1010 Wien, Doblhoffgasse 3/5 +43(1) Fax ZVR-Zahl

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1 HAUPTVERBAND DER GERICHTSSACHVERSTÄNDIGEN 1010 Wien, Doblhoffgasse 3/5 +43(1) Fax ZVR-Zahl Prüfungsstandards für die Zertifizierungsprüfung nach 4a SDG Fachgruppe/Fachgebiet: Orientteppiche, handgeknüpfte Teppiche, Tapisserien Fassung: Februar 2011 (rechtliche Adaptierungen und Ergänzungen Pkt 5.2. Literatur im März 2017) Die in diesen Standards verwendeten personenbezogenen Ausdrücke umfassen Frauen und Männer gleichermaßen. 1. Allgemeines Das Sachverständigen- und Dolmetschergesetz idgf (zu finden unter sieht ein gerichtliches Zertifizierungsverfahren vor, in dem die Eignung jener Personen geprüft wird, die sich in die gerichtliche Sachverständigenliste eintragen lassen und dort verbleiben wollen. In einem eigenen Begutachtungsverfahren, das von den Präsidenten der Landesgerichte geführt wird, werden die in den 2, 2a SDG angeführten materiellen Eintragungsvoraussetzungen überprüft. Neben den in der Person des Bewerbers allgemein erforderlichen Voraussetzungen (Geschäftsfähigkeit, persönliche Eignung, Vertrauenswürdigkeit, österreichische Staatsbürgerschaft oder Staatsangehörigkeit eines EWR-Staates oder der Schweiz, gewöhnlicher Aufenthalt oder Ort der beruflichen Tätigkeit im Sprengel des Landesgerichts, bei dessen Präsidenten die Aufnahme beantragt wird, geordnete wirtschaftliche Verhältnisse) werden folgende fachliche Voraussetzungen gefordert: Sachkunde Verfahrensrechtskunde (Kenntnis der wichtigsten Vorschriften des Verfahrensrechts und über das Sachverständigenwesen) Gestaltung der Befundaufnahme und Aufbau eines schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens auf dem betreffenden Fachgebiet (Gutachtensmethodik) Berufserfahrung in der vom Gesetz geforderten Art und Dauer Ausstattung mit der erforderlichen Ausrüstung für die konkrete Gutachterarbeit im betreffenden Fachgebiet

2 Weiters ist vor Eintragung in die Liste auch der Abschluss einer Haftpflichtversicherung nachzuweisen. Über das Vorliegen der genannten fachlichen Voraussetzungen holt der entscheidende Präsident eine begründete Stellungnahme einer unabhängigen Kommission nach 4a SDG ein (Zertifizierungskommission). Dieser Kommission gehören ein Richter als Vorsitzender und zwei Fachleute, die von der Kammer oder gesetzlichen Interessensvertretung, zu der das betreffende Fachgebiet gehört und vom Hauptverband der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen Österreichs namhaft gemacht wurden, an. Die Kommission hat den Bewerber mündlich, allenfalls auch schriftlich zu prüfen. Die Kommission hat die Prüfungsschritte zu dokumentieren und eine begründete Stellungnahme zu erstatten. Um eine faire und transparente Abwicklung der Prüfung zu gewährleisten und den Bewerberinnen und Bewerbern eine effiziente Vorbereitung auf die Prüfung durch die Kommission zu ermöglichen, wurden diese Prüfungsstandards geschaffen, die einen Überblick über die erwarteten Kenntnisse und Fähigkeiten und über die Prüfungsmodalitäten geben. 2. Voraussetzungen allgemein Das Fachgebiet umfasst alle Arten handgefertigter Teppiche von der Flachwebe (Kelim) bis zum Knüpfer sowie die Tapisserien. Der Bogen der Ursprungsländer spannt sich von den traditionellen orientalischen Knüpfgebieten wie z.b. Türkei, Iran, Kaukasus, Afghanistan und China, den jüngeren orientalischen Knüpfgebieten mit sehr hohen Produktmengen wie z.b. Indien, Pakistan und Nepal, über die teppichproduzierenden nordafrikanischen Länder wie z.b. Ägypten, Tunesien und Marokko bis zu Rumänien, Bulgarien, Albanien etc. in Europa. Das Fachwissen eines in diesem Fachgebiet eingetragenen Sachverständigen muss daher sämtliche Ursprungsländer abdecken. Das gilt grundsätzlich auch für alle Alterskategorien vom neuen bis zum antiken Teppich. Eine Beschränkung des sachlichen Wirkungsbereiches auf bestimmte Ursprungsländer oder Alterskategorien wie z.b. Persische Handknüpfer, Neue Teppiche ab 1980 oder Antike Orientteppiche sollte vermieden werden, weil Herkunftsland und Alter vor der Auftragserteilung nicht feststehen, sondern erst aufgrund der Befundaufnahme durch den Sachverständigen bestimmt werden können. Eine weitere Unterteilung des gegenständlichen Fachgebietes brächte daher zwangsläufig bereits Auswahlprobleme hinsichtlich des zu bestellenden Sachverständigen mit sich.

3 3. Prüfungsfelder 3.1. Berufserfahrung Zehnjährige, möglichst berufliche Tätigkeit in verantwortlicher Stellung auf dem bestimmten oder einem verwandten Fachgebiet unmittelbar vor der Eintragung; eine fünfjährige Tätigkeit solcher Art genügt, wenn die Bewerberin oder der Bewerber als Berufsvorbildung ein entsprechendes Hochschulstudium oder Studium an einer berufsbildenden höheren Schule erfolgreich abgeschlossen hat Sachkunde Hat eine Bewerberin oder ein Bewerber eine Lehrbefugnis für das betreffende wissenschaftliche Fach an einer Hochschule eines EWR-Vertragsstaats oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft oder die Befugnis, einen Beruf auszuüben, dessen Zugangs- und Ausübungsvoraussetzungen in einer österreichischen Berufsordnung umfassend gesetzlich festgelegt sind und zu dem auch die Erstattung von Gutachten gehört, so ist die Sachkunde nach 2 Abs. 2 Z1 lit. a nicht zu prüfen ( 4a Abs 2 SDG). Ebenso wie im Fall einer Lehrbefugnis besteht die Ausnahme für bestimmte Berufsgruppen (Ärzte, Zahnärzte, Dentisten, Ziviltechniker, Wirtschaftstreuhänder, in die Berufsliste eingetragene klinische und Gesundheitspsychologen sowie Patentanwälte, nicht aber Gewerbetreibende wie Inhaber technischer Büros) nur dann, wenn die erworbene Befähigung das angestrebte Fachgebiet abdeckt. Keine Befreiung besteht hinsichtlich der übrigen Prüfungsgegenstände Verfahrensrechtskunde, Gutachtensmethodik, Berufserfahrung und Ausstattung. Anders als bei vielen Berufsgruppen gibt es im Orientteppichhandel keine spezifische Berufsausbildung. Nur vereinzelt kommen die im Orientteppichhandel Tätigen aus der Einrichtungsbranche und haben eine kaufmännische Grundausbildung. Der überwiegende Teil kommt aus völlig anderen Branchen, etwa Tapezierer, Bodenverleger, Möbelverkäufer oder Besitzer eines kleinen Teppichgeschäftes. Das Fachwissen wird meist firmenintern von länger dienenden Mitarbeitern weitergegeben und reicht üblicherweise gerade zum Verkauf des jeweils angebotenen eigenen Warensortiments. Hohes Fachwissen ist daher mangels berufsspezifischer Ausbildung nur über langjähriges, intensives Selbststudium aller Bereiche des Orientteppichs zu erlangen. Dazu gehört auch eine regelmäßige Beobachtung des Marktes und der marktüblichen Preise. Als Beispiele für eine Tätigkeit in verantwortlicher Stellung im vorstehenden Sinn können genannt werden: Eigentümer oder Geschäftsführer eines Orientteppich-Fachgeschäftes Abteilungsleiter der Orientteppichabteilung eines Einrichtungshauses Leitender Mitarbeiter in einschlägigem Großhandelsunternehmen

4 3.3. Befundaufnahme und Gutachtensmethodik Eine umfassende und exakte Befundaufnahme gehört zu den wesentlichen Voraussetzungen für ein Gutachten. Dabei können Bilder, Skizzen, Pläne etc. mithelfen, das Gutachten auch für Laien verständlich und anschaulich zu machen. Für die Sachverständigentätigkeit muss man über die entsprechenden Kenntnisse hinsichtlich Befundaufnahme und Gutachtensmethodik verfügen und in der Lage sein, das Gutachten richtig aufzubauen. Für die Zertifizierungsprüfung sind insbesondere folgende Themen von Relevanz: Geschichtliches über den handgeknüpften Orientteppich Traditionelle und neue Knüpfgebiete in Asien, Nordafrika und Europa Alle Alterskategorien vom neuen Manufakturprodukt bis zur musealen Kostbarkeit vergangener Jahrhunderte Herstellung eines handgeknüpften oder handgewirkten Orientteppichs mit den einzelnen Produktionsschritten von der Schur des Schafes bis zur Wäsche des fertig geknüpften Teppichs Synthetische Farben/Naturfarben die unterscheidenden Merkmale eines Orientteppichs Bewertung eines Orientteppichs unter Berücksichtigung seines Alters und Erhaltungszustandes auf den verschiedenen Handelsstufen; alle Bewertungsebenen vom Einzelhandelsverkaufspreis eines neuen Teppichs bei einem Orientteppich-Fachhändler bis zum tatsächlich erzielbaren Veräußerungserlös eines alten, gebrauchten, teilweise abgetretenen Stückes aus einer Verlassenschaft Schadensermittlung nach Beschädigung Sanierungsmethoden/Sanierungskosten Strukturanalyse 3.4. Ausstattung Nachfolgende Mindestausstattung ist erforderlich (diese muss im Eigentum des Bewerbers stehen oder zumindest aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung jederzeit verfügbar sein): Personal Computer mit erforderlicher Software Internetanschluss und -Adresse Drucker Telefon Fotokopiergerät oder -möglichkeit Fachliteratur Weiters sinnvoll: Auktionsergebnisse Kaltlichtlampe

5 3.5. Verfahrensrecht und Sachverständigenwesen Dieses Prüfungsfeld wird durch den richterlichen Vorsitzenden geprüft und umfasst Grundzüge der Gerichtsorganisation und der Gerichtsverfahren (ZPO, StPO): Beweisverfahren Sachverständigenbeweis Sachverständigengebühren - Warnpflicht - Besonderheiten bei Verfahrenshilfe Aktenführung Sachverständigenlistenwesen (Zertifizierung, Rezertifizierung - Fortbildung von Sachverständigen, Bildungs-Pass, Beeidigung) sonstiges Sachverständigenrecht: Gutachtensaufbau Was ist zu tun bei Zustellung des Gerichtsbeschlusses? Analyse des Gerichtsauftrags Befangenheit Unterlagenanforderung (insbesondere auch im Zivilverfahren) Alternativgutachten Hilfsbefund - Hilfsgutachten Hausdurchsuchungen Rechte und Pflichten des Sachverständigen in der Hauptverhandlung Beiziehung von Hilfskräften Beweissicherungsverfahren Eigenschaften eines Gutachtens (Schlüssigkeit, Nachvollziehbarkeit, Verständlichkeit, Angaben über Methoden und Hilfsmittel, Vollständigkeit der Untersuchung, Fehlerquellen angeben) Fristeinhaltung Beweiswürdigung Beurteilung von Rechtsfragen Schiedswesen Werbefragen Haftung des Sachverständigen - Haftpflichtversicherung Rechtskunde für Sachverständige: Grundbegriffe des bürgerlichen Rechts, des Unternehmens- und Gesellschaftsrechts sowie des Strafrechts 4. Prüfungsablauf 4.1. Ort Der Ort, an dem die Prüfung stattfindet, wird rechtzeitig (in der Regel mit der Einladung zur Prüfung) bekannt gegeben. Die Prüfung ist nicht öffentlich.

6 4.2. Art Die Prüfung erfolgt mündlich und schriftlich. Zunächst muss der Bewerber für etwa 20 ihm vorgelegte Teppiche unterschiedlichen Ursprungs, Alters und Erhaltungszustandes die Bezeichnung, das Ursprungsland, das Alter und den marktüblichen Einzelhandelsverkaufspreis nennen. Danach hat er ein schriftliches Gutachten über einen vorliegenden (wertvollen) Teppich, der durch ein nicht näher bezeichnetes Schadensereignis verschmutzt und beschädigt wurde, zu erstatten. Es sind Wiederbeschaffungswert und Wertminderung zu ermitteln sowie eine Kalkulation über Wäsche und Reparatur auszuarbeiten. Mit weiteren Fragen aus unterschiedlichen Themenbereichen kann das Prüfungsergebnis abgerundet werden. Nach Beendigung der Befragung und einer anschließenden kommissionellen Beratung wird dem Bewerber das Ergebnis der begründeten Stellungnahme durch den Vorsitzenden bekannt gegeben Dauer Da keine spezifische Ausbildung existiert (siehe bereits oben Punkt 3.1.) ist der Zeitaufwand für die fachliche Befragung sicher größer als in anderen Berufsgruppen. Für das schriftliche Gutachten wird eine Zeit von ca. einer Stunde vorgegeben. Insgesamt ist für die Prüfung eine Dauer von rund 3 ½ Stunden vorgesehen, darin auch die Rechtsbefragung durch den Vorsitzenden (min. 20 Minuten) Dokumentation Sämtliche Prüfungsschritte sind zu dokumentieren. Der Ablauf der Prüfung wird in einem Protokoll festgehalten, aus dem insbesondere auch die gestellten Fragen und der wesentliche Inhalt der darauf gegebenen Antworten ersichtlich sind. Das Protokoll ist von den Mitgliedern der Prüfungskommission zu unterschreiben. 5. Vorbereitung 5.1. Fachbezogene Literatur, Seminare u.ä. Für neue Ware kann lediglich auf Kataloge des Einzel- oder Großhandels verwiesen werden. Folgende Literatur hinsichtlich alter, semiantiker und antiker Teppiche kann (lediglich beispielhaft) empfohlen werden: Julius Orendi, Das Gesamtwissen über antike und neue Teppiche des Orients, Eigenverlag des Verfassers 1930

7 Ulrich Schürmann, Teppiche aus dem Kaukasus, 1964 Ulrich Schürmann, Zentralasiatische Teppiche, 1969 Ulrich Schürmann, Teppiche aus dem Orient, 1976 J. Iten-Maritz, Enzyklopädie des Orientteppichs, Verlag Busse Herford 1977 Kurt Erdmann, Siebenhundert Jahre Orientteppiche, Verlag Busse 1966 J. G. Lettenmair, Das große Orientteppich Buch, Verlag Welsermühl P. R. J. Ford, Der Orientteppich und seine Muster, Verlag Busse 1982 Battenberg Antiquitäten-Kataloge, Orientteppiche, Bände 1-6 Werner Loges, Turkmenische Teppiche, Verlag Bruckmann München 1978 Siawosch Ulrich Azadi, Wie Blumen in der Wüste, 7. ICOC 1993, Verlag Paul Hartung Hamburg Valentina Georgifewna Moschkowa, Teppiche der Völker Mittelasiens, Schletzer Berlin 1998 Schlamminger/Wilson, Persische Bildteppiche, Callwey 1980 E. Gans-Ruedin, Der persische Teppich, Prestel 1978 E. Gans-Ruedin, Der indische Teppich, Verlag Busse 1984 Lorentz, Chinesische Teppiche 17. bis 20. Jahrhundert, Callwey 1975 W. Brüggemann/H. Böhmer, Teppiche der Bauern und Nomaden in Anatolien, Verlag Kunst & Antiquitäten München 1982 Yanni Petsopoulos, Der Kelim, Prestel 1980 M. Messaoudi / W. Stanzer, Marokkanische Teppiche, ICOC 1997 TKF Publikationen Österreichische Händler-Publikationen: Adil Besim, Helmut Reinisch, Franz Sailer etc. Deutsche Händler-Publikationen: Eberhard Hermann, Peter Bausback etc. Orientteppich-Zeitschriften wie HALI, Heimtex, Der Orientteppich etc. Seminare u.dgl.: Die Österreichische Gesellschaft für Textilkunstforschung (TKF) organisiert regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen. Das aktuelle Programm kann direkt bei der TKF angefordert werden. Empfohlen wird der Besuch von Seminaren der Firma Adil Besim, der Besuch der Ursprungsländer und deren Produktionsstätten sowie weiters der Besuch von Orientteppichmessen, speziell der DOMOTEX Hannover und der Messe Teheran, wo vor allem das Fachwissen hinsichtlich neuer Produkte und aktueller Preise (insbesondere Großhandelsabgabepreise) erweitert werden kann. Außerdem ist die Teilnahme an der International Conference on Oriental Carpets (ICOC) angeraten Vorbereitung auf Verfahrensrecht und Sachverständigenwesen Die Landesverbände bieten jeweils eine rechtliche Grundausbildung für Sachverständige an.

8 Folgende Literatur ist zu empfehlen: SACHVERSTÄNDIGE, Offizielles Organ des Hauptverbandes der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen Österreichs Skripten (rechtliche Grundausbildung für SV) der Landesverbände - nur in Verbindung mit dem Besuch des Seminars erhältlich Krammer/Schiller/Schmidt/Tanczos, Sachverständige und ihre Gutachten 2 (2015), Verlag MANZ Dokalik/Weber, Das Recht der Sachverständigen und Dolmetscher 3 (2014), Verlag Linde Rant (Hrsg.), Sachverständige in Österreich - Festschrift 100 Jahre Hauptverband der Gerichtssachverständigen (2012) - zu beziehen über den Hauptverband Krammer/Schmidt, Sachverständigen- und DolmetscherG, GebührenanspruchsG³ (2001), Verlag MANZ P. Bydlinski, Grundzüge des Privatrechts 9 (2014), Verlag MANZ Rechberger/Simotta, Grundriss des österreichischen Zivilprozessrechts Erkenntnisverfahren 8 (2010), Verlag MANZ Fabrizy, Strafgesetzbuch StGB 12 (2016), Verlag MANZ Bertel/Venier, Strafprozessrecht 10 (2017), Verlag MANZ