Das Modell des kooperativen Konfliktgesprächs Kurzdarstellung
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- Damian Kraus
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1 Institut für Wirtschaftspädagogik Dufourstrasse 40a CH-9000 St.Gallen Telefon ++41 (0) Dr. Martin Keller Das Modell des kooperativen Konfliktgesprächs Kurzdarstellung Inhaltsübersicht 1 EINLEITUNG 1 2 DIE KONFLIKTSITUATION 3 3 DIE GESPRÄCHSFÜHRUNG Eigene Selbstklärung Aufbau von Vertrauen Dialogische Lösungserarbeitung Nachhaltigkeit sichern Innere Verarbeitung 9 4 LITERATUR 11
2 1 Einleitung Konflikte sind integraler Bestandteil zwischenmenschlicher Beziehungen und gehören somit zum täglichen Leben jedes Individuums. Sie treten sowohl in privaten, wie auch in beruflichen Lebensbereichen auf. Konflikte können unterschiedliche Eskalationsstufen erreichen (von einer Verhärtung der Beziehung bis hin zur gegenseitigen Vernichtung), verschiedene Austragungsformen aufweisen (verbal vs. nonverbal oder direkt vs. indirekt) sowie einen unterschiedlichen Umfang einnehmen (z. B. Paarkonflikt vs. politischer Konflikt zwischen Nationen). Konflikte gründen in den individuell unterschiedlichen Ansprüchen, Wertvorstellungen, Interessen, Zielen und Gefühlen und sind demzufolge eine unvermeidliche Dimension des menschlichen Zusammenlebens. Trotzdem ist die allgemeine Anschauung noch immer verbreitet, wonach Konflikte destruktiv, unnatürlich und immer Ausdruck dafür sind, dass etwas ʹnicht richtig funktioniertʹ. Dies hat zur Folge, dass gegenüber Konfliktsituationen mit Ablehnung, Angst oder Vermeidungsstrategien reagiert wird, oder dass Konflikte als Kampfsituationen wahrgenommen werden, die gewonnen werden müssen. Sehr oft werden demzufolge Konflikte entweder vermieden oder durch Zwangs, Einschüchterungs, Macht und Drohstrategien zu regeln versucht. Diese und ähnliche Strategien können zwar eine offene Konfliktaustragung verhindern bzw. mildern, sie leisten allerdings kaum einen Beitrag zur konstruktiven Bearbeitung der Konfliktursachen und damit zur Konfliktlösung. Dieser negativen Anschauung steht seit den Sechzigerjahren ein anderes Konfliktverständnis gegenüber, welches sich in der Kommunikations und Konfliktforschung verbreitet hat. Nach diesem Verständnis stellen Konflikte einen natürlichen, unausweichlichen Bestandteil der menschlichen Kommunikations und Interaktionsprozesse dar (GLASL 2002). Wenn nicht unterdrückt, bilden sie fruchtbare Impulse, um die Kreativität, Flexibilität und Lebendigkeit zu fördern. Konkret fördern sie das Problembewusstsein, vertiefen zwischenmenschliche Beziehungen und stärken die Willensabsicht zur Veränderung, indem sie den oft notwendigen Druck hiefür erzeugen (BERKEL 2002). Der konstruktive Zugang zu Konflikten ermöglicht es, mit vorhandenen Unterschieden umzugehen, ein Problem aus mehreren Perspektiven zu beleuchten sowie die Qualität zwischenmenschlicher Beziehungen zu vertiefen und zu bereichern. In diesem Sinne sollen Konflikte zwar nicht vorsätzlich gesucht oder generiert, jedoch aber bewusst thematisiert und geklärt werden (KELLER 2004). 1
3 Ausgehend von diesem Verständnis erhält die Fähigkeit der Konfliktparteien zur konstruktiven und kooperativen Konfliktgesprächsführung (anstatt der Anwendung von Verdrängungs oder Droh bzw. Machtstrategien) eine wichtige Bedeutung (vgl.keller, GOMEZ et al. 2006; KELLER, WALZIK et al. 2006). Dieser konstruktive Umgang mit Konfliktsituationen wird allerdings dadurch erschwert, dass Konflikte starke Emotionen, Ängste und Zwänge auslösen können, die unsere Wahrnehmungsfähigkeit sowie unser Denk und Vorstellungsleben beeinträchtigen. Konflikte beeinträchtigen unsere Wahrnehmungsfähigkeit und unser Denk und Vorstellungsleben so sehr, dass wir im Laufe der Ereignisse die Dinge in uns und um uns herum nicht mehr richtig sehen. Es ist so, als würde sich unser Auge immer mehr trüben; unsere Sicht auf uns und die gegnerischen Menschen im Konflikt, auf die Probleme und Geschehnisse wird geschmälert, verzerrt und völlig einseitig (GLASL 1997, S. 34). Solche und ähnliche Phänomene lassen sich kaum vermeiden. Viel bedeutsamer und erstrebenswerter hingegen ist der konstruktive Umgang mit solchen Situationen. 2
4 2 Die Konfliktsituation Im Zusammenhang mit der Gestaltung der Kommunikation in Konfliktsituationen gilt es drei Zugänge zu unterscheiden (KELLER 2008, S. 89ff.): Der erste Zugang wird von der Frage geleitet, wie die Interaktion während des Konflikterlebens gestaltet werden soll. Der zweite Zugang stellt die Gesprächsführung nach dem Konflikterleben ins Zentrum der Betrachtung. Wie sollen die direkt betroffenen Konfliktparteien das Gespräch führen, nachdem der Streit stattgefunden hat? Dieser Zugang setzt voraus, dass die Parteien willens und fähig sind, direkt miteinander in Kontakt zu treten. Der dritte Zugang fokussiert auf Situationen, in welchen eine nicht betroffene aussenstehende Person die Aufgabe der Konfliktregelung übernimmt. Dazu zählen Strategien wie bspw. die (Peer) Mediation, die Prozessbegleitung, die Konfliktklärung etc. Diesen Strategien ist gemeinsam, dass deren Einsatz in Situationen sinnvoll ist, bei welchen die Parteien nicht mehr willens oder fähig sind, direkt miteinander in Kontakt zu treten. Die Klärungshilfe in beruflichen Kontexten setzt zudem keine Freiwilligkeit der Konfliktparteien voraus (THOMANN 2004, S. 65). Beim dritten Zugang steht die Frage im Zentrum, wie eine Drittpartei das Gespräch gestalten soll, nachdem ein Konflikt stattgefunden hat. Abbildung 1: Mögliche Zugänge zur Bewältigung von Konfliktsituationen (vgl. KELLER 2008, S. 91) Die drei skizzierten Zugänge stellen unterschiedliche Handlungsanforderungen an die betroffenen Personen. Dieses Paper fokussiert auf den zweiten Zugang (vgl. Abbildung 1). 3
5 3 Die Gesprächsführung Das Modell des kooperativen Konfliktgesprächs bildet den wissenschaftlichen Hintergrund des zweiten Zugangs zur Bewältigung von Konfliktsituationen. Abbildung 2: Das Modell des kooperativen Konfliktgesprächs (in Anlehnung an: KELLER 2004) Das Führen von Konfliktgesprächen durch die betroffenen Konfliktparteien beginnt und endet bei den Personen selbst. Nach einer eigenen Selbstklärung geht es um den Aufbau von Vertrauen im Sinne einer Vorbereitung auf die gemeinsame dialogische Lösungserarbeitung. Der Entscheid ist zu konsolidieren und (schriftlich) festzuhalten, damit die Nachhaltigkeit gesichert werden kann, bevor der Bearbeitungsprozess mit der inneren Verarbeitung endet. Das kooperative Konfliktgespräch erfüllt damit fünf wichtige Funktionen: Vorbereiten, informieren, argumentieren, beschliessen und nachbereiten. Die Abbildung 2 gibt einen Überblick über die einzelnen Phasen (vgl. hierzu: BENIEN 2005, S ; BERKEL 2002, S ; KELLER 2004; KELLNER 2000, S ; THOMANN & SCHULZ VON THUN 2000, S ). Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass nicht jedes Konfliktgespräch alle Phasen durchlaufen muss. Manchmal genügt eine Klärung zwischen Tür und Angel und es wird bereits nach einem kurzen Austausch eine Verständigung erreicht. Bei bedeutsamen und schwierigen Themen ist es jedoch sinnvoll, einen Wegweiser zu haben, wie man ein solches Gespräch führen kann, damit es nicht zur gegenseitigen Verstrickung im Dickicht 4
6 der Argumente eskaliert (BENIEN 2005, S ). In den nächsten Abschnitten werden die einzelnen Phasen des kooperativen Konfliktgesprächs skizziert. 3.1 Eigene Selbstklärung In einer Konfliktsituation nimmt eine Partei die Behinderung der eigenen Aktivitäten wahr, wobei sie den Grund dafür typischerweise einer anderen Partei zuschreibt (GLASL 2002, S. 15). Die beeinträchtigte Wahrnehmungsfähigkeit der Konfliktparteien reduziert die Sicht auf die Probleme und Schwierigkeiten der Gegenpartei. Das Denk und Vorstellungsleben folgt Zwängen, deren sich die betroffenen Parteien nicht hinreichend bewusst sind. Den Konfliktparteien fällt es zunehmend schwer, mit ambivalenten Gefühlen umzugehen. Die anfängliche Hin und Hergerissenenheit zwischen Verstehen und Ablehnung, Sympathie und Antipathie, Respekt und Verachtung weicht starken monovalenten Emotionen, von denen sich die Betroffenen kaum mehr lösen können. Die Polaritäten werden aufgehoben und es folgt eine starke Überempfindlichkeit gegen innen, womit die Fähigkeit der Emapthie verloren geht. Die Gefühle werden ihrem Sinn und Zweck entfremdet sie helfen den Parteien nicht mehr, zum Innenleben des andern zu finden. Ähnlich zeichnen sich auch die Veränderungen im Willen und den Absichten ab, indem die Ziele und die möglichen Wege ins Ziel starr miteinander verknüpft werden. Die Konfliktparteien wollen ausschliesslich ihre vermeintlichen Interessen in einer bestimmten Art und Weise durchzusetzen (GLASL 2002, S ). All diese Beeinträchtigungen wirken zusammen und münden in spontanen, meist unüberlegten Reaktionen in Einklang mit der Mobilisierung von Energie. Diese Energie soll helfen, die ʹHindernisseʹ zu überwinden. Im Strudel der entbrannten Emotionen, der verzerrten Realitätskonstruktion sowie der starren Verzahnung von Ziele von Mittel lässt sich ein Konflikt kaum konstruktiv angehen. Deshalb gilt es zuerst einmal, den Weg zu sich selbst wieder zu finden das eigene Selbst zu klären. Die eigene Selbstklärung dient damit der Vorbereitung für ein anstehendes Gespräch über den erlebten Konflikt. Bevor ein solches Gespräch stattfinden sollte, sind die eigenen Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Die emotionale Selbstkontrolle folgt individuell unterschiedlichen Mustern. Personen, welche eher dazu neigen, mit Wut, Aggressivität (auch verbal), Aufgebrachtheit, Groll und anderen emotional stark gefärbten Reaktionsmustern zu antworten, müssen zuerst die eigene Erregung unter Kontrolle bringen. Selten reicht ein tiefes Durchatmen. Sinnvollerweise ist der Schauplatz zu verlassen, um selbst zur Ruhe zu kommen. Menschen, welche von einem Nähebedürfnis geprägt sind, können das Erlebte mit jemandem (vor) besprechen. Andere ziehen sich in eine geborgene Atmosphäre zurück oder suchen nach Abwechslung. Es geht also darum, die Emotionen 5
7 soweit zu kontrollieren, dass mit der Emotionsäusserung nicht ständig angeeckt wird. Gleichzeitig darf die Emotion jedoch nicht zu stark unterdrückt werden, weil sonst der Sinn, welcher in jeder Emotion steckt, verloren geht (BENIEN 2005, S. 119). Damit kommt der Emotionsregulation auch die Aufgabe zu, die (negativen) Gefühle als Teil von sich anzuerkennen und damit mehr Sicherheit im Umgang mit diesen Gefühlen zu gewinnen. Die Selbstklärung beinhaltet jedoch nicht nur die emotionale Seite, sondern es geht in einem zeitlich gesehen zweiten Schritt auch darum, die erlebte Konfliktsituation zu beleuchten. Über die folgenden Leitfragen kann eine Konfliktpartei im Rahmen der eigenen Selbstklärung reflektieren: Streitgegenstand/Ursachen: Worüber haben wir uns gestritten? Weshalb haben wir uns gestritten? Was waren meiner Meinung nach die Streitgegenstände der Gegenpartei? Ziele und Absichten: Was wollte ich erreichen und was wollte meiner Meinung nach vermutlich die Gegenpartei erreichen? Gefühle: Welche Gefühle habe ich während des Streits erlebt? Woher kommen diese Gefühle? Verhalten: Welches Verhalten habe ich während des Streits gezeigt? Wo sehe ich die Gründe für mein Verhalten? Hintergründe: Weshalb könnte meiner Meinung nach die andere Partei auf diese Art und Weise reagiert haben? Welche Umstände könnten zur Konfliktsituation geführt haben? Einstellung: Welche Haltung oder Neigung verspüre ich gegenüber dieser Person? Da diese Fragen stark situationsabhängig sind, sollen diese lediglich andeuten, in welche Richtung eine Selbstklärung gehen kann. Die eigene Selbstklärung dient der Gesprächsvorbereitung und legt damit einen wesentlichen Grundstein für das erfolgreiche Führen eines Konfliktgesprächs. 3.2 Aufbau von Vertrauen Nach der Phase der Selbstklärung rücken die Beziehungen der Konfliktparteien zu ihren Streitgegenständen ins Blickfeld. Um die Gegenseite zu einer konstruktiven Konfliktbewältigung einzuladen, ist Vertrauen unerlässlich. Dieses ist jedoch in den seltensten Fällen a priori vorhanden, sondern muss durch eine offene Kommunikation aufgebaut werden. Vertrauen wird initiiert, indem eine Person ihre Betroffenheit, ihre 6
8 Hoffnungen und Befürchtungen angesichts des Konflikts offen legt. Sie unterlässt alles, was den anderen provozieren oder verletzen könnte, obwohl sie dazu in der Lage wäre. Die Schwächen des anderen dürfen nicht ausgenutzt werden, da dies einen sofortigen Vertrauensbruch zur Folge hätte und damit eine konstruktive Konfliktbearbeitung unmöglich würde. Aus primär zwei Gründen ist es wichtig, dass die Vertrauensbeziehung gefestigt wird, bevor die dialogische Lösungserarbeitung in den Mittelpunkt des Geschehens rückt: Die Streitgegenstände sind subjektiv und ohne Kenntnis der Beziehung oft nicht zu verstehen. Erst wenn eine offene, sich für den andern interessierende, vertrauensbildende Kommunikation stattfindet, können die Streitgegenstände verstanden werden. Der Aufbau von Vertrauen trägt der emotionalen und damit der fundamentalen Seite des Konflikts Rechnung. Emotionsregulation (vgl. Phase Eigene Selbstklärung ) bedeutet nicht, dass die (negativen) Gefühle nicht mehr da sind. Vielmehr gilt es diese zu identifizieren, etikettieren und zu akzeptieren (siehe hierzu auch: KELLNER 2000, S ; THOMANN 2004, S ) Der direkte (und nicht weitschweifige) Gesprächseinstieg beinhaltet in einem ersten Schritt eine Situationsklärung, welche das gegenseitige Vertrauen in die Situation und die Personen stärkt (Verständigung über die anwesenden oder nicht anwesenden Personen, mögliche Inhalte, Gründe des Gesprächs, Zweck/Ziele/Bedeutung des Gesprächs, Rahmenbedingungen des Gesprächs etc.). Der Detaillierungsgrad der Situationsklärung ist stark von der jeweiligen Situation abhängig. Die Strukturierung der Situationsklärung orientiert sich am Modell der Themenzentrierten Interaktion (siehe hierzu exemplarisch: COHN 1994; LANGMAACK 2001). Nach der Situationsklärung rücken die die Sichtweisen der anwesenden Parteien zu ihren subjektiven Konfliktgegenständen in den Mittelpunkt. Die leitende Frage hierzu lautet: In welcher Beziehung stehen die Konfliktparteien zu ihren Konfliktgegenständen? Es geht also darum, allen Anwesenden klare Selbstaussagen zu ermöglichen, ohne dabei bereits in den Dialog einzusteigen. Damit die Hauptfunktion dieser Phase (Informationen sammeln) wahrgenommen werden kann, ist auf der Prozessebene eine saubere Strukturierung und Sequenzierung des Gesprächs notwendig. Inhaltlich gilt es, einerseits die Streitthemen, Anliegen und Gefühle präzise und verständlich zu artikulieren und andererseits in einer kooperativen Haltung zuhören zu können. In dieser und insbesondere im ersten Teil der nächsten Phase ist das Aushalten der Lösungslosigkeit eine wichtige Anforderung an die 7
9 Konfliktparteien. Das gegenseitige Verhandeln und Suchen nach Lösungen ist an dieser Stelle klar zu früh (THOMANN 2004, S ). Wenn es für die jeweils vorliegende Situation ʹso einfachʹ eine nachhaltige Lösung geben würde, dann wäre ein Konflikt erst gar nicht entstanden, weil die subjektive Beeinträchtigung durch den anderen nie erlebt worden wäre. Die ersten beiden Phasen dienen der Kultivierung des Terrains, auf welchem die weiteren Phasen aufbauen können. 3.3 Dialogische Lösungserarbeitung Bevor eine Lösung erarbeitet werden kann, müssen alle Parteien die Möglichkeit gehabt haben, ihre Sichtweisen zu erzählen (siehe vorherige Phase) und ihre persönlichen Meinungen zur Situation darzulegen. Eine verfrühte Lösungssuche kann zur Vermeidung von Klarheit führen, da Hintergründe, Wurzeln, persönliche Motive und Antriebe im Unklaren bleiben. Vor der Lösungserarbeitung sollte deshalb eine dialogische Auseinandersetzung stattfinden: ʹDialogischʹ, da es zu einem Meinungsaustausch kommt, ʹAuseinandersetzungʹ, da die Meinungen unterschiedlich sind und es in einem Konflikt immer auch um Grenzen geht, die man ziehen will. Die dialogische Auseinandersetzung (Argumentationsphase) muss keinesfalls harmonisch enden. Ein klarer Dissens ist konstruktiver, als ein verschwommener Konsens! Es gilt der Grundsatz: Klarheit geht vor guten Gefühlen. Erst wenn die Gemeinsamkeiten und Unterschiedlichkeiten klar geworden sind, kann eine Lösung erarbeitet werden. Die Bereitschaft zur Lösungsfindung muss allerdings auf beiden Seiten vorhanden sein ansonsten wieder in die Phase I und II zurückgekehrt werden muss. Nur durch die gegenseitige Bereitschaft zur kooperativen Konfliktbearbeitung können die Schwierigkeiten angegangen werden. In den vorherigen Sequenz stand der ʹBlick zurückʹ im Vordergrund nun geht es bei der Lösungsformulierung darum, nach vorne zu schauen. Die Richtungsänderung fällt den Beteiligten oft schwer, denn sie wissen sehr genau, was sie nicht wollen, nicht aber, was sie wollen. Wünsche äussern bedeutet immer etwas Persönliches von sich Preis zu geben. Man riskiert, dass die eigenen Wünsche abgelehnt werden oder auf Unverständnis stossen. Diese Hemmung ist nicht zu unterschätzen. Die Wende von den Vorwürfen zu den Wünschen erfordert dementsprechend Geduld und Empathie. Ungeduld führt dazu, dass Wünsche nicht geäussert werden und diese sich später in erneuten Konflikten äussern. Nicht gehörte oder geäusserte Anliegen von heute, sind die Konflikte von morgen. 8
10 Bevor die Lösungen bewertet und in Richtung Entscheidungsfindung gearbeitet wird, ist darauf zu achten, dass alle Beteiligten Lösungsvorschläge einbringen konnten. Erst dann werden die Ideen konkretisiert, bewertet und tragbare Lösung benannt. 3.4 Nachhaltigkeit sichern Die erarbeitete Einigung muss jetzt noch fixiert werden. Jede Einigung in einem Konflikt bedarf einer gewissen Willens und Interessenanpassung. Das bewusste (ev. schriftliche) Verankern soll die Lösung stabilisieren und kein Ausdruck von Misstrauen sein. Eine verbindliche Vereinbarung hat verschiedene Vorteile: Sie entzieht sich der persönlichen Willkür und wird dadurch verlässlicher. Die Beziehung zwischen den Parteien wird von permanenten Kontrollen entlastet. In Form einer Regel wird die Lösung unpersönlicher und dadurch verbindlicher. Solche Regeln können sich auf auch den Umgang miteinander beziehen. In Form von Verhaltensnormen kann dadurch vermieden werden, dass bei der nächsten Unstimmigkeit nicht wieder ein Konflikt entsteht. In diesem Sinne haben Normen und Regeln auch präventiven und nicht nur kurativen Charakter. Häufig werden beim Festlegen von Regeln nur die inhaltlichen Aspekte des Konflikts beachtet. Der Umgang miteinander wird oft nicht thematisiert bzw. es werden keine Verhaltensnormen festgehalten. Besonders konstruktiv ist diese Beschlussphase, wenn die Konfliktparteien das Gespräch nicht als punktuelle Begebenheit sehen, sondern sich bewusst werden, dass sie mit diesem Gespräch in einen neuen Prozess einsteigen. 3.5 Innere Verarbeitung Das Gespräch zwischen den Parteien kommt mit der Festlegung der Lösung und deren Fixierung in Form einer Vereinbarung zu seinem formellen Abschluss. Wenn die Parteien wieder ungestört handeln können, kann der Konflikt als bewältigt bezeichnet werden. Der formelle Abschluss zwischen den Parteien impliziert aber noch nicht die persönliche Konfliktbewältigung. Diese emotionale Verarbeitung hinkt in der Regel zeitlich etwas nach. Je tiefer eine Person durch den Konflikt betroffen war, desto stärker schwingen die erlebten Emotionen und Gedanken nach. Wenn die Person sagen kann, dass sie nichts mehr weiter stört und mit den getroffenen Vereinbarungen, Regeln und Normen gut leben und arbeiten kann, ist der Konflikt zum Abschluss gekommen. D. h., dass sich die Anforderungen des inneren und äusseren Kohärenzsystems in einem Gleichgewicht befinden. Eine Konfliktbearbeitung endet somit dort, wo sie begonnen hat, nämlich bei 9
11 der einzelnen Person selbst. Obschon die Form dieser inneren Verarbeitung individuell verschieden ist, lassen sich mögliche Reflexionsfragen skizzieren: Weshalb ist der Konflikt entstanden? Welche Gründe und Erklärungen gibt es dafür im Nachhinein? Wie habe ich mich während des Konflikts Verhalten? Wie haben sich die anderen während des Streits verhalten? Wie habe ich mich während des Konfliktgesprächs verhalten? Wie ging es mir dabei? Wie haben sich die anderen während des Gesprächs verhalten? Wie wirkte dieses Verhalten auf mich? 10
12 4 Literatur Benien, K. (2005). Schwierige Gespräche führen. Modelle für Beratungs, Kritik und Konfliktgespräche im Berufsalltag. (3. Aufl.). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Berkel, K. (2002). Konflikttraining. Konflikte verstehen, analysieren, bewältigen. (7. Aufl.). Heidelberg: Sauer Verlag. Cohn, R. C. (1994). Von der Psychoanalyse zur themenzentrierten Interaktion. (12. Aufl.). Stuttgart: Klett Cotta. Glasl, F. (1997). Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater. (5. Aufl.). Bern: Haupt. Glasl, F. (2002). Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater. (7. Aufl. Bd. Bd. 2). Bern: Haupt. Keller, M. (2004). Konfliktsituationen gestalten (Bd. 3). St. Gallen: Institut für Wirtschaftspädagogik an der Universität St. Gallen. Keller, M. (2008). Konfliktklärung als didaktische Herausforderung. Subjektive Handlungskonzepte zur Bewältigung von Konfliktsituationen. Wiesbaden: Vs Verlag. Keller, M., Gomez, J., Bauer Klebl, A., Euler, D. & Walzik, S. (2006). KOGEF: Konfliktgespräche führen. Fragebogen zur Selbsteinschätzung. Unveröffentlichtes Manuskript, St. Gallen. Keller, M., Walzik, S., Bauer Klebl, A., Gomez, J. & Euler, D. (2006). Testmanual KOGEF. St.Gallen: Leadinghouse Sozialkompetenzen Universität St.Gallen. Kellner, H. (2000). Konflikte verstehen, verhindern, lösen. Konfliktmanagement für Führungskräfte. München: Carl Hanser. Langmaack, B. (2001). Einführung in die Themenzentrierte Interaktion TZI. Weinheim, Basel: Beltz. Thomann, C. (2004). Klärungshilfe 2. Konflikte im Beruf: Methoden und Modelle klärender Gespräche. (2. Aufl.). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Thomann, C. & Schulz Von Thun, F. (2000). Klärungshilfe 1. Handbuch für Therapeuten, Gesprächshelfer und Moderatoren in schwierigen Gesprächen. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. 11
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