Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit (geistiger) Behinderung
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- Viktoria Friedrich
- vor 6 Jahren
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1 Positionspapier der Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung Landesverbandes Nordrhein-Westfalen e.v. Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit (geistiger) Behinderung Präambel Die Teilhabe am Arbeitsleben erhält durch die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung eine richtungweisende Vorgabe eigenen Handelns. Sie fordert den Abbau von Partizipationshindernissen und die Initiierung von Infrastrukturmaßnahmen, damit Menschen mit Behinderung von ihren Rechten Gebrauch machen können. Ziel ist die Entwicklung hin zu einem inklusiven Arbeitsmarkt. Es geht nicht mehr darum, Menschen mit Behinderung zu integrieren (Anpassung an die Gesellschaft), sondern allen Menschen von vornherein die Teilnahme an allen gesellschaftlichen Aktivitäten auf allen Ebenen und in vollem Umfang zu ermöglichen. Dabei soll ihre Autonomie und Unabhängigkeit gewahrt bleiben: Menschen mit Behinderung haben nicht die Aufgabe, ihre Bedürfnisse an (vermeintliche) gesellschaftliche Normen und Notwendigkeiten anzupassen, sondern die Gesellschaft hat die Aufgabe, sich auf die Bedürfnisse ohne besondere Anpassungsleistungen und ohne Diskriminierung der Menschen mit Behinderung einzustellen. Dieses Positionspapier des Landesverbandes der Lebenshilfe NRW gibt den Diskussionsstand zum Thema Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit Behinderung unter besonderer Berücksichtigung der UN-Konvention (insbesondere Artikel 27, Abs. 1) wieder. Dabei wird insbesondere Stellung genommen zu den folgenden Themen: Erfordernis von ausreichenden Ressourcen und Rahmenbedingungen Gesellschaftliche Aspekte zum Arbeitsleben in Deutschland Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Arbeitsleben Die Rolle der Werkstätten für behinderte Menschen im Zusammenhang mit der UN-Konvention aus Sicht der Lebenshilfe NRW 1. Erfordernis von ausreichenden Ressourcen und Rahmenbedingungen Um die Weiterentwicklung von Teilhabeangeboten, bei Aufrechterhaltung des Leistungs- Rechtsanspruches, auf Dauer gewährleisten zu können, bedarf es aus Sicht der Lebenshilfe NRW insbesondere: Seite 1
2 den Ausbau von Integrationsfirmen einer erweiterten und dauerhaften Unterstützung von Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes zur Förderung der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung den Abbau von bürokratischen Hürden bei der Beantragung von staatlichen Unterstützungsleistungen einer höheren Transparenz, Flexibilität und Durchlässigkeit von Teilhabe-Angeboten einer erweiterten unternehmerischen Freiheit der Werkstatt in der Gestaltung von Teilhabeangeboten Leistungsträgerübergreifendes persönliches Budget: Rechtssichere Nutzbarkeit des Persönlichen Budget auch außerhalb der Werkstatt (s. Urteil Bundessozialgericht) Diese Aspekte unterstützen sinnvolle Lösungswege in Richtung Inklusion. Rentenrechtliche Absicherung außerhalb der Werkstatt Ausgestaltung eines inklusiven Übergangs von der Schule in Ausbildung, Qualifizierung und Arbeit für alle jungen Menschen Inklusive Neuausrichtung der Sonderpädagogischen Zusatzqualifikation Geprüfte Fachkraft zur Arbeits- und Berufsförderung in Werkstätten für behinderte Menschen Weiterentwicklung des Berufsbildungsbereichs Schaffung flexibler Arbeitsmöglichkeiten (z.b. Teilzeit) Weiterer Ausbau von betriebsintegrierten Arbeitsplätzen Modularisierung von WfbM-Leistungen Alle gesellschaftlich handelnden Kräfte müssen sich auch weiterhin der besonderen Verantwortung für Menschen mit Behinderung bewusst sein. Dies gilt insbesondere für Menschen mit sehr hohem Hilfebedarf. Die Herausforderung der kommenden Jahre wird sich zudem auf die Konsolidierung erworbener Errungenschaften für die Zielgruppe beziehen, Fragen zum Anwachsen dieser Gruppe (Menschen mit psychischen Behinderungen, Autismusspektrumsstörung, Personen mit hohem Hilfebedarf) müssen beantwortet und bewältigt werden. 2. Gesellschaftliche Aspekte zum Arbeitsleben in Deutschland Die Realisierung von Teilhabe am Arbeitsleben für alle Menschen mit und ohne Behinderung unterliegt identischen gesellschaftlichen Rahmen- und arbeitsmarktpolitischen Bedingungen. Einige Bevölkerungsschichten sind heute nicht in der Lage, einen auskömmlichen Lebensunterhalt zu verdienen. Sie sind auf Transferleistungen des Staates angewiesen. Seite 2
3 Menschen mit Behinderung sind hiervon im besonderen Maße betroffen, da sie aufgrund ihrer Behinderung dauerhafte Unterstützung benötigen. Die Arbeitsplatz- und Qualifikationsanforderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt steigen stetig. Arbeitsplätze für gering qualifizierte und gehandicapte Menschen sind nicht in ausreichendem Maße verfügbar. In unserem Wirtschaftssystem agieren Unternehmen notwendigerweise markt- und wettbewerbsorientiert und sind in der Regel nicht am Bedarf der Menschen mit Behinderung ausgerichtet. Realistisch betrachtet ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass die Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes kurz- bzw. mittelfristig in der Lage sein werden, für die Mehrzahl der Menschen mit Behinderung geeignete Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. Werkstätten bieten aufgrund der jetzigen arbeitsmarktpolitischen und sozialrechtlichen Bedingungen ein umfassendes Teilhabeangebot für einen großen Teil der Menschen mit geistigen, psychischen und mehrfachen Behinderungen. Der Auftrag der Werkstätten zur Eingliederung von Menschen mit Behinderung in den allgemeinen Arbeitsmarkt wird aktiv unterstützt. 3. Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Arbeitsleben Aus Sicht der Lebenshilfe NRW sind als Voraussetzung zur Teilhabe am Arbeitsleben festzuhalten und zu sichern: auf die Behinderung und die individuellen Bedarfe angepasste Arbeitsangebote behindertengerechte Ausstattung umfassend qualifiziertes Personal Fachkompetenz in allen relevanten Bereichen adäquate berufliche Bildung und Qualifizierung arbeitsbegleitende Angebote zur beruflichen Qualifizierung (z.b. Angebote zur Entwicklung der Kulturtechniken) Möglichkeit der kontinuierlichen Persönlichkeitsentwicklung medizinische/psychologische/therapeutische Begleitung Zudem zeigte eine Befragung der Lebenshilfe NRW von Schulabgängern aus Förderschulen für geistige Entwicklung und Menschen mit Behinderung im Berufsbildungsbereich, dass es keinen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Beschäftigungsstatus und der jeweiligen Arbeitsplatzzufriedenheit gibt. Die Lebenshilfe plädiert für breite Facetten von Arbeitsangeboten sowie eine kontinuierliche Förderung und Begleitung für Menschen mit Behinderung. Die Werkstatt für behinderte Menschen ist ausdrücklich ein Teil davon. Seite 3
4 Eltern wollen, geprägt durch eigene Erfahrungen, ganzheitliche Betreuung und Förderung - Fürsorge im Sinne respektvoller, emotionaler Zuwendung und Begleitung. Wenn die Eingliederungshilfe zu personzentrierten Leistungen weiterentwickelt werden soll, darf weder die berufliche Perspektive in einer Werkstatt zu arbeiten, noch die Aussicht auf eine Anstellung in einem Betrieb des allgemeinen Arbeitsmarkts per se als gute oder schlechte berufliche Perspektive gewertet werden. Menschen sind individuell, so auch ihre beruflichen Vorstellungen, Wünsche und Perspektiven. Die Wahlfreiheit für Menschen mit Behinderung muss aufrecht erhalten und ausgebaut werden. Nach Artikel 27 der UN-Konvention haben alle Menschen ein gleiches Recht auf Arbeit. Artikel 27, Abs. 1: Arbeit und Beschäftigung Die Vertragsstaaten anerkennen das gleiche Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit; dies beinhaltet das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die in einem offenen, integrativen und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei gewählt oder angenommen wird. Für Menschen mit Behinderung sind besonders flexible, durchlässige und verlässliche Teilhabeangebote im Arbeitsleben notwendig. Die Lebenshilfe NRW fordert Passgenauigkeit, Flexibilität, Durchlässigkeit und Differenzierung bei den Beschäftigungsangeboten. Die Arbeit sollte so vergütet sein, dass der arbeitende Mensch davon eigenmächtig seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Der Staat sollte die Rahmenbedingungen dafür setzen. Die UN-Konvention manifestiert diese Forderung für Menschen mit Behinderung: Artikel 28, Abs. 1: Angemessener Lebensstandard und sozialer Schutz Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf einen angemessenen Lebensstandard für sich selbst und ihre Familien, einschließlich angemessener Ernährung, Bekleidung und Wohnung, sowie auf eine stetige Verbesserung der Lebensbedingungen und unternehmen geeignete Schritte zum Schutz und zur Förderung der Verwirklichung dieses Rechts ohne Diskriminierung aufgrund von Behinderung. 4. Die Rolle der Werkstätten für behinderte Menschen im Zusammenhang mit der UN- Konvention aus Sicht der Lebenshilfe NRW Für die Lebenshilfe NRW ist die Werkstatt als Kompetenzzentrum für berufliche Teilhabe am Arbeitsleben ein integraler Teil der Arbeitswelt in der Bundesrepublik und Bestandteil des Wirtschaftsraumes der jeweiligen Region. Sie bietet vielfältige Umsetzungsmöglichkeiten der UN-Konvention im Bereich Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit Behinderung. Spezifisch in NRW ist zudem das Alleinstellungsmerkmal der Integration von Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf in der Werkstatt als Bestandteil sozialer Wohlfahrt und Kultur, und damit besonders schützenswert. Seite 4
5 Theo Klauß beschreibt in seinem Vortrag: Neue Klienten - neue Herausforderungen 1 die Teilhabebedingungen von Beschäftigten folgendermaßen: Selbstbewusstsein und Stolz über das, was sie können und leisten Zufriedenheit mit der Tages-, Jahres- und Lebensstrukturierung Interesse am Lernen, Nutzung von Weiterbildung Bewusstsein über den Wert ihrer Arbeit, das sich in Lohnansprüchen ausdrückt Kenntnisse über Produktionsabläufe und zusammenhänge Freude an der Zusammenarbeit und Kommunikation bei der Arbeit Kompetenzen zur Selbstvertretung, z.b. im Werkstattrat, und andere Aspekte der Persönlichkeitsbildung Es ist wünschenswert, dass diese Teilhabebedingungen bei Beschäftigungsangeboten in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes ebenfalls Berücksichtigung finden. Der gesetzliche Auftrag der WfbM verpflichtet diese, jedem Menschen mit einer wesentlichen Behinderung eine umfassende Teilhabe am Arbeitsleben, auch außerhalb der Werkstatt, zu ermöglichen. Die Lebenshilfe NRW begrüßt ausdrücklich die Weiterentwicklung von Teilhabeangeboten. Dabei ist nicht der Arbeitsort des Menschen mit Behinderung das entscheidende Qualitätskriterium, sondern dessen Zufriedenheit, die an der individuellen Passgenauigkeit und der Sicherheit des Arbeitsplatzes bemisst. Der Rechtsanspruch auf Teilhabe am Arbeitsleben muss uneingeschränkt bestehen bleiben. Stand: 12. September ) gehalten auf der Fachtagung für Werkstätten für behinderte Menschen, Tagesförderstätten und Integrationsprojekte am 3. Juni 2004, in Bonn Seite 5
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