Gottesdienst 14. August 2016 Richterswil Das grosse Sommerrätsel: Was ist Wahrheit? (Joh 18,37-38a)
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- Nicolas Goldschmidt
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1 Gottesdienst 14. August 2016 Richterswil Das grosse Sommerrätsel: Was ist Wahrheit? (Joh 18,37-38a) Liebe Sommergemeinde, Sommerzeit ist zumeist Mussezeit. Zeit, um wortwörtlich die Seele baumeln zu lassen. Erwiesenermassen sind es die Ferien, wo viele endlich mal wieder Zeit finden für die Pflege der eigenen Seele. Frei von allen Verpflichtungen und Beanspruchungen des normalen Alltags und seiner elektronischen Werkzeuge ist Zeit, sich mal in eine schöne alte Landkirche zu setzen, ohne auf die Uhr schauen zu müssen. Oder ein Konzert zu besuchen oder einen Vortrag. Auf den norddeutschen Inseln z.b. gibt es eigens Urlaubspfarrer, die für Gäste und Einheimische ein Programm zusammenstellen, das regen Zuspruch findet. Zeit für die Seele kann auch bedeuten, sich Zeit zu nehmen für wichtige Fragen. Z.B. mal wieder über Wahrheit nachzudenken. Und das nicht nur abstrakt philosophisch, sondern auch im Bezug auf das eigene Leben. Andere entspannen bei einem ausgedehnten Sommerrätsel, wie es z.b. anfangs Ferien unsere Zeitung reformiert. gebracht hat Beides Zeit für die Seele und ein Sommerrätsel kommen auch hier zusammen, wenn es um die Frage geht: Was ist Wahrheit? Zu gewinnen gibt s bei diesem Sommerrätsel aller- 1
2 dings nichts Materielles. Aber gewinnen können wir auf alle Fälle denn unsere Seele wird so hoffe ich ein Stück weit weiterkommen auf ihrem Weg zu ihrer Bestimmung. Bei der Frage Was ist Wahrheit? werden wir hier in unserer schönen Kirche zunächst einmal herausgefordert durch den Spruch an der Wand Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Ich bin die Wahrheit ist das nicht, mit Verlaub gefragt, etwas anmassend? Wer von uns würde das schon von sich behaupten, er oder sie sei die Wahrheit? Und ist damit nicht die Frage verfehlt? Sie heisst doch Was ist Wahrheit? und nicht Wer ist Wahrheit?. Vor dieser Herausforderung stand auch Pilatus, wie wir gehört haben. Als er Jesus beim Verhör nach seiner Sendung, nach seinem Auftrag fragt, bekommt er zur Antwort: Ich bin ein König, gekommen, um für die Wahrheit Zeugnis abzulegen. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme. Nahezu resigniert entgegnet ihm der römische Statthalter: Was ist schon Wahrheit? Heutzutage würde er sich wohl als Agnostiker bezeichnen, also als jemanden, der meint, dass man über das Absolute keine passende Aussage machen kann. Zudem war er wenigstens ein bisschen in antiker Philosophie bewandert: Wahrheit 2
3 ist dort ein sehr vielschichtiger Begriff. Eine Frage der Logik und doch logisch kaum oder gar nicht zu fassen. Nur reden die beiden damit aneinander vorbei. Jeder meint etwas anderes. Wo der Römer Pilatus an Philosophie denkt und sich gar nicht auf die Diskussion einlassen kann und will, schon gar nicht mit einem für ihn x-beliebigen Gefangenen aus einem beherrschtem Volk, meint sein Gegenüber etwas ganz anderes. Das aber, was der meint, ist auch für uns aktuell und heilsam! Denn es geht nicht um die Streiterei, wer nun in irgendwas recht hat oder die Wahrheit für sich gepachtet hat, womit gerne andere ausgeschlossen werden. Die jüngsten Vorgänge rund um den Brexit, in der Türkei oder der amerikanischen Wahlkampf-Show zeigen es anschaulich: Wahrheit ist sehr dehnbar und letzten Endes lässt man einfach nur die Fakten gelten, die ins eigene Verständnis von Wahrheit passen um es dann anderen anderen als die Wahrheit andzurehen. Der kritische, informierte und damit mündige Bürger bleibt damit auf der Strecke. Und eben die Wahrheit, die Fakten. Doch die sind als Zahlen meist geduldig Manchmal beschleicht einen die Befürchtung, dass Politik in Nah und Fern nur so funktioniert 3
4 Doch zurück zum Gespräch von damals und den beiden unterschiedlichen Auffassungen von Wahrheit, die da aneinander vorbei reden. Die eine von Pilatus haben wir gehört. Die von Jesus ist eine andere. Er stand ganz und gar in der Tradition der hebräischen Bibel. Die Spur hat uns unser Psalm (36,6-10) gelegt: Bis zu den Wolken reicht Deine Treue haben wir da aus unserer Zürcher Bibel gehört. Treue heisst hebr. emet das gleiche Wort für Wahrheit! In der Lutherbibel heisst es übrigens an der gleichen Stelle Bis zu den Wolken reicht deine Wahrheit. In unserem viel tausendmal gebrauchten Wort Amen steckt das drin: Wenn wir auf etwas Amen sagen, meint das: Ja, so ist es, es ist wahr, es ist verbürgt, der Sprecher ist treu zu dem Gesagten. Treue ist also der Schlüssel zur Wahrheit. Auf diesem Hintergrund ist auch zu verstehen, was Jesus unter Wahrheit verstand, warum er es auf sich bezog. Und wie auch wir in der Wahrheit sein können. Das grosse Sommerrätsel beginnt sich nun Stück für Stück zu lösen Wir müssen nicht einmal etwas von Hebräisch verstehen auch Englisch hilft uns weiter. Auch da meint das Wort truth beides Treue und Wahrheit. Wahrheit ist also Treue, am besten lässt sich beides zusammenbringen mit Wahrhaftigkeit. 4
5 Das ist die Übereinstimmung von Denken, Reden und Handeln. Die Wahrheit Gottes ist seine Treue: dass er das tut, was er verheissen hat: Seiner ganzen Schöpfung, Menschen und Tieren und jedem einzelnen von uns. Verheissen hat er, dass er aus Liebe mit uns zusammensein will. Darum hat er in der Schöpfung freie Gegenüber ins Leben gerufen, die diese Liebe aus freien Stücken erwidern können. Das wiederum ist genau die Wahrheit, als die sich Jesus verstanden hat, wenn er sagt Ich bin die Wahrheit : Diese Verheissung, dass Gott uns ganz nahe sein will, hat er in absoluter Übereinstimmung von Denken, Reden und Handeln zu den Menschen gebracht. Und besonders zu denen, die an sich und ihrem Wert zweifelten oder von anderen an den Rand gedrängt wurden und werden. Wahrheit ist also nicht nur eine hochphilosophische und schier unlösbare Frage. Wahrheit ist vor allem eine Frage der Beziehung. Zu einem zu sich selbst: Als ich vor ziemlich genau 12 Jahren hier anfing, gab mir jemand mit auf den Weg: Bleib dir treu! Es hat lange gedauert, bis ich verstanden habe, was das wirklich heisst, sich treu zu bleiben : Achtsam sein mit sich selbst und nur das tun, was auch wirklich zu mir passt, was mir wirklich entspricht. Und eigentlich kann erst dann auch die Be- 5
6 ziehung zur Umwelt, den Mitmenschen, den Nächsten wahrhaftig sein: Treu sich selbst gegenüber, treu dem eigenen Denken, Reden und Handeln. Dass das nicht immer gelingt, liegt auf der Hand aber ist das ein genügender Grund, es nicht trotzdem immer wieder wenigstens zu versuchen? In der Wahrheit sein hat Jesus das gegenüber Pilatus genannt. So können wir noch einen Schritt weitergehen, über uns selbst hinaus: In der Wahrheit können wir sein Mund und seine Hände sein. Um in Wort und Tat die Treue, die Wahrheit Gottes, die Jesus einzigartig gelebt hat, in die Welt zu bringen. Für die wir ja bitten Dein Reich komme. Die Lösung unseres Sommerrätsels Was ist Wahrheit? besteht also zusammengefasst aus zwei kleinen, oftmals gehörten und oft scherzhaft gebrauchten Sprüchen. Aber wenn wir die wirklich an uns heran lassen, haben die es in sich: 1. Bleib dir treu! und 2. Hab Gott vor Augen. Wie das gehen kann, erfahren wir im Gottesdienst am nächsten Sonntag. Dann wird der Anker als Symbol der Hoffnung das Thema weiterführen. Ich wünschen allen bis dahin oder darüber hinaus noch einen schönen, erholsamen und ab und zu auch mal besinnlichen Restsommer. Und was fehlt noch? Richtig: Amen! 6
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