Faires Spiel Bedingte Wahrscheinlichkeit Schwierigkeiten mit bedingten Wahrscheinlichkeiten
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- Chantal Kohl
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1 Faires Spiel Bedingte Wahrscheinlichkeit Schwierigkeiten mit bedingten Wahrscheinlichkeiten Anwenden des Konzepts Beispiele Aufgabe Ein Ernährunswissenschaftler geht davon aus, dass in einer bestimmten Altersgruppe 13% der Männer und 23% der Frauen Übergewicht haben (Ereignis Ü). Die Frauen machen 57% dieser Altersgruppe aus. 1. Stellen Sie eine Vierfeldertafel zum Sachverhalt auf. 2. Berechnen Sie P(Ü). 3. Wie groß ist der Anteil der Frauen an den übergewichtigen Personen dieser Altersgruppe? Lösung: Ü Ü F 0, 57 0, 23 0, 13 0, 44 0, 57 M 0, 06 0, 37 0, 43 0, 19 0, / 66
2 Faires Spiel Bedingte Wahrscheinlichkeit Schwierigkeiten mit bedingten Wahrscheinlichkeiten Anwenden des Konzepts Beispiele Lösung: Ü Ü F 0, 57 0, 23 0, 13 0, 44 0, 57 M 0, 06 0, 37 0, 43 0, 19 0, P(Ü) = 0, P(F Ü) = P(F Ü) = 0,13 P(Ü) 0,19 = 0, / 66
3 Faires Spiel Bedingte Wahrscheinlichkeit Schwierigkeiten mit bedingten Wahrscheinlichkeiten Verwechslung von Bedingung und Bedingtem Quelle: Elemente der Mathematik 9, Gymnasium, Schroedel, 2004 Aufgabe Welche Schlagzeile passt? Antwort: (2) 34 / 66
4 Faires Spiel Bedingte Wahrscheinlichkeit Schwierigkeiten mit bedingten Wahrscheinlichkeiten Verwechslung von Bedingung und Bedingtem ADAC-Motorwelt: Der Tod fährt mit! Vier von zehn tödlich verunglückten Autofahrern trugen keinen Sicherheitsgurt! 1. Völlig irrelevante Information P(kein Gurt Tod) 2. Interessant wären P(Tod Gurt) und P(Tod kein Gurt) 3. Aus 1. kann man im Allgemeinen nichts über 2. folgern. Es gilt nicht etwa: P(A B) = 1 P(B A). Quelle: W. Krämer: Denkste! Trugschlüsse aus der Welt der Zahlen und des Zufalls. München: Pieper Verlag GmbH, / 66
5 Faires Spiel Bedingte Wahrscheinlichkeit Schwierigkeiten mit bedingten Wahrscheinlichkeiten Verwechslung von Bedingung und Bedingtem Quelle: Tagesspiegel vom / 66
6 Faires Spiel Bedingte Wahrscheinlichkeit Schwierigkeiten mit bedingten Wahrscheinlichkeiten Verwechslung von Bedingung und Bedingtem Verhältnis Deutscher Schäferhund zu Rottweiler etwa wie 8 zu 1 (2005, Rassehunde) 37 / 66
7 Faires Spiel Bedingte Wahrscheinlichkeit Schwierigkeiten mit bedingten Wahrscheinlichkeiten Indizien 38 / 66
8 Faires Spiel Bedingte Wahrscheinlichkeit Schwierigkeiten mit bedingten Wahrscheinlichkeiten Indizien S. 21: P(DNA V ) = und P(V DNA) =??? 39 / 66
9 Faires Spiel Bedingte Wahrscheinlichkeit Schwierigkeiten mit bedingten Wahrscheinlichkeiten Indizien Analogie: Etwa 2% der Bevölkerung Deutschlands hat Blutgruppe B-. Am Opfer, selbst A+, wurde Blutgruppe B- gefunden. Ich bin verdächtig und habe Blutgruppe B-, also bin ich mit 98% Wahrscheinlichkeit die Täterin. 40 / 66
10 Faires Spiel Bedingte Wahrscheinlichkeit Schwierigkeiten mit bedingten Wahrscheinlichkeiten Indizien Rechenregel der Autoren P(V DNA) = 1 P(DNA V ) ist offensichtlich falsch. Es kommt auf die Anzahl der potentiellen Väter an. Sehr schön in: 41 / 66
11 Faires Spiel Bedingte Wahrscheinlichkeit Schwierigkeiten mit bedingten Wahrscheinlichkeiten Indizien Paul ist unsicher Annahme 1: n gleichwahrscheinliche mögliche Väter Ereignis V Paul ist der Vater a priori: P(V ) = 1 n Annahme 2: P(DNA V ) = Pauls DNA passt : Ereignis DNA ist eingetreten. a posteriori: P(V DNA) =? Ohne Formel: Unter den n Männern gibt es etwa 1 + (n 1) 10 4 Männer mit passender DNA. Jeder könnte genausogut der Vater sein. Also beträgt die a posteriori-wahrscheinlichkeit für Paul P(V DNA) = (n 1) / 66
12 Faires Spiel Bedingte Wahrscheinlichkeit Schwierigkeiten mit bedingten Wahrscheinlichkeiten Indizien Mit Formel: P(V DNA) = = = = P(DNA V ) P(V ) P(DNA V ) P(V ) + P(DNA V ) P(V ) 1 1 n 1 1 n n 1 n (n 1) n = 2 0, 5 n = n 43 / 66
13 Faires Spiel Bedingte Wahrscheinlichkeit Schwierigkeiten mit bedingten Wahrscheinlichkeiten Indizien Mit Baumdiagramm, n = 2: P(V DNA) = , / 66
14 Faires Spiel Bedingte Wahrscheinlichkeit Schwierigkeiten mit bedingten Wahrscheinlichkeiten Indizien Justizirrtum Im Herbst 1973 fand vor dem Wuppertaler Schwurgericht ein Indizienprozess statt, in dem ein Unschuldiger nach zweijähriger Untersuchungshaft aufgrund von Wahrscheinlichkeitsberechnungen beinahe als Mörder verurteilt worden wäre. Stark vereinfacht: Die Wahrscheinlichkeit für die Untersuchungsbefunde ergab sich unter der Hypothese, dass der Angeklagte nicht der Mörder ist, zu 0,027. Also so schloß der Experte ist der Angeklagte mit 97,3 % Wahrscheinlichkeit der Mörder. Quelle: H. Schrage: Schwierigkeiten mit stochastischer Modellbildung zwei Beispiele aus der Praxis. In: Journal für Mathematikdidaktik, 1,1980, S / 66
15 Unabhängigkeit von Ereignissen Bedeutung der Unabhängigkeit Unabhängigkeit von zwei Ereignissen Unabhängigkeit von 3 Ereignissen 46 / 66
16 Bedeutung der Unabhängigkeit Kolmogorow: The concept of mutual independence of two or more experiments holds, in a certain sense, a central position in the theory of probability.... Historically, the independence of experiments and random variables represents the very mathematical concept that has given the theory of probability its peculiar stamp. Quelle: A. N. Kolmogorov: Foundations of the Theory of Probability. New York: Chelsea Publishing Company, / 66
17 Unabhängigkeit von zwei Ereignissen Was soll erfasst werden? Ereignisse A und B haben folgende Eigenschaft: Information über das Eintreten von A beeinflusst unsere Bewertung der Chancen für das Eintreten von B nicht. Prototypen: Ziehen mit und ohne Zurücklegen 48 / 66
18 Unabhängigkeit von zwei Ereignissen R 1 rote Kugel im 1. Zug, R 2 rote Kugel im 2. Zug ohne Zurücklegen mit Zurücklegen P(R 2 ) = 3 10 P(R 2 ) = 3 10 P(R 2 R 1 ) = 2 9 < 3 10 P(R 2 R 1 ) = / 66
19 Unabhängigkeit von zwei Ereignissen Ziehen ohne Zurücklegen: P(R 1 R 2 ) = P(R 1 R 2 ) P(R 2 ) = = 2 9 Die Information darüber, dass die zweite Kugel rot ist, verändert die Chancen für eine rote Kugel im ersten Zug. Es ist wahrscheinlicher, dass die erste Kugel weiß war. Real ist R 1 unbeeinflusst von R 2, aber stochastisch, im Sinne der Chancen, schon. Provisorische Festlegung: Das Ereignis A ist stochastisch unabhängig vom Ereignis B mit P(B) > 0, falls P(A B) = P(A) gilt. 50 / 66
20 Unabhängigkeit von zwei Ereignissen Folgerungen aus der provisorischen Festlegung für P(A) und P(B) positiv: A unabhängig von B P(A B) = P(A) P(A B) P(B) = P(A) P(A B) = P(A) P(B) P(A B) P(A) = P(B) P(B A) = P(B) A unabhängig von B genau dann, wenn B unabhängig von A, stochastische Unabhängigkeit ist symmetrisch in A und B endgültige Definition 51 / 66
21 Unabhängigkeit von zwei Ereignissen Definition Zwei Ereignisse A und B heißen (stochastisch) unabhängig, falls die Produktformel gilt. Symmetrie P(A B) = P(A) P(B) ohne Voraussetzung P(A) > 0 bzw. P(B) > 0. Aspekte von Unabhängigkeit Unabhängigkeit als Modellannahme Unabhängigkeit in einem Modell nachweisen 52 / 66
22 Unabhängigkeit von zwei Ereignissen Unabhängigkeit und Unvereinbarkeit i. A. krasse Abhängigkeit: Eintreten von A macht Eintreten von B unmöglich und umgekehrt. Nagelprobe für inhaltliches Verständnis 53 / 66
23 Unabhängigkeit von zwei Ereignissen Ausnahme: P(A B) = P(A) P(B) 0 = P(A) P(B) P(A) = 0 oder P(B) = 0 Ereignisse mit Wahrscheinlichkeit 0 sind von allen Ereignissen unabhängig. Ereignisse mit Wahrscheinlichkeit 1 auch. Sei nämlich P(A) = 1 P(A) P(B) = P(B) = P(B A) + P(B A) = P(B A) Entspricht das dem inhaltlichen Verständnis? 54 / 66
24 Unabhängigkeit von zwei Ereignissen Unabhängigkeit in Vierfeldertafel A A B P(A) P(B) P(B) B P(B) P(A) P(A) 1 P(B) P(A) P(B) = P(B) [1 P(A)] = P(B) P(A) 55 / 66
25 Unabhängigkeit von zwei Ereignissen Unabhängigkeit in Vierfeldertafel A A B P(A) P(B) P(A) P(B) P(B) B P(A) P(B) P(A) P(B) P(B) P(A) P(A) 1 Aus der Unabhängigkeit für ein Pärchen folgt die Unabhängigkeit für alle anderen. 56 / 66
26 Unabhängigkeit von zwei Ereignissen Beispiele und Gegenbeispiele 1. Zweimaliges Würfeln mit einem fairen Würfel A erster Wurf 6, B zweiter Wurf 3 Unabhängigkeit als Modellierungselement: Argumentation: Das Eintreten von A beeinflusst die Chancen für das Eintreten von B nicht (Gedächtnislosigkeit). P(A B) = Unabhängigkeit in einem Modell nachprüfen: Ω = {(w 1, w 2 ) : w 1, w 2 {1, 2,..., 6}} Annahme: gleichwahrscheinlich, Ω = 36 A = B = 6, A B = 1 P(A B) = P(A) P(B) A und B unabhängig 57 / 66
27 Unabhängigkeit von zwei Ereignissen 2. Zweimaliges Würfeln mit einem fairen Würfel A Augensumme gerade, B zweite Augenzahl gerade Was sagt die Intuition? Ω = {(w 1, w 2 ) : w 1, w 2 {1, 2,..., 6}} Annahme: gleichwahrscheinlich, Ω = 36 P(A) = 18 36, P(B) = 1 2 A B = {(2, 2), (2, 4), (2, 6), (4, 2), (4, 4), (4, 6), (6, 2), (6, 4), (6, 6)} P(A B) = 9 36 = 1 4 = P(A) P(B) A und B stochastisch unabhängig, obwohl reale gegenseitige Beeinflussung von A und B. 58 / 66
28 Unabhängigkeit von zwei Ereignissen Mathematik Zentralabitur 2012, Berlin-BB, Grundkurs Vom höheren mathematischen Standpunkt ist die Erwähnung der Unabhängigkeit erforderlich, da dieses Thema jedoch im GK nicht vorkommt, hätte ein entsprechender Hinweis die SuS verwirrt / 66
29 Unabhängigkeit von 3 Ereignissen Was soll erfasst werden? Information über das Eintreten von A beeinflusst unsere Bewertung der Chancen für das Eintreten von B bzw. C nicht. Analog B und C. Kurz paarweise Unabhängigkeit: P(A B) = P(A) P(B) P(A C) = P(A) P(C) P(B C) = P(B) P(C) Aber auch: Information über das Eintreten von A B beeinflusst unsere Bewertung der Chancen für das Eintreten von C nicht: P((A B) C) = P(A B) P(C) P(A B C) = P(A) P(B) P(C) 60 / 66
30 Unabhängigkeit von 3 Ereignissen Definition Drei Ereignisse A, B und C heißen (vollständig stochastisch) unabhängig, falls die folgenden Produktformeln gelten P(A B) = P(A) P(B) (1) P(A C) = P(A) P(C) (2) P(B C) = P(B) P(C) (3) P(A B C) = P(A) P(B) P(C) (4) Weder die Gleichungen (1) bis (3) zusammen, noch die Gleichung (4) alleine reichen aus für vollständige Unabhängigkeit. Naheliegende Verallgemeinerung auf n Ereignisse. Wenn die Ereignisse A 1, A 2,..., A n, (vollständig stochastisch) unabhängig sind, dann gilt die Produktformel: P(A 1 A 2... A n ) = P(A 1 ) P(A 2 )... P(A n ) 61 / 66
31 Unabhängigkeit von 3 Ereignissen Satz Wenn die Ereignisse A 1, A 2,..., A n (vollständig stochastisch) unabhängig sind, dann sind es auch die Ereignisse A 1, A 2,..., A n und es gilt folglich die Produktformel P(A 1 A 2 A n ) = P(A 1 ) P(A 2 )... P(A n ). Beweis für n = 2 siehe Vierfeldertafel. Analog zur Vierfeldertafel gilt sogar: Satz Wenn die Ereignisse A 1, A 2,..., A n (vollständig stochastisch) unabhängig sind, dann sind es auch die Ereignisse B 1, B 2,..., B n, wobei für alle k = 1, 2,..., n gilt B k = A k oder B k = A k. 62 / 66
32 Unabhängigkeit von 3 Ereignissen Beispiel Die Wahrscheinlichkeit für einen Dreier im Lotto 6 aus 49 beträgt rund 0,018. Sie spielen jede Woche einen Tip. Mit welcher Wahrscheinlichkeit gewinnen Sie in 52 Wochen mindestens einen Dreier? Welche Unabhängigkeitsannahme steckt in der Rechnung? Sei D k Dreier in der k-ten Woche. Gesucht ist P(D 1 D 2... D 52 ). Das Gegenereignis ist D 1 D 2... D 52. Es folgt P(D 1 D 2... D 52 ) = 1 P(D 1 D 2... D 52 ) (1) = 1 P(D 1 ) P(D 2 )... P(D 52 ) (2) = 1 (1 0, 018) 52 (3) 0, / 66
33 Unabhängigkeit von 3 Ereignissen Aufgabe Sie müssen einen Multiple-Choice-Test absolvieren. Ihnen werden 15 Fragen mit je drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt, von denen jeweils genau eine Antwortmöglichkeit richtig ist. Angenommen, Sie kennen sich bei den ersten 5 Fragen gut aus und kreuzen mit Wahrscheinlichkeit 0,8 die richtige Antwort an. Bei den nächsten 5 Fragen geben Sie sich jeweils nur 60% Chancen für die richtige Antwort. Bei den letzten Fragen werden Sie nur raten, das bedeutet eine Wahrscheinlichkeit von 1 3 für den richtigen Tipp. Nehmen Sie weiter an, daß die Fragen für Sie voneinander unabhängig sind. Was bedeutet das? Mit welcher Wahrscheinlichkeit werden Sie aile Fragen richtig beantworten? Lösung: 0, / 66
34 Unabhängige Experimente Was heißt eigentlich unabhängige Wiederholungen eines Experiments oder auch unabhängige Teilexperimente? Vorstellung: Gesamtexperiment besteht aus n Teilexperimenten. Welche Eigenschaft müsste das Modell dieses Gesamtexperiments haben, wenn die Teilexperimente unabhängig heißen sollen? 65 / 66
35 Halbformale Definition Teilexperimente heißen unabhängig, wenn beliebige Ereignisse, die etwas über die Ausgänge verschiedener Teilexperimente aussagen, unabhängig sind. Wenn A 1 zum ersten, A 2 zum zweiten,..., A n zum n-ten von n unabhängigen Teilexperimenten gehört, dann gilt die Produktformel P(A 1 A 2... A n ) = P(A 1 ) (A 2 )... P(A n ). Genau diese Situation liegt bei Bernoulli-Ketten vor. 66 / 66
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