stadt Bodenwerder wird die Öffnung der Fußgängerzone für den Kfz- Verkehr diskutiert. Hierzu fand im Januar 2016 eine Ortsbesichtigung mit anschließender Diskussion verschiedener Beteiligter statt. (2) Im Rahmen einer kurzen Stellungnahme werden die Möglichkeiten einer Freigabe für den Kfz-Verkehr aus verkehrsplanerischer Sicht bewertet. Kartengrundlage NWSIB-Niedersachsen - 1 -
2 Derzeitige Situation (3) Die Innenstadt/ Altstadt von Bodenwerder verläuft in Nord-Süd-Richtung parallel zur Weser. Aus verkehrsplanerischer Sicht ist die Verkehrsführung ideal: Der Kfz-Verkehr kann über die Straße Im Hagen parallel zur Fußgängerzone verlaufen, ohne diese zu beeinträchtigen. Entlang der Straße finden sich große Parkplatzbereiche, der ZOB sowie ein großer Lebensmittelmarkt als "Frequenzbringer". Die Straße Im Hagen und die Fußgängerzone (Große Straße/ Münchhausenstraße/ Königstraße) sind durch verschiedene kleinere Straßen und Gänge verbunden. Die Luftlinienentfernung beträgt ca. 75 m. Das Parken auf den Parkplätzen ist zwar grundsätzlich kostenpflichtig, für den Zeitraum von 30 Minuten darf aber kostenlos geparkt werden. Kurze Erledigungen in der Altstadt/ Fußgängerzone sind damit auch problemlos ohne Parkgebühren möglich. Jede weitere halbe Stunde kostet 0,50, eine Tageskarte 2,--. Die Parkgebühren sind entsprechend moderat. Freitags ist das Parken kostenlos. In Richtung Weser verlaufen dann wiederum parallel die Homburgstraße als verkehrsberuhigte Wohnstraße sowie die Weserpromenade. Der Kfz-Verkehr (Anlieger) darf die Fußgängerzone in Nord-Süd-Richtung in der Zeit von bis Uhr befahren. Neben Lieferverkehren wird die Fußgängerzone dann auch von einigen Kunden der anliegenden Geschäfte befahren. Grundsätzlich können dadurch auch in ihrer Mobilität eingeschränkte Personen näher an ihr Ziel in der Fußgängerzone heranfahren bzw. herangefahren werden. Auch die Abholung größerer/ schwererer Einkäufe ist so in einem kleinen Zeitfenster grundsätzlich möglich. (4) Wesentliche Probleme ergeben sich durch die Verkehrsführung nicht. Die Befahrung der Fußgängerzone ist insoweit unproblematisch, als sich stärkere Fußgängerströme erst nach Uhr ergeben, die Anzahl der vor Uhr verkehrenden Kfz ist aber auch nur moderat. Zu beobachten ist auch, dass Lieferverkehre und Handwerker die Fußgängerzone noch nach Uhr befahren
3 Möglichkeit zur Öffnung der Fußgängerzone für den Kfz-Verkehr (5) Bei allen Beteiligten herrschte im Rahmen der Diskussion Einigkeit, dass eine verlängerte Freigabe der Fußgängerzone zu Zeiten der Tourismussaison (ca. Osterferien bis Herbstferien) aufgrund der dann starken Fußgängerverkehre in der Altstadt nicht ausgeweitet werden sollte. (6) Die zusätzliche Freigabe für den Kfz-Verkehr könnte sich nach Meinung einiger Beteiligter positiv für einzelne Einzelhändler auswirken. Kunden würden dann direkt bis an das Geschäft heranfahren können. Der Transport größerer und schwererer Einkäufe wäre möglich, mobilitätseingeschränkte Personen könnten direkt bis zum Ziel fahren. (7) Die längere Öffnung der Fußgängerzone für den Kfz-Verkehr könnte vereinfacht durch eine Ausweitung der Zeiten auf dem Verkehrsschild erfolgen (z.b Uhr bis Uhr). (8) Problematisch ist dann allerdings die Frage der vorhandenen Stellplätze und der Parkdauer. Die Parkdauer sollte wie auf den großen Parkplätzen Im Hagen auf maximal 30 Minuten begrenzt werden. Ohne einen gezogenen Parkschein ist eine Überwachung aber schwierig. Die Aufstellung zusätzlicher Parkscheinautomaten nur für Parkscheine bis 30 Minuten ist natürlich nicht sinnvoll. (9) Eine Parkscheibenregelung könnte aber zu längeren Parkvorgängen führen. Zunächst einmal darf die Parkscheibe auf die nächste halbe Stunde der Ankunftszeit vorgestellt werden. D.h. bei einer Ankunft um Uhr wird die Ankunftszeit auf Uhr gestellt. Es dürfte dann bis Uhr geparkt werden. In der Summe somit 45 Minuten. Zudem besteht bei einer Parkscheibenregelung immer die Gefahr, dass diese einfach nach Ablauf des Parkzeitendes weitergestellt wird. (10) Sinnvoll und möglich wäre es demnach, die Parkzeit auf das Be- und Entladen sowie Ein- und Aussteigen zu beschränken. Dies wäre mit einem Zusatzschild zu kennzeichnen, z.b. Zeichen und gemäß STVO: 1. Wer ein Fahrzeug führt, darf innerhalb der gekennzeichneten Zone nicht länger als drei Minuten halten, ausgenommen zum Ein- oder Aussteigen oder zum Be- oder Entladen. 2. Innerhalb der gekennzeichneten Zone gilt das eingeschränkte Haltverbot auf allen öffentlichen Verkehrsflächen, sofern nicht abweichende Regelungen durch Verkehrszeichen oder Verkehrseinrichtungen getroffen sind
4 (11) Allerdings ergeben sich im Fall einer länger befahrbareren Fußgängerzone die folgenden Probleme: Die vom Grundsatz idealtypische Verkehrssituation (fließender und ruhender Kfz-Verkehr in der Straße Im Hagen; Große Straße als Fußgängerzone) wird aufgeweicht. Es ist zu befürchten, dass ein größerer Teil der derzeitigen nur kurz parkenden Fahrzeugführer (kürzer 30 Minuten, d.h. ohne Parkgebühr) von den Parkplätzen Im Hagen künftig direkt in die Fußgängerzone fährt. Das Kfz-Verkehrsaufkommen in der Fußgängerzone wird größer. Fußgänger (auch Eltern mit kleinen Kindern, die in der Fußgängerzone ohne Kfz-Verkehr deutlich sicherer auch abseits der Eltern laufen könnten) werden durch den Kfz-Verkehr gestört. Die derzeit gefahrenen Geschwindigkeiten sind zwar mäßig, aber eben auch nicht Schritttempo. Zu erwarten ist auch, dass Fahrzeugnutzer die Parkzeitbegrenzung (3 Minuten, Be-/ Entladen, Ein-/ Aussteigen) bewusst oder unbewusst missverstehen und deutlich länger in der Fußgängerzone parken. Eine Ausweisung der für das Halten vorgesehenen Plätze ist schwierig. Aufgrund der Pflasterung und Straßenraumgestaltung werden voraussichtlich zahlreiche Stellen zwischen Bäumen als Stellplätze interpretiert. Im Zusammenhang mit den zum Teil zu erwartenden längeren Haltevorgängen wird der Straßenraum durch parkende Fahrzeuge geprägt. Der eigentliche Charakter der Fußgängerzone geht teilweise verloren. Neben der Großen Straße wird dann insbesondere der zentralen Platz vor der Kirche auch von parkenden Pkw optisch beeinträchtigt. Durch den erhöhten Pkw- Verkehr ist zu befürchten, dass Fußgänger vom Mittelbereich der Straße, die im Bereich der Großen Straße optisch wie eine Fahrbahn für den Kfz-Verkehr - 4 -
5 wirkt, verdrängt werden. Aus Sicherheitsgründen meiden Fußgänger dann diese Bereiche. Der eigentliche Sinn der Fußgängerzone, dass Fußgänger sich hier frei und ungezwungen bewegen können, wird spürbar eingeschränkt. Die Münchhausenstraße und die Königstraße sind aufgrund ihrer Fahrbahnbreite aus verkehrsplanerischer Sicht nicht geeignet, zusätzliche Kfz-verkehre aufzunehmen. Fußgänger müssten den Fahrzeugen ausweichen, würden dadurch beeinträchtigt und ggf. sogar gefährdet. Durch den engen Straßenraum (z.t. mit Warenpräsentation) sowie die insbesondere in der Münchhausenstraße auch verkehrenden und haltenden Lieferverkehre können nachfolgende Pkw den Bereich ggf. kurzzeitig nicht passieren. Münchhausenstraße Königstraße - 5 -
6 Fazit (12) Aus verkehrsplanerischer Sicht ist die Öffnung der Fußgängerzone für den Kfz-Verkehr aus den vorgenannten Gründen nicht sinnvoll. (13) Grundsätzlich wäre dennoch eine Probephase denkbar. Wobei sich diesbezüglich ein wesentliches Problem ergibt. Es gibt für eine Erfolgskontrolle keine messbaren Kriterien. Während der eine den zusätzlichen Verkehr als Belebung und die unmittelbare Erreichbarkeit der Geschäfte als zusätzlichen Service sieht, ist für den anderen der Kfz-Verkehr störend bis gefährlich. (14) Dies gilt umso mehr, als das Verkehrsaufkommen im Fußgänger- und Kfz- Verkehr von Tag zu Tag auch witterungsbedingt und von Tageszeit zu Tageszeit schwankt. (15) Ob der Einzelhandel von einer längeren Befahrbarkeit profitiert, kann an dieser Stelle nicht bewertet werden. Gegebenenfalls meiden Kunden die Fußgängerzone aufgrund des erhöhten Kfz-Verkehrs sogar. (16) Aber auch hier ist eine Erfolgskontrolle nicht möglich. Hierzu wären die Umsätze der lokalen Einzelhändler über längere Zeiträume zu erfassen. Diese sind aber auch von anderen Randbedingungen maßgeblich abhängig, so dass ein direkter Rückschluss auf die Wirkungen der verlängerten Befahrbarkeit der Fußgängerzone nicht möglich ist. (17) Da die Fußgängerzone aber auch derzeit bereits bis Uhr für Pkw befahrbar ist, können Einzelhändler bewusst vor dieser Zeit angefahren werden. Eine Öffnung um Uhr wäre dafür bereits ausreichend. (18) Befürworter und Kritiker könnten aus den jeweils subjektiven Ergebnissen einer Probephase ggf. weitere Veränderungen fordern (kürzere/ längere Freigabezeit, andere Parkraumbeschilderung, häufigere Kontrollen der Verstöße etc.), um die Situation zu optimieren. (19) Die derzeit geführten Diskussionen sind demnach auch für die Zeit nach der Testphase zu erwarten. Aus unserer Sicht ist deshalb auch eine Testphase nicht sinnvoll. Hannover, 03. Februar 2016 Dipl.-Geogr. Lothar Zacharias - 6 -
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