Rechtliche Rahmenbedingungen und Verfahrensvorschläge zu sogenannten Poollösungen für Integrationshilfen
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- Guido Schmitt
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1 Rechtliche Rahmenbedingungen und Verfahrensvorschläge zu sogenannten Poollösungen für Integrationshilfen Münster, 5. April 2017 Sandra Eschweiler & Birgit Wildanger, Landschaftsverband Rheinland Ausgangslage Eingliederungshilfen gemäß 35a SGB VIII nach dem Ort der Durchführung (Auswahl) (Deutschland; 2008 und 2014) Quelle: KomDat Heft 1/2016 Folie 2 1
2 Ausgangslage Leistungen und Ausgaben für minderjährige Empfänger/-innen von Leistungen nach dem 5. bis 9. Kapitel SGB XII (2014; Deutschland) Leistungen Ausgaben in Euro Eingliederungshilfe für behinderte Menschen zusammen** darunter Leistungen zur medizinischen Rehabilitation Heilpädagogische Leistungen für Kinder Hilfen zum selbstbest. Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung Insgesamt* außerhalb von Einrichtungen ambulante Hilfen in Einrichtungen teil- bzw. stationäre Hilfen Insgesamt außerhalb von Einrichtungen ambulante Hilfen in Einrichtungen teil- bzw. stationäre Hilfen Anzahl Euro Quelle: Jehles in Jugendhilfereport Heft 4/2016 Folie 3 Praxismodelle zu Poollösungen Zwei Grundsatzmodelle Modell 1: Poollösung im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis Modell 2: Poollösung in Form eines zusätzlich finanzierten infrastrukturellen Angebots Folie 4 2
3 Rechtliche Rahmenbedingungen 1. Poollösung im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis Entscheidung des Sozialleistungsträgers über Leistung durch VA Vereinbarung mit dem Leistungserbinger (ambulanter Dienst): in der Jugendhilfe nach 77 SGB VIII kein Muss in der Sozialhilfe nach 75 Abs. 3 SGB XII Voraussetzung oder Ausnahme über 75 Abs. 4 SGB XII Wunsch- und Wahlrecht: sowohl in der Jugendhilfe ( 5 SGB VIII) als auch in der Sozialhilfe ( 9 Abs. 2 SGB XII) in der Jugendhilfe Hilfeplanverfahren gemäß 36 SGB VIII Beauftragung des ambulanten Dienstes durch die Eltern auf der Grundlage des Bewilligungsbescheides (Privatrechtlicher Vertrag) Notwendig: Einverständnis Eltern/Schüler Folie 5 Rechtliche Rahmenbedingungen 2. Poollösung in Form eines zusätzlich finanzierten infrastrukturellen Angebots Außerhalb des individuellen Sozialleistungsrechts des SGB VIII bzw. SGB XII Öffentlich finanzierte Zurverfügungstellung einer Leistung außerhalb des sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses, ohne VA zweiseitige öffentlich-rechtliche Vereinbarung zwischen Sozialleistungsträger(n) und Dienst Sozialhilfe: keine Verletzung der 75 ff. SGB XII Jugendhilfe: zweiseitige Leistungsvereinbarungen nach 77 SGB VIII oder Zuwendungsfinanzierung nach 74 SGB VIII Folie 6 3
4 1. Im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis Vergaberecht nicht anwendbar (überwiegende Auffassung) Kein entgeltlicher Vertrag zwischen Sozialleistungsträger und Leistungserbringer i.s.d. GWB/landesrechtlichen Haushaltsvorschriften wettbewerbsrechtlich relevante Vergabe des Auftrags - Vergabeentscheidung - an einen bestimmten Leistungserbringer nicht durch Sozialleistungsträger, sondern Leistungsberechtigten Abschluss von Vereinbarungen mit begrenzter Zahl ausgewählter Leistungserbringer grundsätzlich nicht vereinbar mit Prinzip der Angebots- und Trägervielfalt Verletzung des Rechts der übrigen Einrichtungsträger auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Abschluss einer Vereinbarung ( 77 SGB VIII; 75 Abs. 1 SGB XII) Ausnahmen möglich? Bejahend Meysen: Priviligierende Vereinbarung für kleinen abgegrenzten räumlichen Bereich möglich, sofern andere Träger hinreichende Ausweichmöglichkeit Folie 7 a. A.: Vergaberecht anwendbar (OLG Düsseldorf, Beschluss vom ): Öffentliche Ausschreibung von Integrationshelferleistungen an mehreren Schulen in einem Stadtgebiet als Leistungen der Eingliederungshilfe gem. 53 ff SGB XII Abschluss der Leistungsvereinbarung: synallagmatische Verbindung Leistungsträger/Leistungserbringer, d.h. entgeltlicher Vertrag Europakonforme Auslegung der 97 ff GWB als Gemeinschaftsrecht -> Vorrang gegenüber den nationalen Vorschriften des SGB XII Folie 8 4
5 Änderung durch Vergaberechtsmodernisierungsgesetz ( )? Gesetzeszweck: Umsetzung der Vergaberichtlinie- und EU-Konzessionsrichtlinien (Richtlinie 2014/24/EU und Richtlinie 2014/23/EU) in nationales Recht Richtlinien: Ohne Auswahlentscheidung keine Vergabe/Konzession Leistungserbringung in einem offen gestalteten sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis unterfiel nach den Richtlinien nicht dem Vergaberecht Begründung des Gesetzes: Keine Abweichung von Richtlinien Leistungserbringung einem offen gestalteten sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis unterfällt nicht dem Vergaberecht Keine Verschärfung der Ausschreibungspflicht Keine Änderung, sofern keine exklusive Auswahlentscheidung zwischen Konkurrenten Folie 9 2. Poollösung als zusätzlich finanziertes infrastrukturelles Angebot Zweiseitige Leistungsvereinbarungen nach 77 SGB VIII: Strittig, ob Vergaberecht anwendbar Zuwendungsfinanzierung nach 74 SGB VIII: Vergaberecht nicht anwendbar (überwiegende Auffassung) Folie 10 5
6 Fazit: Entscheidend: Wird eine exklusive Auswahlentscheidung getroffen? oder Besteht eine Offenheit der Vereinbarung für andere Anbieter? Folie 11 Vorteile und Herausforderungen der beiden Modelle: 1. Poollösung im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis Vorteile passgenaue Betreuung durch vorab erfolgende individuelle Bedarfsstellung Fallsteuerung und Qualitätssicherung in der Jugendhilfe im Rahmen des Hilfeplanverfahrens Möglichkeit des Rechtsmittels (Widerspruch/Klage) der Leistungsberechtigten gegen die Entscheidung des Sozialleistungsträgers keine Ausschreibung der Leistungen nach Vergaberecht Folie 12 6
7 Vorteile und Herausforderungen der beiden Modelle: 1. Poollösung im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis Herausforderungen hoher Zeitaufwand für die individuelle Bedarfsfeststellung hoher Koordinierungsaufwand (Bestandsaufnahme und Zuordnung) Hilfeplanung in der Jugendhilfe im System Schule (Konzept des Zusammenwirkens) Notwendigkeit des Einverständnisses der Leistungsberechtigten mit der Poollösung Folie 13 Vorteile und Herausforderungen der beiden Modelle: 2. Poollösung als zusätzlich finanziertes infrastrukturelles Angebot Vorteile niedrigschwelliger(er) Zugang, stärkere Anbindung an das System Schule einzelfallbezogenes Verwaltungsverfahren entfällt, dadurch geringer Zeitaufwand geringerer Koordinationsaufwand Möglichkeit des Einsatzes der im Gesetz zur Förderung kommunaler Aufwendungen für die schulische Inklusion vorgesehenen Inklusionspauschale (sog. Korb II) Folie 14 7
8 Vorteile und Herausforderungen der beiden Modelle: 2. Poollösung als zusätzlich finanziertes infrastrukturelles Angebot Herausforderungen Verankerung der Qualitätssicherung nur auf struktureller Ebene möglich zusätzlicher Anspruch des Leistungsberechtigten, soweit sein individueller Bedarf durch das Poolmodell im Einzelfall nicht gedeckt wird ggf. Ausschreibung der Leistungen nach Vergaberecht bei exklusiven Verträgen Steigerung der Zahl der betreuten Schülerinnen und Schüler? Folie 15 Bundesteilhabegesetz Änderung des SGB IX zum Kapitel 5 Teilhabe an Bildung 112 Leistungen zur Teilhabe an Bildung (1) Leistungen zur Teilhabe an Bildung umfassen 1. Hilfen zu einer Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht 2. Hilfen zur schulischen oder hochschulischen Ausbildung oder Weiterbildung für einen Beruf. Die Hilfen nach Satz 1 Nr. 1 schließen Leistungen zur Unterstützung schulischer Ganztagsangebote in der offenen Form ein, die... (4) Die in der Schule oder Hochschule wegen der Behinderung erforderliche Anleitung und Begleitung können an mehrere Leistungsberechtigte gemeinsam erbracht werden, soweit dies nach 104 für die Leistungsberechtigten zumutbar ist und mit Leistungserbringern entsprechende Vereinbarungen bestehen. Die Leistungen nach Satz 1 sind auf Wunsch der Leistungsberechtigten gemeinsam zu erbringen. 8
9 Literatur Dillmann/Eschweiler/Kleinen/Wildanger: Rechtliche Rahmenbedingungen und Verfahrensvorschläge zu sogenannten Poollösungen für schulische Integrationshilfen in: Behindertenrecht, Heft 1/2017 Meysen/Beckmann/Reiß/Schindler: Zusammenfassung zum Rechtsgutachten Weiterentwicklung und Steuerung der Hilfen zur Erziehung Rechtliche Analyse zu Angebotsstrukturen nach SGB VIII und den Möglichkeiten ihrer Finanzierung des DIJuF Glahs/Rafii: Das Verhältnis des neuen Kartellvergaberechts zur Leistungserbringung nach den Sozialgesetzbüchern II, VIII und XII in: Sozialrecht aktuell, Heft 5/2016 Folie 17 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Folie 18 9
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