Versorgung pathologischer Glücksspieler in Bayern: Möglichkeiten und Grenzen ambulanter Angebote für eine hoch belastete Klientel
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- Damian Günther
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1 Versorgung pathologischer Glücksspieler in Bayern: Möglichkeiten und Grenzen ambulanter Angebote für eine hoch belastete Klientel Forschung trifft Praxis, , München Barbara Braun 1, Monika Sassen 1, Ludwig Kraus 1, Gerhard Bühringer 1,2 1 IFT Institut für Therapieforschung, München 2 Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische Universität Dresden
2 Überblick 1. Hintergrund 2. Fragestellung und Zielsetzung 3. Methodik 4. Ergebnisse zur Klientel 5. Ergebnisse zu den Maßnahmen 6. Schlussfolgerungen
3 1 Hintergrund 1.1 Glücksspielstaatsvertrag (2008) Ziele u.a.: Prävention und Behandlung von pathologischem Glücksspielen Gewährleistung von Jugend- und Spielerschutz Aufbau eines Versorgungssystems Landesstelle Glücksspielsucht (LSG) in Bayern zur flächendeckenden Bereitstellung von Hilfsangeboten Ziel der Studie: Bestandsaufnahme ambulanter Versorgung Grundlage für Aufbau und Weiterentwicklung von Versorgungsstrukturen
4 2 Fragestellung und Zielsetzung 2.1 Ziel: Bestandsaufnahme ambulanter Versorgung Welche Glücksspieler kommen in Beratung/Behandlung? Erfassung von Klienten- und Störungsmerkmalen bei pathologischem Glücksspielverhalten Was bieten und leisten ambulante Suchthilfeeinrichtungen? Erfassung von Charakteristika der Betreuung zur Analyse der Versorgungssituation
5 3 Methodik 3.1 Studiendesign und Instrumente Verlaufsstudie mit zwei Messzeitpunkten (Anfang und Ende der Beratung) Aufnahmezeitraum: April 2009 bis August 2010 Datenschluss: März Messzeitpunkt Erstgespräch - Aufklärung und Einverständnis - Klientendokumentation / Kerndokumentation Suchthilfestatistik (z.b. Soziodemographie, Komorbidität) Berater - Klientenfragebogen (z.b. Spielverhalten, SCL-90, BDI) Klient 2. Messzeitpunkt Beratungsabschluss - Klientendokumentation (z.b. Dauer, Maßnahmen, Weitervermittlung) Berater
6 3 Methodik 3.2 Stichprobe: Daten von 45 Beratungsstellen in Bayern Einschluss (n=466) Wegen glücksspielbezogener Probleme vorstellig gewordene Klienten Einverständnis mit Studienteilnahme Klientendokumentation beider Messzeitpunkte Klientendokumentation ohne Geschlecht und Alter, n=5 Gesamtstichprobe (n=461) Auswertung: Demographie, Komorbidität, Beratungscharakteristika Aktivstichprobe (n=337) Auswertung: Spielverhalten, Psychopathologie Klientenfragebogen nicht vorhanden oder mehr als 50% Missings, n=124
7 4.1 Demographie 4 Ergebnisse zur Klientel Klientel Männlich: n=414; 88,8% Ledig: 45,6% Kinderlos: 56,2% Durchschnittsalter (Beratungsbeginn): 35,8 Jahre (SD = 11,5) Staatsangehörigkeit Deutsch: 81,2% Türkisch: 6,7% Andere: 12,2%
8 4.2 Spielverhalten I 4 Ergebnisse zur Klientel Versorgungsstudie Bevölkerung (Sassen et al., 2011; Bühringer et al., 2007) 12-Monats- Prävalenz Geldspielautomaten (89,2%) Lotto (75,8%) Geldspielautomaten (2,6%) Lotto (36%) Präferenz Geldspielautomaten (74,4%) Lotto (1,4%) Geldspielautomaten (2,4%) Lotto (59,7%) Extreme Abweichung von Daten aus der Allgemeinbevölkerung
9 4 Ergebnisse zur Klientel 4.3 Spielverhalten II Spielen pro Woche: 83,7% ein- bis mehrmals Mehrfachspiel: 78,8% zwei oder mehr Spiele Spieltage pro Monat: 13,7 Tage (SD=8,4) Spieldauer an typischem Spieltag: 4,4 Stunden (SD=3,0) Etwa 60 Stunden Spielen pro Monat Vorsicht: retrospektive Selbstauskünfte (Erinnerungslücken, soziale Erwünschtheit)
10 4 Ergebnisse zur Klientel 4.4 Pathologisches Glücksspielen (PG) Diagnose: 93,2% ( 5 Kriterien nach DSM-IV) Erfüllte Kriterien (%) 10 9,2 9 28,2 Am häufigsten 8 oder 9 Kriterien ,6 14,8 23,7 5 5,6 4 3, ,5 0,6 0,6 0,3
11 4 Ergebnisse zur Klientel 4.5 Negative Folgen aus Sicht der Klienten Häufige Nennungen: finanzielle Probleme: 39,5% Glücksspielbezogene Schulden: Euro (SD=48.601, Median=10.000) Depressionen: 19,7% Trennung vom Partner: 10,8% Keine negativen Folgen: 2,7%
12 4 Ergebnisse zur Klientel 4.6 Psychische Belastung: SCL-90 Psychische Belastung (T-Wert GSI > 60): bei 50,5% (stark) überdurchschnittlich 1,4 Skalenwerte Ähnlichkeit zu stationärer Stichprobe 1,2 1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 1,2 1,0 0,9 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,5 0,4 0,4 0,7 0,6 0,6 0,4 0,3 0,4 0,3 0,2 0,8 0,5 0,6 0,2 0,8 0,7 0,4 (Premper & Schulz, 2008) Höhere Ausprägung als Norm (Franke, 2002) 0,0 Somatisierung Zwanghaftigkeit Unsicherheit Sozialkontakt Depressivität Ängstlichkeit Aggressivität Phobische Angst Paranoides Denken Psychotizismus GSI Versorgungsstudie Stationäre Spieler Eichstichprobe
13 4 Ergebnisse zur Klientel 4.7 Komorbidität: Depression Affektive Störungen (F32.x, F33.x) diagnostiziert: 4,1% 60 Mittelschwere bis schwere depressive Symptome (BDI-Wert: 20-63): 47,4% % 30 47,4 49,6 Depression bei PG in der Bevölkerung: 49,5% (USA; Petry, Stinson & Grant, 2005) ,1 Diagnose BDI PG+Depression Versorgungsstudie US-Bevölkerung
14 4 Ergebnisse zur Klientel 4.8 Komorbidität: Substanzstörungen Substanzabhängigkeit Versorgungsstudie Komorbidität bei PG < US-Bevölkerung (Petry, Stinson & Grant, 2005) Tabak Alkohol Cannabis 44,7% 3,9% 1,7% 60,4% 47,8% 11,2% (irgendeine Substanz)
15 4 Ergebnisse zur Klientel 4.9 Zusammenfassung Soziodemographie = bekannte (korrelative) Risikofaktoren (Johansson et al., 2009) Spielverhalten: Primär Spieler an Geldspielautomaten Hohe Spielfrequenz Psychopathologisch hoch belastete Klientel Pathologisches Glücksspielen Schulden Hohe psychische Belastung Ausprägung psychischer Symptome ähnlich wie bei stationären Spielern Häufig mittelschwere/schwere depressive Symptome Hoher Anteil komorbider Störungen (wahrscheinlich unterdiagnostiziert) Große Herausforderung für ambulante Suchthilfeeinrichtungen
16 5 Ergebnisse zu den Maßnahmen 5.1 Beratungscharakteristika I 9 Kontakte (Sd=11,8) Bei 50% der Klienten 5 Kontakte ,5 Höchste Kontaktzahl: % ,3 26,0 14,5 10 7, >25 Kontakthäufigkeit
17 5 Ergebnisse zu den Maßnahmen 5.2 Beratungscharakteristika II Frühere Kontakte (letztes Jahr) Beratung/Behandlung: 70,0% Selbsthilfegruppe: 17,8% Schuldnerberatung: 10,0% Vorzeitige Beendigung: 70,2% Planmäßige Beendigung: 29,8% Davon Weitervermittlung: 77,4% (insgesamt: 22,6%) Selbsthilfegruppe: 41,3% Stationäre Reha: 32,7% Schuldnerberatung: 18,3%
18 5 Ergebnisse zu den Maßnahmen 5.3 Beratungscharakteristika III Gründe für Kontaktaufnahme: Finanzielle Probleme 78,7% Freizeitgestaltung 58,6% Partnerschaft 53,5% Privates Umfeld 50,2% Vermittlungswege Selbstmelder: 37,5% aufmerksam durch Internet: 20,8% oder Angehörige: 15,9% Familie: 19,1% Nie Spielbank/Spielhalle!
19 6 Schlussfolgerungen 6.1 Klientenbezogene Aspekte Diskrepanz zwischen hoch belasteter Klientel und kurzer Beratungsdauer Klienten Glücksspielen: pathologisch Schwerwiegende Folgen Psychisch hoch belastet Beratung Meist schon vorherige Beratung/Betreuung Wenige Kontakte Wenig Weitervermittlung, viele Abbrüche Mögliche Hintergründe Längere Erkrankungsdauer, schweres Störungsbild Vorstellung in Krisensituationen (Evans & Delfabbro, 2005) Vermittlung in längerfristige weiterführende Behandlung schwierig Motivationsaufbau zentraler Bestandteil der Betreuung
20 6 Schlussfolgerungen 6.2 Strukturelle Aspekte Klientel ähnlich belastet wie stationär (Vorgaben Rentenversicherer: schwerere Fälle stationär) Häufig zu kurze Betreuungsdauer für ausführliche Diagnostik Ziel der Frühintervention noch nicht erreicht Vermittlung: derzeit v. a. über Familie und Internet Ausbaufähig: Glücksspielanbieter, andere Suchthilfeeinrichtungen Notwendigkeit einer engen Kooperation mit Schuldnerberatung
21 6 Schlussfolgerungen 6.3 Organisationale Aspekte Frage nach Möglichkeiten des Ausbaus und der Weiterentwicklung ambulanter Versorgungsstrukturen Aufgaben der Beratungsstellen gehen von kurzen Kontakten zur Krisenintervention über Case-Management -Aufgaben bis hin zur langfristigen Betreuung Vielfältige Kompetenzen, Strukturen und Netzwerke notwendig Kann bzw. muss jede Beratungsstelle ein derart vielschichtiges Angebot bereitstellen?
22 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Kontakt:
23 Literatur Bühringer, G., Kraus, L., Sonntag, D., Pfeiffer-Gerschel, T. & Steiner, S. (2007). Pathologisches Glücksspiel in Deutschland: Spiel- und Bevölkerungsrisiken. Sucht, 53 (5), Evans, L. & Delfabbro, P. H. (2005). Motivators for change and barriers to help-seeking in Australian problem gamblers. Journal of Gambling Studies, 21 (2), Franke, G. H. (2002). SCL-90-R. Die Symptom-Checkliste von Derogatis. Deutsche Version. Manual. Göttingen: Beltz Test. Johansson, A., Grant, J. E., Kim, S. W., Odlaug, B. L. & Götestam, K. G. (2009). Risk Factors for Problematic Gambling: A Critical Literature Review. Journal of Gambling Studies, 25, Petry, N. M., Stinson, F. S. & Grant, B. F. (2005). Comorbidity of DSM-IV pathological gambling and other psychiatric disorders: results from the National Epidemiologic Survey on Alcohol and Related Conditions. Journal of Clinical Psychiatry, 66 (5), Premper, V. & Schulz, W. (2008). Komorbidität bei Pathologischem Glücksspiel. Sucht, 54 (3), Sassen, M., Kraus, L., Bühringer, G., Pabst, A., Piontek, D. & Taqi, Z. (2011). Gambling among adults in Germany: Prevalence, disorder and risk factors. Sucht, 57 (4), 1-9.
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