Kindesmisshandlung - Ärztliche Untersuchung Dokumentation Spurensicherung. Ao.Univ.-Prof. Dr. Andrea Berzlanovich. Department für Gerichtsmedizin Wien

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1 Kindesmisshandlung - Ärztliche Untersuchung Dokumentation Spurensicherung Ao.Univ.-Prof. Dr. Andrea Berzlanovich Department für Gerichtsmedizin Wien

2 Häusliche Gewalt Gewalt in Ehe und Partnerschaft bzw. männliche Gewalt gg Frauen im sozialen Nahraum geschlechtsbezogene Gewalttaten an Frauen, die in enger persönlicher Beziehung zu den männlichen Tätern stehen

3 Häusliche Gewalt Gewalt kann auf körperlicher, seelischer oder sexueller Ebene ausgeübt werden und zu verschiedensten Einschränkungen führen. Unter Gewalt ist jede Form von Machtausübung, Machtmissbrauch, Verletzung oder Zwang zu verstehen. Beinhaltet auch Psychoterror, Erniedrigung, Verbote und Isolation.

4 Tötungsdelikte in Österreich Mehr als die Hälfte aller Tötungsdelikte ereignen sich im Familien- und Bekanntenkreis. Opfer sind vor allem Frauen und Kinder. Männliche Ex-/Partner sind meist Täter. Anzahl der Suizide aufgrund von häuslicher Gewalt ist unbekannt.

5 Ausmaß der Gewalt an Frauen und Männern Österreichische Gewaltprävalenz-Studie des BMWFJ zeigt, dass Frauen deutlich häufiger und in gravierenderer Form von Gewalt gefährdet sind als Männer. Frauen, die im engsten sozialen Umfeld von Gewalt betroffen sind, kämpfen mit längeren Nachwirkungen als Männer.

6 Ausmaß der Gewalt an Frauen und Männern In der Kindheit haben ¾ der befragten Personen psychische und/oder körperliche Gewalterfahrungen gemacht. Kaum Unterschiede zw. Frauen und Männern. Bei sexueller Gewalt existieren klare geschlechterspezifische Unterschiede: 27,7 % Frauen 12% Männer waren in der Kindheit sexuellen Übergriffen ausgesetzt ÖIF Prävalenzstudie 2011

7 Ausmaß der Gewalt an Frauen und Männern Ältere Generation hat in Kindheit signifikant häufiger Gewalt erlebt als die jüngere. Körperliche Züchtigung von Kindern wird sowohl gesellschaftlich wie auch rechtlich immer weniger toleriert. Im Kindesalter wurde sehr selten Unterstützung von außen gesucht. Anlaufstellen waren Freunde und Familie. ÖIF Prävalenzstudie 2011

8 Körperliche Übergriffe - Täter/innen Täter/in 10 häufigste - körperliche Gewalt Frauen (n=1292) Fälle der letzten 3 Jahre (n) auf Personen 1 Ex-Partner 42 2 Derzeitiger Partner 31 3 Männliche unbekannte Person 28 4 Eigene Mutter 24 5 Eigener Vater 20 6 Freund / Bekannter 19 7 Weibliche unbekannte Person 19 8 Bruder 16 9 Männliche bekannte Person Freundin / Bekannte 16 ÖIF Prävalenzstudie Basis: Frauen mit körperlichen Übergriffen in den letzten drei Jahren.

9 Körperliche Übergriffe Täter/innen Täter/in 10 häufigste - körperliche Gewalt Männer (n=1042) Fälle der letzten 3 Jahre (n) auf Personen 1 Männliche unbekannte Person 69 2 Männliche bekannte Person, die nicht zur Familie, zum Freundes- oder Bekanntenkreis gehört 32 3 Freund / Bekannter 24 4 Ex-Partnerin 23 5 Weibliche unbekannte Person 16 6 Freundin / Bekannte 14 7 Eigener Vater 13 8 Eigene Mutter 12 9 Weibliche bekannte Person, die nicht zur Familie, zum Freundes- oder Bekanntenkreis gehört Derzeitige Partnerin 6 ÖIF Prävalenzstudie Basis: Männer mit körperlichen Übergriffen in den letzten drei Jahren.

10 Warum schweigen die Opfer? Schuldgefühle oder Scham Angst vor dem Täter oder vor Ausgrenzung Abhängigkeit vom Täter / keine Alternativen Verantwortung gegenüber der Familie Gewalttäter nicht schaden wollen Keine wirksame Unterstützung E. Fröschl/S. Löw, Über Liebe, Macht und Gewalt, Wien 1995

11 Anzeigenerstattung Ein Opfer braucht oft drei bis vier Jahre bis es sich von einem gewalttätigen Partner lösen kann!

12 Beclin, 2008: Annahme: In Ö Fälle von sexuellen Missbrauch Jedes Mädchen und Jeder Bub wird zwischen dem ersten und sechzehnten Lebensjahr Opfer von sexueller Gewalt

13 Sexueller Kindesmissbrauch in Ö Statistik Dunkelziffer: Anzeigen: mind Fälle/Jahr ca pro Jahr Verurteilungen: ca 250 pro Jahr

14 Ansprechen Entscheidend: Art der Ansprache und die Gesprächsführung Verständnis, Wertschätzung und Geduld Opfern keinerlei Mitschuld zuordnen

15 Ansprechen Es erfordert Mut, Patient/in auf mögliche Gewalterfahrungen anzusprechen Mut benötigt auch Patient/in, um sich zu öffnen Empfehlung: eher allgemeine Aussagen und Fragen

16 Red Flags Deutliche Warnsignale Verletzungen, die in unterschiedlichen Heilungsstadien sind Blaue Flecken" an nicht sturz- oder anstoßtypischen Stellen geformte Blutunterlaufungen, Frakturen

17 Verdacht auf sexuellen Missbrauch Hinweise auf Seiten der Eltern Diskrepanz zw. Befund des Kindes und Schilderung der Eltern nicht kooperatives Verhalten der Eltern Verweigerung der ärztl. Untersuchung Verzögerungen zwischen dem Zeitpunkt der Verletzung und der Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe,

18 Verdacht auf sexuellen Missbrauch Hinweise auf Seiten der Eltern Hinweise auf Erregungszustände und Verlust der Kontrolle kein Besuch stationär aufgen. Kinder Misshandlung u. Missbrauch in eigener VG Starke Isolierungstendenzen der Familie häufiger Arzt- oder Krankenhauswechsel Alkoholmissbrauch der Eltern

19 Verdacht auf sexuellen Missbrauch Verhaltensauffälligkeiten Inadäquates, sexualisiertes Verhalten Nicht altersentspr. Wissen über Sexualität Kinder meiden das Alleinsein mit best. Person Schulleistungsknick Sozialer Rückzug Unangemessener Aggressivität

20 Verdacht auf sexuellen Missbrauch Unspezifische Symptome Gestörtes Essverhalten Schlafstörungen, Albträume Rückfall in ein Kleinkindverhalten Weglaufen von zu Hause Ablehnung des eigenen Körpers Depressivität, unklare Angstzustände Schmerzen (z. B. Bauchschmerzen) Sprachstörungen

21 Zeichen sexuellen Missbrauchs Körperliche Symptome Spezifische Infektionen mit Neisseria gonorrhoe, Trichomonaden, Candida Condylomata accuminata Unterleibsverletzungen Hämatome, Bisswunden Tiefe Einrisse/ Narben am Hymen od. Anus Schwangerschaft

22 Gerichtsmedizinische Untersuchung Verdacht auf einen Tötungsversuch, wenn akute Lebensgefahr bestand, besteht oder diese nicht ausgeschlossen werden kann Kindesmisshandlung Sexualdelikt Hinweis auf Strangulation Rekonstruktive Fragestellungen, wenn relevante bleibende Folgen zu erwarten sind

23 Checkliste

24 Checkliste

25 Dokumentation und Spurensicherung Mängel bei der ärztlichen Untersuchung, Dokumentation, Spurensicherung fatale rechtliche Folgen Verantwortung des/r Arztes/Ärztin erstreckt sich sowohl auf Opfer, als auch auf Tatverdächtigen, der durch eine fachgerechte Spurensicherung einer Strafverfolgung zugeführt oder auch entlastet werden kann

26 Ärztliche Untersuchung Behutsames, respektvolles Vorgehen Schaffung einer Vertrauensbasis Zurückhaltende Befragung Erläutern des Untersuchungsvorganges

27 Ärztliche Untersuchung bei Sexualdelikten Allgemeinuntersuchung Erhebung eines Genitalstatus Gynäkologische Untersuchung Dokumentation Spurensicherung

28 Ärztliche Untersuchung bei Sexualdelikten Spurensicherung, wenn körperliche und/ oder sexuelle Übergriffe in den letzten Stunden stattgefunden haben