Predigt. der Predigttext für den heutigen Sonntag steht im Brief des Paulus an die Gemeinde in Philippi. Ich lese aus dem 4. Kapitel die Verse 4-7.

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1 Predigt Liebe Gemeinde, der Predigttext für den heutigen Sonntag steht im Brief des Paulus an die Gemeinde in Philippi. Ich lese aus dem 4. Kapitel die Verse 4-7. Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! Eure Güte lasst kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe! Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden! Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Ein alter Theologieprofessor erzählte in seinen Vorlesungen oft von seiner Prüfung im Fach Bibelkunde. Ausgerechnet nach dem Philipperbrief wurde er gefragt, nach genau jenem Brief, den er nicht genauer angeschaut hatte. Glücklicherweise fiel ihm auf die Frage des Prüfers Was steht denn im Philipperbrief? 1

2 doch noch eine eben erst im Advent gehört Predigt ein. Freuet euch in dem Herrn allewege!, antwortete er also dem Prüfer. Der schaute wohl etwas verwundert, vermutlich hatte er mit einer Gliederung gerechnet und einer Inhaltsangabe der einzelnen Kapitel. Er hakte also noch einmal nach: Und was steht sonst noch da?. Der Prüfling antwortete mit dem Mut der Verzweiflung: Und abermals sage ich: Freuet euch!. Der Professor erzählte später, der Prüfer habe gelacht und es dabei bewenden lassen. Die Prüfung sei zu einem erfreulichen Ende gekommen, er aber habe nie wieder vergessen, was im Philipperbrief steht: Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! Und tatsächlich auch wenn die Antwort auf die Prüfungsfrage aus der Not geboren war eigentlich hat der Prüfling das Thema des Philipperbriefes ganz gut wiedergegeben. Die Freude spielt wirklich eine große Rolle. Und das obwohl Paulus diese Verse vermutlich im Gefängnis schrieb, rein äußerlich also wenig 2

3 Grund zur Freude hatte. Aber die Gemeinde in Philippi war eine Gemeinde, an der sich Paulus tatsächlich freute. Sie wuchs zu einer starken Gemeinschaft heran, blieb bei der Lehre, die Paulus ihr verkündet hatte und rieb sich nicht in Streitereien auf. Das ist sicher der eine Grund, warum Paulus hier richtig überschwänglich klingt. Der andere Grund ist die Ursache seiner Freude: Der Herr ist nahe! Mir stellen sich bei diesem Text spontan zwei Fragen: Freuet euch! schreibt Paulus und ich frage mich: Kann man Freude einfach so anordnen?. Wenn ich dieses Freuet euch! lese oder höre, führt das dann dazu, dass ich mich freue? Und was heißt das Der Herr ist nahe!? Paulus schreibt ja hier vermutlich davon, dass Christus bald wieder kommen wird. Mit dieser Vorstellung ist auch die Vorstellung vom Ende der Welt und vom Weltgericht verbunden. Kann 3

4 ich wirklich von mir behaupten, ich würde mich darauf freuen? Diese beiden Fragen gehen mir lange durch den Kopf. Wie ist es mit der befohlenen Freude und freue ich mich tatsächlich, darüber dass der Herr nahe ist? Es passiert, was mir schon oft passiert ist: Meine Gedankengänge werden immer ausgefeilter und immer komplizierter aber Antworten auf die beiden Fragen scheinen in immer weitere Ferne zu rücken. Bis ich, quasi im Nebensatz, mal wieder von einer meiner Schülerinnen aufgeklärt werde. Grundschule, Klasse 2, Einheit Advent und Weihnachten. Wir beschäftigen uns mit dem Schmuck an Weihnachtsbaum und Adventskranz und mit seiner Bedeutung. Eben habe ich erklärt, dass im Advent deshalb Kerzen und Lichterketten leuchten, weil Jesus von sich gesagt hat Ich bin das Licht der Welt. Einer meiner aufgewecktesten Schüler meldet sich: Wenn Jesus sagt, er sei das Licht der Welt, dann dürften wir aber eigentlich nur ein Licht 4

5 aufstellen. Es gibt ja nur einen Jesus und nicht viele Jesuse. Noch bevor ich antworten kann, ruft eine Schülerin ganz entrüstet: Aber ein Weihnachtsbaum braucht ganz viele Kerzen und Kugeln und kleine Schaukelpferde und alles, weil wir uns doch so arg freuen, weil endlich Weihnachten ist. Dieser Satz fällt mir wieder ein, als ich das nächste Mal über dem Predigttext sitze. Weil wir uns doch so arg freuen, weil endlich Weihnachten ist. Es gibt sicher einige Stellen in den Paulusbriefen, für die ein Theologiestudium nicht schadet. Aber bei dieser Stelle im Philipperbrief werde ich jetzt wahrscheinlich immer an dieses Mädchen denken. An ihr strahlendes Gesicht und daran, dass ein Weihnachtsbaum dringend ganz viel Schmuck braucht, weil wir uns doch so arg freuen, weil endlich Weihnachten ist. Wenn ich die Stelle so lese, dann bekommt auch das Der Herr ist nahe! einen ganz anderen Akzent. Dann denke ich nicht mehr zuerst an das Ende der Welt. Dann denke ich vielmehr an einen Anfang. An 5

6 die Geburt eines Kindes. An Engel und an Hirten. Und an ganz viele Menschen, die tatsächlich durch dieses Kind ihres Lebens wieder froh wurden und es bis heute immer noch werden. Freut euch der Herr ist nahe!. Jedes Jahr wieder Advent und Weihnachten zu feiern, sich wieder auf die Geburt Jesu vorzubereiten und sich an ihr zu freuen, das kann einem auch komisch vorkommen. Schließlich ist die Geburt Jesu ja schon mehr als 2000 Jahre her. Wir wissen, dass Jesus geboren und gestorben ist, damals zur Zeit der römischen Besatzung in Israel. Und trotzdem ist die Advents- und Weihnachtszeit keine bloße Erinnerungszeit. Wir denken nicht nur an ein einmal geschehenes Ereignis, so wie wir an die Geburts- und Todestage bedeutender Persönlichkeiten denken oder so, wie wir ein Jubiläum begehen. Wir bereiten uns ja tatsächlich jedes Jahr neu auf die Geburt des Jesuskindes vor. Wir schmücken unsere Wohnungen, wir zünden Kerzen an und wir versuchen, anderen mit Geschenken eine 6

7 Freude zu machen. Vielleicht sind die Verse aus dem Philipperbrief sogar eine ganz gute Anleitung, um nicht in endlosen Weihnachtsstress zu verfallen. Schließlich erinnern sie uns an den Grund für die ganzen adventlichen und vorweihnachtlichen Aktivitäten: Freut euch der Herr ist nahe!. Der Herr ist nahe! das ist uns jedes Jahr wieder gesagt. Und es bedeutet für mich: Gott kommt zu mir, er ist schon auf dem Weg zu mir, ja, er ist sogar schon nahe! Wie gut, dass Gott nicht nur einmal kommt. Dass er sich immer wieder auf den Weg zu mir macht. Natürlich nicht nur in der Vorweihnachtszeit, aber vielleicht kann ich es da tatsächlich besonders gut spüren. Und der Predigttext geht ja noch weiter: Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden! 7

8 und dann kommt der Vers, der oft zum Abschluss der Predigt als sogenannter Kanzelsegen verwendet wird: Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Sorgt euch um nichts das ist wieder so eine schwierige Aufforderung. Wie beim Freut euch gilt ja auch für das Sorgt euch um nichts : Kann man mir das so einfach befehlen? Ich kann mich nicht auf Kommando freuen und genauso wenig kann ich einfach so meine Sorgen vergessen. Sich sorgen ist ja auch etwas Wichtiges. Wenn ich mich um andere sorge, dann heißt das ja auch, ich nehme Anteil am Leben und an den Schwierigkeiten anderer. Und auch die Selbstsorge ist wichtig, sie schützt davor, mich selbst zu vergessen und meine Bedürfnisse dauerhaft zu ignorieren. Aber bei allem, was am Sorgen gut und richtig ist, wissen wir doch auch: Sorgen können auch übermächtig werden. Sie können mich gefangen 8

9 nehmen und mein Leben bestimmen. Diese Art von Sorge tut weder mir noch meinen Mitmenschen gut, sie kreist vielmehr nur noch um ein Problem und lässt keinen Ausweg mehr erkennen. Und Paulus sagt ja auch nicht Sorgt euch nicht, sondern vergnügt euch den ganzen Tag. Paulus schreibt: Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden! Geteilte Sorgen sind halbe Sorgen heißt es. Paulus würde wohl noch weiter gehen und sagen: Mit Gott geteilte Sorgen verschwinden nicht, aber sie werden nicht nur halbiert, sie werden tragbar. Und wenn die Sorgen tragbar geworden sind, ist auch wieder Platz für Freude. Und schließlich: Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Wenn ich mir die Nachrichten von Terror, Gewalt und Krieg überall auf der Welt anschauen, dann wünsche ich ihn mir, diesen 9

10 Frieden Gottes. Und dann weiß ich auch, dass er tatsächlich höher sein muss als alle Vernunft. Denn irgendwie scheinen wir Menschen es mit unserer Vernunft ja nicht so richtig hinzubekommen, die Sache mit dem Frieden. Vieles um uns herum ist wirklich zum Verzweifeln. Und doch glauben wir Christen, dass es nicht immer so bleiben wird. Gerade im Zusammenhang mit dem Kind in der Krippe wird immer wieder vom Frieden gesprochen. Als Friedensfürst wird es bezeichnet und die Engel verkünden den Hirten Frieden auf Erden. Auf diesen Frieden zu warten, die Hoffnung auf ihn aufrechtzuhalten und dort, wo wir können, an diesem Frieden mitzuarbeiten das ist unsere Aufgabe als Christinnen und Christen in dieser Welt. Und vielleicht gehört es in der Adventszeit auch zu unseren Aufgaben, etwas von der Freude zu verbreiten. Freude darüber, dass nicht alles so bleiben wird, wie es ist. Freude darüber, dass unser Herr nahe ist. Und dass endlich wirklich Weihnachten wird. 10

11 Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen 11