Predigt in Gottesdienst am 4. Sonntag nach Ostern 24. April reformierte Kirche Birmensdorf Das Evangelium der 153 Fische

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1 Predigt in Gottesdienst am 4. Sonntag nach Ostern 24. April reformierte Kirche Birmensdorf Das Evangelium der 153 Fische Lesung - Gen 1,31: Die Erschaffung der Welt Und Gott sah alles an, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. Evangelium - Joh 21,1-14: Erscheinung am See von Tiberias Danach zeigte sich Jesus den Jüngern noch einmal, am See von Tiberias. Und er zeigte sich so: Simon Petrus und Thomas, der Didymus genannt wird, und Natanael aus Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und zwei andere von seinen Jüngern waren beisammen. Simon Petrus sagt zu ihnen: Ich gehe fischen. Sie sagen zu ihm: Wir kommen auch mit dir. Sie gingen hinaus und stiegen ins Boot und fingen nichts in jener Nacht. Als es aber schon gegen Morgen ging, trat Jesus ans Ufer; die Jünger wussten aber nicht, dass es Jesus war. Da sagt Jesus zu ihnen: Kinder, ihr habt wohl keinen Fisch zum Essen? Sie antworteten ihm: Nein. Er aber sagt zu ihnen: Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus, und ihr werdet einen guten Fang machen. Da warfen sie es aus, und vor lauter Fischen vermochten sie es nicht mehr einzuziehen. Da sagt jener Jünger, den Jesus liebte, zu Petrus: Es ist der Herr. Als nun Simon Petrus hörte, dass es der Herr sei, legte er sich das Obergewand um, denn er war nackt, und warf sich ins Wasser. Die anderen Jünger aber kamen mit dem Boot - sie waren nämlich nicht weit vom Ufer entfernt, nur etwa zweihundert Ellen - und zogen das Netz mit den Fischen hinter sich her. Als sie nun an Land kamen, sahen sie ein Kohlenfeuer am Boden und Fisch darauf liegen und Brot. Jesus sagt zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr gerade gefangen habt. Da stieg Simon Petrus aus dem Wasser und zog das Netz an Land, voll von grossen Fischen, hundertdreiundfünfzig. Und obwohl es so viele waren, riss das Netz nicht. Jesus sagt zu ihnen: Kommt und esst! Keiner von den Jüngern aber wagte ihn auszuforschen: Wer bist du? Sie wussten ja, dass es der Herr war. Jesus kommt und nimmt das Brot und gibt es ihnen, und ebenso den Fisch. Das war schon das dritte Mal, dass Jesus sich den Jüngern zeigte, seit er von den Toten auferweckt worden war 1

2 Predigt Liebe Gemeinde, im heutigen Evangelium hören wir von einem Fischfang nach der Auferstehung. Die Jünger Jesu fahren auf den See Tiberias, um zu fischen. Ohne Erfolg. Kein einziger Fisch geht ihnen ins Netz. Da begegnet ihnen ein Mann. Er weist sie an, das Netz auf der rechten Seite des Bootes auszuwerfen. Die Jünger befolgen seinen Rat und siehe da: Sie machen einen Fang von 153 grossen Fischen! In dem Moment wird den Jüngern bewusst, dass der Mann am Ufer des Sees niemand anders als der auferstandene Christus selbst ist. Darauf lädt Jesus sie alle zu einem Mahl ein. 153 grosse Fische - eine stattliche Anzahl! Warum aber gerade diese Zahl 153? Hat Petrus richtig gezählt? Waren es vielleicht nicht doch etwas mehr oder gar etwas weniger? Spielt das überhaupt eine Rolle? Es fällt jedenfalls auf, dass hier eine ganz bestimmte Zahl genannt wird, eben 153. Für biblische Geschichten ist das an sich nichts Aussergewöhnliches. Immer wieder tauchen darin ganz konkrete Zahlenangaben auf. Das Problem ist nur: Wir verstehen meistens nicht, was diese Zahlen bedeuten. Oft widersprechen sie auch unserer Erfahrung. Wenn zum Beispiel erzählt wird, dass Methusalem, der älteste Mensch der Bibel, 969 Jahre alt wurde, dann ist das nach unserem Ermessen absolut unmöglich. Kein Mensch kann je so alt werden. 153 Fische in einem einzigen Fang - das scheint zwar durchaus realistisch zu sein. Dennoch: Warum gerade 153? Genügt anstelle dessen nicht einfach die Angabe, dass der Fischfang eben sehr gross war? Ich bin überzeugt, dass diese Zahl 153 kein Zufall ist. Biblische Zahlen sind zwar keine Grössen, die tatsächliche irdische Verhältnisse ausdrücken. Biblische Zahlen sind vielmehr Symbole, die eine tiefere Bedeutung in sich tragen. Wenn also nach der Auferstehung von dieser Zahl 153 die Rede ist, muss sie einen tieferen, einen symbolischen Sinn haben. 2

3 Diesen Sinn eröffnet uns der jüdische Schriftsteller Friedrich Weinreb in seinem Buch "Innenwelt des Wortes im Neuen Testament". 1 Mit Hilfe seiner fundierten Kenntnisse der hebräischen Sprache und der jüdischen Überlieferung gelingt Weinreb eine äusserst aufschlussreiche und spannende Interpretation des Neuen Testaments und damit eben auch der neutestamentlichen Zahlen. Die 153 Fische können also nach Weinreb, von der hebräischen Sprache her, der Sprache der Bibel, besser verstanden werden. Hierzu muss man aber erst eine besondere Eigenschaft der hebräischen Sprache kennen: Jeder hebräische Buchstabe ist nämlich gleichzeitig ein Zahlzeichen. Anstelle der Buchstaben kann man also auch die entsprechenden Zahlenwerte der Buchstaben eines Wortes aufschreiben. Buchstabe und Zahl sind im Hebräischen noch identisch. Sie sind noch nicht voneinander getrennt wie in unseren Sprachen. Dass ursprünglich aber beides zusammengehörte, zeigt sich zumindest ansatzweise auch heute noch. Zum Beispiel in der deutschen Sprache. Sie kennen alle das Wort "erzählen" und wissen, was damit gemeint ist. Man übersieht jedoch leicht, dass im Wort "erzählen" eben das Wort "zählen" vorkommt. Das bedeutet: Zahl, Buchstabe, Wort und Erzählung hängen ursprünglich miteinander zusammen. In der hebräischen Sprache gibt es nun ein Wort, welches uns die Bedeutung dieser 153 Fische erschliessen kann. Es ist das Wort "gut" - auf Hebräisch "tow". "tow" schreibt sich mit den hebräischen Buchstaben teth-waw-beth. Anstelle der Buchstaben kann man nun die entsprechenden Zahlenwerte der Buchstaben aufschreiben. Für "tow" ("gut") ergibt sich dann Addiert man diese Zahlen, so erhält man 17. Das Wort "gut" zählt oder erzählt also Was bedeutet das? Das Wort "tow" - "gut" oder die Zahl 17, die auf dieses Wort verweist, kommt in der Bibel mehrere Male vor. Es fällt auf, dass dies immer am Ende einer bestimmten Phase der Fall ist. So zum Beispiel am Ende eines Schöpfungstages, wenn Gott spricht: Es war "gut". Oder wenn die Sintflut der Welt ein Ende 1 Weinreb Friedrich: Innenwelt des Wortes im Neuen Testament, 1988 Weiler im Allgäu, 243ff. 3

4 setzt, geschieht dies im 17. Jh. biblischer Zeitrechnung (Bem.: nicht identisch mit unserer Zeitrechnung!). Wenn Josef von seinen Brüdern verkauft wird, ist er in seinem 17. Lebensjahr. Der babylonische König Nebukadnezar erobert Jerusalem am 17. Tag des 4. Monats. Mose flieht vor dem Pharao in seinem 17. Jahr usw. Mit der 17 beginnt also immer eine neue Phase. Man fragt sich im Hinblick auf die genannten Beispiele aber zu recht: Was hat das jetzt mit "gut" zu tun? Bei den Beispielen zeigt sich ja gerade auch das Ungute, das Böse, nämlich die Vertreibung aus dem Paradies, die Sintflut, der Verkauf von Josef, die Flucht des Moses usw. Das ist wahr. Der Weg ist ja auch noch nicht vollendet. Etwas ist vorbei, und es kommt eine neue Phase. Gleichwohl nährt die Zahl 17, der Begriff "gut", an der Phase des Übergangs die Hoffnung, dass im Verborgenen der Keim des vollkommen Guten schon da ist und wächst. Es zeigt sich zwar noch nicht, aber es ist im Verborgenen bereits anwesend. In unserem Leben hat Gott den Keim des Guten bereits angelegt. Gott lässt das Gute wachsen. Auch wenn wir es nicht bemerken. Der eigentliche Zustand "gut" - "tow" im Sinne der Vollkommenheit ist nach der jüdischen Überlieferung aber erst dann erreicht, wenn das Leben aus der Zeit herausgefischt wird. Darum erscheinen im Neuen Testament auch die Fischer. Nicht nur weil das damals ein verbreiteter Beruf war, sondern weil das eine tiefere Bedeutung hat: Die Fischer holen das Leben aus der Zeit, symbolisiert durch das Wasser, heraus in die Ewigkeit. Jesus sagt: Ich werde euch zu Menschenfischern machen. Das bedeutet: Ihr werdet die Menschen zu Gott, zu ihrer ewigen Bestimmung bringen. Der Zustand "gut" - "tow" oder in der Zahl ausgedrückt "17" ist also erst dann vollendet, wenn die Ewigkeit aufleuchtet, wenn die Zeit also nicht mehr alles fortreisst und uns voneinander trennt, sondern wenn alles beisammen ist. Alles, was vorher war, muss mitberücksichtig werden, muss mit dabei sein. Nichts darf fehlen. Sonst ist es nicht "gut". 4

5 Etwas mathematischer ausgedrückt: Wenn das ganze Leben gegenwärtig sein soll, dann muss man alle Phasen der 17 zusammenzählen, also Zählt man diese Phasen von 1-17 alle zusammen, so ergibt sich, wie man leicht nachprüfen kann, genau Fische! Was also sagen uns diese 153 Fische? Sie erzählen uns, dass in der Wirklichkeit des Auferstandenen Christus, im ewigen Leben, alles wieder da ist. Jeder Lebensmoment, alle Phasen der Zeit, jeder Mensch und die ganze Schöpfung Gottes wird in Ewigkeit wieder neu da sein. Dann wird es vollkommen gut sein. Liebe Gemeinde, ich staune, wieviel Hoffnung uns 153 Fische machen können. Diese 153 Fische haben tatsächlich ein Evangelium, eine gute Nachricht für uns. Sie verkünden: Gott lässt nichts verloren gehen. Auferstehung bedeutet: alles kehrt zurück. Alles ist wieder da. Gott wird alles, jeden Moment und jede Phase, aus dem Wasser der Zeit herausfischen in ein neues Dasein in Ewigkeit. Das ganze Leben, alles, was du liebst, wird im Licht der Auferstehung wieder da sein und du wirst es nie mehr verlieren. Auch das, wird da sein, was nicht gut war im Leben und in der Welt, was du nicht verstanden hast. Im Licht der Auferstehung wird es dann geheilt und ganz sein. Das Böse und der Tod werden besiegt sein und keine Macht mehr haben. Dann wird es ein grosses Fest, ein Mahl im Zeichen der Freude, geben. Und die Freude die dann herrscht, geht nicht mehr verloren. Zusammen mit Gott werden wir dann wirklich sagen können: Und siehe, es war sehr gut! Amen. Aesch, 29. März 2016 Marc Stillhard 5